Baurecht

Unzulässige Popularklage gegen Landschaftsschutzverordnung

Aktenzeichen  Vf. 20-VII-17

Datum:
29.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27164
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 12
BV Art. 98 S. 4
VfGHG Art. 55 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Zu den prozessualen Voraussetzungen der Popularklage gehört, dass der Antragsteller die angefochtenen Rechtsvorschriften bezeichnen und angeben muss, inwiefern sie nach seiner Meinung zu einer Grundrechtsnorm der bayerischen Verfassung in Widerspruch stehen. Summarische, nicht präzisierte Grundrechtsrügen sind unzulässig. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird im Rahmen einer Popularklage eine zulässige Grundrechtsrüge nicht erhoben, ist dem Verfassungsgerichtshof der Weg zu der Überprüfung versperrt, ob die angefochtene Rechtsnorm aus Gründen objektiven Verfassungsrechts nichtig ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Dem Antragsteller wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.
Die Popularklage betrifft die Frage, ob die Verordnung des Landkreises Fürstenfeldbruck über den Schutz von Landschaftsteilen (Landschaftsschutzverordnung) vom 8. Oktober 1979 (Amtsblatt des Landratsamtes Fürstenfeldbruck Nr. 33 vom 6. Dezember 1979 S. 193) gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstößt.
§ 1 der Landschaftsschutzverordnung stellt verschiedene Landschaftsteile des Landkreises Fürstenfeldbruck als Landschaftsschutzgebiet unter Schutz, u. a. das Gebiet „Untere Amper, Graßlfinger Moos und Olchinger See“. Gemäß ihrem § 2 sind in den in § 1 bezeichneten Landschaftsschutzgebieten Maßnahmen verboten, die den Naturhaushalt schädigen, das Landschaftsbild verunstalten oder den Naturgenuss beeinträchtigen; verboten sind auch Maßnahmen, welche die vom Bayerischen Naturschutzgesetz oder von dieser Verordnung missbilligten Folgen mit Sicherheit erwarten lassen. Gemäß § 3 der Landschaftsschutzverordnung bedarf der schriftlichen Erlaubnis des Landratsamts Fürstenfeldbruck (untere Naturschutzbehörde), wer im Landschaftsschutzgebiet Maßnahmen durchführen will, die geeignet sind, die in § 2 genannten Wirkungen hervorzurufen. Von den Verboten des § 2 der Landschaftsschutzverordnung kann gemäß ihrem § 4 in Einzelfällen auf Antrag Befreiung erteilt werden, wenn überwiegende Gründe des allgemeinen Wohls die Befreiung erfordern oder der Vollzug der Bestimmung zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen im Sinn des Bayerischen Naturschutzgesetzes vereinbar ist. Die Landschaftsschutzverordnung ist nach ihrem § 10 am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft getreten.
II.
Mit seiner am 8. Dezember 2017 eingegangenen Popularklage begehrt der Antragsteller festzustellen, dass die Landschaftsschutzverordnung im Bereich des Graßlfinger Mooses, insbesondere im Bereich der B.straße und seiner im Einzelnen bezeichneten Grundstücke, unwirksam (funktionslos) geworden bzw. insgesamt nichtig ist.
Der Landkreis Fürstenfeldbruck gehe selbst von der Unwirksamkeit der Verordnung aus, was sich aus den in der Sitzungsvorlage für die Kreistagssitzung vom 10. November 1997 aufgelisteten Mängeln ergebe. Er habe daher für wesentliche Bereiche der Landschaftsschutzverordnung, nämlich für die Gebiete „Scharwerkholz, Untere Amper, Ampermoos, Eichenbühl, Emmeringer Leiter (gemeint wohl: Leite) und Eichenau“, neue Verordnungen erlassen und die Sammelverordnung von 1997 (richtig wohl: 1979) insoweit aufgehoben. Lediglich für den Bereich „Graßlfinger Moos“ sei ein Neuerlass abgelehnt und auf eine Heilung der Mängel der Landschaftsschutzverordnung verzichtet worden. Auch das Landratsamt Fürstenfeldbruck gehe von der Unwirksamkeit der Landschaftsschutzverordnung aus und habe als untere Naturschutzbehörde gemäß Art. 12 BayNatSchG innerhalb des Schutzbereichs der Landschaftsschutzverordnung „Graßlfinger Moos“ verschiedene Bereiche unter besonderen Schutz gestellt.
