Baurecht

Vergabekriterien – Nutzfahrzeuge für Winterdienst

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-44-11/18

Datum:
27.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfBR – 2020, 207
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 122 Abs. 4 S. 2, § 160 Abs. 3 Nr. 3
VgV § 48 Abs. 1, § 56 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Für die wirksame Bekanntmachung von Eignungskriterien und die wirksame Anforderung von Unterlagen zum Nachweis der Eignung gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB bzw. § 48 Abs. 1 VgV mittels einer Verlinkung aus dem Bekanntmachungsformular auf andere Dokumente, ist erforderlich, dass sich die Verlinkung dort befindet, wo sie von potentiellen Bietern erwartet wird, d.h. regelmäßig unter Ziffer III.1 des Standardformulars. (Rn. 87)
2. Ist für einen Bieter erkennbar, dass Entfernungsangaben nach einer bekannt gemachten Rechenformel in die Angebotswertung einfließen, darf er in diesen Positionen keine ca.-Angaben machen, wenn dadurch die Berechnung des genauen Punktwertes unmöglich wird. (Rn. 91 – 102)
3. Reicht ein Bieter in einem offenen Verfahren auf eine Nachforderung von Unterlagen nach § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV zunächst eine inhaltlich unzureichende Unterlage ein, ist sein Angebot gem. § § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auch dann zwingend auszuschließen, wenn er innerhalb der laufenden Nachforderungsfrist eine inhaltlich ausreichende Unterlage vorlegt. (Rn. 106)

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens.
3. Die Verfahrensgebühr wird auf …,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner beabsichtigt den Kauf von drei 4-Achs Lastkraftwagen Standard für den Einsatz im Winterdienst für den Straßenbetriebsdienst. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens als Lieferauftrag.
Nach Ziffer II.1.6 der Bekanntmachung erfolgte keine Aufteilung in Lose. Nebenangebote wurden nicht zugelassen (Ziffer II.2.10 der Bekanntmachung).
Unter Ziffer II.2.7 der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die Laufzeit des Vertrags am 01.12.2018 beginnt und am 04.09.2019 endet.
Gem. Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung ist einziges Zuschlagskriterium der Preis. Gemäß Formblatt „Wertung“ wird dieser Preis jedoch modifiziert, dort ist zur Ermittlung der Wertungssumme ausgeführt:
„Wertungskriterium 100% Preis unter Berücksichtigung einer Preisvergleichsrechnung für die Entfernungskilometer bei Werkstattbesuchen für Fahrzeug und Winterdiensthydraulik (siehe Anlage A) während der Gesamt-Nutzungszeit der Fahrzeuge.
Der Wertungspreis ergibt sich aus der Angebotssumme aus dem LV und den einzelnen Ergebnissen aus Anlage A.
Wertungssumme=(Preis gem. LV) + (Malus gemäß Anlage A)“
Gemäß Anlage A des Formblatts „Wertung“ wird die Preisvergleichsberechnung auf Grundlage der Bietereintragung „Werkstattentfernung für LKW Fahrgestell und Winterdiensthydraulik nach Ziffer 1 und 2“ über die Entfernungskilometer durchgeführt und als Wertungssumme (monetär) im Anschluss auf den Angebotspreis aufgeschlagen.
Die Entfernung zwischen der Winterdiensthydraulikwerkstatt und der jeweiligen Autobahnmeisterei darf gem. Nr. 2.12 der Ausführungsbeschreibung max. 100 km betragen. Die Werkstattentfernung wird ermittelt, indem „[…] mit der kürzesten Entfernung zwischen dem Erfüllungsort und der Werkstatt entsprechend dem Routenplaner Bayerninfo gerechnet“ wird.
Unter Ziffer III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister fand sich folgende Eintragung:
Auflistung und kurze Beschreibung der Bedingungen: https://www.meinauftrag.rib.de/public/DetailsByPlatformIdAndTenderId/platformId/1/tenderId/160778
Der entsprechende Link funktionierte zum Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens nicht mehr.
Unter Ziffer III.1.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und Ziffer III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit stand jeweils:
Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen
Im Formblatt L124 EU ist unter IV. Technische und berufliche Leistungsfähigkeit durch den Auftraggeber angekreuzt:
Vorlage geeigneter Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungen der in den letzten höchstens drei Jahren erbrachten wesentlichen Leistungen
… Ich/Wir erkläre(n), dass ich/wir in mindestens 3 Fällen vergleichbare Leistungen erbracht habe(n).
Die Referenzen waren im Formblatt L124EU unter Bezeichnung der Leistung, des Auftragswertes, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunktes und des Auftraggebers anzugeben.
Nach Ziffer IV.2.2 der Bekanntmachung war der Schlusstermin für den Eingang der Angebote der 26.09.2018, 10.00 Uhr.
Nachdem der Antragstellerin die Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt wurden, gab diese unter dem 25.09.2018 ein Angebot ab. Diesem Angebot war ein Formblatt L124 EU beigefügt, das drei Referenzprojekte enthielt.
In den „Bietereintragungen relevant für Wertungssumme“ war bei der Werkstattentfernung für Lkw-Fahrgestell als Entfernung zum Erfüllungsort (einfach) angegeben:
Autobahnmeisterei M. Unfallreserve I ca. 17km (ab München-Nord)
Autobahnmeisterei M. Unfallreserve II ca. 12km (ab München-West)
Bei der bei der Werkstattentfernung für Winterdiensthydraulik war als Entfernung zum Erfüllungsort (einfach) angegeben:
Autobahnmeisterei P. ca. 70km Autobahnmeisterei M. Unfallreserve ca. 19km (ab München-Nord)
Autobahnmeisterei M. Unfallreserve ca. 25km (ab München-West)
In Bezug auf dieses Angebot forderte der Antragsgegner mit Schreiben vom 08.10.2018 (Fristsetzung 15.10.2018) und 26.10.2018 (Fristsetzung 31.10.2018) verschiedene Unterlagen nach. Am 08.10.2018 wurde insbesondere das Formblatt L124 EU Eigenerklärung zur Eignung nachgefordert sowie eine Projektzeichnung gemäß technischen Bieterangaben Seite 5. Auf diese Anforderung legte die Antragstellerin am 09.10.2018 erstmals eine Projektzeichnung für einen Vier-Achs LKW ohne Winterdienstgeräte vor. Mit E-Mail vom 10.10.2018 wies ein Mitarbeiter des Antragsgegners die Antragstellerin darauf hin, dass eine Zeichnung mit diesen Komponenten gewünscht sei. Daraufhin legte die Antragstellerin am 15.10.2018 eine Zeichnung des Fahrzeugs mit den Winterdienstgeräten vor. Ebenfalls am 15.10.2018 legte die Antragstellerin eine neue S. 3 des Formblatts L124 EU mit zwei Referenzen vor.
Mit Schreiben vom 12.11.2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots aus der Wertung mit. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei dem abgegebenen Angebot Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden seien, zumindest jedoch der Angebotsinhalt für die Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgrund abgegebener ungefährer Angaben unklar sei. Zudem seien die geforderten Referenzen sowohl unvollständig als auch inhaltlich falsch.
Die Antragstellerin rügte daraufhin durch ihren Bevollmächtigten mit zwei Schreiben vom 13.11.2018 und 14.11.2018 gegenüber dem Antragsgegner verschiedene Vergabeverstöße:
Mit Schreiben vom 13.11.2018 wandte sich die Antragstellerin gegen den Ausschluss aus der Wertung und rügte, dass die Vergabeunterlagen nicht eindeutig formuliert gewesen seien und die angegebenen Referenzen keinen Ausschluss rechtfertigen würden.
