Baurecht

Unternehmer oder sonstiger Inhaber einer Wasserversorgungsanlage

Aktenzeichen  RN 5 K 19.1819

Datum:
26.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21550
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 37, § 38, § 39
BayVwVfG Art. 3 Abs. 1 Nr. 1
TrinkwV § 20 Abs. 1 Nr. 1
VwZVG Art. 29, Art. 30, Art. 31, Art. 36
BGB § 133, § 157
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, § 154 Abs. 1 S. 1, § 155 Abs. 2
RDGEG § 3, 5
ZPO § 708 f.

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes D. vom 5.9.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Die Anordnung der Durchführung wöchentlicher Trinkwasseruntersuchungen in Ziffer 1 des Bescheides vom 5.9.2019 ist rechtmäßig.
a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Landratsamt D. ist gem. § 65 S. 1 ZustV, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständig.
b) Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 TrinkwV sind erfüllt.
(1) Es liegt eine Sachlage vor, die es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich macht, dass zum Schutz der menschlichen Gesundheit und zur Sicherstellung der einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers wöchentlich mikrobielle Untersuchungen durchgeführt werden.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 TrinkwV kann das Gesundheitsamt, wenn es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung einer einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers erforderlich ist, anordnen, dass der Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage die zu untersuchenden Proben von einer bestimmten Untersuchungsstelle an bestimmten Probennahmestellen nach bestimmten technischen Vorgaben zur Durchführung und zu bestimmten Zeiten entnehmen zu lassen hat.
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 5.9.2019 verpflichtet, wöchentliche Trinkwasseruntersuchungen der Parameter Escherichia coli, Coliforme Bakterien, Enterokokken, Koloniezahl bei 36°C und bei 22°C, Geruch als TON und Trübung FNU durchführen zu lassen.
In der streitgegenständlichen Anlage wurden zwischen 2010 und 2019 wiederholt und über mehrere Jahre Überschreitungen der zulässigen mikrobiologischen Grenzwerte festgestellt, deren Untersuchung mit dem Bescheid angeordnet wurde. Auch wurden zwischen 2010 und 2017 erhöhte Trübungswerte gemessen. Maßnahmen zur zukünftigen und dauerhaften Sicherstellung einer einwandfreien mikrobiologischen Wasserqualität wurden – trotz entsprechender Anordnung mittels Bescheid – nicht vorgelegt. Es ist daher aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht gewährleistet, dass ohne regelmäßige Kontrollen in kurzen Abständen die Trinkwasserqualität gesichert ist.
(2) Der Kläger ist sonstiger Inhaber der Wasserversorgungsanlage im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 TrinkwV. Adressat der Maßnahme nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 TrinkwV ist der Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage.
Die Begriffe des Unternehmers und sonstigen Inhabers werden in der TrinkwV nicht definiert. Bei ihrer Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die TrinkwV auf Grundlage des IfSG erlassen wurde und – so wie dieses – dem Gefahrenabwehrrecht zuzurechnen ist (Gerhard, Trinkwasserverordnung, 2019, Vor § 3 Rn. 22). Unternehmer und sonstiger Inhaber beschreiben in der Trinkwasserverordnung den nach ihren Vorschriften Verantwortlichen für die Wasserversorgungsanlagen und damit zugleich den auch ordnungsrechtlich Verantwortlichen. Dadurch soll der verantwortliche Betreiber bestimmt und eine effektive Gefahrenabwehr im Sinne der Trinkwasserverordnung ermöglicht werden (OVG Münster, B. v. 25.6.2015 – 13 B 452/15, NJW 2015, 3528, Rn. 6). Unternehmer und sonstige Inhaber haben sicherzustellen, dass die Pflichten, die sich aus der TrinkwV ergeben, eingehalten werden und sind deshalb bei Störungen auch mögliche Adressaten von behördlichen Maßnahmen (Gerhard, Trinkwasserverordnung, 2019, Vor § 3 Rn. 22).
