Aktenzeichen Au 5 K 16.1680
Leitsatz
1 Anlagen der Fremdwerbung sind in einem Mischgebiet nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 iVm § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO grundsätzlich allgemein zulässig. (red. LS Andreas Decker)
2 Werbeanlagen können durch einen Bebauungsplan aus bauplanungsrechtlichen Gründen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO, auch in einem Mischgebiet, ausgeschlossen werden. (red. LS Andreas Decker)
3 Die Rechtsprechung des BVerwG zur (Un-)Zulässigkeit baugestalterischer Regelungen über Anforderungen an Werbeanlagen ist auf den Ausschluss von Anlagen für Fremdwerbung durch eine auf § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO gestützte Festsetzung eines Bebauungsplans nicht übertragbar. (red. LS Andreas Decker)
4 Eine Befreiung darf nicht als Instrument dafür eingesetzt werden, eine von der Gemeinde städtebaulich getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. (red. LS Andreas Decker)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Verpflichtungsklage, über die aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dem beantragten Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Prüfungsmaßstab sind nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§ 29 bis 38 BauGB) sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO. Da sich die Beklagte als Ablehnungsgrund zusätzlich auf das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO berufen hat, ist auch diese Vorschrift im gerichtlichen Verfahren Prüfungsgegenstand (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO).
Die beantragte beleuchtete Werbeanlage ist nach Art. 55 Abs. 1 i.V.m. Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO genehmigungspflichtig. Die Anlage ist jedoch im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab in Art. 59 BayBO nicht genehmigungsfähig, so dass die Klage keinen Erfolg haben kann.
2. Vorliegend verstößt das Bauvorhaben der Klägerin bereits gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. * „*“ der Beklagten. Demnach ist die Erteilung einer Baugenehmigung bereits aufgrund der Vorschrift des § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO ausgeschlossen. Die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB kommt nicht in Betracht. Im Rahmen der hier anhängigen Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) können die Festsetzungen des maßgeblichen einfachen Bebauungsplanes Nr. * dem Bauvorhaben der Klägerin auch entgegengehalten werden, da im Rahmen einer Verpflichtungsklage für das Bestehen eines Rechtsanspruches grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO abzustellen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 217 m.w.N.).
Dem Vorhaben der Klägerin steht die in Ziffer C.2. § 4 Abs. 3 getroffene textliche Festsetzung des Bebauungsplanes Nr. * der Beklagten zum Ausschluss von Fremdwerbeanlagen im Plangebiet entgegen.
Der einfache Bebauungsplan Nr. * der Beklagten mit dem in Ziffer C.2. § 4 Abs. 3 getroffenen städtebaulichen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen ist wirksam.
Formelle Mängel im Hinblick auf das Zustandekommen des Bebauungsplanes sind nicht ersichtlich. Insbesondere begegnet die Wahl des Verfahrens nach § 13 BauGB und die ortsübliche Bekanntmachung des Bebauungsplanes im Amtsblatt der Beklagten Nr. 39-40/2016 am 7. Oktober 2016 keinen rechtlichen Bedenken. Nach Aussagen der Beklagten lag darüber hinaus bei Unterzeichnung des Bebauungsplanes am 5. Oktober 2016 ein Vertretungsfall im Sinne des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung (GO) vor, so dass die Unterzeichnung der Satzungsurkunde durch die zweite Bürgermeisterin der Beklagten unbeanstandet bleibt.
Ein solches Verbot von Fremdwerbung im einfachen Bebauungsplan ist auch rechtlich zulässig. Der Bebauungsplan „*“ weist für den geplanten Standort der Mega-Light-Werbeanlage ein Mischgebiet (MI) nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 6 BauNVO aus. Werbeanlagen, die als eigenständige nichtstörende gewerbliche Nutzung anzusehen sind, sind in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO grundsätzlich allgemein zulässig. Das Gericht ist aufgrund der durch den Einzelrichter vorgenommenen Einnahme des Augenscheines auch davon überzeugt, dass die Eigenart der Umgebung tatsächlich derjenigen eines Mischgebiets entspricht. Der Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch in den Erdgeschossbereichen vorhandene gewerbliche Nutzungen, denen in den Obergeschossen Wohnnutzung gegenübersteht. Der maßgebliche Bereich ist daher durch ein quantitatives und qualitatives Nebeneinander von Wohn- und gewerblicher Nutzung gekennzeichnet, welches sich in einem gleichwertigen Verhältnis präsentiert.
