Baurecht

Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen durch den Bieter

Aktenzeichen  RMF – SG21- 3194 – 2-15

Datum:
26.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 8541
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VgV § 57 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 133, § 157
GWB § 97 Abs. 6, § 99 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV liegen immer dann vor, wenn das Angebot von den in diesen Unterlagen genannten Vorgaben abweicht, also immer dann, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt, sodass sich Angebot und Nachfrage nicht decken. Um festzustellen, ob ein Bieter die Vergabeunterlagen unzulässig geändert hat, ist also sein Angebot mit den in den Vergabeunterlagen genannten Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers an die zu erbringende Leistung zu vergleichen. (Rn. 111)
2. Die Vergabeunterlagen sind hinsichtlich des wirklichen und erkennbaren Willens des öffentlichen Auftraggebers aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, gem. §§ 133,157 BGB auszulegen. (Rn. 113)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
3. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x…,- €.
Auslagen sind nicht angefallen.

Gründe

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei der ausgeschriebenen Beschaffung von Multifunktionskopiergeräten handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB.
e) Die ASt ist antragsbefugt. Sie hat i.S.d. § 160 Abs. 2 GWB vorgetragen, dass sie ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Sie hat geltend gemacht, dass ihr durch den Zuschlag an die Beigeladene ein Schaden zu entstehen droht. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft.
f) Die ASt hat mit Fax vom 03.11.2017 rechtzeitig nach Erhalt des Vorabinformationsschreibens vom 02.11.2017 den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der BGl gerügt.
g) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Der beabsichtigte Zuschlag auf das Angebot der BGl verletzt die ASt nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
Die Wertung des Angebots der Beigeladenen ist nicht zu beanstanden. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht auszuschließen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV.
a) Das von der BGl angebotene Softwareprodukt steht den von der VSt aufgestellten Anforderungen in den Vergabeunterlagen nicht entgegen.
aa) Die Vergabeunterlagen bestehen aus allen Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen (Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 57, Rn. 52).
Hierunter fallen auch Antworten auf Bieteranfragen.
bb) Das von der Beigeladenen angebotene Softwareprodukt hält sich an die Vorgaben der von der Vergabestelle ausgereichten Vergabeunterlagen und Bieterinformationen, hier insbesondere Bieterinformation 2 und Bieterinformation 56.
Die Bieterinformation 2 ist nach objektivem Empfängerhorizont so zu verstehen, dass der Einsatz einer Firebird-Datenbank nicht vollständig ausgeschlossen wurde. Der VSt kam es ersichtlich nur auf die Nutzung der bei ihr vorhandenen zentralen Datenbanken (hier MS-SQL Datenbank) an.
Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV liegen immer dann vor, wenn das Angebot von den in diesen Unterlagen genannten Vorgaben abweicht, also immer dann, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt, sodass sich Angebot und Nachfrage nicht decken. Andernfalls lägen keine vergleichbaren Angebote vor, unter denen das wirtschaftlichste ermittelt werden könnte. Um festzustellen ob ein Bieter die Vergabeunterlagen unzulässig geändert hat, ist also sein Angebot mit den in den Vergabeunterlagen genannten Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers an die zu erbringende Leistung zu vergleichen (Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 57, Rn 53).
