Aktenzeichen Z3-3/3194/1/07/02/16
ApoG ApoG § 14 Abs. 3 – 5, § 25 Abs.1 Nr.4
BayVwVfG BayVwVfG Art. 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2
BGB BGB § 117 Abs. 1, § 134, § 150
GWB GWB § 98 Nr. 2, § 98 Nr. 2, § 100 Abs. 1 Nr. 1, § 101a, § 101b, § 107 Abs. 2 u. 3, § 111, § 113 Abs.1 S. 2, § 114 Abs. 2 S.1
VOL/A VOL/A § 4, § 6 Abs. 6 EG, § 7 Abs. 7 EG, § 8 Abs.1 EG
Leitsatz
Der apothekenrechtliche Grundsatz der Versorgung aus einer Hand gem. § 14 Abs. 5 Satz 2 ApoG steht einer Leistungserbringung durch Bietergemeinschaften entgegen. (amtlicher Leitsatz)
Ein erteilter Zuschlag i. S. d. § 114 Abs. 2 GWB an eine Bietergemeinschaft ist unwirksam, wenn diese in ihrem Angebot ausdrücklich erklärt hat, dass Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers nicht die Bietergemeinschaft, sondern ein Mitglied der Bietergemeinschaft werden soll, das nicht am Vergabeverfahren teilgenommen hat. (amtlicher Leitsatz)
Ein Angebot, das bewusst die Person auf Bieters (Bietergemeinschaft oder Einzelbieter) offen lässt, ist regelmäßig auszuschließen. (amtlicher Leitsatz)
Wird kein Preiswettbewerb bei jedem Einzelabruf durchgeführt, ist für eine wirksame Rahmenvereinbarung, wie bei Abschluss eines jeden Vertrages, erforderlich, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) festgelegt sind. Dazu gehört bei einem Lieferauftrag auch der Preis der zu liefernden Leistung. (amtlicher Leitsatz)
Bleibt unklar, ob Preisangaben mit 0,00 Euro die Bedeutung haben “das Produkt wird für 0,00 Euro geliefert” oder “das Produkt wird nicht angeboten und gehört nicht zum Leistungsumfang”, sind die entsprechenden Angebote nicht wertbar. (amtlicher Leitsatz)
Tenor
1. Das Vergabeverfahren wird aufgehoben.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr von 5.831,55 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erachtet.
Gründe
I.
1. Die Antragsgegnerin beabsichtigt ab dem 01.01.2016 eine Rahmenvereinbarung über die Arzneimittelbelieferung für die Dauer von zwei Jahren mit einer einmaligen Verlängerungsoption von weiteren 2 Jahren für die Kreiskliniken des Landkreises Mü… GmbH, bestehend aus der Klinik Mü. und der Klinik H., des Klinikums E. AöR mit der zugehörigen Klinik D. sowie der Kreisklinik Eb…gGmbH, nebst der im Zusammenhang damit stehenden Logistik-, Controlling- und Beratungsleistungen für diese Krankenhäuser zu vergeben. Die Leistung soll im Wege eines Offenen Verfahrens nach den Vorgaben der VOL/A vergeben werden und es wurde eine entsprechende Veröffentlichung im Rahmen der EU-weiten Bekanntmachung Nr. 2015/S 160-293504 am 17.08.2015 versendet und am 20.08.2015 bekannt gemacht. Der Auftrag wurde in drei Lose aufgeteilt. Das Los 1 betrifft hierbei die Belieferung der Arzneimittel für die Klinik Mü… und der Klinik H., das Los 2 die Belieferung für das Klinikum Landkreis E. AöR und Los 3 die Belieferung der Kreisklinik Eb… gGmbH. Streitgegenständlich ist nur das Los 2. Gemäß Punkt II.1.8) der Bekanntmachung sind Angebote möglich für ein oder mehrere Lose. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Im Punkt III.3) wurden keine Angaben hinsichtlich besonderer Bedingungen für den ausgeschriebenen Vertrag getätigt. Bezüglich Los 1 und 3 läuft derzeit bei der Vergabekammer Südbayern unter dem Aktenzeichen: Z3-3-3194-1-61-12/15 ein Nachprüfungsverfahren, an dem die Antragstellerin als Beigeladene zu 2) und die Beigeladene als Beigeladene zu 1) beteiligt ist.
Die Antragsgegnerin und die beiden weiteren Kliniken beauftragten die W. GmbH, mit der Durchführung des Vergabeverfahrens.
In der Bekanntmachung ist Folgendes ausgeführt:
Unter III.2) Teilnahmebedingungen:
„III.2.1) Persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers sowie Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs, oder Handelsregister
Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:
1. Angaben über:
a) Zeitpunkt der Gründung des Unternehmen,
b) Mitarbeiterzahl aufgegliedert nach Berufsgruppen (insb. Apotheker, Apotheker mit dem Zusatz Fachapotheker für klinische Pharmazie und Arzneimittelinformation, PTA’s und PKA’s, Einkäufer und Lagerarbeiter) und Zertifizierungen (insbesondere Apothekerzulassungen),
2. Erklärung darüber, dass alle erforderlichen Genehmigungen zur Erfüllung des Auftrags vorliegen,
3. Erklärung entsprechend § 7 Absatz 7 EG VOL/A darüber, dass keine Ausschlussgründe nach § 6 Absatz 6 EG VOL/A vorliegen,
4. Unbedenklichkeitsbescheinigung der zuständigen Berufsgenossenschaft,
5. Nachweis über das Bestehen einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung.
III.2.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:
1. Erklärung über den Gesamtumsatz des Unternehmens sowie den Umsatz bezüglich der besonderen Leistungsart, die Gegenstand der Vergabe ist, jeweils bezogen auf die letzten 3 Geschäftsjahre,
2. Unbedenklichkeitsbescheinigung der 3 mitgliedsstärksten Krankenkassen,
3. Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes.
III.2.3) Technische Leistungsfähigkeit
Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:
1. Liste der wesentlichen in den letzten 3 Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Rechnungswertes, der Leistungszeit, der Bettenzahl sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber,
2. Beschreibung der technischen Ausrüstung, der Maßnahmen des Unternehmens zur Gewährleistung der Qualität sowie der Untersuchungs- und Forschungsmöglichkeiten,
3. Erklärung über die Sicherstellung der Lieferfristen und Notfallversorgung.
Möglicherweise geforderte Mindeststandards:
siehe § 14 Apothekengesetz (ApoG) und Apothekenbetriebsordnung für krankenhausversorgende Apotheken (ApBetrO).“
Unter Punkt IV.2.1) Zuschlagskriterien:
„das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien
1. Angebotspreis Arzneimittel gemäß Pos. 1 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 75
2. Gesamtpreis Logistik + Controlling + Beratung gem. Pos. 2-4 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 10
3. Erfahrungen in vergleichbaren Projekten/Referenzen gemäß Pos. 5. 1 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 8
4. Bestehende Qualifikationen gem. Pos. 6.1 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 3
5. Qualität der Zertifizierungen gem. Pos. 6.2 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 2
6. Elektronische Lieferscheinübermittlung gem. Pos. 6.3 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 1
7. Qualität der statistischen Aufarbeitung gem. Pos. 6.4 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 1“
Im Leistungsverzeichnis ist auf S.21 zur Preisgestaltung Folgendes ausgeführt:
POS 1: Der Gesamtpreis der angebotenen Arzneimittel – gemäß Arzneimittelliste – liegt im Vergleich der Angebote
Stufung
Punkte
mehr als 15% unter dem Mittelwert
5
mehr als 10% unter dem Mittelwert
4
bis 5% über oder unter dem Mittelwert
3
mehr als 10% über dem Mittelwert
2
mehr als 15% über dem Mittelwert
1
Keine Angaben
0
Entsprechendes gilt bezüglich des Gesamtpreises für Logistik, Controlling und Beratung.
Am 03.09.2015 stellte die Antragsgegnerin u. a. klar, dass hinsichtlich der Belieferung mit Rezepturarzneimitteln die Konkretisierung dem Einzelabruf vorbehalten bleibe und die Kosten bei der Kalkulation des Angebotspreises nicht zu berücksichtigen seien.
Mit der 3. Klarstellung vom 29.09.2015 wurde die Angebotsfrist vom 09.10.2015 auf den 12.10.2015, 12:00 Uhr verlängert und mitgeteilt, dass bezogen auf die in der Arzneimittelliste Ebersberg (Los 3) genannten Artikel mit der laufenden Nummer 253, 254, 255, 814, 815, 673, 674, 675, 798, 880, 881, 366 keine Angaben zu machen seien, da es sich nicht um Arzneimittel handle. Weiter wurde mitgeteilt, dass – wie schon mit Schreiben vom 03.09.2015 klargestellt wurde – die Möglichkeit einer Belieferung mit Rezepturarzneimittel dem Grunde nach zwar mit angeboten werden soll, eine Konkretisierung der benötigten Rezepturarzneimittel aber dem gesondert abzurechnenden Einzelabruf vorbehalten bleibe. Diese sog. S-Artikel mit Sonderpharmazentralnummern und Individualrezepturen seien mit „Null“ zu bepreisen. In der Arzneimittelliste E.. (Los 2) handle es sich „insbesondere um die laufenden Nummern 1266 und 1270.“
Ebenfalls am 05.10.2015 wurde dann in einer 5. Klarstellung per E-Mail mitgeteilt, dass die Liste der nicht zu bepreisenden „S-Artikel“ abschließend sei und die Zytostatika außerhalb des laufenden Vergabeverfahrens beschafft werden und extra abgerechnet werden sollen, weshalb sie nicht in das Angebot einzukalkulieren seien.
Mit E-Mail vom 08.10.2015 teilte die W. GmbH einem Bieter u. a. Folgendes mit: „Soweit durch die Bieterschreiben klargestellt wurde, dass lediglich die grundsätzliche Möglichkeit einer Belieferung mit Rezepturarzneimitteln mit angeboten werden soll, diese Arzneimittel aber nicht zu bepreisen seien, seien die Arzneimittel auch nicht bei der Kalkulation des Angebotspreises zu berücksichtigen. Der Nennung der voraussichtlich benötigten Mengen bedurfte es somit nicht.“
Bis zum Schlusstermin für den Eingang der Angebote am 12.10.2015, 12.00 Uhr hat die Antragstellerin neben den Losen 1 und 3 auch für das hier streitgegenständliche Los 2 ein Angebot abgegeben, ebenso wie die Beigeladene. Ein weiterer Bieter wurde vom Verfahren ausgeschlossen.