Im Schreiben vom 14.11.2018 (07:44 Uhr) führte die Antragstellerin im Hinblick auf die Referenzen weiter aus, dass ihr Ausschluss aus der Wertung mangels wirksam bekannt gegebener Eignungskriterien nebst Unterlagen zum Nachweis der Eignung ungerechtfertigt gewesen sei.
Mit E-Mail selben Tag wies der Antragsgegner die Rügen der Antragstellerin zurück und wiederholte im Wesentlichen die bereits in ihrem Schreiben vom 12.11.2018 vorgetragenen Gründe für den Ausschluss der Antragstellerin aus der Wertung. Darüber hinaus sei die Ausführungsbeschreibung – entgegen der Behauptung der Antragstellerin – zum Zeitpunkt der Angebotserstellung vergaberechtskonform zur Verfügung gestellt worden.
Am 14.11.2018 (17:02 Uhr) erfolgte ein drittes Rügeschreiben der Antragstellerin. Darin wird ausgeführt, dass analog zur bereits gerügten, nicht wirksamen Bekanntmachung der Eignungskriterien auch die Bekanntmachung der Leistungsbeschreibung nicht vergaberechtskonform erfolgt sei.
Mit weiterem Schreiben vom 14.11.2018 (18:40 Uhr) machte die Antragstellerin zusätzliche Ausführungen zu ihren bereits vorgebrachten Rügen hinsichtlich der Verwendung des geforderten Routenplaners sowie der nicht wirksam bekannt gemachten Eignungskriterien.
Der Antragsgegner half mit Schreiben vom 16.11.2018 den in den beiden letzten Schreiben der Antragstellerin vom 14.11.2018 vorgebrachten Rügen und Anmerkungen nicht ab und verwies inhaltlich auf ihr Schreiben vom 14.11.2018. Zudem seien die in den Vergabeunterlagen gemachten Angaben zur Ermittlung der Werkstattentfernung eindeutig gewesen.
Weil die vorangegangenen Rügen den Antragsgegner nicht zur Änderung seiner Rechtsauffassung bewegten, beantragte die Antragstellerin am 19.11.2018 – die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens,
– die Gewährung von Akteneinsicht,
– die Feststellung von Vergaberechtsverstößen,
– die Anordnung geeigneter Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Verstöße,
– die Feststellung, dass der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin trägt,
– die Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin,
– die Ablehnung der Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den Antragsgegner.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, da sich die Antragstellerin mit einem mit Gewinn kalkulierten Angebot an dem gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt habe. Auch sei die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen, da sie die erkannten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt habe.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Ihr Angebot sei zu Unrecht ausgeschlossen worden:
Die Antragstellerin habe angenommen, dass die Verwendung der Zusätze „ca.“ zulässig sei. Es hätten auch nur ungefähre Angaben gemacht werden können, da die Entfernungskilometer je nach Baustellenlage, Umleitungsstrecken etc. variieren könnten. Die Antragstellerin habe zu ihren Ungunsten aufgerundet und eine Angabe mit dem zusätzlichen Hinweis „ca.“ gemacht, um zu vermeiden, dass ihr vorgeworfen werden könne, unzutreffende Angaben gemacht zu haben. Sie habe zwar in den Augen des Antragsgegners unzutreffende Angaben gemacht. Es handele sich aber nicht um den Fall fehlender leistungsbezogener Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien beträfen, was in einem solchen Fall eine Nachforderung verbieten und einen Ausschluss rechtfertigen würde. Vielmehr lasse der geforderte Routenplaner „Bayerninfo“ Variationsmöglichkeiten nach Datum, Uhrzeit, Verkehrslage sowie Route zu. Der Antragsgegner habe lediglich mitgeteilt, dass die Bieterangaben zu den Werkstattentfernungen in dem Formblatt „Bieterangaben“ vorzunehmen seien. Der Antragsgegner hätte angeben müssen, welche Angaben wie zu machen seien und dass insbesondere „ca.“-Angaben und aufgerundete Angaben unzulässig seien.
Angebote, welche die von der Vergabestelle geforderten Erklärungen nicht enthielten, dürften nur ausgeschlossen werden, wenn die Vergabeunterlagen so eindeutig formuliert seien, dass die Bieter ihnen deutlich und sicher entnehmen könnten, welche Erklärungen von ihnen wann abzugeben seien. Genügten die Unterlagen dieser Verpflichtung nicht, dürfe der Auftraggeber ein Angebot nicht ohne weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden Erklärung aus der Wertung nehmen. Selbst wenn eine vorgelegte Referenz nicht den Anforderungen des Antragsgegners genüge, könne sich daraus kein zwingender Ausschluss ergeben. Denn gemäß der gesetzgeberischen Intention, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, dürfe der öffentliche Auftraggeber Angebote, die wegen widersprüchlicher Angaben an sich ausschlusswürdig seien, nicht ohne weiteres von der Wertung ausnehmen. Er müsse vielmehr den vom Ausschluss bedrohten Bieter zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots auffordern und ihm Gelegenheit geben, die bestehende Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen. Stelle der Auftraggeber einen Widerspruch fest, dürfe es nicht bei dieser Feststellung verbleiben; stattdessen müsse er vermeintliche Widersprüche im Angebot eines Bieters möglichst durch Auslegung des Angebotsinhalts auflösen. Eine Grenze für die Auslegung werde erst dann erreicht, wenn diese zu einer derart nachträglichen Berichtigung des Angebots führe, dass in Wirklichkeit ein neues Angebot eingereicht werde. Auch an sich ausschlusswürdige Angebote dürfe der Auftraggeber nicht ohne weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne den Bieter zuvor zu einer Aufklärung über den Angebotsinhalt aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, den Widerspruch nachvollziehbar auszuräumen.
Die Antragstellerin habe im Übrigen erklärt, dass sie in mindestens drei Fällen vergleichbare Leistungen erbracht habe, wenngleich sie entgegen dieser Erklärung nur zwei Referenzen vorgelegt habe. Hier hätte nachgefragt und nachgefordert werden können bzw. müssen. Die Antragstellerin durfte bzw. der Antragsgegner durfte und musste die angegebenen Referenzen für vergleichbare Leistungen halten, da Vergleichsparameter, denen die genannten Referenzen dann nicht genügt hätten, eben nicht aufgestellt worden seien. Der Antragsgegner habe lediglich die Vorlage geeigneter Referenzen verlangt, aber keine Referenzen über vergleichbare Leistungen verlangt bzw. keine Anforderungen an „vergleichbare Referenzen“ aufgestellt. Unter Bezug auf einen Beschluss der VK Baden-Württemberg vom 28.10.2011 (Az. 1 VK 54/11) müssten „vergleichbare Leistungen“ nicht gleicher Art und gleichen Umfangs sein, sollten jedoch einen in etwa gleich hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen. In einer zitierten Entscheidung der VK Bund vom 14.12.2011 (Az. VK 1 – 153/11) wiederum wäre eine Leistung bereits dann vergleichbar, wenn sie nach den Vergleichbarkeitskriterien des öffentlichen Auftraggebers der ausgeschriebenen Leistung nahe käme. Anknüpfend an einen Beschluss des OLG Frankfurt vom 24.10.2006 (Az. 11 Verg 8/06) entschied die VK Bund im o.a. Beschluss zudem, dass öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Vergabeunterlagen den Bietern bestimmte Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Referenzleistungen vorgeben müssten.
Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt hätte daher der Antragsgegner im Rahmen der Vergabeunterlagen den Bietern bestimmte Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Referenzleistungen vorgeben müssen, was er aber nicht getan habe.
Eine Mindestzahl von drei Referenzen hätte nicht gefordert werden dürfen. Andernfalls hätte die Vergabestelle in der Vergabeakte die sachlichen Gründe dafür dokumentieren müssen, welche nach Auffassung der Antragstellerin hier nicht erkennbar seien. Die Vorlage von nur zwei Referenzen dürfe jedenfalls nicht zum Ausschluss führen und führe zu einer unnötigen Einschränkung des Bieterwettbewerbs. Zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung nahm die Antragstellerin Bezug auf eine Entscheidung der VK Baden-Württemberg (Beschluss v. 09.12.2014, Az. 1 VK 51/14).
Schlussendlich ist die Antragstellerin der Auffassung, dass es sich bei den abgegebenen Referenzen um geeignete Referenzen mit vergleichbaren Leistungen handele mangels weitergehender Anforderungen des Antragsgegners, so dass der Vorwurf der Vorspiegelung falscher Tatsachen unzutreffend sei. Damit sei ein Ausschluss aus der Wertung gem. § 57 Abs. 1 VgV nicht gerechtfertigt.
Sofern sich der Antragsgegner darauf berufe, dass die vorgelegten Referenzen der Antragstellerin nicht die aufgestellten Eignungsanforderungen erfüllten, seien in der Auftragsbekanntmachung keine Angaben hinsichtlich vorzulegender Referenzen zu finden. Stattdessen stünden unter dem Punkt „III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister“ die Auftragsunterlagen nach Angaben des Antragsgegners über eine Verlinkung auf eine Internetplattform für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei zur Verfügung. Die Antragstellerin trägt dazu vor, dass man über diesen Link auf eine Vielzahl von Ausschreibungen gelange, nicht jedoch auf die konkrete Ausschreibung im vorliegenden Fall. Es wäre aber eine direkte Verlinkung erforderlich gewesen, welche fehle. Selbst dann sei ein Link aber nur zulässig, wenn er direkt an die konkrete Stelle mit den Anforderungen in den Vergabeunterlagen führe, ohne dass die Bieter/Bewerber die Vergabeunterlagen suchen oder diese erst durchsuchen müssten. Die Unterlagen sollten also über den Link direkt erreichbar sein, so dass Interessenten ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen und ausdrucken könnten. Ein direkter Abruf sollte möglich sein, was vorliegend nicht der Fall sei.
Weiterhin fände sich in der Auftragsbekanntmachung unter den Punkten „III.1.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ sowie „III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ jeweils nur der Hinweis „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“. Die Antragstellerin führt dazu aus, dass seit der Vergaberechtsreform 2016 bereits in der Auftragsbekanntmachung die Eignungskriterien sowie die diese belegenden notwendigen Unterlagen zu nennen seien. Dem interessierten Unternehmen müsse auf diese Weise die Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob für es eine Teilnahme am Vergabeverfahren in Betracht komme oder nicht. Eine Nennung nur in den Vergabeunterlagen sei daher nicht ausreichend, ebenso wenig wie ein wörtlicher Verweis in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen.
Was die angeblichen Abweichung der Bieterangaben der Antragstellerin in Bezug auf die angeblichen Vorgaben in der Leistungsbeschreibung beträfe, könne dies der Antragstellerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, da die Leistungsbeschreibung nicht vergaberechtskonform zur Verfügung gestellt worden sei. Unter Verweis auf die Auftragsbekanntmachung stünden nach Angaben des Antragsgegners die Auftragsunterlagen über eine Verlinkung auf eine Internetplattform für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei zur Verfügung. Über diesen dort genannten Link komme man aber auf eine Vielzahl von Ausschreibungen (zum Zeitpunkt der Abfrage durch die Antragstellerin am 14.11.2018 insgesamt 1.499 Veröffentlichungen). Dieses Suchsystem sei vergaberechtswidrig und erlaube im vorliegenden Fall auch nicht den Abruf der gewünschten und benötigten Auftragsunterlagen. Der öffentliche Auftraggeber müsse jedoch in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse angeben, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden könnten. Uneingeschränkt und direkt abrufbar seien die Vergabeunterlagen nur dann, wenn die Bekanntmachung mit der anzugebenden Internetadresse einen eindeutigen und vollständig beschriebenen medienbruchfreien elektronischen Weg zu den Vergabeunterlagen enthalte. In der Bekanntmachung seien alle Informationen anzugeben, die es einem Bürger oder einem Unternehmen ohne wesentliche Zwischenschritte und ohne wesentlichen Zeitverlust ermöglichten, mit elektronischen Mitteln an die Vergabeunterlagen zu gelangen. Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 20.11.2018 und forderte die Vergabeunterlagen an, die bei der Vergabekammer eingereicht wurden.
Mit Antragserwiderung vom 04.12.2018 beantragte der Antragsgegner:
I.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht wird abgelehnt.
III.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegner zu tragen.
Unter Verweis auf ihr Schreiben vom 12.11.2018 führte der Antragsgegner aus, dass ihm die grundsätzliche Zulässigkeit von „ca.“-Angaben bekannt sei. In der vorliegenden speziellen Konstellation wäre jedoch zur Angebotswertung eine Preisvergleichsberechnung über die Entfernungskilometer durchzuführen gewesen, deren Grundlage die Bietereintragungen „Werkstattentfernung für Lkw Fahrgestell“ nach Ziffer 1 der Ausführungsbeschreibung sowie „Werkstattentfernung für Winterdiensthydraulik“ nach Ziffer 2 der Ausführungsbeschreibung bildete. Den Bietern sei aus dem Formblatt „Wertung“ bekannt gewesen, dass die auf dieser Basis errechnete Wertungssumme (monetär) im Anschluss auf den Angebotspreis aufgeschlagen werde. Da sich demzufolge die (Bieter-) Angaben zur Werkstattentfernung unmittelbar auf die Platzierung auswirken würden, hätten die Angaben weder klargestellt noch gewertet werden können.
Im Übrigen sei in den Vergabeunterlagen eindeutig beschrieben, wie die Erklärung abzugeben war, nämlich basierend auf der kürzesten Entfernung zwischen dem Erfüllungsort und der Werkstatt entsprechend dem Routenplaner Bayerninfo.
Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag insoweit gem. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB unzulässig, als nicht vor der Frist zur Angebotsabgabe gerügt worden sei, dass Unklarheiten bestanden hätten, wie die Erklärung abzugeben gewesen sei.
Der Antragsgegner führt zum Eignungskriterium der geforderten drei Referenzen aus, dass die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz die fehlende dritte Referenz einräume, so dass der Ausschluss gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV rechtmäßig gewesen sei. Es sei anerkannt, dass die Vergabestelle nach eigenen Überlegungen definiere, wie viele und welche Referenzen vorgelegt werden sollten. Eine Mindestzahl von drei Referenzen habe daher unstrittig aufgestellt werden dürfen. In der Regel würden – wie auch im vorliegenden Fall – die Referenzen durch eine Liste der wesentlichen, in den letzten drei Jahren erbrachten vergleichbaren Leistungen belegt. Durch die Vorlage von lediglich zwei Referenzen wäre der Vergabestelle die Möglichkeit genommen worden, die Eignung der Antragstellerin dahingehend zu überprüfen. Ein berechtigter Grund nach § 45 Abs. 5 VgV, die geforderten Unterlagen nicht beibringen zu können, läge im Falle der Antragstellerin nicht vor und wurde auch nicht in ihren Schreiben vom 13.11. und 14.11.2018 vorgetragen.
Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag insoweit gem. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB unzulässig, als nicht vor der Frist zur Angebotsabgabe gerügt worden sei, dass die Forderung von drei Referenzen diskriminierend sei.
Der Antragsgegner trug weiter vor, dass entgegen der Behauptung der Antragstellerin am 08.10.2018 geeignete Referenzen nachgefordert wurden, da zunächst nur zwei Referenzen zum Bau von 4-Achs-Lastkraftwagen, die jedoch älter als drei Jahre waren, eingereicht worden seien. Am 15.10.2018 hätte die Antragstellerin neue Referenzen eingereicht, indem sie die Seite 3 der Eigenerklärung (Formblatt L 124 EU) ersetzte. Trotz der Nachforderung hätte die Antragstellerin keine geeigneten Referenzen vorgelegt, da zwei davon nicht die Anforderungen erfüllten:
Aus der von der Antragstellerin vorgelegten Eigenbestätigung, in der sie sich selbst eine ordnungsgemäße und mangelfreie Auslieferung bescheinigte, gehe eindeutig hervor, dass die letzten 4-Achs-Lastkraftwagen im Jahr 2014 und somit vor über drei Jahren ausgeliefert wurden. Die Angaben der Antragstellerin seien insofern widersprüchlich und könnten nicht gewertet werden. Auch eine interne Aufklärung hätte ergeben, dass die als Referenz angegebene Leistung nicht in den Jahren 2015/2016 erbracht worden sei, da in besagten Jahren ausschließlich 3-Achs-Fahrzeuge (und nicht wie von ihr angegeben 4-Achs-Fahrzeuge) an die Autobahndirektion Nordbayern geliefert worden seien und somit seitens der Antragstellerin falsche Tatsachen vorgespiegelt worden seien.
Auch bei der zweiten Referenz, bei der der Komplett-Aufbau von zehn 4-Achs-Fahrzeugen für die Autobahndirektion Südbayern angegeben wurde, wären im angegebenen Zeitraum tatsächlich nur fünf Fahrzeuge dieses Typs geliefert worden, was auch hier eine Vorspiegelung falscher Tatsachen bedeute. Auch hier wäre eine interne Aufklärung zum Ergebnis gekommen, dass die von der Antragstellerin angegebenen Referenzen nicht geeignet seien, da sie nicht den Tatsachen entsprächen. Auf eine Vergleichbarkeit der Leistung komme es vorliegend nicht an und wurde vom Antragsgegner auch nicht aufgeführt.
Schließlich erwiderte der Antragsgegner auf die Rüge der nicht vergaberechtskonform zur Verfügung gestellten Ausführungsbeschreibung, dass sowohl die Bekanntmachung als auch die Vergabeunterlagen wie üblicherweise nur bis zum Ende der Angebotsfrist für jedermann ein-sehbar gewesen wären. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten alle Unterlagen von den Bietern herun-tergeladen werden können und müssen. Da die Antragstellerin ein Angebot abgegeben hätte, sollten ihr die kompletten Ausschreibungsunterlagen vorliegen. Der Antragsgegner räumte ein, dass ein Zugang zu den Unterlagen über den vom Bevollmächtigten der Antragstellerin zitierten Link am 14.11.2018 tatsächlich nicht mehr möglich gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Angebotserstellung wäre die Ausführungsbeschreibung jedoch vergaberechtskonform zur Verfügung ge-standen. Im Übrigen wäre die Bereitstellung gemäß den Vorgaben des § 41, § 9 Abs. 3 VgV erfolgt.
Im Übrigen wäre der Antrag der Antragstellerin insoweit gem. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB unzulässig, als nicht vor der Frist zur Angebotsabgabe gerügt worden sei, dass die Unterlagen nicht vergaberechtskonform zur Verfügung gestellt worden seien.
Mit Schreiben vom 04.12.2018 wurde der Schriftsatz des Antragsgegners der Antragstellerin übermittelt und dieser Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben bis 12.12.2018.
Mit Verfügung vom 11.12.2018 wurde die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer bis 15.02.2019 verlängert.
Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 12.12.2018 Stellung zur Antragserwiderung des Antragsgegners und machte weitere Ausführungen zur Variabilität bei der Verwendung des vorgegebenen Routenplaners sowie zur Nachforderung von Unterlagen unter Beachtung von § 56 VgV.
Mit Schreiben vom 13.12.2018 wurde der Schriftsatz der Antragstellerin dem Antragsgegner übermittelt und diesem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben bis 03.01.2019.
Der Antragsgegner teilte daraufhin mit Schreiben vom 28.12.2018 mit, dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Beantwortung der bisherigen Schriftsätze verwiesen werde.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat mit Schreiben vom 11.01.2019 die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer übertragen.
Mit Beschluss vom 14.01.2019 wurde die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin zum Verfahren beigeladen.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 15.01.2019 zur mündliche Verhandlung am 28.01.2019, 10:00 Uhr in den Räumen der Regierung von Oberbayern geladen.
Mit Beschluss vom 16.01.2019 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Antragstellerin entsprechende Akteneinsicht gewährt.
Mit Beschluss vom 21.01.2019 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Beigeladenen entsprechende Akteneinsicht gewährt.
Mit Schreiben vom 24.01.2019 nahm die Beigeladene Stellung zum Vorbringen der Antragstellerin und verzichtete vorerst auf die Stellung eigener Anträge.
Sie führte aus, dass die Vergabeunterlagen im Internet unter dem in der TED-Bekanntmachung angegebenen Link ohne Zugangshindernisse vollständig verfügbar gewesen seien. So sei es für die Beigeladene kein Problem gewesen, die bereitgestellten Vergabeunterlagen aufzufinden und ein Angebot zu erstellen und fristgemäß einzureichen.
