Baurecht

V ZR 50/21

Aktenzeichen  V ZR 50/21

Datum:
6.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:060522UVZR50.21.0
Normen:
§ 226 BGB
§ 917 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
5. Zivilsenat

Leitsatz

Ein Notwegrecht kann sich weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis noch aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB, sondern nur unter den Voraussetzungen von § 917 Abs. 1 BGB ergeben; danach richtet sich auch, ob der Nachbar Hindernisse beseitigen muss, die er auf seinem Grundstück errichtet hat, um die Nutzung des Wegs zu unterbinden.

Verfahrensgang

vorgehend LG Schweinfurt, 5. März 2021, Az: 33 S 50/20vorgehend AG Schweinfurt, 25. August 2020, Az: 3 C 1253/19

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt – 3. Zivilkammer – vom 5. März 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Das Grundstück der Kläger ist mit einem bis 1995 landwirtschaftlich genutzten Vierseithof, bei dem der Innenhof von allen vier Seiten von Gebäuden umschlossen ist, bebaut. Das Wohnhaus der Kläger, das Teil des Bauensembles ist, wurde nach Abriss einer Scheune in den Jahren 1961/1962 neu errichtet, die übrige Bebauung auf dem klägerischen Grundstück ist älter. Eine öffentliche Straße endet unmittelbar an dem Grundstück der Kläger. Das Anwesen ist im Übrigen von anderen Grundstücken und einem Bachverlauf eingefasst. Die Zufahrt auf das Grundstück erfolgte vormals durch eine etwa drei Meter breite Bebauungslücke zwischen dem Wohnhaus des Vierseithofs und einem Wirtschaftsgebäude. Das Grundstück des Beklagten, das dieser im Jahr 2004 erwarb, ragt so in die Zufahrt hinein, dass nur 1,66 Meter verbleiben. Die genaue Abmarkung des Grenzverlaufs in dem Bereich der Hofzufahrt erfolgte 1995. Jedenfalls seit Neuerrichtung des Wohnhauses auf dem Grundstück der Kläger ist die Zufahrt mit mehrspurigen Fahrzeugen nur noch unter Inanspruchnahme des Grundstücks des Beklagten möglich. Im Jahr 2019 errichtete der Beklagte auf seinem Grundstück in dem Bereich der Hofzufahrt eine Betonmauer mit Einzäunung und verringerte so die Breite der Durchfahrt zum Grundstück der Kläger auf 1,66 Meter. Eine Zufahrt auf das Grundstück der Kläger ist mit mehrspurigen Fahrzeugen nicht mehr möglich. Die Kläger, die den Vierseithof vorwiegend zu Wohnzwecken nutzen, betreiben seit 2020 als Nebenerwerb eine Hasen- und Wachtelzucht mit elf Hasen und dreißig Wachteln.
2
Die Kläger verlangen von dem Beklagten – soweit noch von Interesse – den Rückbau der Mauer auf eine Durchfahrtsbreite von 2,60 Metern. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.
3
Das Berufungsgericht meint, die Kläger könnten gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Beseitigung der Betonmauer auf eine Durchfahrtsbreite von 2,60 Metern verlangen. Insoweit beeinträchtige die Mauer das den Klägern zustehende Notwegrecht. Die Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 BGB lägen vor. Dem Hof fehle, obwohl das Wohnhaus direkt an einer öffentlichen Straße liege, die zur ordnungsmäßigen Benutzung gebotene Verbindung zu einem öffentlichen Weg. Dass die Zufahrt erforderlich sei, folge zwar nicht aus der von den Klägern ausgeübten Tierhaltung, ergebe sich aber aus Sinn und Zweck eines im alten Ortskern einer fränkischen Gemeinde gelegenen Vierseithofs. Dieser liege darin, durch das Bauensemble einen geschlossenen, großflächigen Innenhof zu schaffen, der darauf angelegt sei, durch auffahrende Fahrzeuge genutzt zu werden. Den Klägern zumutbare Alternativen stünden nicht zur Verfügung. Selbst wenn der Neubau des Wohnhauses zu einer Verschmälerung der Zufahrt geführt hätte, ließe dies die Verpflichtung des Beklagten zu einer Duldung des Notwegs mangels einer willkürlichen Handlung des Voreigentümers im Sinne von § 918 Abs. 1 BGB nicht entfallen.
4
Zudem stehe den Klägern ein Anspruch auf Beseitigung der Mauer jedenfalls aus dem Schikaneverbot gemäß § 226 BGB zu. Die Errichtung der Betonmauer sei zu keinem anderen Zweck erfolgt, als den Klägern die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen auf ihr Grundstück abzuschneiden und ihnen dadurch einen Nachteil zuzufügen. Es bedürfe der Mauer auch nicht als Abgrenzung des Kfz-Stellplatzes des Beklagten. Zwar dürfe der Eigentümer grundsätzlich bestimmen, wer sein Grundstück benutze. Hier sei aber seit jeher ein geringfügiger Streifen des Grundstücks zur Verfügung gestellt worden. Das alleinige Motiv des Beklagten bestehe darin, den Klägern die Zufahrt zu ihrem Hof unmöglich zu machen und in dem Nachbarstreit nicht als Verlierer dazustehen.
