Aktenzeichen M 11 K 18.1438
Leitsatz
1. Zum zum Innenbereich kann auch eine sich an das letzte Gebäude noch anschließende, angemessen große Freifläche, die als Garten, Hof, Stellplatz oder in ähnlicher Weise bebauungsakzessorisch genutzt wird, gehören. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich muss nicht gradlinig verlaufen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I. Der Bescheid vom 6. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf eine positive Beantwortung der streitgegenständlichen Vorbescheidsfragen hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da sich der geplante Vorhabenstandort für die Tiefgarage und den Autolift in den Außenbereich erstreckt und dies öffentliche Belange beeinträchtigt.
1. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs und damit des Innenbereichs im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – BVerwGE 28, 268 = juris Rn. 26; U.v. 12.10.1990 – 4 C 40/87 – NVwZ 1991, 879/880 = juris Rn. 22; U.v. 19. 4.2012 − 4 C 10/11 – NVwZ 2012, 1631/1632 = juris Rn. 11; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5/14 – BVerwGE 152, 275 = juris Rn. 16). Grundsätzlich endet der Bebauungszusammenhang unabhängig von der Grundstücksgrenze mit der letzten Bebauung. Die sich ihr anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 47.68 – juris Rn. 19; U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72 – BauR 1974, 41 = juris Rn. 11; B.v. 12.3.1999 – 4 B 112/98 – NVwZ 1999, 763/765 = juris Rn. 21). Örtliche Besonderheiten können es aber rechtfertigen, dem Bebauungszusammenhang noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind (BVerwG, U.v. 12.10.1990 – 4 C 40/87 – NVwZ 1991, 879/880 = juris Rn. 22; U.v. 16.11.2010 – 4 C 7/10 – NVwZ 2011, 436 = juris Rn. 12). Ferner ist anerkannt, dass zum Innenbereich auch eine sich an das letzte Gebäude noch anschließende, angemessen große Freifläche, die als Garten, Hof, Stellplatz oder in ähnlicher Weise bebauungsakzessorisch genutzt wird, gehören kann (BayVGH, U.v. 9.3.2005 – 1 N 03.1765 – juris Rn. 7; B.v. 27.2.2006 – 2 CS 05.2999 – juris Rn. 5; VG München, U.v. 20.5.2010 – M 11 K 09.2743 – juris Rn. 16; Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 34 Rn. 19; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 132. EL Februar 2019, § 34 Rn. 25).
Gemessen an diesen Grundsätzen endet der Innenbereich jedenfalls vorliegend nicht wie im Regelfall an der Außenwand des Gebäudes K…-Straße …, sondern umfasst – was zwischen den Beteiligten dem Grunde nach unstreitig ist – auch einen Teil der rückwärtigen Grundstücksfläche. Für die Abgrenzung kommt es allerdings nicht auf einen Schnittpunkt gedachter Linien an. Die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich muss nicht gradlinig verlaufen, sondern darf grundsätzlich auch vor- und zurückspringen (BVerwG, B.v. 4.7.1990 – 4 B 103/90 – NVwZ 1990, 962 = juris Rn. 2). Daher kommt es auch nicht darauf an, ob andere Gebäude entlang der K…-Straße weiter nach Osten reichen. Entscheidend sind vielmehr die optisch wahrnehmbaren, natürlichen Grenzen im rückwärtigen Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks. Der Augenschein hat ergeben, dass das Gelände im rückwärtigen Grundstücksbereich nach Osten hin bis auf die Höhe der Fluchttüre aus der Neuen Galerie verhältnismäßig eben ist. Danach fällt das Gelände nach Osten hin steil ab. Diese Hangkante, die sich sodann Richtung Norden und weiter im Nordwesten entlang der Höhenlinie zur M…-Treppe zieht, erscheint nach dem optischen Eindruck als „natürliche“ Grenze. Auch wenn das Gelände aufgeschüttet worden sein mag, so ist dies wohl derart lange her und hat sich derart verfestigt, dass nach der Verkehrsauffassung die nunmehr bestehende Geländekante maßgeblich sein dürfte. Diese Hangkante bildet eine deutliche Zäsur, da sie den freien und verhältnismäßig ebenen Gartenbereich vollständig vom bewachsenen Steilhang trennt. Dies wird durch das „Linienmodell“ nicht hinreichend berücksichtigt. Die Geländekante deckt sich nach Norden nicht mit einer gedachten Linie, die aus einer Verlängerung der nördlichen Außenwand des Gebäudes K…-Straße … nach Osten hin resultiert. Der Augenschein hat nämlich ergeben, dass nach Norden hin das Gelände bereits etwas vor der Nordfassade des Gebäudes K…-Straße … abfällt. Im Ergebnis verläuft die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich in etwa entlang der Hangkante, auf der derzeit ein Zaun errichtet ist, wobei die trennende Wirkung selbstverständlich nicht dem Zaun, sondern der Hangkante zukommt. Die vom Bevollmächtigten des Klägers angesprochene zweite Geländestufe weiter hangabwärts (vgl. Blatt 34 der Behördenakte im Verfahren M 11 K 17.1909) erachtet das Gericht nach dem durchgeführten Augenschein demgegenüber zumindest nicht als derart offensichtlich erkennbar, dass ihr eine trennende Wirkung beizumessen wäre. Nach dem beim Augenschein gewonnenen Gesamteindruck kommt es für das Gericht maßgeblich auf die obere Hangkante an. Der durch diese Geländekante vom Steilhang getrennte Gartenbereich stellt ein Plateau dar, das bei natürlicher Betrachtungsweise nicht als Teil des Steilhangs angesehen werden kann. Das Bestandsgebäude K…-Straße … mit der Kubatur E+2+D ist massiv und prägt dadurch diesen nicht unüblich großen rückwärtigen Hausgarten bis zur Hangkante, sodass diese Fläche als bebauungsakzessorischen noch dem Innenbereich zuzurechnen ist.