Mit E-Mail vom 13.11.2015 wurde der Antragstellerin durch die W. GmbH gemäß § 101a GWB mitgeteilt, dass ihr Angebot für das Los 2 nicht den Zuschlag erhalten werde, weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot nach § 21 Abs.1 EG VOL/A abgegeben habe und der Zuschlag an die Bietergemeinschaft B. (Beigeladene), bestehend aus der M.-Apotheke und der J.-Apotheke, am 24.11.2015 erteilt werden soll. Nach der Wertung der geeigneten Angebote habe das Angebot der Antragstellerin Platz 2, hinter der Beigeladenen belegt.
Am 08.01.2016 wurde auf Veranlassung der Antragsgegnerin in der EU-weiten Bekanntmachung über vergebene Aufträge veröffentlicht, dass der Zuschlag für Los 2 an die „Bietergemeinschaft B., Mitglieder M. Apotheke und J. Apotheke“ erfolgt sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2016 des Nachprüfungsverfahrens mit dem Aktenzeichen Z3-3-3194-1-61-12/15, wies der Vorsitzende die Parteien darauf hin, dass im Angebot der Bietergemeinschaft (identisch mit der Beigeladenen im streitgegenständlichen Verfahren) zwar eine Bietergemeinschaftserklärung und ein Anschreiben der Bietergemeinschaft enthalten, auf dem Angebotsvordruck aber unter „Bieter“ ein Stempel der einzelnen Apotheken enthalten sei und in dem Feld, in dem das Angebot zu unterzeichnen ist, die Apotheker als eingetragener Kaufmann unterzeichnet haben, allerdings darunter mit einer zusätzlichen Unterschrift des Bevollmächtigten der Bietergemeinschaft. Die Versorgungsverträge benennen als Auftragnehmer die einzelnen Apotheken und haben allein die einzelnen Apotheker der Bietergemeinschaft unterzeichnet, ohne Hinweis auf die Bietergemeinschaft.
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 25.02.2016 gegenüber der W. GmbH, dass die Beigeladene kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben habe. Wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung am 24.02.2016 erfahren habe, wolle die Antragsgegnerin anders als es im Schreiben vom 13.11.2015 suggeriert worden sei, nicht der Beigeladenen, sondern der J.-Apotheke den Zuschlag für Los 2 erteilen. Unabhängig davon, dass das Angebot der Beigeladenen deshalb schon nicht zuschlagsfähig gewesen sei, weil eine Bietergemeinschaft nach § 14 Abs.5 ApoG für den Auftrag generell nicht leistungsfähig sei und weil die Eingehung dieser Bietergemeinschaft eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede (Kartell) darstelle (Verstoß gegen § 19 Abs.3 lit.f) EG VOL/A, § 1 GWB), habe das Angebot der Beigeladenen nicht erkennen lassen, ob es wirklich für die Bietergemeinschaft abgegeben werden sollte. Da die Bietergemeinschaft zwar im Angebotsvordruck als Bieter eingetragen gewesen sei, der ausgeschriebene Versorgungsvertrag dagegen nicht von der Bietergemeinschaft, sondern durch die J.-Apotheke unterschrieben gewesen sei, sei das Angebot inhaltlich hinsichtlich des Anbieters und Vertragspartners unklar. Zudem habe damit der von der Beigeladenen unterschriebene Versorgungsvertrag als Angebotsbestandteil gefehlt. Damit sei das Angebot der Beigeladenen unvollständig und deshalb auszuschließen.
Herr Dr. K. habe in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt, dass er den Versorgungsvertrag für das Los 2 zwischen der Antragsgegnerin und der J.-Apotheke schriftlich abgeschlossen habe und dies auch gewollt gewesen sei, denn eine Bietergemeinschaft könne aus apothekenrechtlichen Gründen gar keinen Versorgungsvertrag abschließen, so dass er als einzelner Apotheker Vertragspartner werden müsse. Da die Vorinformation vom 13.11.2015 damit objektiv inhaltlich falsch gewesen sei, habe die Vergabestelle gegen die Verpflichtung der zutreffenden Information nach § 101a GWB verstoßen. Ein eigenes Angebot habe die J.-Apotheke nicht abgegeben. Der direkte Vertragsschluss mit dieser Apotheke stelle daher auch eine rechtswidrige De-facto-Vergabe dar. Die rechtswidrig angekündigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen sowie die falsche Vorinformation nach § 101a GWB wurden gerügt und von der Antragstellerin wurde eine Frist bis 03.03.2016 zur Behebung der Verstöße gesetzt.
Daraufhin stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.02.2016 einen Nachprüfungsantrag und beantragte,
1. festzustellen, dass der von dem Antragsgegner mit der J.-Apotheke Dr. K.e.K. eingegangene Rahmenvertrag über Arzneimittellieferungen für den Antragsgegner unwirksam ist,
2. die Vergabeakten des Antragsgegners beizuziehen und der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
3. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen,
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Die Antragstellerin wiederholte die Ausführungen ihres Rügeschreibens.
Weiter wurde ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag zulässig sei. Die Antragstellerin beanstande den Vertragsschluss sowohl innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsschluss nach § 101b Abs.2 S.1, HS.2 GWB, als auch innerhalb von 30 Tagen nach Kenntniserlangung über den geltend gemachten Verstoß (§ 101b Abs.2 S.1, HS.1 GWB). Diese Kenntnis habe die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer Südbayern im Verfahren Z3-3-3194-1-61-12/15, am 24.02.2016, erlangt, wenngleich auch nicht von der Antragsgegnerin selbst, so dass die 30-Tages-Frist von vornherein nicht ausgelöst werde.
Durch die Vergabe entstehe auch ein Schaden im Sinne von § 107 Abs.2 GWB. Dieser ergebe sich daraus, dass das Angebot der Beigeladenen auszuschließen und der Antragstellerin der Zuschlag zu erteilen sei und daraus, dass die Antragstellerin einen Anspruch darauf habe, dass der Zuschlag nicht auf ein Angebot erteilt werde, das nicht an der Ausschreibung teilgenommen habe.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da der mit der J.-Apotheke eingegangene Rahmenvertrag nach § 101b Abs. 1 Nr. 1, 2 GWB für unwirksam zu erklären sei. Die Antragsgegnerin habe den Rahmenvertrag für Los 2 unter Verletzung ihrer Rechtspflicht zur zutreffenden Vorinformation nach § 101a GWB an die J.-Apotheke vergeben, die kein oder jedenfalls kein wertungsfähiges Angebot in der Ausschreibung abgegeben habe und nicht an die Beigeladene, die nach der Vorinformation nach § 101a GWB vom 13.11.2015, als für den Zuschlag vorgesehene Bieterin angegeben gewesen sei. Ein zuschlagsfähiges Angebot dieser Bietergemeinschaft habe nicht vorgelegen. Zudem dürfe diese aus vergabe-, wettbewerbs- und apothekenrechtlichen Gründen den Zuschlag nicht erhalten.
Wenn die Antragsgegnerin an ihrer Vergabeabsicht festhalte, müsse sie den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin erteilen, oder falls sie den Vertrag nicht durch Zuschlag beenden könne, müsse sie den Rahmenvertrag neu ausschreiben. Der mit der J.-Apotheke geschlossene Vertrag könne keinen Bestand haben.
Sollte die Antragsgegnerin keine Akten führen, verstoße sie gegen § 24 EG VOL/A, da die Vergabe dann nicht nachvollziehbar sei.
Mit Schreiben vom 26.02.2016 wurde der Nachprüfungsantrag per Telefax der Antragsgegnerin übermittelt und sämtliche die Vergabe betreffenden Unterlagen angefordert, die am 07.02.2016 bei der Vergabekammer Südbayern eingingen, soweit diese nicht schon vorlagen.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 11.03.2016 Folgendes:
I.
Der Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen.
II.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten des Antragsgegners wird für notwendig erklärt.
III.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag infolge wirksamer Zuschlagserteilung bereits unstatthaft sei. Ein auf Primärrechtsschutz gerichtetes Nachprüfungsverfahren sei insoweit bereits nicht statthaft. Die Tatsache, dass der Zuschlag einen schwebend unwirksamen Vertrag betreffe, dessen endgültige Wirksamkeit von der Genehmigung der Fachaufsicht (Apothekenaufsicht) abhänge, ändere hieran nichts. Ferner wäre der Antragsgegnerin bei der Annahme eines fehlenden Zuschlags und damit einer Nichtbeendigung des Vergabeverfahrens unter Umständen für mehrere Jahre (zum Beispiel bei Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Versagung der Genehmigung) jegliche Rechtssicherheit genommen. Denn es liege bei Weitem nicht im ausschließlichen Risikobereich der Antragsgegnerin, bis wann die behördliche Genehmigung vorliege, die den schwebend unwirksamen Vertrag wirksam werden lasse und den vergaberechtlichen Zuschlag herstelle. Im Übrigen genehmige die Fachaufsicht gemäß § 14 Abs.3, 4 ApoG ohnehin nur bereits abgeschlossene beiderseits unterzeichnete Versorgungsverträge. Wenn einerseits die Zuschlagserteilung Voraussetzung für eine Genehmigung durch die Fachaufsicht ist und diese Genehmigung zugleich Voraussetzung für einen Zuschlag sei, liege ein unauflösbarer Widerspruch vor, der es der Antragsgegnerin unmöglich machen würde, rechtswirksam und rechtssicher einen behördlich zu genehmigenden Versorgungsvertrag abzuschließen. Dieser Widerspruch könne nur dadurch aufgelöst werden, dass grundsätzlich auch ein gültiger Zuschlag auf einen schwebend unwirksamen Vertrag erteilt werden könne. Der streitgegenständige Antrag sei insoweit bereits als unstatthaft abzuweisen.
Der Feststellungsantrag gemäß § 101b GWB sei auch unzulässig. Da ein Nachprüfungsverfahren bereits infolge wirksamen Zuschlags unstatthaft sei, sei auch der auf Unwirksamkeit des Vertrages gerichtete Feststellungsantrag unzulässig.
Ferner sei entgegen der Ansicht der Antragstellerin der Feststellungsantrag auch gemäß § 101b Abs.2 S.2 GWB verfristet, da der Feststellungsantrag vom 26.02.2016 mehr als 30 Kalendertage nach der EU-Bekanntmachung über den vergebenen Auftrag am 08.01.2016 erfolgt sei.
