Baurecht

Werbeanlagen, Beiladung, Erteilte Baugenehmigung, Erteilung der Baugenehmigung, Baugenehmigungsbescheid, Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, Immissionsschutzrecht, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Rücksichtnahmegebot, Lichtimmissionen, Gemeindliches Einvernehmen, Verwaltungsgerichte, erhebliche Belästigung, Faktisches Mischgebiet, Befähigung zum Richteramt, Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, Baugrundstück, Fehlendes Einvernehmen, Immissionsrichtwerte

Aktenzeichen  W 5 K 20.516

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39883
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1
BayBO Art. 59
BayBO Art. 67
BauGB § 36
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 6 Abs. 2 Nr. 4
BauGB § 34 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2
BayBO Art. 14 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die in Abwesenheit der Beigeladenen verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. Februar 2020, die zugleich als Ersatzvornahme i.S.v. Art. 113 GO bezüglich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gilt (Art. 67 Abs. 3 Satz 1 BayBO), ist rechtmäßig. Die Klägerin wird durch sie nicht in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 BV geschützten und einfachgesetzlich durch § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB gewährleisteten kommunalen Planungshoheit verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die verfahrensrechtlichen Vorgaben des Art. 67 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 BayBO wurden gewahrt. In materiell-rechtlicher Hinsicht hält die angefochtene Baugenehmigung die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvorschriften – auf deren Verletzung sich die Klägerin allein berufen kann – in vollem Umfang ein.
1. Die formellen Voraussetzungen für die Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin hat das Landratsamt H. eingehalten.
Die Klägerin wurde durch Schreiben des Landratsamts H. vom 17. Januar 2020 zur geplanten Ersetzung des Einvernehmens angehört und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern. Die Klägerin hat daraufhin in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 3. Februar 2020 erneut ihr gemeindliches Einvernehmen versagt. Der Klägerin ist damit entsprechend Art. 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 BayBO angehört und ihr Gelegenheit gegeben worden, binnen angemessener Frist erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden.
Eine Begründung gemäß Art. 67 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 BayBO zur Ersetzung des Einvernehmens erfolgte im Baugenehmigungsbescheid. Das Landratsamt hat insoweit in der Begründung, welche Bestandteil des Bescheids vom 25. Februar 2020 ist (Seiten 8 und 9 des Bescheids, vgl. Bl. 79R und 80 der Bauakte) ausgeführt, dass die Klägerin ihr Einvernehmen rechtswidrig versagt habe und der Beigeladenen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zustehe, da es den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht entgegenstehe. Die gegebene Begründung entspricht den formell-rechtlichen Anforderungen des Art. 67 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 BayBO i.V.m. Art. 39 BayVwVfG, da sie die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe enthält, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Im Übrigen spricht einiges dafür, dass in Fällen, in denen es sich – wie vorliegend – um eine gebundene Entscheidung der Genehmigungsbehörde handelt (s. hierzu unter 3.), eine etwa fehlende oder fehlerhafte Begründung unbeachtlich wäre (vgl. dazu Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand 138. Erg. Lief. Sept. 2020, Art. 67 Rn. 126).
Es begegnet schließlich auch keinen verfahrensrechtlichen Bedenken, die Ersetzung des Einvernehmens – wie hier geschehen – in den Gründen des Bescheids vorzunehmen, weil weder § 36 BauGB noch Art. 67 BayBO eine bestimmte Form der Ersetzungsentscheidung vorgeben (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.8.2016 – Au 5 K 14.810; VG Würzburg, U.v. 27.7.2017 – W 5 K 16.177; beide juris). Insbesondere muss die Ersetzung des Einvernehmens im Tenor der Baugenehmigung nicht eigens ausgesprochen werden (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 67 Rn. 129; Greim-Diroll in BeckOK BayBO, Stand 16. Edition Sept. 2020, Art. 67 Rn. 19). Vielmehr gilt die Baugenehmigung schon nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 67 Abs. 3 Satz 1 BayBO zugleich als Ersatzvornahme. Die Ersatzvornahme ist damit integraler Bestandteil der Baugenehmigung (vgl. Möstl in BayVBl. 2003, 225), weshalb ein ausdrücklicher Ausspruch nicht erforderlich ist.
