Aktenzeichen AN 9 K 15.00672
Leitsatz
In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger herabwürdigen bzw. umfunktionieren (vgl. BayVGH Beschl. v. 24.9.2002 – 14 ZB 02.1849; Urt. v. 28.10.2014 – 15 B 12.2765; Urt. v. 11.11.2014 – 15 B 12.765, mwN) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und es damit empfindlich stören. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Aufgrund des Einverständnisses der Parteien kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ihr steht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Errichtung einer Megalight-Werbeanlage auf dem Grundstück …-straße …, FlNr. … der Gemarkung … in der Stadt … nicht zu.
Das beantragte Vorhaben ist eine ortsfeste Anlage der Wirtschaftswerbung und gilt gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO als eigenständige bauliche Anlage. Ihre Errichtung ist nach Art. 55 BayBO genehmigungspflichtig. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. BayBO muss die Bauordnungsbehörde die Baugenehmigung erteilen, wenn das Vorhaben keinen öffentlichrechtlichen Vorschriften widerspricht, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Hs. 2 gibt der Baugenehmigungsbehörde jedoch die Möglichkeit, den Bauantrag auch dann abzulehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt. Einschlägig ist vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO, weil es sich bei der Werbeanlage um keinen Sonderbau i. S. d. Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Prüfungsmaßstab sind daher die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 ff. BauGB) sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften i. S. d. Art. 81 Abs. 1 BayBO. Nachdem die Beklagte die Ablehnung des Bauantrags auch auf das Verunstaltungsgebot des Art. 8 BayBO gestützt und insofern von dem ihr eingeräumten Ablehnungsrecht in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayBO Gebrauch gemacht hat, ist auch diese Vorschrift Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.
Ob die geplante Werbeanlage im Einklang mit § 34 BauGB und der Werbeanlagensatzung der Stadt … steht, kann offenbleiben. Nach dem durchgeführten Augenschein spricht zwar manches für eine Einordnung der maßgeblichen näheren Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet. Als problematische Nutzungen erscheinen indes das Taekwondo-Studio und das Geschäft der Firma …Klaviertransporte, welches augenscheinlich nicht nur als Büro, sondern auch als Lager für Klaviere genutzt wird.
Jedenfalls verstößt die streitgegenständliche Werbeanlage gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO.
Art. 8 BayBO hat als Norm des Bauordnungsrechts die Funktion, Auswüchse zu unterbinden, nicht jedoch bestimmte ästhetische Wertvorstellungen zur Stadtbildgestaltung zu verwirklichen (vgl. BayVGH, U. v. 21.2.1995, 14 B 92.2128; U. v. 11.8.2006, 26 B 05.3024; Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 8, Rn. 53 m. w. N.). Dementsprechend ist unter dem Begriff der Verunstaltung ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des für solche Eindrücke aufgeschlossenen Betrachters nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand zu verstehen. Er bedeutet nicht nur Störung der architektonischen Harmonie, vielmehr muss die optische Situation als belastend oder Unlust erregend empfunden werden (vgl. BVerwG, U. v.28.6.1955, I C 146.53; BayVGH, U. v.25.7.2002, 2 B 02.164; B. v. 12.5.2014, 2 ZB 12.2498).
Dabei kann offen bleiben, ob die Ablehnung hier – wie die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid zum Ausdruck bringt – neben Art. 8 Satz 2 BayBO auch auf dessen Satz 1 gestützt werden kann. Dieser regelt, dass bauliche Anlagen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe nicht so gestaltet sein dürfen, dass sie selbst verunstaltet wirken. Art. 11 Abs. 1 BayBO 1998 verwendete noch die Formulierung „verunstaltend“. Soll eine Werbeanlage wie im vorliegenden Fall an einer Hausfassade angebracht werden, so kann sich – da es sich bei der Werbeanlage nicht um die gleiche, sondern um eine eigenständige bauliche Anlage handelt – eine Verunstaltung des Gebäudes (und dadurch der Umgebung) durch die Werbeanlage jedenfalls aus dem umgebungsbezogenen Satz 2 ergeben (vgl. BayVGH, B. v. 16.2.2016, 2 ZB 15.2503; Schwarzer/König, BayBO, Art. 8, Rn. 9). Art. 8 Satz 2 BayBO bestimmt, dass bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten dürfen. Dabei ist anerkannt, dass das Straßenbild in Einzelfällen bereits dann verunstaltet sein kann, wenn ein architektonisch hervorgehobenes Gebäude, das Bestandteil des Straßenbilds ist, durch die bauliche Anlage verunstaltet wird (vgl. BayVGH, B. v. 16.2.2016, 2 ZB 15.2503). In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger herabwürdigen bzw. umfunktionieren (vgl. BayVGH, B. v.24.9.2002, 14 ZB 02.1849; U. v. 28.10.2014, 15 B 12.2765; U. v. 11.11.2014, 15 B 12.765, m. w. N.) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und es damit empfindlich stören. Daneben führt der bayerische Verwaltungsgerichtshof speziell zur Beurteilung von Werbeanlagen an freien Giebelwänden aus, dass diese einerseits dazu bestimmt seien, aufzufallen und ihren Zweck nur dann erfüllten, wenn sie sich von der Umgebung abheben. Dieser naturgemäße Kontrast müsse aber maßvoll sein, um das Gesamtbild nicht zu stören. Dieses sei insbesondere beeinträchtigt, wenn die Werbeanlage so aufdringlich wirke, dass sie als wesensfremdes Gebilde zu ihrer Umgebung in keiner Beziehung mehr stehe. Werbung an freien Giebeln, die als „architektonische Beruhigungsfläche“ wirkten, sei in aller Regel verunstaltend. Brandgiebel und Gebäudeabschlussmauern dürften daher nur nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall mit Werbeschriften oder zeichnerischen Darstellungen versehen werden und dann nur in einer Form, welche die ästhetischen mit den technischen Anforderungen zu einem gesunden Ausgleich bringe.