Die Beigeladene trug weiterhin vor, dass die mit dem Zusatz „circa“ versehenen km-Angaben der Antragstellerin auf dem Formblatt „Bietereintragungen relevant für Wertungssumme – Werkstattentfernung für LKW Fahrgestell“ und „Werkstattentfernung für Winterdiensthydraulik“ schon allein deshalb nicht erlaubt gewesen seien, weil diese Bietereintragung, wie aus der Überschrift des Formblattes ersichtlich, für die Angebotswertung relevant gewesen sei. Zudem hätte sich die Relevanz auch aus dem Hinweis auf diesem Formblatt oberhalb der Tabelle ergeben, wo erläutert gewesen sei, dass die Bieterangaben Vertragsbestandteil werden würden. Aus den weiteren Angaben und Hinweisen auf dem Formblatt bzw. dessen Anlage A wäre es aus Sicht eines verständigen und sachkundigen Bieters, die zugrunde zu legen sei, klar ersichtlich, dass die dort zu machenden Eintragungen verbindlich und wertungsrelevant gewesen seien. In einem solchen Fall sei dann auf ca.-Angaben zu verzichten. Da zudem, wie der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 04.12.2018 zu Recht betonte, in den Vergabeunterlagen auf die einfache Entfernung zwischen Erfüllungsort und Werkstatt auf Basis des Routenplaners Bayerninfo abgestellt worden wäre, wäre der Berechnungsweg eindeutig vorgegeben gewesen. Eine Notwendigkeit, mit ungefähren Angaben zu arbeiten bzw. auf- oder abzurunden, hätte es nicht gegeben. Das von der Antragstellerin vorgebrachte Argument der einstellbaren Varianten im Routenplaner sei irrelevant, da ein Abweichen von der kürzesten Route zu Lasten des Bieters gehe, indem sich dies in einem höheren Wertungszuschlag niederschlage. Es müssten jedoch eindeutige Kilometerangaben gemacht werden, um eine zutreffende und dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügende Angebotswertung durch den Auftraggeber zu ermöglichen. Eine Nachforderung eindeutiger Angaben wäre dem Antragsgegner vergaberechtlich verwehrt gewesen. Gem. § 56 Abs. 3 S. 1 VgV sei die Nachforderung leistungsbezogener Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, ausgeschlossen. Dies wäre vorliegend einschlägig, da die Kilometerangaben leistungsbezogene Informationen seien, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung beträfen: § 56 Abs. 3 VgV erfasse i.d.R. Preisangaben sowie andere im Rahmen der preislichen Wertung relevante Angaben wie z.B. Verbräuche, Wartungskosten etc. Dies sei darin begründet, dass leistungsbezogene Unterlagen, welche die Wirtschaftlichkeit beträfen, insbesondere der Preis, als ein für den Wert und den späteren Vertrag wesentliches Element anzusehen seien. Es wäre daher nicht möglich bzw. vergaberechtskonform gewesen, wenn der Antragsgegner eine eindeutige Angabe bei der Antragstellerin nachgefordert hätte und der Antragstellerin so Gelegenheit gegeben hätte, ihr Angebot nachzubessern, da dies Manipulationsmöglichkeiten eröffnet hätte und genau aus diesem Grund auch gem. § 56 Abs. 3 S. 1 VgV untersagt sei.
Das Angebot der Antragstellerin sei daher zu Recht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden und die Zuschlagserteilung auf die Beigeladene vorgesehen gewesen. Auf die weiteren Aspekte komme es deshalb nicht mehr an. Der Nachprüfungsantrag sei zurückzuweisen.
Am 28.01.2019 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Rechts- und Sachlage wurde erörtert. Antragstellerin und Antragsgegner erhielten eine Schriftsatzfrist bis 04.02.2019, um sich zu folgenden Themen zu äußern:
– Stellungnahme zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 24.01.2019 – Stellungnahme zur Frage, ob die von der Antragstellerin gemachten ca.-Angaben zur Werkstattentfernung grundsätzlich aufklärungsfähig sind
– Stellungnahme zur Frage, ob die inhaltlich unzureichende technische Zeichnung der Antragstellerin vom 09.10.2018 während der noch laufenden Angebotsfrist erneut nachgefordert und nochmals am 15.10.2018 eingereicht werden durfte Die Antragstellerin machte mit Schreiben vom 31.01.2019 weitere umfangreiche Ausführungen zu der Frage der Nachforderung der technischen Zeichnung und wiederholte ihre bereits in früheren Schriftsätzen vorgebrachten Ausführungen zu den geforderten Referenzen sowie der vergaberechtskonformen Bekanntgabe der Eignungskriterien.
Sie betonte auch nochmals, dass im Falle der „ca.“-Angaben diese hätten aufgeklärt werden können und müssen, eine Ausschlusswürdigkeit wäre anhand des Vergabevermerks nicht er-sichtlich gewesen. Eindeutige Angaben zur Werkstattentfernung wären jedenfalls aufgrund der unklaren Vorgaben für die Verwendung des Routenplaners nicht möglich gewesen.
Der Antragsgegner nahm mit Schreiben vom 04.02.2019 aufgrund der in der mündlichen Verhandlung gewährten Schriftsatzfrist Stellung und führte aus, dass die „ca.“-Angaben insbesondere bei der Werkstattentfernung für Winterdiensthydraulik unterschiedliche Abweichungsgrade zwischen ergeben hätten. Die von der Antragstellerin angegebene Distanz zwischen der Autobahnmeisterei Pentling und der von ihr angegebenen Werkstatt für Winterdiensthydraulik betrage „ca. 70“ km. Die Entfernung betrage tatsächlich 69,5 km, sodass sich hier beim ersatzlosen Wegstreichen des,,ca.“ eine Divergenz von unter 0,7% zu Ungunsten der Antragstellerin ergäbe.
Die von der Antragstellerin angegebene Distanz zwischen der Autobahnmeisterei München Unfallreserve (ab München-Nord) und der von ihr angegebenen Werkstatt für Winterdiensthydraulik betrage „ca. 19“ km. Die Entfernung betrage tatsächlich 17,37 km, sodass sich hier beim ersatzlosen Wegstreichen des „ca.“ eine Divergenz von über 8% zu Ungunsten der Antragstellerin ergäbe.
Die von der Antragstellerin angegebene Distanz zwischen der Autobahnmeisterei München Unfallreserve (ab München-West) und der von ihr angegebenen Werkstatt für Winterdiensthydraulik ergäbe „ca. 25“ km. Die Entfernung betrage tatsächlich 35,5 km, sodass sich hier beim ersatzlosen Wegstreichen des „ca.“ eine Divergenz von 42% zu Gunsten der Antragstellerin ergäbe.
Hätte die Antragstellerin schlicht auf die nächst höhere runde Zahl aufgerundet, hätten die ca.-Angaben möglicherweise durch einfache Ermittlung der Werkstattentfernung im Bayernlnfo aufgeklärt und eindeutig bestimmt werden können. Da das „ca.“ vor den einzelnen Angaben allerdings unterschiedliche Abweichungsgrade darstelle, sei die Aufklärung im vorliegenden Fall so nicht möglich gewesen. Die Antragstellerin sei sich der preisbeeinflussenden Wirkung der Festlegung von ungefähren Angaben bewusst gewesen und habe im Ergebnis zu ihren Gunsten nicht auf-, sondern sogar abgerundet.
Verhandlungen im offenen Verfahren, insbesondere über eine Änderung der Angebote oder Preise, seien unzulässig. Die Werkstattentfernung werde unmittelbar in eine wirtschaftliche Position umgerechnet, so dass die gemachte Angabe im Vergabeverfahren so behandelt werden müsse, als wäre unmittelbar ein Preis eingesetzt worden. Durch die unklare Angabe fehle dieser in mehreren Positionen.
Daher hätten die Angaben weder klargestellt noch gewertet oder aufgeklärt werden.
Der Antragsgegner sei zudem der Auffassung, dass eine bereits während der laufenden Nachforderungsfrist abgegebene, inhaltlich unzureichende Anlage nicht nochmals in ausreichender Weise während derselben Frist nachgereicht werden könne. Die unzureichende Erklärung wäre so zu werten, wie sie abgegeben wurde, was schon der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete. Dem Bieter dürfe nämlich kein Vorteil daraus entstehen, dass er die Anlagen entgegen der Anforderungen in den Vergabeunterlagen nicht direkt mit dem Angebot abgegeben habe. Hätte der Bieter die Angabe direkt mit dem Angebot eingereicht, wäre sie fehlerhaft gewesen und hätte im Gegensatz zu einer fehlenden inhaltlichen Erklärung nicht nachgefordert werden dürfen (so etwa OLG Celle, Beschluss vom 24.04.14 – 13 Verg 2/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.06.15 – Verg. 14/15, VK Lüneburg, Beschluss vom 08.11.13 – VgK-34/2013, VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.15 – 1 VK 17/15).