Sollte die Antragstellerin einen Verstoß darin sehen, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen den Zuschlag erteilt habe, sei der Feststellungsantrag aber auch gemäß § 101b Abs.2 S.1 GWB verfristet, da die Antragstellerin durch die richtige Vorabinformation gemäß § 101a GWB bereits mit Schreiben vom 13.11.2015 darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass der Beigeladenen der Zuschlag erteilt werden soll und bis zur Einreichung des Feststellungsantrags vom 26.02.2016 mehr als 30 Kalendertage vergangen seien.
Hinzukomme, dass die Antragsgegnerin infolge der rügelos abgelaufenen Wartefrist sowie der Zuschlagserteilung vom 24.11.2015 den Wechsel des Auftragnehmers bereits vollzogen habe und von der Beigeladenen auftragsgemäß beliefert werde. Der Wechsel sei bereits zum Jahresende nach Auslaufen des Vorvertrages erfolgt und sei mit einem erheblichen finanziellen und personellen Kraftaufwand verbunden gewesen. Erschwert sei der Wechsel durch die erforderliche Umstellung des EDV-gestützten Bestellsystems gewesen. Bereits infolge dieser im berechtigten Vertrauen auf den Bestand des Zuschlags getätigten weitreichenden Maßnahmen rechtfertige sich die hiermit erhobene, auch im Vergaberecht gültige Einrede der Verwirkung (vgl. Ziekow/Völlink, § 101b GWB Rn.75).
Ein besonderes Schutzbedürfnis der Antragsgegnerin ergebe sich darüber hinaus noch aus der Tatsache, dass diese die Sicherheit ihrer Patienten im Rahmen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten habe.
Der Feststellungsantrag der Antragstellerin nach § 101b GWB sei darüber hinaus unbegründet. Ein Vertrag sei nach § 101b Abs.1 GWB nur unwirksam, wenn der Auftraggeber gegen § 101a GWB verstoßen habe oder einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt habe, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet sei.
Es liege kein Verstoß gegen § 101a GWB vor. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin ordnungsgemäß gemäß § 101a GWB am 13.11.2015 vorab informiert und den Zuschlag erst nach Ablauf der Wartefrist erteilt. Der Zuschlag sei am 24.11.2015 erfolgt. Die Zweitschrift des Auftragsschreibens sei am 25.11.2016 von der Beigeladenen gegengezeichnet und mit Schreiben des Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 27.11.2015, eingegangen am 30.11.2015 zurückgesandt worden. Auch sei die Zuschlagsfrist nach § 101a Abs.1 S.3 – 5 GWB eingehalten worden.
Die Vorabinformation vom 13.11.2015, ebenso wie die Zuschlagserteilung vom 24.11.2015, habe die Beigeladene als Auftragnehmerin benannt. Insofern gehe die Antragstellerin fehl in der Annahme, die Antragsgegnerin habe den Rahmenvertrag für Los 2 unter Verletzung der Vorabinformation an die J.-Apotheke vergeben. Die Beigeladene habe auch ein annahmefähiges Angebot abgegeben. Eine Auslegung des Angebots nach dem objektiven Empfängerhorizont lasse den ausschließlichen Schluss zu, dass das Angebot von der Beigeladenen abgegeben worden sei. Hierfür spreche bereits, dass das Angebotsanschreiben von der Beigeladene stamme sowie die vorgelegte Bietergemeinschaftserklärung. Darüber hinaus sei die Beigeladene im Briefkopf des Angebotsformulars eingetragen und dieses von Herrn Dr. R. als Vertreter der Beigeladenen unterschrieben worden. Im Übrigen habe diese mit Schreiben vom 24.09.2015 vor Angebotsabgabe darauf hingewiesen, dass die M…-Apotheke sich gemeinsam mit der J.-Apotheke als Bietergemeinschaft bewerben wolle.
Soweit sich die Antragstellerin auf eine Aussage von Herrn Dr. K. in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2016 betreffend die Lose 1 und 3 stütze, sei dies für die Auslegung des Angebotes zu Los 2 unbeachtlich. Die Aussage betreffe zudem nicht den objektiven Empfängerhorizont, sondern eine „(falsche) subjektive Annahme auf Seiten des Absenders“.
Die Antragsgegnerin habe die Beigeladene wirksam beauftragt. Eine De-facto-Vergabe, die die Antragstellerin fehlerhaft in einem vermeintlichen Vertragsschluss mit der J.-Apotheke vermute, liege nicht vor. Insofern liege kein unwirksamer Vertrag nach § 101b Abs.1 Nr.2 GWB vor.
Daraufhin nahm die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21.03.2016 Stellung und führte aus, dass die Antragsgegnerin den Zuschlag entgegen der insoweit unrichtigen Information nach § 101a GWB vom 13.11.2015 materiell nicht auf das Angebot der Bietergemeinschaft erteilt habe, sondern hiervon abweichend einen Abschluss des Versorgungsvertrages mit der J.-Apotheke vorgenommen habe. Dies sei der Gegenstand des Nachprüfungsantrages. Er sei allein auf die Unwirksamerklärung des Vertragsschlusses mit der J.-Apotheke gerichtet. Die Ausführungen des Antragsgegners zum vermeintlichen Vertragsschluss mit der Beigeladenen seien insofern von vorherein unbehelflich.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und nicht etwa verfristet.
Die Antragsgegnerin habe
– die fehlende apothekenrechtliche Eignung (Bietergemeinschaften seien keine tauglichen Versorger einer Klinik) sowie
– die vergabe- und kartellrechtliche Unzulässigkeit der Bietergemeinschaft (obwohl beide Mitglieder für Los 2 selbst leistungsfähig seien, habe die M.-Apotheke auf ein Angebot verzichtet und überlasse die Leistung intern vollständig der J.-Apotheke)
– und die fehlende formale Zuschlagsfähigkeit des Angebots der Bietergemeinschaft (Fehlen des von der Bietergemeinschaft unterzeichneten Versorgungsvertrages als zwingender Angebotsbestandteil)
in der Angebotsprüfung und -wertung außer Betracht gelassen. Ohne Beachtung dieser zwingend zu berücksichtigenden Punkte habe die Antragsgegnerin die vergaberechtswidrige Entscheidung getroffen, das Angebot der Beigeladenen bezuschlagen zu wollen. Die Mitglieder der Beigeladenen hätten auch gewusst, dass ein Versorgungsvertrag mit einer Bietergemeinschaft nicht genehmigungsfähig sei und daher ein Vertragsschluss nur mit einer einzelnen Apotheke erforderlich sei.
Hätte die Antragsgegnerin den Versorgungsvertrag tatsächlich mit der Beigeladenen abgeschlossen, läge kein Fall von § 101b GWB vor. Die Antragsgegnerin habe jedoch den Versorgungsvertrag direkt mit der J.-Apotheke geschlossen. Damit sei der mitgeteilte Vertragspartner und der tatsächliche Vertragspartner nicht der gleiche. Für diesen Fall eröffne § 101b GWB den Primärrechtsschutz. Von vorherein unbeachtlich sei insoweit die Bekanntmachung der Vergabe im EU-Amtsblatt vom 08.01.2016, bei dem die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen mitgeteilt worden sei, obwohl materiell der Vertragsschluss mit der J.-Apotheke, und nicht mit der Beigeladenen erfolgt sei.
Zweitens habe die Beigeladene der Antragsgegnerin keinen Versorgungsvertrag angeboten, sondern nur ein insoweit unvollständiges Angebot eingereicht, dem gerade der im Namen der Beigeladenen unterzeichnete Versorgungsvertrag unstreitig fehle.
Drittens habe die J.-Apotheke Dr. K.e.K. der Antragsgegnerin den Abschluss eines Versorgungsvertrages angeboten, im eigenen Namen. Es liege der Antragsgegnerin nur ein einziger unterzeichneter Versorgungsvertrag der J.-Apotheke vor. Dass diese Apotheke den Versorgungsvertrag nur im eigenen Namen (nur mit Rechtsbindungswillen für die Apotheke) abschließen wolle, habe Herr Dr. K. in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2016 explizit bestätigt. Er habe diese Aussage ausdrücklich für Los 2 gemacht. Für die Beigeladene habe Herr Dr. K. ohnehin nicht wirksam handeln können, denn er ist nicht ihr Bevollmächtigter.
Eine Auslegung des Versorgungsvertrags gegen diesen erklärten rechtlichen Willen von Herrn Dr. K. komme nicht in Betracht. Ein Angebot sei zwar grundsätzlich aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts auszulegen. Hinsichtlich der formalen Zweifelsfreiheit eines Angebots würden vergaberechtlich strenge Maßstäbe gelten. Angebote, die nicht (vom richtigen Bieter) unterzeichnet sind, seien vom Wettbewerb auszuschließen.
Das Zuschlagsschreiben der Antragsgegnerin vom 24.11.2015 könne nur so verstanden werden, dass der von der J.-Apotheke im eigenen Namen angebotene Versorgungsvertrag zustande kommen sollte. Nur dies entspreche dem rechtlichen Willen beider Parteien. Materiell-rechtlich wollte die Antragsgegnerin den Versorgungsvertrag mit der J.-Apotheke abschließen. Zum einen habe sie nur so die apothekenrechtliche Genehmigung des Vertrages erreichen können und zum anderen habe sie gar keinen anderen unterzeichneten Versorgungsvertrag vorliegen (etwa einen solchen der Beigeladene), den sie habe abschließen können, so dass sich ihr im Zuschlagsschreiben geäußerter rechtlicher Wille überhaupt nur auf die Willenserklärung der J.-Apotheke, die diese im eigenen Namen abgegeben habe, gerichtet habe.
Die Antragstellerin sei nicht der Rechtsauffassung, dass ein Zuschlag nicht auch einmal einen lediglich schwebend unwirksamen Vertrag zustande bringen könne, wenn – wie hier – eine noch ausstehende apothekenrechtliche Genehmigung Voraussetzung der vollen Wirksamkeit des Vertrages sei. Ein Widerspruch zwischen Vergaberecht und Apothekenrecht bestehe nicht, denn auch in solchen Fällen könne das Vergabeverfahren durch Zuschlag abgeschlossen werden. Dies habe jedoch mit diesem Nachprüfungsverfahren nichts zu tun. Denn die Antragstellerin beanstande, dass der Zuschlag nicht, wie in der Bietervorabinformation angezeigt, auf das Angebot der Beigeladene erteilt wurde (das im Übrigen aus verschiedenen Gründen auch nicht zuschlagsfähig wäre), sondern dass der Versorgungsvertrag stattdessen mit einem ihrer Mitglieder, der J.-Apotheke, direkt geschlossen worden sei.