Die Begriffe „Unternehmer und sonstiger Inhaber“ sind nach dem Zweck der Regelungen (vgl. § 1 TrinkwV, § 37 IfSG) weit auszulegen. Der Wortlaut der maßgeblichen Regelungen führt nicht zu einem notwendigerweise eingeschränkten Verständnis des Kreises der Ordnungspflichtigen, etwa zu einer Beschränkung auf den Inhaber der tatsächlichen Sachgewalt beziehungsweise den vor Ort befindlichen Nutzungsberechtigten. Auf das Eigentum an der Wasserversorgungsanlage kommt es nach der Wortwahl nicht entscheidend an, maßgeblich ist vielmehr der rechtliche und tatsächliche Zugriff auf die Wasserversorgungsanlage, der die Entscheidung über die Verwendung des aus der Anlage stammenden Wassers oder die Möglichkeit der erforderlichen Überwachung eröffnet. Die Inanspruchnahme des Eigentümers wird aber durch die vom Verordnungsgeber gewählte Formulierung nicht ausgeschlossen. Etwa in Situationen eines Pacht- oder Mietverhältnisses mit entsprechenden Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflichten des Vermieters kann es geboten sein, die letztgenannten als Ordnungspflichtige heranzuziehen (VG Cottbus, B. v. 11.9.2017 – 3 L 456/17, juris, Rn. 7).
Der Kläger ist demzufolge jedenfalls auch sonstiger Inhaber der Wasserversorgungsanlage R.
(a) Der Kläger ist Eigentümer der gefassten Quellen und der Wasserversorgungsanlage. Die Wasserversorgungsanlage befindet sich auf dem Grundstück des Klägers. Die Wasserversorgungsanlage ist damit gemäß § 94 Abs. 1 BGB wesentlicher Bestandteil dieses Grundstücks und befindet sich nach § 946 BGB im Eigentum des Klägers.
(b) Durch die Bestellung der Dienstbarkeit und den Abschluss der schuldrechtlichen Vereinbarung wurde dem Kläger die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Wasserversorgungsanlage nicht entzogen.
Gemäß § 1018 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt.
Der Inhalt der Grunddienstbarkeit und ihr Umfang sind durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich aus dem Grundbuch selbst und aus der etwa in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegender Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände, die außerhalb dieser Urkunden liegen, dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, B. v. 6.11.2014 – V ZB 131/13, NJW-RR 2015, 208, Rn. 10 m. w. N.; OLG Saarbrücken, U. v. 25.7.2018 – 1 U 121/17, BeckRS 2018, 17919, Rn. 50).
Die Eintragung im Grundbuch besagt, dass die Eigentümer der herrschenden Grundstücke nach der Bewilligung vom 28.1.2000 ein Quellwasserbezugsrecht, ein Quellwasserableitungsrecht und ein Trinkwasserversorgungsanlagenrecht erhalten.
Die Eintragungsbewilligung in der notariellen Urkunde vom 28.1.2000 besagt, dass die jeweiligen Eigentümer der herrschenden Grundstücke berechtigt sind,
1.das Wasser aus dem im dienenden Grundstück Flst. Nr. … vorhandenen, bereits gefassten Quellen zu beziehen und abzuleiten,
2.die im dienenden Grundstück bereits vorhandene Trinkwasserversorgungsanlage zu belassen, zu betreiben und zu unterhalten und
3.im dienenden Grundstück alle zur Reparatur, Unterhaltung, Überwachung und Erneuerung der vorgenannten Anlagen erforderlichen Maßnahmen, insbesondere Aufgrabungsarbeiten durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, wobei nach Durchführung jener Arbeiten unverzüglich der frühere Zustand der Erdoberfläche wiederherzustellen ist.
Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat außerdem alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Beeinträchtigung des Quellwassers gefährden oder beeinträchtigen könnten.
Nach Auslegung der Eintragungsbewilligung in der notariellen Urkunde vom 28.1.2000 hat diese den Inhalt, dass die Grunddienstbarkeit die Eigentümer der herrschenden Grundstücke zum Bezug und zur Ableitung des Wassers, zum Belassen, Betrieb und Unterhalt der Trinkwasserversorgungsanlage und zur Durchführung von Maßnahmen, die zur Reparatur, Unterhaltung, Überwachung und Erneuerung der Anlage erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die Durchführung von Aufgrabungsarbeiten berechtigt.
Demnach sind aufgrund der Grunddienstbarkeit zwar einzelne Rechte des Klägers ausgeschlossen, die sich aus seinem Eigentum an dem Grundstück und der Trinkwasseranlage ergeben. Insbesondere kann der Kläger die Trinkwasseranlage nicht aus seinem Grundstück entfernen und hat erforderliche Maßnahmen durch die Eigentümer der herrschenden Grundstücke zu dulden. Nach Auslegung der Bewilligung der Grunddienstbarkeit und der Eintragung im Grundbuch nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Besitz des Klägers an der Wasserversorgungsanlage ausgeschlossen sein soll, beziehungsweise dass die Eigentümer der herrschenden Grundstücke unmittelbare Besitzer der Anlage sind. Die Berechtigung des Klägers, jenseits der Entfernung oder der Verhinderung des Betriebs der Wasserversorgungsanlage diese einzuwirken, wird nicht beschränkt. Der Kläger kann insbesondere Wartungsarbeiten auch selbst durchführen.