Dies entspräche auch dem Sinn und Zweck des § 56 VgV, wonach ein Angebot aus rein formalen Gründen nicht ausgeschlossen werden müsse. Eine Nachbesserung der technischen Zeichnung gehe jedoch über eine rein formale Berichtigung hinaus. Der Antragstellerin dürfe im Ergebnis kein Vorteil daraus entstehen, dass der Antragsgegner fälschlicherweise die Antragstellerin zur Nachbesserung der technischen Zeichnung aufforderte, so dass der Antragsgegner die nachträglich abgegebene Zeichnung aus Gleichbehandlungsgründen nicht berücksichtigen durfte.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Lieferauftrag i.S.d. § 103 Abs. 1, 2 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 221.000 Euro erheblich.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die angekündigte Beauftragung eines Angebots, das nach Auffassung der Antragstellerin deren gewerbliche Schutzrechte verletzt, bzw. gegen die Vorgaben der Leistungsbeschreibung verstößt, geltend gemacht.
Soweit die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots aus dem konkreten Verfahren angreift, ist sie ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen.
Die Problematik, dass im vorliegenden Verfahren keine Eignungskriterien in der Bekanntmachung selbst genannt waren, sondern diese lediglich verlinkt waren, war für die Antragstellerin nicht erkennbar i.S.d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB. Zwar ist § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV zweifelsfrei zu entnehmen, dass sowohl die Eignungskriterien als auch die Unterlagen zum Nachweis der Eignung in der Auftragsbekanntmachung anzugeben sind. Jedoch ist der Verweis auf die Vergabeunterlagen mit zulässigen und nicht zulässigen Formen der Verlinkung in der Praxis in vielerlei Variationen weit verbreitet und es besteht immer noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit, inwieweit die Angaben nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV auch durch Verlinkung aus dem Bekanntmachungsformular gemacht werden können. Die dazu ergangene obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 – Verg 24/18 und Beschluss vom 27.06.2018 – Verg 4/18) musste die Antragstellerin nicht kennen.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, weil der Antragsgegner die Antragstellerin wegen der „ca.-Angaben“ gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 3 VgV zu Recht von der Wertung ausgeschlossen hat. Aufgrund der Einbeziehung dieser Angaben in die Wertung ergab sich hier aus den Vergabeunterlagen, dass „ca.-Angaben“ in Bezug auf die Werkstattentfernung nicht gemacht werden durften. Die Angaben der Antragstellerin waren auch keiner Aufklärung zugänglich. Zudem war das Angebot der Antragstellerin auch gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV aufgrund der auf die Nachforderung vom 08.10.2018 zunächst unzureichend eingereichten Projektzeichnung (gemäß technischen Bieterangaben Seite 5) auszuschließen. Der Antragstellerin hätte nicht mehr die Gelegenheit eingeräumt werden dürfen, anstatt der eingereichten Zeichnung eine neue, ausreichende einzureichen.
2.1 Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin kann allerdings nicht darauf gestützt werden, dass sie auf die Nachforderung vom 08.10.2018 eine neue S.3 des Formblatts L124 EU eingereicht hat, in dem nur zwei Referenzen eingetragen sind und diese wohl auch inhaltlich nicht so wie behauptet erbracht worden sind. Dies gilt ungeachtet dessen, ob die Anforderung im Formblatt L124 EU überhaupt wirksam gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV bekannt gemacht wurde. Die Antragstellerin hat nämlich bereits mit ihrem Angebot drei ausreichende Referenzen eingereicht.
Die Art und Weise der Bekanntmachung der Eignungskriterien durch die Verlinkung unter Ziffer III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister mit dem Link https://www.meinauftrag.rib.de/public/DetailsByPlatformIdAndTenderId/platformId/1/tenderId/160778 kann nicht mehr nachvollzogen werden, da der Auftraggeber die Einstellungen auf der Vergabeplattform so vorgenommen hat, dass der Link nach dem Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht mehr funktionierte. Derartige nicht mehr aufklärbare Unklarheiten gehen grundsätzlich zu Lasten des Auftraggebers. Die Vergabekammer Südbayern bittet den Antragsgegner dringend, die Verlinkung so lange bestehen zu lassen, dass im Falle der Nachprüfung die verlinkten Inhalte nachvollzogen werden können.
Selbst wenn man aber zugunsten des Antragsgegner annimmt, dass die Verlinkung ebenso aufgebaut war, wie bei anderen aktuell laufenden Vergabeverfahren des Antragsgegners, anhand derer die Vergabekammer beispielhaft die dort verlinkten Inhalte ansehen konnte, entspricht die Bereitstellung der Eignungskriterien nicht exakt den Vorgaben der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf im grundlegenden Beschluss vom 11.07.2018 – Verg 24/18.
Das OLG Düsseldorf hat in konsequenter Umsetzung des klaren Wortlauts der § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV entschieden, dass die bloße Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ den Bekanntmachungszweck nicht erfüllt und unzulässig ist. Ebenso wenig genügt ein Link auf die Vergabeunterlagen als Ganzes. Als zulässig erachtet das OLG Düsseldorf ausschließlich einen (direkten) Link auf das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergaben. Es hat für maßgebend gehalten, dass am Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem Formblatt gelangen konnten.
Sollte im streitgegenständlichen Verfahren die Verlinkung so aufgebaut gewesen sein, wie bei anderen aktuell laufenden Vergabeverfahren des Antragsgegners, besteht dort keine direkte Verlinkung auf das Formblatt, sondern auf eine Übersichtsseite, auf der die Vergabeunterlagen als Ganzes – allerdings sehr übersichtlich gegliedert – zu erkennen sind. An prominenter Stelle ist dort das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung platziert, so dass es mit zwei Klicks (einer auf die Verlinkung im Bekanntmachungsformblatt und einer auf das Formblatt selbst auf der Übersichtsseite) aufgerufen werden und von jedem Bieter gefunden werden kann, der die Sprachbarriere der Ausschreibung überwinden kann. Die Vergabekammer tendiert dazu, diese Art der Verlinkung insoweit für ausreichend zu erachten, kann aber in diesem Fall nicht feststellen, ob sie tatsächlich so gestaltet war.
Das OLG Düsseldorf weist weiter darauf hin, dass ein Link unzureichend ist, der zwar zu den aufgestellten Eignungsanforderungen und Nachweisen führt, sich jedoch an einer Stelle der Auftragsbekanntmachung befindet, an der er von den potentiellen Bietern oder Bewerbern übersehen werden kann (ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2015, 11 Verg 11/14). Ob ein Bieter – zu denken ist hier gerade auch an Bieter aus dem europäischen Ausland – Referenzanforderungen, die die technische und berufliche Leistungsfähigkeit belegen sollen unter der Überschrift „Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister“ erwartet, erscheint zweifelhaft. Es fehlt in der Bekanntmachung ein Hinweis, dass die dortige Verlinkung auch für die Ziffern III.1.2 Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit gelten soll.
Auch wenn die Verlinkung im vorliegenden Fall wohl nicht ausreichend war, um die Eignungskriterien und damit die Referenzanforderungen gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV wirksam bekannt zu machen, hat die Antragstellerin mit ihrem Angebot jedenfalls auch drei ausreichende Referenzen vorgelegt. Das Formblatt L124 EU spricht nur von „geeigneten“ Referenzen über „vergleichbare Leistungen“. Konkretisierungen, was der Antragsgegner als „geeignet“ und „vergleichbar“ ansieht, existieren in den Vergabeunterlagen nicht.