2.2. Die Ersetzung des Einvernehmens ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da das Bauvorhaben der Beigeladenen im hier vorliegenden unbeplanten Innenbereich bauplanungsrechtlich zulässig ist (§ 34 Abs. 1 und 2 BauGB).
2.2.1. Das von der Beigeladenen mit Bauantrag vom 26. Juli 2019 begehrte und mit Bescheid des Landratsamts H. vom 25. Februar 2020 genehmigte Vorhaben zur Errichtung eines „City-Star“ Plakatwerbe-Boards ist seiner Art nach auf dem Baugrundstück zulässig.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist nach § 34 BauGB zu beurteilen, da für das Baugrundstück (und die Umgebungsbebauung) kein Bebauungsplan existiert und es auch nicht dem Außenbereich i.S.v. § 35 BauGB zuzuweisen ist.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört die Beachtung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme zum Bestandteil des Einfügens i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, entspricht, beurteilt sich nach § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. § 34 Abs. 2 BauGB kommt über die Gleichsetzung faktischer Baugebiete mit den festgesetzten Baugebieten nachbarschützende Wirkung zu (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 346 und 395; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 139. Erg.Lief. August 2020, § 34 BauGB Rn. 50a).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbeanlage richtet sich seiner Art nach nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO. Denn das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt innerhalb eines faktischen Mischgebiets.
Im vorliegenden Fall sind das Landratsamt H. wie auch die Stadt E. (vgl. Stellungnahme der Gemeinde, Bl. 43 der Bauakte) von einem Mischgebiet ausgegangen. Aufgrund der in den Behörden- bzw. Gerichtsakten vorhandenen Lagepläne und Luftbilder ist auch die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem Bauquartier, in dem das streitgegenständliche Bauvorhaben errichtet werden soll bzw. in dem das Grundstück der Beigeladenen liegt, um ein Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO handelt.
Der rahmenbildende Einzugsbereich der näheren Umgebung umfasst vorliegend den Straßenzug der H1. Straße, der in westliche Richtung durch die Einmündung des Friedhofswegs und nach Norden durch den Hafen im Altarm des Mains begrenzt wird und nach Osten hin bis zur Einmündung der Straße Buhlleite reicht. Innerhalb dieses Bereichs ist die geplante Werbeanlage – wie die Auswertung der vorliegenden Plan- und Luftbildunterlagen ergeben hat – für den fließenden Verkehr in prägender Weise wahrnehmbar.
Die Kammer ist aufgrund der vg. Unterlagen darüber hinaus zu der Überzeugung gelangt, dass der maßgebliche Einzugsbereich einem faktischen Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO entspricht. Auf der Südseite der H1. Straße ist überwiegend Wohnbebauung vorhanden. Hier befindet sich allerdings auch das Betriebsgebäude der .. AG auf dem Baugrundstück, der Betrieb für Elektroinstallation auf dem Nachbargrundstück, eine Postagentur sowie ein Pkw-Abstellplatz eines Autohändlers und im weiteren Verlauf der H1. Straße Richtung Osten ein Altenheim sowie die Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes. Auf der Nordseite der H1. Straße unmittelbar bzw. schräg gegenüber der geplanten Werbeanlage befindet sich zudem ein Autohaus mit Kfz-Werkstatt, einer Tankstelle und entsprechenden Werbeanlagen. Insgesamt handelt es sich damit um ein für ein Mischgebiet typisches Nebeneinander von Wohnbebauung und gewerblicher Nutzung. Das Baugebiet wird seine Zweckbestimmung betreffend auch ganz wesentlich von dieser mischgebietstypischen Nutzung beeinflusst, so dass insgesamt bei Betrachtung der im einschlägigen Bauquartier vorhandenen Nutzungen von einer Gleichgewichtigkeit von Wohnen und den sonstigen in § 6 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Nutzungen auszugehen ist. Im Gegensatz dazu zeichnen sich allgemeine Wohngebiete gemäß § 4 BauNVO dadurch aus, dass die Wohnnutzung die (allgemeine) Zweckbestimmung des Baugebiets prägt und die anderen dort vorgesehenen „wohnaffinen“ Nutzungen lediglich ergänzende Funktionen haben (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2017 – 4 C 8.16 – juris). Aufgrund der Art und des Zuschnitts der hier vorhandenen vg. Betriebe kann von einer solchen ausschließlich „ergänzenden“ Funktion vorliegend nicht die Rede sein.