II.
5
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass sich ein Beseitigungsanspruch der Kläger aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben kann. Obwohl der Beklagte die Mauer auf seinem Grundstück errichtet hat, kann das Eigentum der Kläger beeinträchtigt sein, wenn diese durch die Mauer an der Ausübung eines ihnen zustehenden Notwegrechts gehindert sind. Denn das Notwegrecht zählt zum Inhalt des Eigentums an dem zugangslosen Grundstück (vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 189/15, NJW-RR 2017, 210 Rn. 32). Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich das Bestehen eines Notwegrechts gemäß § 917 Abs. 1 BGB aber nicht bejahen. Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer dieser Vorschrift zufolge von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden.
7
a) Nicht zu beanstanden ist insofern die Würdigung des Berufungsgerichts, dass eine andere zumutbare Zufahrtsmöglichkeit nicht geschaffen werden könnte.
8
aa) Angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, kommt ein Notwegrecht nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB nur in Betracht, wenn die Zugangslosigkeit des Grundstücks nicht anderweitig behoben werden kann. Daher scheidet ein Notwegrecht aus, wenn der Grundstückseigentümer in zumutbarer anderer Weise eine Verbindung zu dem öffentlichen Weg herstellen kann (vgl. nur Senat, Urteil vom 16. April 2021 – V ZR 85/20, WuM 2021, 630 Rn. 14 mwN). Maßgeblich ist das Verhältnis der für die Schaffung einer Zuwegung notwendigen Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks (Senat, Urteil vom 7. Juli 2006 – V ZR 159/05, NJW 2006, 3426 Rn. 12; vgl. auch Urteil vom 24. April 2015 – V ZR 138/14, NJW-RR 2015, 1234 Rn. 27).
9
bb) Die ausgehend von diesen Grundsätzen erfolgte tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlich eingeschränkten Überprüfung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 – V ZR 278/12, NJW-RR 2014, 398 Rn. 13 mwN) stand. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung der in einem Ortstermin gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse für die beiden möglichen Alternativen zur Schaffung eines Zufahrtswegs jeweils einen erheblichen technischen Aufwand angenommen und die erforderlichen Kosten auf einen fünfstelligen Betrag geschätzt. Es hat zudem Aufwand und Kosten ins Verhältnis zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des verbindungslosen Vierseithofs gesetzt und im Ergebnis die Schaffung der alternativen Zufahrtsmöglichkeiten als für die Kläger unzumutbar betrachtet. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
10
b) Auch die weitere Annahme, dass ein die Zufahrt auf den Hof begründendes Notwegrecht im Bereich der streitgegenständlichen Mauer nicht gemäß § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wäre, ist nicht zu beanstanden.
11
aa) Nach dieser Vorschrift tritt die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. Das gilt auch für Handlungen des früheren Eigentümers (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 1974 – V ZR 69/73, ZMR 1975, 115, 116; Urteil vom 7. Juli 2006 – V ZR 159/05, NJW 2006, 3426 Rn. 15). Willkürlich im Sinne der Vorschrift ist nur eine auf freier Entscheidung beruhende Maßnahme, die der ordnungsmäßigen Grundstücksbenutzung widerspricht und die gebotene Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen außer Acht lässt. Danach ist es in der Regel willkürlich, wenn der Eigentümer unter den verschiedenen Möglichkeiten der ordnungsmäßigen Nutzung seines Grundstücks eine Gestaltung wählt, die einen Notweg erfordert, oder wenn er bei der Bebauung seines Grundstücks nicht darauf achtet, dass die Verbindung sämtlicher Teile des Grundstücks zu dem öffentlichen Weg erhalten bleibt (Senat, Urteil vom 7. Juli 2006 – V ZR 159/05, NJW 2006, 3426 Rn. 15 mwN). Ein allgemeingültiger Rechtsgedanke des Inhalts, dass die Verpflichtung zur Duldung eines Zugangs nicht mit einem Zustand begründet werden könne, den der Eigentümer durch Maßnahmen auf seinem Grundstück herbeiführt, lässt sich aus der Vorschrift des § 918 Abs. 1 BGB hingegen nicht ableiten (Senat, Urteil vom 24. April 2015 – V ZR 138/14, NJW-RR 2015, 1234 Rn. 25).
12