Der von der Beklagten im Wege der Feinsteuerung vorgenommene Ausschluss von Fremdwerbeanlagen ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 9 BauNVO gedeckt. Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig wären, nicht zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Dies betrifft zwar nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 5 BauNVO nur die in § 6 BauNVO gennannten Arten baulicher Nutzungen, also etwa auch die nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO in einem Mischgebiet allgemein zulässigen „sonstigen Gewerbebetrieben“, § 1 Abs. 9 BauNVO lässt jedoch eine noch feinere Ausdifferenzierung zu, nach welcher auch festgesetzt werden kann, dass nur bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig wären, nicht zulässig sind. Damit ermöglicht es diese Vorschrift, dass unterhalb der Nutzungsbegriffe der BauNVO durch Bildung von Unterarten typisiert wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1987 – 4 C 77/84 – juris). Dies setzt allerdings voraus, dass „besondere städtebauliche Gründe“ dies rechtfertigen. Dahinter steht der Gedanke, dass der Planungsträger nur bei Vorliegen solcher besonderen städtebaulichen Gründe von den in den Baugebietsvorschriften typisiert festgelegten Zulässigkeitsregeln i.S.d. § 1 Abs. 5 BauNVO abweichen darf und dies erst recht und in besonderem Maße zu verlangen ist, wenn auf Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO – noch weiter von der Typisierung entfernt – sogar bestimmte Anlagenarten für zulässig oder unzulässig erklärt werden sollen (vgl. VG Augsburg, U.v. 30.4.2010 – Au 5 K 09.584 -, juris). „Besondere städtebauliche Gründe“ i.S.v. § 1 Abs. 9 BauNVO sind dabei nicht notwendig solche von größerem oder im Verhältnis zu Abs. 5 zusätzlichem Gewicht. Gemeint ist vielmehr, dass es spezielle Gründe gerade für eine noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzung geben muss (BVerwG, U.v. 22.5.1987 – a.a.O.).
Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Ausschluss von Fremdwerbung bleibt zunächst unstreitig die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets als Mischgebiet gewahrt.
Darüber hinaus liegen nach Auffassung des Gerichts aber auch besondere städtebauliche Gründe vor, die den (vollständigen) Ausschluss von Fremdwerbung rechtfertigen. Ausreichend hierfür ist nach Auffassung des Gerichts, dass der Planungsträger ein umfassendes Sanierungskonzept umsetzen will, um städtebauliche Defizite auszugleichen und die Attraktivität des betroffenen Gebiets zukünftig zu steigern (VG Augsburg, U.v. 30.4.2010, a.a.O.) So liegt der Fall hier. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan Nr. * und zur ebenfalls das betreffende Gebiet umfassenden Sanierungssatzung der Beklagten „Sanierungsgebiet * Nr. * – *“ verfolgen die Satzungen das Ziel, die Mischgebietsstruktur zu erhalten und zu einer Aufwertung des Stadtteilzentrums * beizutragen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sich bei der aktuellen Gesamtbetrachtung des Baugebietes, Tendenzen feststellen ließen, die einen beginnenden städtebaulichen Verfall mit den bekannten Begleiterscheinungen aufwiesen. Insbesondere bewirkten großformatige Fremdwerbeanlagen eine Abwertung des Stadtbilds und stellten ein Element bzw. Verstärkungsmoment von Trading-Down-Effekten dar. Gerade größere Fremdwerbeanlagen wirkten im Hinblick auf die schützenswerte Wohnfunktion störend und seien mit dieser als unvereinbar zu klassifizieren. Der Bebauungsplan Nr. * leiste zur Sicherstellung der Zielsetzungen der Sanierungssatzung einen wichtigen Beitrag. Ohne diesen würden die Bestrebungen bezüglich des Erhalts und der Aufwertung des Stadtteilzentrums * zunichte gemacht bzw. erheblich erschwert werden. Als flankierendes Instrument zu den Zielen der Sanierungssatzung für das Stadtteilgebiet * verfolgt der Bebauungsplan Nr. * mit seiner vorgenommenen Feinsteuerung