Unabhängig davon nehme die Antragstellerin zur Kenntnis, dass die Antragsgegnerin einräume, den Wechsel des Auftragnehmers im Los 2 bereits vollzogen zu haben und von der Beigeladenen auftragsgemäß beliefert zu werden. Die Aufnahme der Versorgung der Antragsgegnerin durch die J.-Apotheke ohne Genehmigung entgegen § 14 Abs.7 S.1 ApoG stelle eine zumindest fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 25 Abs.1 Nr.4 ApoG dar.
Mit Schreiben vom 22.03.2016 beantragte der Bevollmächtigte der Beigeladenen Akteneinsicht.
Mit Verfügung vom 23.03.2016 wurde durch den Vorsitzenden der Vergabekammer Südbayern die Frist zur Entscheidung auf den 29.04.2016 verlängert.
Jeweils mit Schreiben vom 23.03.2016 wurde der Antragstellerin und der Beigeladenen Akteneinsicht nach § 111 GWB gewährt.
Mit Schreiben vom 29.03.2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass ein Zuschlag an die J.-Apotheke nicht erfolgt sei, sondern an die Beigeladene. Das Zuschlagsschreiben sei zweifelsfrei an die Beigeladene adressiert worden und die Gegenzeichnung sei von Herrn Dr. R. als Bevollmächtigten der Beigeladenen erfolgt. Dies lasse keinen Raum für die von der Antragstellerin vorgenommen Auslegung, dass der Versorgungsvertrag nur mit der J. Apotheke zustande kommen solle. Inhalt des Angebotes der Beigeladenen sei eine Belieferung der Antragsgegnerin ausschließlich durch die J.-Apotheke und damit eine Versorgung aus einer Hand. Die Antragsgegnerin sei deshalb nicht von einer Gefährdung der aufsichtsrechtlichen Genehmigung ausgegangen.
Falsch sei auch die Darstellung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe keinen Versorgungsvertrag der Beigeladenen vorliegen gehabt. Allein der Umstand, dass die mit „Versorgungsvertrag nach § 14 Apothekengesetz“ überschriebene Vergabeunterlage nicht ausdrücklich von der Bietergemeinschaft unterzeichnet gewesen sei, ändere nichts an der Tatsache, dass ein zuschlagsfähiges Angebot der Beigeladenen für die Apothekenversorgung vorgelegen habe. Dem Angebot habe ausweislich des Angebotsvordrucks auch der Versorgungsvertrag zugrunde gelegen. Der Versorgungsvertrag sei damit Inhalt des von dem Bevollmächtigten der Beigeladenen unterzeichneten Angebots. Des Weiteren sei auch die Meinung der Antragstellerin falsch, seitens der J.-Apotheke habe ein rechtlicher Bindungswille nur bezüglich eines Vertragsabschlusses im eigenen Namen bestanden, jedenfalls aber irrelevant, da diese Annahme in erheblichem Widerspruch zu der tatsächlichen Gestaltung der Angebotsunterlagen und des sonstigen Schriftverkehrs stehe. Auch lasse sich diese Annahme nicht auf die Äußerungen des Herrn Dr. K. in der mündlichen Verhandlung des Parallelverfahrens am 24.02.2016 stützen. Denn nach richtiger Ansicht, sei ausschließlich ein Angebot der Beigeladenen vorgelegen.
Jeweils mit Schreiben vom 30.03.2016 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 14.04.2016 in der Regierung von Oberbayern geladen.
Die Beigeladene nahm durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 01.04.2016 noch Stellung und beantragte,
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;
2. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten seitens der Beigeladenen für notwendig zu erklären;
3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Weiter wurde ausgeführt, dass sich die Beigeladene vollumfänglich den Ausführungen des Antragsgegners in seinen Schriftsätzen vom 11.03. und 29.03.2016 anschließe.
Die Beigeladene erläuterte, weshalb ihrer Ansicht nach der Genehmigungsvorbehalt der Apothekenaufsicht der Wirksamkeit der Zuschlagserteilung im vergaberechtlichen Sinne nicht entgegenstehe.
Vorliegend sei der auf die Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrags zwischen der J.-Apotheke und der Antragsgegnerin gerichtete Nachprüfungsantrag unstatthaft und unzulässig, weil es einen solchen Vertragsschluss zu keinem Zeitpunkt gegeben habe; insoweit fehle es nicht nur an einem entsprechenden Angebot der J.-Apotheke, sondern auch an einer Annahmeerklärung durch die Antragsgegnerin. Es liege ein wirksamer Vertragsabschluss zwischen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin vor, indem die Antragsgegnerin den Zuschlag auf ein wirksames Angebot der Beigeladenen erteilt habe. Da die Antragsgegnerin alle betroffenen Bieter, insbesondere auch die Antragstellerin, hierüber mit Information nach § 101a GWB vom 13.11.2016 ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt habe, die Antragstellerin jedoch – sehenden Auges, wie sich aus den Ausführungen der Antragsgegnerin ergebe – auf die Wahrnehmung vergaberechtlichen Rechtsschutzes verzichtet habe, liege ein wirksamer Vertragsabschluss vor, der gemäß § 114 Abs. 2 GWB nicht mehr anfechtbar sei. Ein Fall einer ausnahmsweisen nachträglichen Anfechtbarkeit gemäß § 101b Abs.1 Nr.1 und Abs.2 GWB liege nicht vor, da ein Verstoß gegen § 101a GWB nicht gegeben sei.
Soweit sich der Nachprüfungsantrag auch gegen einen wirksamen Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen richten sollte – dergleichen sei allerdings nicht beantragt -, sei ein solches Begehren ebenfalls unzulässig, da aufgrund einer ordnungsgemäßen Beauftragung und vorangegangenen Bieterinformation bezüglich der Beauftragung gerade der Beigeladenen der betreffende Antrag nach § 114 Abs.2 i. V. m. § 101a und 101b GWG unzulässig sei. Denn zum einen sei ordnungsgemäß gemäß § 101a GWB über die Bezuschlagung des Angebots der Beigeladenen informiert, zum anderen sei der Nachprüfungsantrag im Hinblick auf die erfolgte Bekanntmachung der diesbezüglichen Beauftragung nach § 101b Abs.2 GWB auch verfristet, sofern man hilfsweise von einer De-facto-Vergabe ausgehe.
Ob die wirksame Beauftragung der Beigeladenen unter Vergabemängeln gelitten habe, sei unerheblich, da mit der wirksamen Zuschlagserteilung auch rechtswidrige Vergabeverfahren unanfechtbar beendet werden. Selbst aber höchst hilfsweise unterstellt, dass das im Zuge des Vergabeverfahrens eingereichte Angebot der Bietergemeinschaft unwirksam sei, so sei jedenfalls durch die Zuschlagserteilung und die Rückbestätigung durch die Bietergemeinschaft vom 27.11.2015 ein mittlerweile unanfechtbarer Vertragsschluss zustande gekommen. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 06.04.2016 erhielt die Antragstellerin von der Vergabekammer noch die Seiten 1 und 10 des bei der Regierung von Oberbayern zur Genehmigung vorgelegten Versorgungsvertrages vom 16.03.2016 der Antragsgegnerin zur Kenntnis und Stellungnahme. Diesen Versorgungsvertrag hatte die Vergabekammer aus den Akten des Sachgebiets 55.2 der Regierung von Oberbayern beigezogen.
Mit Schreiben vom 06.04.2016 nahm die Antragstellerin zu der gewährten Akteneinsicht Stellung und teilte mit, dass durch die E-Mail des mit der Vergabe betrauten Büros vom 07.10.2016 auf die Frage, ob die jeweiligen Versorgungsverträge vom „jeweiligen“ Mitglied der Bietergemeinschaft zu unterzeichnen seien, mitgeteilt worden sei, dass es bei Abgabe eines Angebots durch die Bietergemeinschaft genüge, wenn die Unterlagen von dem bevollmächtigten Vertreter der Bietergemeinschaft unterschrieben werden. Nach dieser eindeutigen Auskunft sei das Angebot also in jedem Fall von diesem Vertreter zu unterzeichnen.
Die Vergabeakte zeige weiter, dass zwar das Anschreiben vom 09.10.2015 von dem bevollmächtigten Vertreter der Beigeladenen (Dr. R.) unterzeichnet und mit dem Stempel der J.-Apotheke versehen gewesen sei, aber ohne jeglichen Hinweis auf die Bietergemeinschaft. Schließlich sei der Versorgungsvertrag für Los 2 nur von Herrn Dr. K. e. K. (J.-Apotheke) unterschrieben worden, obwohl nach der E-Mail vom 07.10.2016 bei einer Bietergemeinschaft, dieser von dem Bevollmächtigten der Bietergemeinschaft zu unterschreiben gewesen wäre. Dies lasse nur den Schluss zu, dass nur die J.-Apotheke Dr. K. e. K. sich an ihr Angebot für Los 2 mit Rechtsbindungswillen gebunden halten wolle, nicht jedoch die Beigeladene. Es fehle jeglicher Hinweis darauf, dass die Beigeladene selbst Auftragnehmerin des Versorgungsvertrages werden sollte. Seit der E-Mail vom 07.10.2016 habe es kein Auslegungsspielraum dahingehend gegeben, dass ein Angebot, das nicht in jedem seiner zu unterzeichnenden Bestandteile vom bevollmächtigten Vertreter der Bietergemeinschaft unterzeichnet wurde, gleichwohl noch als Angebot der Bietergemeinschaft verstanden werden könne. Die J.-Apotheke Dr. K. e. K. habe den Versorgungsvertrag nur im eigenen Namen abschließen wollen und dies habe die Antragsgegnerin auch so verstanden.
Auf der Rechtsfolgeseite führe dies zum Erfolg des Nachprüfungsantrags nach § 101b GWB.
Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 11.04.2016 nochmals mit, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei.