Vorliegend trägt die Antragstellerin vor, dass das Softwareprodukt aus dem Angebot der Beigeladenen gerade nicht erfüllt, was die Vergabestelle unter Beachtung der Bieterinformation 2 nachfragt. Während die Antragstellerin die Bieterinformation 2 so verstanden haben will, dass eine Firebird-Datenbank in keinerlei Funktion von dem Bieter eingesetzt werden darf, möchte die Vergabestelle die Bieterinformation 2 so verstanden haben, dass ein Firebird-Datenbankmanagementsystem nur seitens der Vergabestelle nicht vorausgesetzt werden darf. Die Software der Beigeladenen funktioniert unstreitig nicht ohne Einsatz einer Firebird-Datenbank. Die geforderte Anbindung an das MS-SQL Datenbankmanagementsystem der Vergabestelle ist mit der Software hingegen möglich. Dies hat die Teststellung der Vergabestelle ergeben.
cc) Die Vergabeunterlagen sind hinsichtlich des wirklichen und erkennbaren Willens des öffentlichen Auftraggebers aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen gem. §§ 133,157 BGB (vgl. Dittmann, a,a,O.,Rn 54).
Vorliegend hat die Vergabestelle in der Bieterinformation 2 folgenden Text ausgereicht:
Frage 2
Sie geben in Los 1 in der Anlage 3 zum Rahmenmietvertrag EBV-IT Systemvertrag unter dem Punkt 1.3 folgende Regelung an:
„Die Softwarelösung unterstützt die Datenbankmanagementsysteme Oracle Database Version 12 c Release 1 oder Microsoft SQL Version 2015 R2 oder Post gre SQL Version 9.x.“
Unser System arbeitet ebenfalls mit einer kostenfreien Datenbank, wie auch die erwähnte Post gre SQL. Das Datenbanksystem ist eine FirebirdDatenbank. Kann diese ebenfalls angeboten werden?
Antwort
Die Firebird-Datenbank gehört nicht zu den bei der Vergabestelle für den Einsatz von zentralen IT Verfahren zugelassenen Datenbankmanagementsystemen. Deshalb kann eine Lösung, die eine FirebirdDatenbank voraussetzt, nicht zum Einsatz kommen.
Die Bieteranfrage bezieht sich ersichtlich auf den Punkt 1.3 der Anlage 3 zum Rahmenmietvertrag EBV-IT Systemvertrag. Sie zitiert diesen Punkt wörtlich und vollständig. Aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, ist hiermit aus dem Wortlaut und aus dem Zusammenhang deutlich, dass sich die Bieteranfrage nicht auf das Softwareprodukt der Bieter bezieht, sondern auf die drei bei der Vergabestelle eingesetzten Datenbankmanagementsysteme.
Auch die Antwort der Vergabestelle „gehört nicht zu den bei der Vergabestelle…zugelassenen Datenbankmanagementsystemen“ macht deutlich, dass die Vergabestelle sich ausschließlich auf die bei ihr eingesetzten Datenbankmanagementsysteme bezieht.
In der mündlichen Verhandlung hat die VSt darüber hinaus auch fachlich dargelegt, dass sie schon gar kein Interesse daran habe, die Softwarelösungen des Bieters im Einzelnen zu regeln, bzw. zu beschränken. Hierfür gebe es aus Sicht der Vergabestelle gar keinen fachlichen Grund. Eine Vorgabe hinsichtlich der Softwarelösungen des Bieters sei demzufolge noch nie erfolgt.
Der Vortrag der Antragstellerin, dass auch die Softwarelösung des Bieters nicht mit Firebird arbeiten dürfe, basiert auf der separaten Betrachtung eines einzelnen herausgelösten Satzes aus der Bieterinformation. Betrachtet man den Satz „Deshalb kann eine Lösung, die eine FirebirdDatenbank voraussetzt, nicht zum Einsatz kommen.“ losgelöst von den Vergabeunterlagen und der restlichen Bieteranfrage/Bieterinformation mag in den einzelnen Satz ein genereller Ausschluss von Firebird zu interpretieren sein. Die Gesamtbetrachtung des Textes der Ausschreibung und der Bieterinformation lässt eine solche Betrachtung jedoch nicht zu.
Die Bieterinformation in seiner Gesamtbetrachtung ist nach dem objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Bieters hinreichend klar auf die bei der Vergabestelle zugelassenen Datenbankmanagementsysteme bezogen. Da die Softwarelösung der Beigeladenen eine Anbindung an eines der drei bei der Vergabestelle zugelassenen Datenbankmanagementsysteme (hier MS-SQL) ermöglicht, stellt das Angebot der Beigeladenen keine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen dar. Ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV scheidet hier aus.