ein schlüssiges Gesamtkonzept. Diese Gründe reichen nach Ansicht des Gerichts aus, um den Ausschluss von Werbeanlagen für Fremdwerbung in dem betreffenden Teil des Plangebietes zu rechtfertigen. Aus Sicht des Gerichts liegen daher besondere städtebauliche Gründe i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO vor, die den Ausschluss von Fremdwerbung rechtfertigen. Auch bleibt unzweifelhaft die allgemeine Zweckbestimmung eines Mischgebietes trotz des Ausschlusses gewahrt. Die Eigenart des Mischgebiets ist gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dadurch gekennzeichnet, dass es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlichen stören, dient. Durch den vollständigen Ausschluss von Werbeanlagen für Fremdwerbung als eine „Unterart“ der ansonsten weiterhin in ihrem gesamten Spektrum zulässigen gewerblichen Nutzungen bleibt diese Eigenart des Gesamtgebietes unberührt. Das gleichberechtigte Nebeneinander von Wohnen und – wohngebietsverträglicher – gewerblicher Nutzung wird hierdurch nicht in Frage gestellt (VGH Baden-Württemberg, U.v. 16.4.2008 – 3 S 3005/06 – juris).
3. Dem planungsrechtlichen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO steht auch nicht die den Ausschluss von Werbeanlagen im Mischgebieten durch örtliche Bauvorschriften betreffende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. Diese darf auf einen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO nicht übertragen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.1.2017 – 8 S 2081/16 – juris Rn. 14 ff.)
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf eine baugestalterische Regelung über Anforderungen an Werbeanlagen an der planungsrechtlich bestimmten Nutzungsfläche der Bauflächen im Mischgebiet nicht schlechthin vorbeigehen. Das generalisierende Verbot bestimmter Werbeanlagen in bestimmten Baugebieten müsse seine Entsprechung in einem Mindestmaß an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters finden. Fehle es wie beim Mischgebiet voraussetzungsgemäß an einer einheitlichen Funktion und damit auch an einer einheitlichen Eigentumssituation der Bauflächen, so lasse sich unter dem Gesichtspunkt besonderer gestalterischer Anforderungen keine einheitliche Beantwortung der Frage erreichen, ob sich bestimmte Werbeanlagen ihrer Umgebung funktionsgerecht anpassten. Unter solchen Umständen sei eine einheitliche, ein generelles Verbot bestimmter Werbeanlagen umfassende baugestalterische Regelung nicht sachgerecht und deshalb nicht mehr mit den Grenzen vereinbar, die Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) für die Bestimmung und Beschränkung des Eigentumsinhalts setze (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.1980 – IV C 44.76 -, NJW 1980, 2091).
Auf den Ausschluss von Werbeanlagen für Fremdwerbung durch eine auf § 1 Abs. 9 BauNVO gestützte Festsetzung des Bebauungsplans kann diese an die planungsrechtlich bestimmte Nutzungsweise anknüpfende Rechtsprechung nicht übertragen werden (VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.1.2017, a.a.O., juris Rn. 16). Durch die Festsetzung eines der in der BauNVO bezeichneten Baugebiets werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplanes. Dies gilt jedoch nur dann, soweit nicht aufgrund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO). So gestatten es die Regelungen in § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO im Bebauungsplan festzusetzen, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, sowie bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Die Bestimmung des Gebietszwecks und dessen Feinsteuerung mit den im jeweiligen Baugebiet zulässigen Nutzungen ist daher der planerischen Entscheidung der Gemeinde überlassen, die dabei nur den sich aus den genannten Vorschriften selbst ergebenden Bindungen unterliegt (VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.1.2017, a.a.O., juris Rn. 16).