Die Antragsgegnerin habe einen Vertrag nicht mit der in der Bietervorabinformation angegebenen Beigeladenen abgeschlossen, sondern mit der J.-Apotheke Dr. K.e.K. allein. Darauf, dass das Zuschlagsschreiben der Antragsgegnerin formal an die Beigeladene adressiert gewesen sei, komme es nicht an. Für die Entgegennahme des Zuschlagsschreibens sei die Beigeladene nur „Empfangsbotin“ gewesen. Die Antragsgegnerin und die J.-Apotheke haben ausschließlich miteinander einen Versorgungsvertrag abschließen wollen. Die Versorgung erfolge bereits durch diese Apotheke. Wenn die Antragsgegnerin und die Beigeladene davon überzeugt gewesen wären, dass zwischen ihnen ein Versorgungsvertrag zustande gekommen sei, hätten diese beiden Parteien nicht nachträglich eine neue Vertragsurkunde über einen Versorgungsvertrag vom 16.03.2016 aufgenommen und dort die Beigeladene ausdrücklich ins Rubrum aufgenommen.
Ein Vertrag im Sinne von § 101b Abs.1 GWB liege damit vor. § 101b Abs.1 GWB mache die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages auf Feststellung der Unwirksamkeit eines unter Verstoß gegen § 101a GWB geschlossenen Vertrages nicht davon abhängig, ob für den Vollzug noch weitere Bedingungen, wie die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, eintreten müssen.
Selbst wenn die Vergabekammer die vorstehenden Erwägungen nicht teilen sollte, würde sich jedoch nichts anderes ergeben. In diesem Fall sei der Antragsgegnerin zu untersagen, einen wirksamen Vertragsschluss entweder mit der Beigeladenen oder mit der J.-Apotheke allein herbeizuführen, insbesondere eine apothekenrechtliche Genehmigung für einen solchen Versorgungsvertrag zu beantragen, und der J.-Apotheke aufzugeben, unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen erneut in die Angebotswertung einzutreten. Eine hierauf gerichtete Ergänzung der Anträge behält sich die Antragstellerin vor. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen.
Daran, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei, ändere auch der für die Antragstellerin neue Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene der Regierung von Oberbayern einen anderen Versorgungsvertrag zur Genehmigung vorgelegt haben, als jenen, der der Antragsgegnerin im Angebot der Beigeladenen in der Ausschreibung angeboten worden sei und der ausschließlich auf die J.-Apotheke allein laute.
Es lägen nunmehr zwei Versorgungsverträge der Antragsgegnerin mit unterschiedlichem Inhalt vor. Die Antragstellerin führt aus, dass der neue Versorgungsvertrag vom 16.03.2016 inhaltlich mindestens in folgenden Punkten auffällig sei:
– Zunächst weise er im Rubrum die Firma J. Apotheke Dr. K.e.K, sowie, hiervon getrennt, die Beigeladene im Rubrum. Unterschrieben sei der Vertrag von Herrn Dr. K. sowie von Herrn Dr. R. (und nur von diesem als Vertreter der Beigeladenen).
– Im Rubrum sei nur die Firma J. Apotheke Dr. K.e.K. als „Auftragnehmer“ bezeichnet. Von dieser Bezeichnung ist die Beigeladene im Rubrum explizit ausgenommen; sie ist nicht „Auftragnehmer“.
– Die Präambel des Vertrags stellt klar, dass die Antragsgegnerin (nur) mit der J. Apotheke Dr. K.e.K. eine Arzneimittelbelieferung vereinbart. Die Beigeladene werde nicht aus dem Vertrag verpflichtet.
– Auffällig sei außerdem, dass der Vertrag inhaltlich nicht dem Versorgungsvertrag entspreche, der Gegenstand der Ausschreibung war. Im Rahmen der beschränkten Akteneinsicht liege der Antragstellerin zwar nur das erste und letzte Blatt des neuen Versorgungsvertrags vor. Bereits hieraus werde aber deutlich, dass der Vertrag inhaltlich geändert worden sei. Der ausgeschriebene Vertrag enthielt keine Präambel, sondern begann nach dem Rubrum mit § 1. Der neue Vertrag enthalte nach dem Rubrum eine ausführliche Präambel. Der Vertrag sei auch länger als der ausgeschriebene Vertrag, bei dem § 18 sich auf Blatt 9 befand, während sich § 18 bei dem neuen Versorgungsvertrag auf Blatt 10 befindet. Der Versorgungsvertrag, dessen Abschluss die Antragsgegnerin, die Beigeladene und die J. Apotheke offenbar gegenüber der Regierung von Oberbayern behaupten, entspreche damit nicht dem ausgeschriebenen Vertrag.
– Dieser Vertrag sei nicht innerhalb der Angebotsbindefrist geschlossen worden, die als Bewerbungsbedingung bindender Bestandteil der Bewerbungsbedingungen in der Ausschreibung war und die am 30. November 2015 abgelaufen sei. Eine Verlängerung habe es nach den Vergabeakten nicht gegeben.
– Der neue Versorgungsvertrag sei nicht Bestandteil des von der Beigeladenen in der Ausschreibung abgegebenen Angebots gewesen. Er sei nachträglich verfasst worden.
Dieser neue Versorgungsvertrag sei in den Schriftsätzen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen vom 29.03.2016 und 01.04.2016 verschwiegen worden und rein zufällig bekannt geworden. Der neue Versorgungsvertrag diene der Täuschung der Vergabekammer und der Aufsichtsbehörde über den wahren Versorger des Antragsgegners. Indem diese Parteien unterlassen hätten, den neuen Versorgungsvertrag vorzulegen und weiterhin darauf beharrten, dass durch Schreiben der Antragsgegnerin vom 24.11.2015 ein Versorgungsvertrag nur mit der Beigeladenen zustande gekommen sei, täuschten sie die Vergabekammer darüber, dass im März 2016 ein (zweiter) Versorgungsvertrag mit der J.-Apotheke geschlossen worden sei. Indem der neue Versorgungsvertrag im Rubrum die Beigeladene formal als Partei mitaufführe, werde zudem vorgetäuscht, diese werde durch den Vertrag mit verpflichtet, was tatsächlich jedoch erkennbar nicht gewollt sei.
Der neue Versorgungsvertrag sei durch die Vergabekammer für unwirksam zu erklären, denn an der Vergabe dieses geänderten Versorgungsvertrages habe die Antragsgegnerin keine anderen Unternehmen, auch nicht die Antragstellerin beteiligt. Es liege eine unzulässige De-Facto-Vergabe vor. Einen hierauf gerichteten Antrag behalte sich die Antragstellerin ausdrücklich für die mündliche Verhandlung vor. Rein vorsorglich rüge die Antragstellerin hiermit, die für sie nicht nachvollziehbare und erst jetzt bekannt gewordene inhaltliche Veränderung des ausgeschriebenen Versorgungsvertrages und mache diesen Vorgang zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens.
Ein Zuschlag sei nur dann erteilt, wenn der Beauftragung das Angebot in unveränderter Form zugrunde liege. Ein Versorgungsvertrag, dessen Partei die Beigeladene hätte werden können, sei jedoch von vornherein nie Bestandteil ihres Angebots gewesen. Das Angebot der Beigeladenen habe nur einen allein von der J.-Apotheke unterzeichneten Versorgungsvertrag enthalten. Der neue Versorgungsvertrag könne daher nicht mehr Gegenstand einer vergaberechtlich beachtlichen Zuschlagserteilung sein. Zudem entspreche der neue Versorgungsvertrag inhaltlich nicht dem ausgeschriebenen Vertrag. Wenn dieser neue Vertrag mit dem Angebot angeboten worden wäre, hätte das Angebot der Beigeladenen zwingend ausgeschlossen werden müssen. Zudem habe zum Zeitpunkt des angeblichen Vertragsschlusses (Datum der ersten Unterschrift 09.03.2016, Datum der letzten Unterschrift 16.03.2016) ein gesetzliches Zuschlagsverbot nach § 115 Abs. 1 GWB bestanden, da die Vergabekammer den Antragsgegner am 26.02.2016 über den Nachprüfungsantrag informiert habe. Ein trotzdem erteilter Zuschlag sei nichtig (§ 134 BGB).
Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des neuen Versorgungsvertrages habe es auch bereits einen Versorgungsvertrag mit der J.-Apotheke gegeben. Die in der Unterzeichnung des zweiten Versorgungsvertrags durch die Antragsgegnerin liegende Willenserklärung sei unsinnig und widersprüchlich, da sich keine eindeutig gewollte Rechtsfolge mehr zuordnen lasse. Sie sei deshalb wegen Perplexität nichtig.
Zum anderen sei der neue Versorgungsvertrag auch deshalb nichtig, weil es sich um ein Scheingeschäft handle (§ 117 Abs. 1 BGB). Die Parteien des neuen Versorgungsvertrages hätten diesen nur abgeschlossen, um die Beigeladene formal als Partei in einen Versorgungsvertrag mit der Antragsgegnerin aufgenommen zu haben und gleichzeitig die apothekenrechtlich erforderliche Versorgung aus einer Hand gegenüber der Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde behaupten zu können. Die zum Schein erzeugten Rechtswirkungen sollen jedoch nicht eintreten, denn die Beigeladene soll aus dem Vertrag nicht verpflichtet werden. Auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin wird verwiesen.
Die Beigeladene teilte durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 12.04.2016 nochmals mit, dass entgegen den unterschiedlichsten und in sich widersprüchlichen Unterstellungen der Antragstellerin, ein Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zustande gekommen sei. Ein Vertragsschluss allein mit der J.-Apotheke bleibe abwegig. Aus dem objektiven Empfängerhorizont ergebe sich jedoch für eine solche Auslegung keinerlei Grundlage.
Auch sofern die Antragstellerin nunmehr versuche, die geringfügig überarbeitete finale Version des Vertrags zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen als selbstständig zu betrachtende unzulässige De-facto-Vergabe hochzustilisieren, gehe dies fehl. Es handle sich nur um geringfügige redaktionelle Änderungen, die keinesfalls einen so gravierenden Änderungsgehalt aufweisen würden, dass hierdurch eine Neuausschreibungspflicht ausgelöst worden sei. Orientiere man sich bei der Abgrenzung von ausschreibungsfreien von ausschreibungspflichtigen Vertragsänderungen etwa an dem künftig geltenden § 132 GWB-E, ergebe dies, dass keine Vertragsänderung vorliege.
Gleiches gelte im Hinblick auf die an der finalen Vertragsfassung beteiligten Vertragsparteien. Diese seien wiederum die Antragsgegnerin und die Beigeladene, wie sich nun aus der nunmehr nur zur Klarstellung beigefügten Unterschrift des Bevollmächtigten der Beigeladenen ergebe. Hieraus folge, dass es auch keinen Wechsel der Person des vertraglich gebundenen Lieferanten gegeben habe. Dieser sei – deckungsgleich mit dem zunächst kraft Zuschlag geschlossenen Vertrag – die Beigeladene. Der Vertrag sei schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, d. h. des Zuschlagsschreibens und dessen Bestätigung, unanfechtbar geworden. Hinzu komme, dass auch noch die Ex-post-Bekanntmachung eben dieses Vertragsverhältnis ausweise und auch insoweit der Nachprüfungsantrag gemäß § 101b Abs. 2 GWB präkludiert sei.
2. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.04.2016 wies der Vorsitzende darauf hin, dass der am 09/14./16.03.2016 unterzeichnete Versorgungsvertrag während des Zuschlagsverbots nach § 115 Abs.1 GWB geschlossen worden und mithin gem. § 134 BGB nichtig sei. Der Vorsitzende äußerte, dass es zweifelhaft sei, ob durch den Zuschlag vom 24.11.2016 bezogen auf das Angebot der Beigeladenen vom 08.10.2015 zivilrechtlich ein Vertrag zustande gekommen sei, da es an zwei übereinstimmenden Willenserklärungen und einer Einigung über die Person des Vertragspartners fehlen könnte.
Die Antragstellerin stellte folgende Anträge:
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und die Wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen.
2. Hilfsweise: Das Vergabeverfahren wird in den Zeitpunkt vor Angebotsabgabe zurückversetzt.
3. Hilfsweise: Der Antrag zu 1. aus dem Nachprüfungsantrag vom 26.02.2016 wird aufrechterhalten.
4. Die Anträge zu 3. und 4. aus dem Nachprüfungsantrag vom 26.02.2016 werden aufrechterhalten.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung aller Anträge der Antragstellerin.
Die Beigeladene stellte folgenden Antrag:
Der Ablehnungsantrag aus dem Schriftsatz vom 01.04.2016 wird bezogen auf den 2. Hilfsantrag der Antragstellerin aufrechterhalten.
Im Übrigen stellt die Beigeladene keine Anträge.
Die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer wurde gem. § 113 Abs.1 S.2 GWB bis zum 04.05.2016 verlängert.
3. Mit Schriftsatz vom 18.04.2016 führte die Beigeladene aus, dass nach der gebotenen Gesamtauslegung von vornherein ein Angebot der Bietergemeinschaft vorgelegen habe. Jedenfalls sei das Annahmeschreiben der Antragsgegnerin vom 24.11.2015 entsprechend § 150 BGB als erneutes Angebot auszulegen, das von der Beigeladenen mit Schreiben vom 27.11.2016 (wohl: 27.11.2015) rückbestätigt und angenommen worden sei.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Vergabeakte, die der Vergabekammer vorgelegen hat, und auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und teilweise begründet. Das Vergabeverfahren ist nicht durch wirksamen Vertragsschluss abgeschlossen und leidet unter so erheblichen Mängeln, dass es aufzuheben ist.
1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist gegeben.
1.1 Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ist gegeben, §§ 98 Nr.2, 99 Abs.1 und 2, 100 Abs.1 Nr.1, 104 Abs.1, 127 Nr.1 GWB, §§ 1 Abs.1 und 2, 2 Abs.2 S.1 BayNpV. Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs.2 GWB liegt nicht vor.
Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz im Regierungsbezirk Oberbayern und ist Auftraggeber gemäß § 98 Nr.2 GWB.
Der 4. Teil des GWB ist anwendbar, da es sich um einen öffentlichen Lieferauftrag nach § 99 Abs.1 und 2 GWB im Form einer Rahmenvereinbarung im Sinne des § 4 EG VOL/A handelt.
Der geschätzte Auftragswert für alle drei Lose liegt bei mindestens … Mio. € und mithin weit oberhalb des maßgeblichen Schwellenwertes von 207.000 € netto nach § 100 Abs.1 Nr.1 GWB, § 2 Abs.1 VgV i. V. m. Art.7 der Richtlinie 2004/18/EG in der seinerzeit geltenden Fassung.
1.2 Der Nachprüfungsantrag ist statthaft, §§ 107 Abs.2, 108 GWB. Die Antragstellerin begehrt die Untersagung der Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen und die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Zeitpunkt vor Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen.
1.3 Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 107 Abs.2 GWB. Mit ihren Vorwürfen legt sie die Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs.7 GWB dar. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe ihres Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Da der Antragstellerin der Zuschlag nicht erteilt werden soll, droht ihr ein finanzieller Schaden, wenn die Beigeladene den Zuschlag erhält.
1.4 Die Vorwürfe, dass die Eignung der Beigeladenen als Bietergemeinschaft wegen Verstoßes gegen § 14 Abs.5 ApoG nicht gegeben sei, die Bildung einer Bietergemeinschaft durch die Beigeladene vergabe- und kartellrechtlich unzulässig sei und das Angebot der Beigeladenen nicht zuschlagsfähig sei wurden gemäß § 107 Abs.3 GWB rechtzeitig gerügt. Der diesen Vorwürfen zugrundeliegende Sachverhalt wurde der Antragstellerin erst mit ihrer Beiladung vom 16.02.2016 und v.a. in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2016 im Parallelverfahren bezüglich der Lose 1 und 3 bekannt.
1.5 Es wurde kein wirksamer Zuschlag erteilt, § 114 Abs.2 S.1 GWB, da der am 24.11.2015 erteilte Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss führte. Dem Vertrag mangelt es an einem wesentlichen Vertragsbestandteil, da keine übereinstimmenden Willenserklärungen hinsichtlich des Vertragspartners auf Auftragnehmerseite vorliegen(vgl. auch: VK Bund, Beschl. v. 30. September 2010 – Az.: VK 2 – 80/10; VK Sachsen, Beschl. v. 18.09.2015, Az.: 1-SVK-030-15). Nur Herr Dr. K. wollte – schon wegen der ihm bekannten apothekenrechtlichen Situation – als eingetragener Kaufmann für die J.-Apotheke den streitgegenständlichen Versorgungsvertrag anbieten. Die Antragsgegnerin wollte dagegen den Zuschlag auf ein von ihr angenommenes vollständiges Angebot der beigeladenen Bietergemeinschaft erteilen. Mangels einer Einigung über die sog. essentialia negotii ist der Vertrag von Anfang an unwirksam (Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145, Rdnr.3).Besteht wie im vorliegenden Fall Streit, wer als Bieter eines bestimmten Angebots anzusehen ist und damit Vertragspartner werden soll, ist durch Auslegungzu ermitteln, wer das Angebot abgegeben hat. Dabei ist auf den „objektiven Empfängerhorizont“ abzustellen; entscheidend ist, wie ein mit den Umständen des Einzelfalles vertrauter Dritter in der Lage des Auftraggebers die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte. Aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles muss eine eindeutige Zuordnung des Angebotes erkennbar sein. Denn die Frage wer im Falle des Zuschlags Auftragnehmer wird, gehört zu den essentialia negotii, über die Klarheit herrschen muss (VK Bund, Beschl. v. 30. September 2010 – Az.: VK 2 – 80/10; VK Sachsen, Beschl. v. 18.09.2015, Az.: 1-SVK-030-15).
Vorliegend hat nur die J.-Apotheke, nicht aber die Bietergemeinschaft den Willen geäußert, den streitgegenständlichen Versorgungsvertrag abzuschließen. Die Gründung der Bietergemeinschaft diente einzig und allein dem Zweck, für alle drei Lose, mithin den Gesamtauftrag Angebote abgeben zu können. Dieses Verständnis ist sowohl dem Aufbau der Angebote als auch dem Wortlaut des Anschreibens vom 09.10.2015 zu entnehmen.
In dem Anschreiben erklärt die Beigeladene: „Als Bietergemeinschaft bieten wir für alle 3 Lose an. Damit gewehrleisten (wohl: gewährleisten) wir die Belieferung aller 3 Lose aus einer Hand entsprechend der derzeit gültigen Rechtslage. Auf Basis dieser Rechtslage bieten wir innerhalb der Bietergemeinschaft das LOS 2 über die J.-Apotheke und das LOS 1 sowie das LOS 3 über die M.-Apotheke an.“ Demzufolge weist der Angebotsvordruck des Loses 2 in dem Feld „Bieter“ einen Stempel der J.-Apotheke auf und in dem Feld „Stempel und Unterschrift“ ebenfalls einen Stempel der J.-Apotheke und eine Unterschrift von Herrn Dr. K., dem Inhaber der J.-Apotheke. Unter dem Feld „Stempel und Unterschrift“ steht zudem: „Wird das Angebotsschreiben an dieser Stelle nicht unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben.“. Erst unter diesem Feld befindet sich zusätzlich die Unterschrift des Bevollmächtigten der Beigeladenen. Hätte die Beigeladene ein Angebot für Los 2 abgeben wollen, so hätte folglich ihr Bevollmächtigter in dem Feld „Stempel und Unterschrift“ unterzeichnen müssen. Ebenso benennt der Versorgungsvertrag des Loses 2 als „Auftragnehmer“ den „Apotheker Dr. K., Inhaber der J.-Apotheke“. Dieser Versorgungsvertrag wurde allein von Herrn Dr. K. unterzeichnet, ohne Hinweis auf die Bietergemeinschaft. Der Versorgungsvertrag, mit seinen Anlagen Leistungsverzeichnis und Arzneimittelliste, stellt den Kern der Ausschreibung dar. Neben den Leistungen, die nach diesem Versorgungsvertrag zu erbringen sind, sind vom Auftragnehmer keine weiteren Leistungen zu erbringen. Insofern hat die Beigeladene keinerlei Leistungen zu erbringen, wenn die J.-Apotheke nach dem Versorgungsvertrag Auftragnehmer und mithin Vertragspartner wird. Nach alledem wollte einzig und allein Herr Dr. K. als Inhaber der J.-Apotheke den Versorgungsvertrag für das Los 2 abschließen.
Mit E-Mail vom 07.10.2016 wurde der Beigeladenen mitgeteilt, dass es im Falle der Bewerbung als Bietergemeinschaft genüge, „wenn die Unterlagen von dem entsprechend bevollmächtigten Vertreter unterschrieben werden“. Daran hat sich die Beigeladene aber gerade nicht gehalten, da sie nicht sämtliche Unterlagen – hier den Versorgungsvertrag, der nach dem Aufdruck auf S.1 oben „Eine Ausfertigung unterschrieben zurück an die W. GmbH“ auch zu unterschreiben war – unterschrieben hat.