Insbesondere aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Augenscheins geht die Kammer davon aus, dass die geplante Werbeanlage an ihrem Anbringungsort die Gebäudefassade und durch sie das Straßenbild verunstaltet. Die Giebelseite des Gebäudes in der …-straße … weist sowohl horizontal als auch vertikal eine klare architektonische Gliederung auf. Das vertikale Fensterband in der nach Südwesten blickenden Giebelwand im Bereich des ersten bis vierten Obergeschosses bewirkt, dass die geschlossene Wand rechts davon als architektonische Beruhigungsfläche wahrgenommen wird, die ganz bewusst von gestalterischen Elementen und sonstigen Anbringungen freigehalten worden ist, um dem Auge des Betrachters inmitten der Betriebsamkeit Ruhe zu verschaffen. Diesen Zweck würde die Werbeanlage durch ihren Anbringungsort, ihre Grundfläche von knapp 11 m², ihre permanente Beleuchtung und den Plakatwechsel im 20 Sekunden Takt erheblich beeinträchtigen und die Wand vielmehr zum reinen Werbeträger degradieren. Daneben werden das Erdgeschoss, in dem sich gewerbliche Nutzungen befinden, und die darüber liegenden Geschosse, die nach dem Ergebnis des Augenscheins ausschließlich dem Wohnen dienen, durch ein Vordach optisch voneinander getrennt. In den oberen Bereich würde nun durch die Werbeanlage erstmalig gewerbliche Nutzung eindringen, die auch in der näheren Umgebung trotz der südlich des Baugrundstücks vorhandenen Werbeanlagen keine Entsprechung findet. Sie überragt in einer Anbringungshöhe zwischen 5,48 m und 8,26 m und mit ihrer Grundfläche alle anderen Werbeanlagen in der näheren Umgebung, insbesondere die Preispylone der südlich angrenzenden Supol-Tankstelle und die auf deren Grundstück befindliche City-Star-Werbeanlage, die in einer Höhe von 2,50 m angebracht ist, in Höhe und Abmessungen bei weitem und wirkt an der Fassade als störender Fremdkörper.
Hierdurch wird schließlich auch eine Verunstaltung des Straßenbildes bewirkt. Das Gebäude in der …-straße … wirkt auf seine nähere Umgebung prägend. Es bildet den südlichen Abschluss einer entlang der …-straße verlaufenden homogenen Gebäudezeile, die Bebauung auf dem südlich angrenzenden Grundstück FlNr. … springt 23 m von der Straße zurück, und die ebenfalls südlich liegende Supol-Tankstelle auf dem Grundstück FlNr. … ist eingeschossig, so dass das Gebäude an seinem Standort exponiert wirkt, und der Blick insbesondere auf seine Giebelfläche durch nichts verdeckt wird. Dadurch dass die …-straße von Süden kommend einen Rechtsknick vollzieht, ist die Giebelwand sogar mit das erste, worauf der Blick eines von dieser Seite Kommenden fällt. In dieses Straßenbild würde die durch die Werbeanlage verunstaltete Gebäudefassade aufdringlich dominierend und störend hineinwirken. Ein gesunder Ausgleich zwischen dem Erfordernis der Werbung, in gewisser Weise auffällig zu sein und sich abzuheben, und gestalterischen Mindestanforderungen gelingt so nicht mehr. Hinzu kommt, dass sich die beschriebene vertikale Gliederung, die dem Gewerbe ihren Platz im Wesentlichen im Erdgeschossbereich zuweist, auch in der gesamten Umgebung gewahrt ist, und die Werbeanlage auch insofern eine Durchbrechung der im Straßenbild vorhandenen Ordnung bewirken würde.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
gez. gez. gez.
…
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.