Die von der Beigeladenen beantragte Werbeanlage ist gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO als gewerbliche Nutzung allgemein zulässig. Bei Anlagen der Fremdwerbung handelt es sich zwar nicht um Gewerbebetriebe, sie werden jedoch als einem Gewerbebetrieb dienende Hauptnutzungen wie ein solcher behandelt (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2007 – 14 B 06.2880; U.v. 28.10.2005 – 26 B 04.1484 – beide juris m.w.N.). Innerhalb eines faktischen Mischgebiets sind Gewerbebetriebe und damit auch Anlagen der Fremdwerbung allgemein zulässig, weil sie das Wohnen nicht wesentlich stören, § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 1 BauNVO. Anhaltspunkte, dass die Werbeanlage der Eigenart des Baugebiets widersprechen könnte, bestehen nicht, § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO.
2.2.2. Auch das Gebot der Rücksichtnahme wird durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht verletzt. Im Einzelnen:
Mit ihrem Vorbringen, dass die beiden Beleuchtungskörper eine unnatürliche punktuelle Beleuchtung schaffen würden, die die angrenzenden Bewohner belästigen würde, darüber hinaus eine Lichtverschmutzung und so eine Belastung für die Umwelt bewirkt werde und die ständige Beleuchtung auch im Widerspruch zu ihrer Entscheidung stehe, öffentliche Gebäude nur noch bis 23:00 Uhr anzustrahlen, kann die Klägerin nicht durchdringen.
In diesem Zusammenhang bleibt zunächst nochmals festzustellen, dass die Klägerin erfolgreich nur die Verletzung eigener, genauer bauplanungsrechtlicher Belange geltend machen kann, nicht aber die Verletzung von Belangen Dritter, hier der Anwohner.
Darüber hinaus führt die Beleuchtung des Plakatwerbe-Boards weder zu einer Verletzung des dem Bauplanungsrecht unterfallenden objektiven und damit von der Klägerin als zulässige Grundlage der Einvernehmensverweigerung rügbaren Gebots der Rücksichtnahme, weil vorliegend nicht von unzumutbaren Lichtimmissionen ausgegangen werden kann. Im Einzelnen:
Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist unabhängig davon zu beachten, nach welcher Vorschrift das Bauvorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zu beurteilen ist. Richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit – wie hier – nach § 34 Abs. 2 BauGB, weil die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO genannten Baugebiete, hier einem Mischgebiet, entspricht, ergibt sich die Verpflichtung zur Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (BVerwG, U.v. 12.12.1991 – 4 C 5/88 – juris). Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind Anlagen auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22/75 – BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Nachbarn aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 78). In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 – 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – alle juris). Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab.
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf die Anwesen der Nachbarn im Ergebnis nicht als rücksichtslos. Von einer unzumutbaren Beeinträchtigung kann nicht gesprochen werden.
Dass das Bauvorhaben der Beigeladenen den Nachbarn gegenüber erdrückende Wirkung entfalten würde, ist nicht zu sehen. Das anzunehmen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück aufgrund einer außergewöhnlichen Dimension regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft, und das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird; dem Grundstück muss gleichsam die „Luft zum Atmen“ genommen werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.2.2009 – 1 ME 282/08 – NordÖR 2009, 179; B.v. 15.1.2007 – 1 ME 80/07 – BauR 2007, 758; OVG Münster, U.v. 9.2.2009 – 10 B 1713/08 – NVwZ-RR 2009, 374). Eine solche Wirkung hat die Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden angenommen (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2007 – 14 AS 07.1855 – juris), so bei einem zwölfgeschossigen Hochhaus in Entfernung von 15 m zum zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris).