Zwar kann der am 09./14./16.03.2016 von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen unterzeichnete Versorgungsvertrag, der bei der Regierung von Oberbayern, SG 55.2, zur Genehmigung vorgelegt wurde, nicht zur Auslegung des Angebots vom 07./08./09.10.2015 herangezogen werden. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung, wem ein Angebot zuzurechnen ist, ist das zum Eröffnungstermin vorliegende Angebot (vgl. BayObLG, Beschl. v. 20.08.2001, Verg 11/01). Aber auch dieser leicht abgewandelte Versorgungsvertrag weist die J.-Apotheke als „Auftragnehmer“ aus und widerspricht dem oben Ausgeführten nicht, sondern bestätigt es vielmehr. Auch nach der in dieser Vertragsversion enthaltenen Präambel führt die Beigeladene keine Leistungen aus.
Auch das Schreiben der Beigeladenen vom 27.11.2015 führte nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss. Selbst wann man in der Zuschlagserteilung der Antragsgegnerin vom 24.11.2015, das an die Beigeladene adressiert und an Herrn Dr. R. gerichtet ist, ein neues Angebot i. S.v. § 150 Abs.2 BGB sehen wollte, so handelt es sich bei dem Anschreiben zum Zuschlagsschreiben, das der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit seiner Unterschrift versehen hat, um eine bloße Empfangsbestätigung. Ein darüber hinausgehender Wille der Beigeladenen ist nicht ersichtlich, insbesondere fehlt es an einem erneut kommunizierten Bindungswillen der Beigeladenen. Die Unterschrift mit Datumsangabe im oberen rechten Drittel des Zuschlagsschreibens ist vielmehr als typische Empfangsbestätigung zu werten. Dem Anschreiben selbst kann auch deshalb kein Bindungswille der Beigeladenen entnommen werden, da dieses zum einen lediglich das Logo der M…-Apotheke enthält und die Beigeladene nicht erwähnt, sowie zum anderen nicht vom Bevollmächtigen der Beigeladenen unterzeichnet ist. Insofern verbietet es sich, der Unterschrift des Bevollmächtigten der Beigeladenen mit Datumsangabe auf dem Zuschlagsschreiben einen anderen Erklärungsinhalt, als den, das Zuschlagsschreiben erhalten zu haben, beizumessen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Beigeladene zudem keinen Anlass, die Zuschlagserteilung als neues Angebot zu werten welches anzunehmen ist. Schließlich erfolgte die Zuschlagserteilung innerhalb der verlängerten Bindefrist für das Angebot der Beigeladenen.
2. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet.
2.1 Das Vergabeverfahren leidet an einem schwerwiegenden Fehler, da die Antragsgegnerin ihren Verpflichtungen, die ihr § 4 EG VOL/A aufbürdet, nicht nachgekommen ist.
2.1.1 In den Vergabeunterlagen des Loses 2 fehlen bezüglich der Zytostatika (Rezepturarzneimittel – S-Artikel mit Sonderpharmanummer) sämtliche konkretisierende Angaben zum Leistungsgegenstand und -umfang sowie die Festlegung von Preisparametern.
Zwar gilt das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung i. S.v. § 8 Abs.1 EG VOL/A bei Rahmenvereinbarungen nur eingeschränkt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.02.2013, Verg 44/12.). Dennoch ist der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass den Bietern eine Preisermittlung ermöglicht wird. Die Antragsgegnerin hat es vorliegend vollständig versäumt, den Leistungsgegenstand zu konkretisieren. Sie hat lediglich festgelegt, dass die Herstellung und Lieferung von Zytostatika gem. § 2 Abs.4 des Versorgungsvertrages und Ziff. 2.4.10 des Leistungsverzeichnisses zum Leistungsumfang gehört. Dass die Angabe von Rezepturbeispielen möglich war, zeigt die Abfrage bezüglich der Lose 1 und 3vom 30.11.2015, also nach Angebotsabgabe, bei der Antragstellerin und der Beigeladenen, der eine Liste mit Rezepturbeispielen beilag. Nach § 4 Abs.1 EG VOL/A ist das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben. Der Bieter muss den ungefähren Aufwand abschätzen können, um seinerseits die notwendigen Ressourcen beschaffen zu können. Die Vergabestelle hat gem. § 4 Abs.1 S.2 EG VOL/A keinen Ermessensspielraum, ob sie das geschätzte Auftragsvolumen bekannt gibt. Das Unterlassen einer Angabe ist daher vergaberechtswidrig (Zeise, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 4 Rdnr.19). Die Vergabestelle muss die relevanten Grundlagen im zumutbaren Rahmen unter Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen vollständig erheben (VK Bund, Beschl. v. 23.12.2010, VK 3 – 132/10). Wo die Ermittlung des Auftragsvolumens unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde oder aus anderen Gründen nicht realistisch ist, kommt eine Schätzung auf der Grundlage von Erfahrungswerten in Betracht (VK Bund, Beschl. v. 19.09.2001, VK 1 – 33/01).
Die Antragsgegnerin hat es jedoch unterlassen das in Aussicht genommene Auftragsvolumen zu benennen. Vielmehr soll die Konkretisierung der Rezepturarzneimittel ausweislich der 3. Klarstellung der Antragsgegnerin durch ″Einzelabruf″ erfolgen, der dann gesondert abgerechnet werden soll. Grund hierfür war wohl, dass die Antragsgegnerin die je Los benötigte Anzahl an Zytostatika zum Zeitpunkt des Vergabeverfahrens nicht abschätzen konnte. Zwar erklärt die Antragsgegnerin, dass die Anzahl die für Kreiskliniken üblichen Mengen nicht übersteige. Umso unverständlicher ist es allerdings, warum es die Antragsgegnerin dennoch unterlassen hat, einen Rahmen zu setzen, also die für Kreiskliniken üblichen Mengen anzugeben.
Die Antragsgegnerin hat es weiter versäumt, die Bedingungen, zu denen gem. § 4 Abs.1 EG VOL/A insbesondere der Preis gehört, für die Einzelaufträge festzulegen. Zwar muss der Preis in einer Rahmenvereinbarung noch nicht abschließend festgelegt werden (Zeise, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 4 Rdnr.17). Für eine wirksame Rahmenvereinbarung ist, wie bei Abschluss eines jeden Vertrages, jedoch erforderlich, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) festgelegt sind. Dazu gehört bei einem Lieferauftrag auch der Preis der zu liefernden Leistung. Dies gilt auch im Vergaberecht, wobei hinsichtlich des in Aussicht genommenen Preises ausreichend sein kann, dass – zumindest – die Berechnungsgrundlagen offengelegt werden oder eine Preisgleitklausel im Vertrag enthalten ist (VK Bund, Beschl. v. 20.05.2003, VK 1 – 35/03). Denn erst auf Basis dieser Parameter kann das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden (Haak, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 3. Auflage, 3. Los, § 4 VOL/A EG, Rdnr.14) und der konkrete Preis für die jeweiligen Einzelaufträge später bestimmt werden.
Vor allem wäre es der Antragsgegnerin ohne weiteres möglich gewesen, individuelle Preise für die zur Herstellung der Zytostatika erforderlichen Wirkstoffe und Hilfsstoffe abzufragen. Denn individuell verordnete Zytostatikazubereitungen sind dem Preiswettbewerb nicht aufgrund arzneimittelpreisrechtlicher Regeln entzogen. Die Antragsgegnerin geht aber offenbar hiervon aus. Dabei verkennt die Antragsgegnerin, dass die gesetzliche Preisbildung für Fertigarzneimittel und Rezepturarzneimittel (Zytostatikazubereitungen und andere parenterale Zubereitungen) gem. § 1 Abs.3 Nr.2 AMPreisV nicht für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Krankenhäuser gilt. Das gilt explizit auch für die Abgabe von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen (§ 1 Abs.3 Nr.8 AMPreisV). Das bedeutet, dass die Preise für die zur Herstellung der Zytostatika verwendeten Wirkstoffe, Hilfsstoffe und Hilfsmittel einschließlich des Apothekenzuschlages, für die Herstellung der Rezepturarzneimittel frei vereinbart werden können.
Dass eine Preisabfrage möglich gewesen wäre, zeigt die Abfrage bezüglich der Lose 1 und 3 nach Angebotsabgabe bei der Antragstellerin und der Beigeladenen, der eine Liste mit Rezepturbeispielen beilag. Diese Rezepturen sollten mit dem vollständigen Bruttopreis versehen werden, wobei die einzelnen Bestandteile, insbesondere die reinen Substanzkosten und der Arbeitspreis angegeben werden sollten. Die von der Antragstellerin und der Beigeladenen jeweils angegebenen Substanzkosten und Arbeitspreise sind auch keineswegs identisch.
2.1.2 Daneben erweist sich auch die Arzneimittelliste des Loses 2 als falsch und irreführend. Auch für die Arzneimittellisten gilt, dass diese so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben sind, dass den Bietern eine Preisermittlung ermöglicht wird. Daran hat sich die Antragsgegnerin nicht gehalten.
Die Arzneimittelliste enthält Positionen, die nach den Aussagen der Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung ersatzlos aus dem Handel genommen worden seien oder in Deutschland nicht mehr verfügbar seien. Insoweit würde es sich um eine objektiv unmögliche Leistung handeln. Ein Anspruch auf eine solche Leistung ist gemäß § 275 Abs.1 BGB ausgeschlossen. Eine Berichtigung der Arzneimittelliste seitens der Antragsgegnerin erfolgte dennoch nicht. Allerdings bleibt unklar, welche Positionen dies abschließend sind, da die Bieter nicht dieselben Positionen mit „0,00“ € bepreist haben. Auszugsweise seien hier die Positionen mit den laufenden Nummern 3, 279, 383, 466, 530 und 552 genannt.