Die Antragstellerin hat bereits in ihrem Angebot drei Referenzen über den Komplettaufbau von Winterdienstfahrzeugen mit den erforderlichen Angaben benannt. Dass diese Referenzen 3-Achs-Lkw und keine 4-Achs-Lkw betreffen, führt nicht dazu, dass sie nicht als „geeignet“ und „vergleichbar“ angesehen werden können. Vergleichbar ist eine Referenzleistung mit der ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (OLG München, Beschluss vom 12.11.2012, Verg 23/12). Hat der Auftraggeber – wie hier – keine konkretisierenden Angaben gemacht, was er als vergleichbar ansieht, ist der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Bieters heranzuziehen, wobei aufgrund des für Eignungsanforderungen gem. § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB in besonderem geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kein zu strenger Maßstab herangezogen werden darf. Da beim Aufbau eines Winterdienstfahrtzeugs auf einem Lkw-Fahrgestell bei 3- und 4-Achs-Fahrzeugen trotz unterschiedlicher zu beachtender technischer Details im Wesentlichen dieselben Arbeitsschritte anfallen, durfte die Antragstellerin ihre Referenzen für „geeignet“ und „vergleichbar“ ansehen. Hätte der Auftraggeber Referenzen über die identische Leistung, also den Aufbau von 4-Achs-Fahrzeugen, erhalten wollen, hätte er dies deutlich machen müssen.
Da die Antragstellerin damit ausreichende Referenzen vorgelegt hatte, war die Nachforderung vom 08.10.2018 unzulässig und die dort eingereichten Referenzen nicht von Belang.
2.2 Das Angebot der Antragstellerin ist aber aufgrund der gemachten „ca.-Angaben“ in Bezug auf die Werkstattentfernung für LKW Fahrgestell und Winterdiensthydraulik gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend auszuschließen.
Unklare Angebote, die gerade auch wegen ihrer Mehrdeutigkeit gegen Vorgaben der Vergabeunterlagen verstoßen und keine eindeutige Auslegung zulassen, können weder durch Angebotsaufklärung noch durch Nachforderung geheilt werden. Vielmehr ist hier gem. § 57 Abs. 1 Nr. 3 VgV der Ausschluss zwingend (H1/H.weg in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar § 57 Rn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Eintragungen – wie hier – bereits bei der Angebotsabgabe zweifelhaft waren oder sich erst aus nachträglichen Eintragungen Zweifel ergeben (H1/H.weg a.a.O. Rn. 34).
Allerdings führen ca.-Angaben in vielen Fällen weder zu unklaren Angeboten noch zu Änderungen der Vergabeunterlagen. Im vorliegenden Fall führten die ca.-Angaben, zumindest in der Art, wie die Antragstellerin sie vorgenommen hat, jedoch dazu, dass die Wertung der Preiskomponente „Werkstattentfernung für LKW Fahrgestell und Winterdiensthydraulik“ gem. Formblatt „Wertung“ bzw. Anlage A des Formblatts „Wertung“ nicht durchführbar war. Die Unklarheit konnte auch nicht durch eine Angebotsaufklärung behoben werden.
Zur Angebotswertung sollte vorliegend auf Grundlage der Bietereintragungen „Werkstattentfernung für LKW Fahrgestell und Winterdiensthydraulik“ eine Preisvergleichsrechnung über die eingetragenen Entfernungen durchgeführt wird.
Für das Verständnis der Vergabeunterlagen ist auf den zu ermittelnden objektiven Empfängerhorizont eines verständigen und sachkundigen Bieters, der mit Beschaffungsleistungen der vorliegenden Art vertraut ist, abzustellen. Da sich die Ausschreibung an einen im Voraus kaum überschaubaren Empfängerkreis richtet, kommt es in erster Linie auf den Wortlaut, daneben aber auch auf die konkreten Verhältnisse der Leistung an, wie sie in den Vergabeunterlagen ihren Ausdruck gefunden haben (OLG München, Beschluss vom 03.12.2015 – Verg 9/15).
Für die Bieter war aus dem Formblatt Wertung erkennbar, dass die so errechnete Wertungssumme (monetär) im Anschluss auf den Angebotspreis aufgeschlagen wird. Für die Bieter war ebenfalls erkennbar, dass in die Formel im Formblatt „Wertung“ keine ca.-Werte eingetragen werden konnten, weil sonst keine Berechnung möglich war. Wenn die Antragstellerin der Auffassung gewesen wäre, dass sie keine genauen Angaben auf der Basis des Routenplaners machen kann, da diese variieren können, hätte sie die Problematik gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB vor dem Schlusstermin zur Angebotsabgabe rügen müssen.
Hinzu kommt, dass – wie der Antragsgegner im nachgelassenen Schriftsatz vom 04.02.2019 vorgetragen hat – die durch das „ca.“ eröffneten Abweichungsgrade im Angebot der Antragstellerin unterschiedlich sind, was insbesondere bei den Angaben zu der Werkstattentfernung für Winterdiensthydraulik (Ziffer 2 der Ausführungsbeschreibung) deutlich wird:
Die von der Antragstellerin angegebene Distanz zwischen der Autobahnmeisterei P… und der von ihr angegebenen Werkstatt für Winterdiensthydraulik beträgt „ca. 70“ km. Die Entfernung beträgt nach Routenplaner 69,5 km, sodass sich hier beim ersatzlosen Wegstreichen des,,ca.“ im Wege einer Aufklärung eine Divergenz von unter 0,7% zu Ungunsten der Antragstellerin ergäbe.
Die von der Antragstellerin angegebene Distanz zwischen der Autobahnmeisterei M… U… (ab M…-Nord) und der von ihr angegebenen Werkstatt für Winterdiensthydraulik beträgt „ca. 19“ km. Die Entfernung beträgt nach Routenplaner 17,37 km, sodass sich hier beim ersatzlosen Wegstreichen des „ca.“ eine Divergenz von über 8% zu Ungunsten der Antragstellerin ergäbe.
Die von der Antragstellerin angegebene Distanz zwischen der Autobahnmeisterei M… U… (ab M.-West) und der von ihr angegebenen Werkstatt für Winterdiensthydraulik beträgt „ca. 25“ km. Die Entfernung beträgt nach Routenplaner 35,5 km, sodass sich hier beim ersatzlosen Wegstreichen des „ca.“ eine Divergenz von 42% zu Gunsten der Antragstellerin ergäbe.
Die Antragstellerin hat also nicht – wie sie schriftsätzlich behauptet hat – schlicht auf die nächst höhere runde Zahl aufgerundet (was möglicherweise noch einer Aufklärung zugänglich gewesen wäre), sondern das „ca:” vor den einzelnen Angaben stellt unterschiedliche Abweichungsgrade dar. Diese können – mangels Angaben im Angebot zum „richtigen“ runden Zahlenwert – weder eindeutig ausgelegt noch aufgeklärt werden. Ein Einsetzen der vom Antragsgegner ermittelten Werte hätte zu einer unzulässigen inhaltlichen Änderung des Angebots geführt.
Die Eintragungen im Angebot der Antragstellerin waren damit nicht zweifelsfrei i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 3 VgV und das Angebot aus diesem Grund auszuschließen.
2.3 Ebenso war das Angebot der Antragstellerin gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen, da es letztlich zwar alle nachgeforderten Unterlagen enthielt, diese aber erst nach einer unzulässigen Nachbesserung der bereits nachgereichten Unterlagen den Anforderungen des Auftraggebers entsprachen.