Die Funktionslosigkeit der Landschaftsschutzverordnung im Bereich der B.straße zeige sich anhand der Genehmigungspraxis des Landratsamts, bei der die Landschaftsschutzverordnung angesichts der ständig im noch verbliebenen Bereich erteilten Genehmigungen für privilegierte und nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben (faktisch) nicht mehr zur Anwendung komme. Aus dem Verhalten des Landratsamts dem Antragsteller gegenüber sei ebenfalls zu schließen, dass dieses davon ausgehe, dass eine Landschaftsschutzverordnung im fraglichen Bereich nicht mehr existiere. So sei ihm gegenüber zunächst die Beseitigung einer Fichtenhecke im Bereich der B.straße angeordnet und gerichtlich durchgefochten worden; nach Beendigung des Verfahrens sei das Landratsamt aber zum Ergebnis gekommen, dass die Fichtenreihe akzeptiert werden könne, wenn in einem anderen Bereich seiner Grundstücke Laubbäume freigestellt würden. Ein ähnlich willkürliches Verhalten habe das Landratsamt bei verschiedenen anderen Gelegenheiten, u. a. bei gegen ihn erlassenen Bescheiden und bei Gerichtsverfahren, gezeigt; so sei etwa die Genehmigung für einen Reitplatz zunächst abgelehnt, später aber doch erteilt worden. Aufgrund der dargelegten Genehmigungspraxis und der darauf beruhenden fortgesetzten Realisierung von Vorhaben hätten die Verhältnisse im Graßlfinger Moos im Bereich der B.straße in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht, der eine Verwirklichung des Schutzkonzepts der Landschaftsschutzverordnung auf unabsehbare Zeit ausschließe. Die Landschaftsschutzverordnung sei demnach für das Graßlfinger Moos im Bereich der B.straße funktionslos geworden. Das Gericht werde durch einen Augenschein feststellen können, dass rund um die Grundstücke des Antragstellers eine derart intensive bauliche Nutzung vorliege, dass der (ohnehin nicht genau geregelte) Zweck der Landschaftsschutzverordnung nicht eingehalten werden könne.
Die Landschaftsschutzverordnung sei auch aus anderen Gründen nichtig. So sei die Originalurkunde nicht mehr auffindbar. Es stehe fest, dass die im Amtsblatt vom 6. Dezember 1979 bekannt gemachte und nicht unterschriebene Landschaftsschutzverordnung das Datum „8.10.1979“ trage, also ein Datum zehn Tage vor der Verabschiedung der Landschaftsschutzverordnung durch den Kreistag am „18.10.1979“. In diesem Zusammenhang sei auch zu prüfen, ob die Verordnung wirksam bekannt gemacht worden sei. Diese sei offensichtlich bereits am 8. Oktober 1979 ausgefertigt worden, also vor der am 2. November 1979 erteilten Genehmigung der Regierung von Oberbayern. Zudem gelte für den Inhalt einer Rechtsverordnung die grundsätzliche Vorgabe des Art. 80 GG analog, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssten. Derartige Grundsätze fänden sich auch in Art. 55 Nr. 2 BV und im Gesetz Nr. 122 über den Erlass von Rechtsverordnungen aufgrund vormaligen Reichsrechts, das am 1. April 1948 in Kraft getreten sei. Auch das Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976 schreibe in seinem § 12 Abs. 2 vor, dass der Schutzzweck in der Verordnung anzugeben sei. Gleiches gelte nach dem derzeit geltenden § 22 Abs. 2 BNatSchG. Die Aufnahme des Schutzzwecks in die Verordnung sei auch deshalb notwendig, weil sowohl § 15 BNatSchG a. F. als auch Art. 10 BayNatSchG a. F. hierfür alternativ verschiedene Schutzformulierungen enthalten hätten. Der Schutzzweck sei nicht aus den Ge- und Verboten der Landschaftsschutzverordnung herauszulesen. Die vorgesehenen Maßnahmen hätten sich vielmehr umgekehrt am Schutzzweck zu orientieren. Gerade anhand der Geschichte des Graßlfinger Mooses werde deutlich, dass ein Schutzzweck sorgfältig festgelegt werden müsse. Es handle sich um eine Landschaft, die über 100 Jahre vom Menschen mit staatlicher Unterstützung total verändert worden sei. Das Graßlfinger Moos habe ca. 600 Einwohner und sei das am dichtesten besiedelte Landschaftsschutzgebiet Bayerns.
III.