(c) Auch unter Zugrundelegung der Definition des BGH, dass es für die Stellung des Inhabers einer Anlage nicht auf die Eigentümerstellung, sondern die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Betrieb der Anlage ankomme (BGH, U. v. 14.7.1988 – III ZR 225/87, NJW 1989, 104) ergibt sich nichts Anderes. Der Kläger und die Eigentümer der herrschenden Grundstücke haben gemeinsam die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Grundstück.
c) Bei der Störerauswahl liegen keine Ermessensfehler des Beklagten vor, § 114 VwGO.
Können mehrere Unternehmer oder Inhaber für dieselbe Wasserversorgungsanlage in die Pflicht genommen werden, sind sämtliche dieser Personen ordnungspflichtig und gleichermaßen und unabhängig voneinander für die Pflichten, die sich aus der TrinkwV ergeben, verantwortlich. Kommt es zu einer Störung, die behördliche Maßnahmen erfordert, und kommt im Einzelfall die Inanspruchnahme mehrerer Unternehmer oder Inhaber in Betracht, muss eine Auswahl unter den Störern erfolgen (Gerhard, Trinkwasserverordnung, 2019, Vor § 3 Rn. 27). Dabei ist die Anordnung grundsätzlich an die Person zu richten, die die Gefahr durch eigenes oder ihr zugerechnetes Verhalten Dritter verursacht. Entscheidendes Kriterium für die Wahl des richtigen Störers unter mehreren ist die Effektivität der Gefahrenabwehr. Das Landratsamt hat vorliegend die wöchentliche Trinkwasseruntersuchung angeordnet. Diese erfolgt durch Probennahme durch ein entsprechendes Labor.
(1) In diesem Fall sind schon keine Fehler in der Ermessensausübung erkennbar, weil der Kläger gegenüber dem Landratsamt mit Schreiben vom 4.2.2018 erklärte, als alleiniger Quellenbesitzer die Wasserversorgung in Zukunft betreiben und übernehmen zu wollen, da eine Einigung mit den anderen Grundstückseigentümern nicht möglich gewesen sei. Aufgrund der Erklärung konnte das Landratsamt von der Bereitschaft des Klägers ausgehen, die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgungsanlage zu übernehmen. Das Landratsamt konnte sich insoweit auf die Bereitschaft des Klägers verlassen, als sonstiger Inhaber die Verpflichtungen der Trinkwasserverordnung zu erfüllen.
(2) Darüber hinaus ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte nicht vorrangig die vermeintliche GbR aus der schuldrechtlichen Vereinbarung in Anspruch nehmen genommen hat.
(a) Hierbei ist zum einen bereits fraglich, ob es sich bei dem aus der schuldvertraglichen Vereinbarung möglicherweise ergebenden gesellschaftsrechtlichen Konstrukt um eine Außen GbR handelt. Es fehlt insbesondere an der Bestellung einer Vertretungsregelung im vermeintlichen Gesellschaftsvertrag. Eine solche ist für das Entstehen einer Außen GbR zwingend erforderlich (vgl. BeckOGK BGB/Geibel, Stand 1.1.2019, § 705 Rn. 231 f.). Die Bestellung des Wasserwartes ist nicht als solche zu werten. Nach Auslegung der Vereinbarung ergibt sich aus der schuldrechtlichen Vereinbarung auch nicht, dass der Wasserwart Vertretungsbefugnisse haben soll.
(b) Außerdem wäre die Inanspruchnahme der GbR mangels bestelltem Vertreter weniger effektiv als die Inanspruchnahme des Klägers. Mangels Vertreterbestellung wäre es notwendig, jeden Einzelnen der Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der effektiven Gefahrenabwehr sind insoweit keine Ermessensfehler des Beklagten erkennbar.
2. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheides vom 5.9.2019 ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Grundlage für die Androhung des Zwangsgeldes sind die Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
3. Die Kostenentscheidung begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlagen sind die Art. 1, 2 Abs. 1 S. 1, 6 und 10 KG.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 S. 1, 155 Abs. 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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