4. Das Verbot von Fremdwerbung im Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG. Der Ausschluss von Fremdwerbung ist jedenfalls dann mit Art. 14 GG vereinbar und zulässig, wenn die für eine generalisierende Werberegelung erforderliche Einheitlichkeit des zu schützenden Gebiets vorliegt, also die konkreten örtlichen Verhältnissen einen Ausschluss von Fremdwerbung rechtfertigen (BVerwG, U.v. 22.2.1980 – 4 C 44.76 -, BayVBl 1980, 408 f.). Die erforderliche Einheitlichkeit kann dabei auch durch die städtebaulich bedeutsame Prägung eines bestimmten Teilgebiets der Gemeinde bewirkt sein (BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3/94 -, juris). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes verstößt im vorliegenden Fall der generelle Ausschluss von Fremdwerbung nicht gegen Art. 14 GG, weil durch den Bebauungsplan Nr. * und das flankierende Sanierungskonzept für den Stadtteil * eine städtebaulich bedeutsame Prägung dieses Innenstadtbereichs der Beklagten verwirklicht wird.
Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof, der im Hinblick auf die unterschiedliche Schutzwürdigkeit des Ortsbildes einen Ausschluss von Werbeanlagen im gesamten Gemeindegebiet im Hinblick auf Art. 14 GG als problematisch beurteilt hat (BayVerfGH, E.v. 23.1.2012 – Vf. 18-VII-09 -, juris). Vorliegend ist nur ein eng begrenzter Teil des Stadtgebiets der Beklagten von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. * betroffen, während in anderen Teilen des Stadtgebietes gerichtsbekannt ein vergleichbarer Ausschluss von Fremdwerbung nicht existiert.
5. Das Vorhaben der Klägerin kann aber auch nicht im Wege einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen werden. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Danach kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, u.a. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Bei der Frage, ob ein den planerischen Festsetzungen widersprechendes Vorhaben im Wege einer Befreiung zugelassen werden kann, ist der Rechtsnormcharakter des als Satzung zu beschließenden Bebauungsplans zu beachten. Der Gesetzgeber stellt mit § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das trotz der Bindung an die Festsetzungen des Bebauungsplanes im Interesse einer Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft. Nur Planfestsetzungen, die ein Mindestmaß an Abstraktion oder Verallgemeinerungen enthalten, rechtfertigen die Erteilung einer Befreiung (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2004 – 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84).
Die Festsetzungen des Bebauungsplanes sind für die jeweilige Bauverwaltung grundsätzlich strikt verbindlich. Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht beliebig durch Verwaltungsakt im Einzelfall außer Kraft gesetzt werden dürfen.
Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption (vgl. § 1 Abs. 8 BauGB) nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung darf nicht als Instrument dafür eingesetzt werden, eine von der Gemeinde städtebaulich getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben (vgl. OVG NRW, U.v. 20.2.2004 – 10 A 4840/01 -, BRS 67 Nr. 84).
Wenn die planerischen Festsetzungen, von denen befreit werden soll, für die Plankonzeption tragend sind, sind sie nicht befreiungsfähig, was vor allem für Festsetzungen in einem Bebauungsplan gilt, die den Gebietscharakter nach der Art und dem Maß der baulichen Nutzung betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.2004 – 4 B 45.04 -, juris).
6. Da das von der Klägerin zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben bereits planungsrechtlich (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) unzulässig ist, bedurfte es keiner Entscheidung darüber, ob das streitgegenständliche Bauvorhaben zusätzlich gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 BauNVO) verstößt. Der nach den Erkenntnissen des Ortsaugenscheins gewonnene Eindruck eines singulären Anbringungsorts der Fremdwerbungsanlage, der im übrigen Plangebiet keine Entsprechung findet, würde bei angenommener Unwirksamkeit der getroffenen planerischen Festsetzungen zum Ausschluss von Fremdwerbeanlagen diesen Schluss jedoch nahelegen. Ebenfalls bedarf es keiner gerichtlichen Entscheidung über die Frage, ob das Bauvorhaben gegen den zulässigerweise auf der Grundlage von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HS 2 BayBO um Vorschriften des Bauordnungsrechts (Art. 8, 14 BayBO) erweiterten Prüfungsmaßstab verstößt.
7. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).