bb) Das Berufungsgericht kommt ausgehend von diesen Grundsätzen in tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis, dass in dem Neubau des Wohnhauses durch den Voreigentümer in den Jahren 1961/1962 eine derartige willkürliche Handlung nicht liege, selbst wenn die damalige Baumaßnahme die Zufahrtsmöglichkeit geschmälert haben sollte. Der insbesondere auf die erst im Jahr 1995 vorgenommene Abmarkung der Grundstücksgrenze gestützte Schluss des Berufungsgerichts, der Voreigentümer habe die Zufahrtsmöglichkeit über das eigene Grundstück bei der Erweiterung des Wohnhauses jedenfalls nicht sehenden Auges ohne die gebotene Rücksicht auf nachbarliche Interessen aufgegeben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
13
c) Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob zur ordnungsmäßigen Nutzung des Grundstücks eine Auffahrt auf den Hof erforderlich ist.
14
aa) Im Ausgangspunkt noch zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass sich die Frage, welche Art der Benutzung eines Grundstücks im Sinne von § 917 Abs. 1 BGB ordnungsmäßig ist, nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks, sondern danach bestimmt, was nach objektiven Gesichtspunkten diesem Grundstück angemessen ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 19. November 2021 – V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 8 mwN). Zu berücksichtigen sind dabei die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls (Senat, Urteil vom 19. November 2021 – V ZR 262/20, aaO Rn. 8 mwN). Die erforderliche Verbindung eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks zu einem öffentlichen Weg ist grundsätzlich schon dann gegeben, wenn ein Kraftfahrzeug unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise – auch mit sperrigen Gegenständen – erreicht werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 24. April 2015 – V ZR 138/14, NJW-RR 2015, 1234 Rn. 14; Urteil vom 18. Oktober 2013 – V ZR 278/12, NJW-RR 2014, 398 Rn. 12 a.E.). Die Notwendigkeit einer Zufahrt für Kraftfahrzeuge zu dem Zweck, sie auf dem Grundstück abzustellen, kann sich bei Wohngrundstücken nur aus besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 – V ZR 278/12, NJW-RR 2014, 398 Rn. 20). Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit rechtfertigen die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks nicht (Senat, Urteil vom 19. November 2021 – V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 9 mwN).
15
bb) Nach diesen Grundsätzen tragen die Feststellungen nicht die Annahme, die bestehende Anbindung an eine öffentliche Straße reiche für die ordnungsmäßige Benutzung des klägerischen Grundstücks nicht aus. Im Rahmen der Revision ist von der – für den Beklagten günstigen – Annahme des Berufungsgerichts auszugehen, dass der landwirtschaftliche Nebenerwerb ein Auffahren nicht erfordert. Warum die konkreten Umstände des Einzelfalls ein Auffahren zum Zwecke der Wohnnutzung ausnahmsweise erforderlich machen, untermauert das Berufungsgericht nicht durch Tatsachenfeststellungen. Die besonderen baulichen Verhältnisse (Vierseithof) und die Lage im Ortskern einer fränkischen Gemeinde vermögen als solche die Notwendigkeit einer Zufahrt nicht zu begründen. Der Umstand, dass es sich um einen Vierseithof handelt, besagt noch nichts darüber, ob und weshalb der Eingangsbereich des Wohnhauses nicht in zumutbarer Weise – auch mit sperrigen Gütern – von der öffentlichen Straße aus erreicht werden kann. Ob der An- und Abtransport bestimmter Güter selbst unter Zuhilfenahme moderner, für beengte räumliche Verhältnisse eigens konstruierter Transportmittel unzumutbar erschwert ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung etwa der Größe des Innenhofs, der konkreten Lage des Hauseingangs oder ggf. alternativer Eingänge, der Entfernung zwischen dem Eingangsbereich und der nächstgelegenen Haltemöglichkeit auf der öffentlichen Straße sowie eventueller weiterer für die Wohnnutzung relevanter Gegebenheiten und Besonderheiten des Einzelfalls (z.B. starkes Gefälle, sonstige Hindernisse) beurteilen.
16
2. Anders als das Berufungsgericht meint, kann der Beseitigungsanspruch auch nicht mit der Begründung bejaht werden, die Errichtung der Mauer verstoße gegen das in § 226 BGB geregelte Schikaneverbot. Im Ausgangspunkt kann sich ein Notwegrecht weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis noch aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB, sondern nur unter den Voraussetzungen von § 917 Abs. 1 BGB ergeben; danach richtet sich auch, ob der Nachbar Hindernisse – wie eine Mauer – beseitigen muss, die er auf seinem Grundstück errichtet hat, um die Nutzung des Wegs zu unterbinden.