1. Der Bayerische Landtag hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
2. Die Bayerische Staatsregierung hat von einer Äußerung abgesehen.
3. Der Landkreis Fürstenfeldbruck hält die Popularklage für unzulässig.
Der Antragsteller habe schon in einer Vielzahl von Gerichtsverfahren die Unwirksamkeit bzw. die Funktionslosigkeit der angegriffenen Landschaftsschutzverordnung geltend gemacht. Zu diesem Zweck seien von ihm im Wesentlichen immer wieder die gleichen Argumente vorgebracht worden. Es werde in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2005 Az. 9 ZB 04.1834 verwiesen. In diesem Beschluss habe sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit der Gültigkeit der Landschaftsschutzverordnung befasst. Parallel zur Popularklage habe der Antragsteller aktuell mit Schreiben vom 10. Januar 2018 eine Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel der Feststellung der Funktionslosigkeit der Landschaftsschutzverordnung im Bereich seiner Grundstücke erhoben. Wegen des langen Zeitraums seit dem Erlass der ursprünglichen Landschaftsschutzverordnung seien die Unterlagen zum damaligen Inschutznahmeverfahren nur noch zum Teil vorhanden.
IV.
Die Popularklage ist unzulässig.
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts; dazu zählt auch die angegriffene Verordnung des Landkreises Fürstenfeldbruck über den Schutz von Landschaftsteilen (Landschaftsschutzverordnung) vom 8. Oktober 1979, die im vom Antragsteller angegriffenen Bereich nicht aufgehoben ist.
Allerdings unterliegen Rechtsvorschriften der Normenkontrolle nur, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie noch von Bedeutung sind, wenn also ein objektives -nicht nur theoretisches – Interesse an der Feststellung ihrer Vereinbarkeit mit der Verfassung besteht (VerfGH vom 7.8.2012 VerfGHE 65, 143/149). Daran könnten Zweifel bestehen, weil der Antragsteller selbst von der Funktionslosigkeit der angegriffenen Landschaftsschutzverordnung im maßgeblichen Bereich des Graßlfinger Mooses, d. h. also von ihrem Außerkrafttreten (vgl. VerfGH vom 13.7.1988 VerfGHE 41, 69/76 m. w. N.), ausgeht. Vorliegend ergibt sich aber aus der Stellungnahme des Landkreises Fürstenfeldbruck sowie aus zahlreichen vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen aus neuerer Zeit, dass der Landkreis bzw. das Landratsamt Fürstenfeldbruck weiter von der Gültigkeit der Landschaftsschutzverordnung ausgeht und sie seinen Entscheidungen zugrunde legt, diese also noch rechtlich relevant ist.
2. Zu den prozessualen Voraussetzungen der Popularklage gehört, dass der Antragsteller die angefochtenen Rechtsvorschriften bezeichnen und angeben muss, inwiefern sie nach seiner Meinung zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung in Widerspruch stehen (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG). Greift er mehrere Rechtsvorschriften an, so muss dies für jede einzelne von ihnen ersichtlich sein. Summarische, nicht präzisierte Grundrechtsrügen sind unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 19.4.1985 VerfGHE 38, 43/45 m. w. N.). Diese Voraussetzung hat der Antragsteller nicht erfüllt.
Der Antragsteller bezeichnet bereits nicht die einzelnen von ihm angegriffenen Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung. Es kann hier offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen es ausreichen mag, dass mit der Popularklage ausnahmsweise nicht genau bezeichnete Einzelregelungen, sondern etwa eine Rechtsverordnung oder Teile von ihr insgesamt angefochten werden können (vgl. dazu z. B. VerfGH vom 23.12.1971 VerfGHE 24, 199/215; vom 29.4.1976 VerfGHE 29, 53/56). Denn die Zulässigkeit der Popularklage scheitert im vorliegenden Fall auch daran, dass es an der Rüge einer Grundrechtsverletzung fehlt.
Der Antragsteller rügt nur, die Landschaftsschutzverordnung sei aufgrund der tatsächlichen Entwicklung im Bereich seiner Grundstücke funktionslos geworden bzw. insgesamt nichtig, weil es an einer wirksamen Ausfertigung oder Bekanntgabe bzw. Genehmigung der Regierung von Oberbayern fehle und zudem der Schutzzweck in der Verordnung nicht angegeben sei. Damit macht er keine Verletzung von Grundrechtsnormen geltend, sondern allenfalls Verstöße gegen objektives Verfassungsrecht (vgl. VerfGH vom 9.8.2011 VerfGHE 64, 136/142), insbesondere die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Mangels einer zulässigen Grundrechtsrüge ist dem Verfassungsgerichtshof der Weg zu der Überprüfung versperrt, ob die angefochtene Landschaftsschutzverordnung aus Gründen objektiven Verfassungsrechts nichtig ist.
V.
Es ist angemessen, dem Antragsteller eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).

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