Im vorderen Teil des Grundstücks kann der Bereich zwischen dem Gebäude K…-Straße …, der K…-Straße und der M…-Treppe, in dem der geplante Autolift entstehen soll, ebenfalls nicht anhand des „Linienmodells“ vollständig dem Außenbereich zugeordnet werden. Andererseits stellt er sich auch nicht, wie von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, als zwanglose Fortsetzung des Innenbereichs zum Gebäude nördlich der M…-Treppe (K…-Straße …) dar. Nördlich des Gebäudes K…-Straße … befindet sich zwar eine ebene Fläche, die derzeit im Wesentlichen als Stellplatz genutzt wird. Östlich des Stellplatzbereichs vor der Nordfassade des Hauses K…-Straße … fällt das Gelände nach den Feststellungen des Augenscheins allerdings bis auf einen schmalen Fluchtweg in etwa im letzten Drittel des Gebäudes steil ab. Dies rechtfertigt es einerseits, die ebene Stellplatzfläche als bebauungsakzessorisch noch dem Innenbereich zuzurechnen, da sie durch das daneben stehende Gebäude mitgeprägt wird. Andererseits ist für den Betrachter deutlich erkennbar, dass das Gelände dahinter steil abfällt. Nach dem beim Augenschein gewonnenen Gesamteindruck stellt sich demnach nicht die gesamte Fläche nördlich des Gebäudes K…-Straße … bis zur Höhe der östlichen Außenwand als dem Innenbereich zugehörig dar. Der Bebauungszusammenhang ist vielmehr durch die deutlich erkennbare Hangkante im unmittelbaren Anschluss an den Stellplatz unterbrochen, sodass die Bebauung auf dem streitgegenständlichen Grundstück zwar die ebene Fläche des Stellplatzes noch prägt, nicht dagegen den dahinterliegenden Steilhang.
Im Ergebnis stellen die verhältnismäßig ebenen Flächen um das Bestandsgebäude herum bis hin zur Hangkante, also im Wesentlichen der Stellplatz neben dem Gebäude, der schmale Weg in den rückwärtigen Gartenbereich sowie der Garten selbst, Flächen dar, die als bebauungsakzessorisch noch dem Innenbereich zuzurechnen sind. Es kann vorliegend offenbleiben, inwieweit solche Flächen einer über derartige „Hilfsfunktionen“ hinausgehenden Bebauung durch weitere Hauptgebäude überhaupt zugänglich sind (vgl. hierzu Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 34 Rn. 19 m.w.N.; vgl. ferner BayVGH, U.v. 9.3.2005 – 1 N 03.1765 – juris Rn. 8; ablehnend auch BayVGH, U.v. 13.4.2015 – 1 B 14.2319 – juris Rn. 20). Sowohl der geplante Autolift als auch diejenigen Bereiche der Tiefgarage, auf denen der Fluchtweg geführt werden soll, ragen jedenfalls in den Außenbereich.
2. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist das streitgegenständliche Bauvorhaben im Außenbereich nicht zulässig, weil öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt werden. Durch die Tiefgarage mit Autolift würde die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt, da eine solche Nutzung dem Außenbereich wesensfremd ist. Außerdem wären Belange des Naturschutzes beeinträchtigt. Bei der Hangpartie handelt es sich nach der Feststellung der unteren Naturschutzbehörde um einen naturschutzfachlich sensiblen Bereich. Der Gehölzbestand ist wichtig für den Artenschutz. Es bestünde die Gefahr dass, durch das in den Außenbereich ragende Vorhaben unterirdisch Wurzeln geschädigt werden könnten. Schließlich bestünde im Hinblick auf eine Bezugsfallwirkung auch die Gefahr eines ungeordneten Ausuferns des Bebauungszusammenhangs in den im Außenbereich befindlichen Baumbestand hinein, was ein Vorgang einer städtebaulich unerwünschten, unorganischen Siedlungsweise ist, die zu vermeiden ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB ist (vgl. BVerwG‚ U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 13.4.2015 – 1 B 14.2319 – juris Rn. 28).
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.