Nach § 56 Abs. 2 VgV kann der öffentliche Auftraggeber einen Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. Die Projektzeichnung gem. Formblatt „Technische Bieterangaben“ S.5 (Projektzeichnung mit geforderten Winterdienstgeräten) ist eine leistungsbezogene Unterlage. Die Nachforderung war auch nicht gem. § 56 Abs. 3 Satz 1 VgV ausgeschlossen, da diese Projektzeichnung nicht die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betrifft. Die Projektzeichnung mit geforderten Winterdienstgeräten spielt für die Wertung der Angebote keine Rolle.
Die Projektzeichnung gem. Formblatt „Technische Bieterangaben“ S. 5 wäre auch schon mit dem Angebot vorzulegen gewesen. § 56 Abs. 2 VgV betrifft nur solche Unterlagen, die bereits bis zum Ablauf der Angebotsfrist vorzulegen sind (Begründung der Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts BR-Drucks. 87/16 S. 209, Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß § 56 VgV Rn. 17, so zur früheren Rechtslage schon OLG München, Beschluss vom 29.10.2013 Verg 11/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 Verg 35/15). Im Formblatt L2110EU Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, waren u.a. mit dem Angebot einzureichen: „Technische Bietereintragungen 3-Achs-LKW Kipper Standard“ und „Technische Bietereintragungen 3-Achs-LKW Kran-Kipper Wechselsystem“. Die Bezugnahme auf 3-Achs-LKW war ein offensichtlicher Fehler, wohl aufgrund copy& paste aus der parallel laufenden Ausschreibung für 3-Achs-LKW, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens mit dem Az. Z3-3-3194-1-37-10/18 war. Ein verständiger Bieter konnte aber dennoch erkennen, dass die technischen Bieterangaben für 4-Achs-Lastkraftwagen mit Kipper Standard und damit auch die Projektzeichnung gem. Formblatt „Technische Bieterangaben“ S.5 (Projektzeichnung mit geforderten Winterdienstgeräten) mit dem Angebot einzureichen war.
Das Angebot der Antragstellerin war nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV zwingend auszuschließen, da die Antragstellerin auf das Anforderungsschreiben vom 08.10.2018, in dem u.a. die fehlende Projektzeichnung gem. Formblatt „Technische Bieterangaben“ S.5 unter Fristsetzung bis zum 15.10.2018 nachgefordert wurde, mit E-Mail vom 09.10.2018 eine unzureichende Projektzeichnung ohne Winterdienstgeräte eingereicht hatte.
Der Antragsgegner hätte die Antragstellerin nicht mit Mail vom 10.10.2018 auffordern dürfen, eine seinen Vorgaben entsprechende Zeichnung einzureichen, die die Antragstellerin dann auch am 15.10.2018 einreichte.
Soweit für die Vergabekammer ersichtlich, ist derzeit obergerichtlich ungeklärt, ob ein Bieter, der auf eine Nachforderung nach § 56 Abs. 2 VgV zunächst eine unzureichende Unterlage eingereicht hat, auf entsprechende Aufforderung innerhalb der noch laufenden Nachforderungsfrist eine andere, ausreichende Unterlage einreichen kann. Die Vergabekammer hat aber erhebliche Bedenken, ob ein solches Nachbessern einer bereits auf eine Nachforderung eingereichten Unterlage unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung zugelassen werden kann. Unternehmen haben sich an von ihnen eingereichten Unterlagen grundsätzlich festhalten zu lassen (vgl. VK Berlin, Beschluss vom 30.11.2018 – VK B 2-25/18 ähnlich VK Sachsen, Beschluss vom 10. März 2010 – 1/SVK/001-10). Spiegelbildlich zur Bindung der Bieter an bereits eingereichte Unterlagen ist der Auftraggeber auch nicht berechtigt, bereits vorgelegte Unterlagen erneut von dem Unternehmen zu verlangen. Liegen Unterlagen aber physisch vor, fehlen sie nicht im Sinne dieser Bestimmung (vgl. VK Bund, Beschluss vom 17. Oktober 2017 – VK 2-112/17). Mit der Einreichung der unzureichenden Projektzeichnung ohne Winterdienstgeräte fehlte keine leistungsbezogene Unterlage mehr und die Vergabekammer sieht die eingereichte Projektzeichnung auch nicht als unvollständige Unterlagen i.S.v. § 56 Abs. 2 VgV an, sondern als inhaltlich unzureichende Unterlage, so dass die erneute Nachforderung mit E-Mail vom 10.10.2018 unzulässig war.
Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass einem Bieter aus Gründen der Gleichbehandlung kein Vorteil daraus erwachsen darf, dass er die Anlagen entgegen der Anforderungen der Vergabeunterlagen nicht direkt mit dem Angebot abgegeben hat. Hätte der Bieter die Projektzeichnung direkt mit dem Angebot eingereicht, wäre sie inhaltlich unzureichende gewesen. Im Gegensatz zu einer fehlenden oder unvollständigen Unterlage hätte die Vergabestelle die Verbesserung einer unzureichenden technischen Zeichnung nicht nachfordern dürfen. Eine Nachbesserung von vorgelegten Erklärungen, die inhaltlich nicht den aufgestellten Mindestbedingungen entsprechen, ist nicht zulässig (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.04.2014 – 13 Verg 2/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.06.2015, Verg 14/15).
Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 56 VgV, wonach ein Angebot nicht aus rein formalen Gründen ausgeschlossen werden soll. Eine Nachbesserung der technischen Zeichnung geht jedoch über eine rein formale Berichtigung hinaus. Bei einer Abgabe der Unterlage zusammen mit dem Angebot hätte die Vergabestelle daher nicht auf die Mängel hinweisen und nachfordern dürfen, sodass auch eine Nachbesserung nicht hätte erfolgen können. Es darf sich vorliegend daher nicht zu Gunsten der Antragstellerin auswirken, dass der Antragsgegner sie fälschlicherweise zur Nachbesserung der technischen Zeichnung aufforderte.
Das Angebot der Antragstellerin ist daher im Ergebnis zu Recht vom streitgegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen worden.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Sie wird vorliegend auf …,00 Euro festgesetzt.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.
Über die Aufwendungen der Beigeladenen muss die Vergabekammer von Amts wegen entscheiden. Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen folgt aus § 182 Abs. 4 S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die bisherige Rechtsprechung der Vergabesenate hat den Beigeladenen kostenrechtlich nämlich nur dann wie einen Antragsteller oder Antragsgegner behandelt, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem er sich an dem Verfahren beteiligt (BGH, Beschluss vom 26.09.2006, Az.: X ZB 14/06). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen des Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10). Eine eigene Antragstellung ist nicht Voraussetzung für eine aktive Beteiligung des Beigeladenen mit der Folge, dass auch ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können. Auch ohne Antragstellung kann sich das Rechtsschutzziel eines Beteiligten aus den eingereichten Schriftsätzen eindeutig ergeben (OLG Rostock, Beschluss vom 21.07.2017, 17 Verg 2/17).
Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung, in der sie auch nicht anwaltlich vertreten war, keine Anträge gestellt und durch ihr schriftsätzliches Vorbringen, in dem sie im Wesentlichen die Argumentation des Antragsgegners übernommen hat, auch das gegenständliche Verfahren nicht wesentlich gefördert. Eine Auferlegung ihrer Anwaltskosten auf die Antragstellerin kommt daher nicht in Betracht.


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