Solche gravierenden Auswirkungen gehen von dem geplanten Vorhaben der Beigeladenen aber nicht aus. Bereits die Größe der streitgegenständlichen Werbeanlage mit einer Ansichtsfläche von 2,80 m auf 3,80 m und einer maximalen Höhe von 5,42 m über Erdboden sowie die Entfernung des Bauvorhabens von über 20 m vom Wohn- und Geschäftshaus der nächstgelegenen Nachbarn sprechen vorliegend entscheidend gegen eine erdrückende Wirkung. Von einem nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörper in geringem Abstand zu einem benachbarten Wohngebäude kann hier gerade nicht gesprochen werden.
Weiterhin ist nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung für die Werbeanlage gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme wegen unzumutbarer Lichtimmissionen verstößt.
Hinsichtlich Lichtimmissionen knüpft die Unzumutbarkeit im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots an die Regelungen des Immissionsschutzrechts an. Bei der Überprüfung des konkreten Falles anhand des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, nämlich der Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen, genauer von Lichtimmissionen, ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG) und die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der auch bauplanungsrechtlich bedeutsamen Legaldefinition des § 3 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz legt diese Grenze und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereiches grundsätzlich allgemein fest (BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – BVerwGE 109, 314).
Dabei kann die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte vorgenommen werden (vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 – 3 S 2658/10 – NVwZ-RR 2012, 636). Denn derzeit liegen rechtsverbindliche Vorschriften darüber, ab welcher Erheblichkeitsgrenze Lichtimmissionen zu einem erheblichen Nachteil bzw. einer erheblichen Belästigung für den Nachbarn führen und von diesem im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots nicht mehr hinzunehmen sind, nicht vor. Auch rechtsverbindliche Vorschriften dazu, mit welchen Methoden Lichtimmissionen zu ermitteln und zu bewerten sind, existieren derzeit nicht. Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz im Mai 2000 empfohlene „Richtlinie zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen“ (Licht-Leitlinie), die in der überarbeiteten Version als „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) unter dem Stand 8. Oktober 2012/3. November 2015 vorliegt (abgedruckt in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. Erg.Lief. August 2020, Bd. IV unter 4.3), hat ebenfalls keinen normativen oder quasi-normativen Charakter und kann deshalb keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2010 – 15 ZB 09.2465 – juris; VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 – 3 S 2658/10 – NVwZ-RR 2012, 636). Bei der gerichtlichen Beurteilung der Zumutbarkeit von Lichtimmissionen im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme können die LAI-Licht-Leitlinie bzw. die LAI-Hinweise aber als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2010 – 15 ZB 09.2465; VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 – 3 S 2658/10 – NVwZ-RR 2012, 636; OVG Lüneburg, U.v. 26.2.2003 – 1 LC 75/02 – NVwZ-RR 2003, 820).
Die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ gehen von dem nachvollziehbaren und die Kammer überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien bei der Beurteilung von Lichtimmissionen die „Raumaufhellung“ und die „Blendung“ gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (insb. des Schlafzimmers oder Wohnzimmers) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaption des Auges auslösen kann (vgl. LAI-Hinweise, Nr. 3 Buchst. b; s.a. VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 – 3 S 2658/10 – NVwZ-RR 2012, 636).
Die LAI-Hinweise finden Anwendung bei der Beurteilung der Wirkung von Lichtimmissionen auf Menschen durch Licht emittierende Anlagen aller Art, soweit es sich um Anlagen i.S.d. § 3 Abs. 5 BImSchG handelt. Hierzu zählen auch Lichtreklamen (s. LAI-Hinweise, Nr. 2). Die LAI-Hinweise gehen davon aus, dass sich die im Immissionsschutz zu beurteilenden Lichteinwirkungen im Bereich von Belästigungen bewegen und gesundheitliche Schäden am Auge ausgeschlossen werden können. Schädliche Umwelteinwirkungen liegen (nach den LAI-Hinweisen, vgl. Nr. 3) dann vor, wenn die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit erheblich belästigt wird. Die Hinweise geben Maßstäbe zur Beurteilung der Lästigkeitswirkung an. Eine erhebliche Belästigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder des § 22 BImSchG tritt bzgl. der Raumaufhellung bzw. der Blendung in der Regel auf, wenn die unter Nr. 4.1 bzw. 5.2 der LAI-Hinweise angegebenen Immissionsrichtwerte überschritten werden.
Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Grundsätze und bei Beachtung der konkreten örtlichen Verhältnisse erweist sich die streitgegenständliche Werbeanlage nicht als rücksichtslos. Die Raumaufhellung kann hier genauso wenig zu einer Verletzung des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Nachbarn führen wie eine (psychologische) Blendung.
Die im Genehmigungsbescheid vom 25. Februar 2020 enthaltene Auflage Ziffer 1 zum Immissionsschutz zum Schutz vor Raumaufhellung, wonach die von den Beleuchtungsanlagen, ausgenommen öffentlichen Straßenbeleuchtungsanlagen, in der Fensterebene von Wohnungen bzw. an den Begrenzungsflächen der Wohnnutzung bei Balkonen und Terrassen hervorgerufene mittlere Beleuchtungsstärke EF im Mischgebiet die Immissionsrichtwerte von tagsüber (Dunkelstunden in der Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr) 5 lx und nachts (Dunkelstunden in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr) 1 lx nicht überschreiten darf, ist ausreichend, um unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Lichtimmissionen aufgrund Raumaufhellung auszuschließen. Die Auflage orientiert sich dabei an der Tabelle 1 zu Nr. 4.1 der LAI-Hinweise, wonach die Immissionsrichtwerte der mittleren Beleuchtungsstärke EF in der Fensterebene von Wohnungen bzw. bei Balkonen oder Terrassen, auf den Begrenzungsflächen für die Wohnnutzung, hervorgerufen von Beleuchtungsanlagen während der Dunkelstunden, ausgenommen öffentlichen Beleuchtungsanlagen am Immissionsort (Einwirkungsort) im Mischgebiet in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr von 5 lx und in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr von 1 lx nicht überschritten werden sollen.
Auch unter Hinzuziehung des weiter bei der Beurteilung von Lichtimmissionen – neben dem der „Raumaufhellung“ – relevanten Kriteriums, nämlich des der „Blendung“ (vgl. LAI-Hinweise, Nr. 3 Buchst. b und Nr. 5), kann hier keine Rücksichtslosigkeit erkannt werden. Auch die im Genehmigungsbescheid verfügte Auflage Ziffer 2 zum Immissionsschutz zum Schutz vor Blendung, wonach für die Berechnung der maximal zulässigen mittleren Leuchtdichte (Lmax) die Proportionalitätsfaktoren k von 160 für die Zeit von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr, von 160 von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr und von 32 von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr nicht überschreiten dürfen, ist ausreichend, um unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Blendung auszuschließen. Der Auflage liegen die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete nach Tabelle 2 zu Nr. 5.2 der LAI-Hinweise zu Grunde.
Nach allem ist davon auszugehen, dass bei Einhaltung der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Auflagen zum Immissionsschutz eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarn und auch der Allgemeinheit durch die von der streitgegenständlichen Werbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen sicher ausgeschlossen werden kann.
2.2.3. Das Vorhaben fügt sich angesichts seiner geringen Abmessungen auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein.
Fügt sich ein Vorhaben seiner Art nach ein, so kommt es im Rahmen der Prüfung, ob es sich auch seinem Maße nach einfügt, nicht mehr erneut auf seine Art an, nämlich darauf, welches Maß von anderen baulichen Anlagen gleicher Art in der näheren Umgebung bereits verwirklicht ist. Für die Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung ist damit nicht auf bereits in der näheren Umgebung vorhandene Werbeanlagen abzustellen. Beurteilungsmaßstab sind vielmehr alle in der näheren Umgebung anzutreffenden baulichen Anlagen, insbesondere auch Gebäude (BayVGH, U.v. 7.7.2004 – 26 B 03.2798 – juris). Es spielt auch keine Rolle, ob die Werbeanlage an einer Hauswand angebracht wird oder freisteht. Eine derartige Differenzierung nimmt weder das Bundesverwaltungsgericht vor, noch ergibt sich eine solche aus dem Gesetz. Großflächige Werbeanlagen für wechselnde Plakatwerbung der üblichen Art liegen allgemein von der Flächengröße in dem Rahmen, der sich aus dem in der Umgebung verwirklichten Maß der baulichen Nutzung ergibt. Sie fügen sich deshalb vom Maß der baulichen Nutzung regelmäßig in die Eigenart der näheren Umgebung ein (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 19.93 – juris).