17
a) Ein Anspruch auf Beseitigung der Mauer kann von vornherein nur dann bestehen, wenn die Kläger zum Befahren des Grundstücks des Beklagten berechtigt sind. Als Grundlage eines solchen Nutzungsrechts kommt nur § 917 BGB in Betracht. Diese Vorschrift enthält im Hinblick auf die nicht durch dingliche Rechte oder schuldrechtliche Verträge begründeten Wegerechte eine abschließende Regelung. Sind ihre tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, können sie weder mit Hilfe des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2020 – V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 19 mwN) noch gestützt auf eine jahrzehntelange Übung unter einzelnen Grundstücksnachbarn (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2020 – V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 10) umgangen oder erweitert werden. Auch der Vorwurf schikanöser Rechtsausübung nach § 226 BGB kann ein Notwegrecht nicht begründen (vgl. allgemein Senat, Urteil vom 24. Oktober 2003 – V ZR 424/02, ZfIR 2003, 1049, 1051 f.). Welche Einschränkungen der Eigentümer eines Grundstücks im Verhältnis zu seinen Nachbarn hinzunehmen hat, bestimmt sich nach den §§ 903 ff. BGB und ggf. ergänzenden landesrechtlichen Vorschriften. Deshalb handelt der Eigentümer nicht schikanös, wenn er gesetzlich nicht vorgesehene Einschränkungen nicht hinnehmen, sondern von der aus seinem Eigentum folgenden Ausschließungsbefugnis (§ 903 Satz 1 BGB) Gebrauch machen will (vgl. auch Senat, Urteil vom 15. November 2013 – V ZR 24/13, NJW 2014, 311 Rn. 27 mwN).
18
b) Ebenso wenig lässt sich ein Anspruch auf Beseitigung von Hindernissen, die der Nachbar errichtet, um die Nutzung des Wegs zu unterbinden, aus § 226 BGB herleiten; ein solcher Beseitigungsanspruch hängt von dem Bestehen eines Wege- bzw. Notwegrechts ab (unzutreffend daher OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 162 f. und im Anschluss daran Staudinger/Repgen, BGB [2019], § 226 Rn. 35; MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl., § 226 Rn. 14; juris-PK-BGB/Otto, 9. Aufl., § 226 Rn. 15). Er setzt nämlich ein Recht zur Benutzung des fremden Grundstücks voraus, dessen Bestehen sich – sofern kein Wegerecht begründet worden ist – allein nach den §§ 917, 918 BGB richtet. Ist danach ein Notwegrecht gegeben, ergibt sich der Beseitigungsanspruch ohne weiteres aus § 1004 BGB (vgl. oben Rn. 6); ist das Notwegrecht hingegen zu verneinen, scheidet auch der Beseitigungsanspruch aus. Ein Rückgriff auf § 226 BGB kommt weder im einen noch im anderen Fall in Betracht.
III.
19
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil noch weitere Feststellungen zu treffend sind. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat weist für die weitere Sachbehandlung auf Folgendes hin:
20
1. Soweit die Kläger mit ihrer Gegenrüge auf eine gewerbliche Nutzung ihres Grundstücks verweisen, sieht der Senat die Würdigung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerfrei an. Was die Wohnnutzung angeht, wird das Berufungsgericht feststellen müssen, ob die Kläger aufgrund der konkreten örtlichen und baulichen Verhältnisse regelmäßig oder zumindest zu bestimmten Zwecken auf eine Auffahrt auch mit (breiteren) mehrspurigen Kraftfahrzeugen derart angewiesen sind, dass die Wohnnutzung andernfalls unzumutbar erschwert wird. Ein Auffahren auf das Hofgrundstück zum Be- und Entladen könnte sich unter Umständen als notwendig erweisen, wenn es andernfalls zu unzumutbaren Erschwernissen beispielsweise bei der Anlieferung von Brennstoffen oder sonstigen Gütern oder bei der Durchführung von konkret absehbaren Baumaßnahmen oder Umzügen käme (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 – V ZR 278/12, NJW-RR 2014, 398 Rn. 18; Urteil vom 12. Dezember 2008 – V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 21). Bereits ein auf bestimmte Transportzwecke bzw. -gegenstände begrenztes Notwegrecht könnte einen Anspruch auf Beseitigung der Betonmauer – über den allein in diesem Verfahren zu entscheiden ist – begründen, wenn die Mauer die in einzelnen Fällen notwendige Auffahrt unter Inanspruchnahme des Grundstücks des Beklagten ansonsten unmöglich machte.
21
2. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung auch zu prüfen haben, ob sich ein Beseitigungsanspruch der Kläger aufgrund des Bestehens einer altrechtlichen Dienstbarkeit ergeben kann.
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