dd) Ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen scheidet vorliegend auch hinsichtlich der Anforderungen der Punkte 1.4 und 1.5 der Anlage 3 zum Rahmenmietvertrag EBV-IT Systemvertrag aus. Auch hier lässt sich ein Ausschluss wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen nicht begründen.
Die Vergabestelle kann sich in ihrer Entscheidung auf die beigebrachten Angaben der Beigeladene stützen. Eine weitergehende technische Prüfung durch die Vergabestelle über die bekannt gemachte Teststellung hinaus ist vorliegend nicht erforderlich.
Die Beigeladene hat in ihrer Stellungnahme vom 9.11.2017 den Einsatz von Firebird-Datenbank-Komponenten seitens der Site-Server bestätigt. Die Firebird-Komponenten seien nach Angaben der Beigeladenen ein Subsystem als effizienter Zwischenspeicher. Alle Daten, wie Benutzer, Drucker oder Abrechnungsdaten hingegen würden durch die zentrale Instanz (MS SQL-Datenbank) zur Verfügung gestellt und dort verwaltet. Indem die Softwarelösung eine zentrale SQL-Datenbank der Vergabestelle nutzt, sei das Erfordernis Punkt 1.4 erfüllt. In der einen zentralen Datenbank könne der Auftraggeber zentral auf Daten zugreifen. Hierbei sei es laut der Vergabeunterlagen unerheblich, ob und wie viele eventuell benötigte weitere Unter- oder Teilsysteme neben dem zentralen System installiert werden.
Weiterhin bestätigt die Beigeladene, dass die von ihr angebotene Betriebsredundanz (Punkt 1.5) im Einklang mit der Antwort auf die Bieteranfrage 56 steht. Die von ihr angebotene Leistung basiert auf der zentral gesteuerten Lastenverteilung auf mehrere Server.
Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Wertung eine detaillierte technische Prüfung dieser Angaben vorzunehmen. Die Angaben der Beigeladenen sind aus Sicht der Vergabestelle weder widersprüchlich noch unglaubwürdig. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Ermessen dahingehend zu, inwiefern er den Angebotsinhalt aufklärt. Bestehen tatsächlich objektiv keine Unklarheiten, so trifft den Auftraggeber keine Pflicht zur Aufklärung. Ein Anspruch eines Bieters auf Aufklärung besteht nicht (Zeise in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 15, Rn. 42).
b) Auch die Durchführung der Teststellung durch die Vergabestelle führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Die Teststellung ist ausreichend protokolliert. Zwar räumt die Vergabestelle in der mündlichen Verhandlung ein, dass das Protokoll hinsichtlich der Ausfallsicherheit fehlerhaft ist, da die Ausfallsicherheit nicht Teil der bekannt gemachten Teststellung war. Die Kriterien hinsichtlich Punkt 1.3. und 1.4. seien jedoch bei der Testung der Softwarelösung der Beigeladenen, wie aus dem Protokoll ersichtlich, getestet und erfüllt. Hierzu führte die Vergabestelle in der mündlichen Verhandlung weiter aus, dass bei der Teststellung der Beigeladenen auf einem Windows-Server eine Multi-Server-Umgebung aufgebaut wurde mit einem Master- und einem Site-Server. Die Teststellung ist somit im Rahmen der Vorgaben erfolgt und hinsichtlich der Software der BGl positiv ausgefallen.
c) Der Vorwurf der Antragstellerin, die Vergabestelle habe bei einem Telefonat mit der Beigeladenen weitere Informationen bekannt gegeben, die der Antragstellerin vorenthalten worden sind, findet keinen Anhaltspunkt. Insbesondere belegt das Protokoll über die Telefonate mit der Beigeladenen vom 20.8.2017, dass nicht über Inhalte oder Hintergründe gesprochen wurde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
c) Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst. Sie hat keine Sachanträge gestellt und damit kein Kostenrisiko auf sich genommen. Eine Kostenerstattung durch andere Beteiligte kommt daher im Umkehrschluss ebenfalls nicht in Betracht.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 und 3 GWB festzusetzen.
Im Hinblick auf die Angebotssumme für das streitige Los 1 und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x….,- €.
e) Der geleistete Kostenvorschuss von x…,- € wird mit der Gebühr verrechnet. Es ergeht eine Kostenrechnung in Höhe von x…,- €.


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