Die streitgegenständliche Werbeanlage hat die Standard-Größe „Euro-Format“ (3,80 m x 2,80 m) und ist in einer maximalen Höhe von 5,42 m über Erdboden freistehend angebracht. Damit überschreitet sie nicht die Ausmaße der Umgebungsbebauung. Da sie außerdem die normalen Ausmaße von Wechselwerbeträgern einhält und in einer Höhe angebracht werden soll, in der sich Werbetafeln üblicherweise befinden, fügt sie sich nach den oben dargelegten Grundsätzen ohne weiteres auch nach ihrem Maß in die Umgebungsbebauung ein.
2.2.4. Auch eine Ortsbildbeeinträchtigung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BauGB, wie sie die Klägerin annimmt, ist nicht zu befürchten.
Das im Baugesetzbuch verankerte und damit dem Kompetenztitel des Bodenrechts entstammende Beeinträchtigungsverbot des Ortsbildes erfasst nur solche Beeinträchtigungen, die in der Lage sind, bodenrechtliche Spannungen zu erzeugen. Diese ergeben sich jedoch nicht schon aus jeder ästhetisch unschönen Baugestaltung, sondern nur, wenn eine größere Umgebung der Gemeinde tangiert ist, die über den Umgriff der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinausreicht (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14/98 – juris). Bei dem bundesrechtlich geschützten sog. „großen Ortsbild“ kommt es insoweit auf einen zumindest größeren Bereich der jeweiligen Gemeinde an. Entscheidend ist, ob sich das Vorhaben in diese weite Umgebung einpasst. Da die negativen Auswirkungen des Vorhabens den Grad einer Beeinträchtigung erreichen müssen, muss eine Störung eines Gesamtbildes, das durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, vorliegen. Ferner ist zu beachten, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist. Vielmehr muss das Ortsbild, um schützenswert zu sein und die Baugestaltungsfreiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit haben, einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit, die dem Ort oder dem Ortsteil eine über dem Üblichen herausragende Prägung verleiht (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000, a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben ist schon nicht zu sehen, dass das Ortsbild von E. im maßgebenden Bereich der H1. Straße – anders als im engeren Bereich der Altstadt – eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit hätte. Die Umgebung des Standorts ist vielmehr durch ein Ortsbild geprägt, wie es im Einfahrtsbereich von Kleinstädten häufiger anzutreffen ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14/98 – juris). Auch dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, die Anlage befinde sich in einer Einfall straße und der Blick zum historischen Altstadtkern werde verdeckt, kann die Kammer nicht folgen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass dies schon von vornherein nicht für die stadtauswärts befindliche Seite der Werbeanlage gelten kann. Zum anderen ist insoweit zu berücksichtigen, dass dieser Bereich durch die vorerwähnten gewerblichen Nutzungen (s.o. unter 2.2.1.) im unmittelbaren Umgriff der Werbeanlage und hier vor allem durch das Autohaus mit Kfz-Werkstatt, Tankstelle und Abstellplatz für den Autohandel (wie auch den Hafen im Altarm des Mains) deutlich vorbelastet ist. Die geplante Werbeanlage stellt daher keinen Fremdkörper dar, welche durch ihr Erscheinungsbild aus der vorhandenen Bebauung herausstechen würde. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Blick zum historischen Altstadtkern durch die Werbeanlage verdeckt werden würde. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich der historische Altstadtbereich in beträchtlicher Entfernung zum Vorhaben befindet. So liegt zwischen der streitgegenständlichen Werbeanlage und den nächstgelegenen Einzeldenkmälern der Altstadt sowie zum Ensemble M2.straße jeweils ein Abstand von ca. 250 m und zum historischen Rathaus und der klassizistischen Stadtpfarrkirche St. M. und St. J. am M1.platz ein Abstand von über 350 m.