Zudem erweist sich als problematisch, welche Bedeutung der Bepreisung mit „0,00“ € zukommen soll. Normalerweise bedeutet diese Bepreisung, dass die Leistung kostenlos angeboten wird. Wenn es diese Arzneimittel tatsächlich nicht mehr gegen sollte, ist „0,00“ € die Bedeutung „wird nicht angeboten und gehört damit nicht zum Leistungsumfang“ beizumessen. Das würde der Anweisung der Antragsgegnerin gemäß ihrer 3. Klarstellung, wonach bezogen auf Positionen, die keine Arzneimittel sind, „keine Angaben zu machen“ – was sich technisch nur mit der Angabe „0,00“ bewerkstelligen lässt – sind, entsprechen. Als dritte Möglichkeit ließe sich der Angabe „0,00“ die Bedeutung beimessen, dass die Position zwar dem Grunde nach angeboten werde, der Preis aber erst bei Einzelabruf vereinbart werde. Das würde der Anweisung der Antragsgegnerin gemäß ihrer 3. Klarstellung bezüglich der Rezepturarzneimittel, wonach diese „mit „Null“ zu bepreisen“ sind, entsprechen. Da die Bieter wohl die mit „0,00“ € bepreisten Positionen nicht anbieten wollten, fehlen, soweit diese Positionen objektiv nicht ersatzlos aus dem Handel genommen worden sind, Preise. Dies gilt beispielsweise auch für die Pos. 205 und 738. Diese wurden von den Bietern mit „0,00“ € bepreist. Zwar handelt es sich bei diesen Positionen um „Btm-Pauschale“, bzw. „Kühlgut Pauschale“, und mithin eindeutig nicht um Arzneimittel. Im Gegensatz zu – dem hier nicht streitgegenständlichen -Los 3, bezüglich dessen mit der 3. Klarstellung der Antragsgegnerinnen vorgegeben wurde, dass für die dort genannten 12 Positionen „keine Angaben zu machen“ sind, fehlt bezüglich des Loses 2 eine derartige Klarstellung. Mithin gehörten die Positionen, die nicht Arzneimittel sind, zum Leistungsumfang und waren von den Bietern zu bepreisen.
Die Beigeladene räumte in der mündlichen Verhandlung weiter ein, dass sie teilweise die Leistungen nicht kalkulieren konnte, da die Positionen unklar formuliert waren und diese folglich mit „0,00“ € bepreist hat.
Ein Ausschluss sämtlicher Angebote nach § 19 Abs.3a EG VOL/A kommt dennoch nicht in Betracht. Die Arzneimittelliste enthält nämlich unbestritten zahlreiche Positionen, die nach dem Willen der Antragsgegnerin nicht vom Leistungsumfang erfasst sein sollten. Mit der strikten Rechtsfolge des Angebotsausschlusses korrespondiert aber die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, die Vergabeunterlagen so klar und eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen zweifelsfrei entnehmen können, welchen Anforderungen sie genügen müssen (VK Bund, Beschl. v. 08.01.2016, VK 2 – 127/5). Damit kann dahingestellt bleiben, ob unwesentliche Einzelpositionen betroffen sind, für die die Preise gemäß § 19 Abs.2 S.2 EG VOL/A hätten nachgefordert werden können, was die Antragsgegnerin nicht getan hat. Vielmehr ist die Arzneimittelliste nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben, dass die Bieter diesen zweifelsfrei entnehmen können, welche Positionen zum Leistungsumfang gehören sollen und mithin zu bepreisen sind.
2.1.3 Die Antragsgegnerin hat durch diese Vorgehensweise gegen ihre Verpflichtungen, die ihr § 4 EG VOL/A aufbürdet, verstoßen. Die oben aufgeführten Verstöße führen, da die Bieter augenscheinlich ihren Angeboten jeweils einen unterschiedlichen Leistungsumfang zugrunde gelegt haben, dazu, dass die Angebote auch nicht miteinander vergleichbar sind. Aufgrund der schwerwiegenden Vergabeverstöße scheidet eine Zuschlagserteilung auf Basis der derzeitigen Ausschreibung schlechterdings aus. Das Vergabeverfahren wäre deshalb bereits aus diesem Grund bis in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht wird die Antragsgegnerin insbesondere neue Arzneimittellisten aufstellen und den Unternehmen Gelegenheit geben müssen, neue Angebote abzugeben.
2.2 Der Vorwurf, dass ein Verstoß gegen § 14 Abs.5 ApoG vorliege, da es sich bei der Beigeladenen um eine Bietergemeinschaft handelt, ist von der Vergabekammer nicht zu entscheiden. Die Antragsgegnerin hat weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen – zumindest eindeutige – Anforderungen an die Eignung, die den in § 14 Abs.5 S.2 Nr.1 – 6 ApoG genannten Voraussetzungen entsprechen würden, aufgestellt. Die Vergabestelle muss aber sämtliche Eignungsvoraussetzungen bekanntgeben. Ihr ist es insoweit verwehrt, nachträglich neue Eignungskriterien zu schaffen.
Ob eine Bietergemeinschaft überhaupt die Genehmigung nach § 14 Abs.5 ApoG erhalten kann, wenn die Vergabestelle keine entsprechenden Eignungskriterien aufstellt, ist dann weder Gegenstand einer Prüfung im Vergabeverfahren, noch im Nachprüfungsverfahren und erfolgt durch die Genehmigungsbehörde. Ein Ausschluss der Beigeladenen kommt – jedenfalls aus diesem Grund – folglich nicht in Betracht.
Die Antragstellerin ist insoweit folglich nicht in ihren Rechten verletzt.
2.3 Die Frage, ob die Bildung einer Bietergemeinschaft durch die Beigeladene überhaupt zulässig ist, da der Auftrag für das Los 2 von einem Mitglied der Bietergemeinschaft, nämlich der J.-Apotheke, selbstständig durchgeführt werden könnte und damit gegen die Vorgaben der Rechtsprechung zu der Zulässigkeit von Bietergemeinschaften verstoßen worden sein könnte, kann vorliegend dahinstehen, da die Beigeladene und mithin ihre Mitglieder bei fortbestehender Beschaffungsabsicht der Antragsgegnerin erneut Gelegenheit haben werden, ein (zulässiges) Angebot abzugeben. Aus demselben Grund kann dahinstehen, ob das Angebot für das Los 2 mangels Erkennbarkeit, wer Bieter und mithin Auftragnehmer ist, auszuschließen oder einer Aufklärung – wovon die Kammer nicht ausgeht – zugänglich gewesen wäre.
2.4 Sollte seitens der Antragsgegnerin die Beschaffungsabsicht fortbestehen, so wird sie für die Durchführung eines Vergabeverfahrens Folgendes zu beachten haben:
2.4.1 Die Antragsgegnerin wird darauf achten müssen, dass sie Eignungskriterien nur soweit für die Zuschlagswertung heranzieht, wie dies § 58 Abs.2 S.2 Nr.2 VgV in der seit 18.04.2016 geltenden Fassung zulässt. Die schlichte Wertung der Zahl der vorgelegten Referenzen als Zuschlagskriterium ist auch nach der neuen Rechtslage unzulässig.
2.4.2 Die Antragsgegnerin wird darauf achten müssen, dass sie ein zulässiges Wertungssystem für die Preisgestaltung aufstellt. Das derzeitige Wertungssystem ist unzulässig, da einerseits die Wertung für die Stufen „mehr als 5% bis 10% über dem Mittelwert“ und „mehr als 5% bis 10% unter dem Mittelwert“ fehlen. Dabei verbietet es sich natürlich, diese Stufen mit 2,5 bzw. mit 3,5 Punkten zu bewerten, da eine solche Wertung zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Andererseits führen bereits die derzeitigen Stufen zu einer Wettbewerbsverzerrung, da zum einen die Stufung unterschiedlich groß ist, und mithin unzulässig sind (vgl. OLG München Beschl. v. 21.05.2010, Verg 2/10). Die Stufe „bis 5% über oder unter dem Mittelwert“ deckt 10% Preisspanne ab, die Stufen „mehr als 10% über dem Mittelwert“, „mehr als 10% unter dem Mittelwert“, sowie die fehlenden Stufen decken jeweils nur 5% Preisspanne ab. Bei der Wahl des Wertungssystems für die Preise ist außerdem zu beachten, dass die relativen Preisabstände angemessen bei der Punkteverteilung berücksichtigt werden müssen (VK Bund, Beschl. v. 24.10.2014, Vk 2-85/14; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.04.2015, Verg 35/14).
Im Übrigen ist ein Angebot, das keine Angaben – also keinen Preis – enthält, nicht mit „0“ Punkten zu bewerten, sondern auszuschließen, § 19 Abs.3 lit.a) EG VOL/A.
2.4.3 Die Antragsgegnerin wird darauf achten müssen, dass sie einen zulässigen Bewertungsmaßstab aufstellt, der erkennen lässt, unter welche konkreten Voraussetzungen ein Wertungskriterium gewertet wird. Der Bewertungsmaßstab ist eindeutig, klar und transparent bekanntzugeben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015, VII-Verg28/14). Er muss eine Bestimmung im Vorhinein, welchen Erfüllungsgrad die Angebote ausweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden, zulassen. Für den Bieter muss erkennbar sein, ob die jeweils höchste Punktzahl für die qualitativen Kriterien für ein Angebot, das bestimmte objektive Werte erfüllt, oder aber für ein Angebot mit der höchsten qualitativen Leistung erteilt wird. Die Vergabestelle muss insoweit den eigenen Erwartungshorizont vermitteln (VK Lüneburg, Beschl. v. 09.10.2015, VgK 39/15).
Der derzeitige Bewertungsmaßstab für die Wertung der Kriterien „Referenzen“ und „Sonstiges“ (S.22ff des Leistungsverzeichnisses) lässt es nicht zu, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden. Er ist intransparent und damit unzulässig. Bezüglich der Referenzen ist beispielsweise unklar, wann „Erfahrungen in vergleichbaren Projekten/Referenzen“ „vollständig gegeben“ bis hin zu „sehr gering gegeben“ sind. Gleiches gilt für die unter „Sonstiges“ aufgestellten Kriterien.
2.4.4 Bei einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens lediglich in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen bliebe die Bekanntmachung weiterhin fehlerhaft mit der Folge, dass sämtliche o.g. Fehler, die bereits in der Bekanntmachung enthalten sind, gemäß § 107 Abs.3 S.1 Nr.2 GWB bis zum Ablauf der neuen Angebotsfrist gerügt werden könnten. Die Antragsgegnerin wäre dann gezwungen, das Vergabeverfahren in den Stand vor Absendung der Bekanntmachung zurückzuversetzen. Um diese weitere Verzögerung zu vermeiden wird das Vergabeverfahren aufgehoben.
Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass der am 09/14./16.03.2016 unterzeichnete Versorgungsvertrag während des Zuschlagsverbots nach § 115 Abs.1 GWB geschlossen wurde und mithin gem. § 134 BGB nichtig ist.
II.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 1, Abs.2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2, 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG.
Die Antragsgegnerin als Unterliegende hat die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) zu tragen.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 100.000 Euro erhöht werden kann, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin wird als notwendig angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von der Antragstellerin nicht erwartet werden kann und die Verfahrensbeteiligten hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen waren.