Überdies ist das so genannte „große“ Ortsbild durch das Vorhaben ersichtlich nicht berührt. Die Zweckbestimmung von Werbeanlagen liegt darin, auf ihre Werbebotschaft aufmerksam zu machen. Dies erschließt sich auch dem für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachter. Werbeanlagen liegt deshalb regelmäßig die Tendenz zugrunde, aus ihrer Umgebung hervorzustechen. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass sie ebenso in einem auffälligen Kontrast zu ihrer Umgebung stehen. Ernstliche Anhaltspunkte dafür, die Werbetafel würde ihre Umgebung dominieren, wie die Klägerin offenbar meint, oder als wesensfremdes Gebilde beziehungslos zu ihrer Umgebung stehen, bestehen aus der Sicht des Gerichts eindeutig nicht. Dass bislang keine Werbeeinrichtungen in dieser Größenordnung im verfahrensgegenständlichen Bereich vorhanden sind, ist für die Beurteilung des Ortsbildes nicht ausschlaggebend (vgl. VG Augsburg, U.v. 7.11.2012 – Au 4 K 12.960 – juris).
2.2.5.
Weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere des Bauordnungsrechts (mit Ausnahme des Abstandsflächenrechts), sind schon aufgrund des Prüfungsmaßstabs des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 BayBO nicht zu prüfen. Das Landratsamt hat insoweit auch keine Feststellungen in der streitgegenständlichen Baugenehmigung getroffen Soweit die Klägerin eine Gefährdung der die Bundesstraße 26 benutzenden Verkehrsteilnehmer geltend macht („Werbetafel befindet sich in einer langgezogenen Kurve […] hier finden durch die Kundenfrequenz erhöhte Ein- und Ausfahrten […] statt, […] besteht die Gefahr, dass Kraftfahrzeugführer von der Werbeanlage abgelenkt werden […], wodurch gefährliche Situationen hervorgerufen werden können“), wird darüber hinaus verkannt, dass die Klägerin bauordnungsrechtliche oder straßenverkehrsrechtliche Vorschriften nicht als zulässige Grundlage der Einvernehmensverweigerung geltend machen kann (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 67 Rn. 73; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Art. 67 Rn. 45). Die Vorschriften über die Verkehrssicherheit, so auch die bauordnungsrechtliche Regelung des Art. 14 Abs. 2 BayBO, nach der die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht beeinträchtigt werden darf, sind nicht drittschützend (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2004 – 15 ZB 02.2382 – juris; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 278 m.w.N. zur Rspr.; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 5). Darüber hinaus hat die Kammer keine Zweifel an der fachbehördlichen Stellungnahme der Polizeiinspektion Haßfurt vom 30. September 2019 – zumal hiergegen von Klägerseite auch keinerlei Einwendungen vorgebracht wurden -, die unter Wahrung bestimmter Bedingungen, die in den Bauantrag aufgenommen wurden (starres, blendfreies Licht), keine Bedenken aus Gründen der Verkehrssicherheit geltend macht und die auch im Einklang steht mit den fachlichen Aussagen der Unteren Verkehrsbehörde beim Landratsamt H. und des Staatlichen Bauamtes Schweinfurt.
Auch das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO kann aus den vg. Gründen ebenfalls von der Gemeinde nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 8 Rn. 258). Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es hier zu einer Verunstaltung in diesem Sinne kommen würde.
3. Die Klägerin hat ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BauGB damit zu Unrecht verweigert.
Das Landratsamt H. hat das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen zu Recht ersetzt, weil der Beigeladenen ein Anspruch auf Erteilung der be-antragten Baugenehmigung zusteht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO). Ein Ermessen der Behörde bestand, da es sich um das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB handelt, nach dem nunmehr eindeutigen Wortlaut des Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO in der seit 1. Januar 2013 gültigen Fassung („ist“) nicht (vgl. dazu Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 67 Rn. 100; Greim-Diroll in BeckOK BayBO, Art. 67 Rn. 7). Dass das Landratsamt hier von einer Ermessensentscheidung und nicht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist, ist unschädlich, da insoweit eine Rechtsverletzung der Klägerin von vornherein ausscheidet.
Nach alldem war die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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