Aktenzeichen 15 W 3774/21
Leitsatz
Einer Vereinbarung, nach der der Berechtigte bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt, schuldet, kommt keine dingliche Wirkung zu und sie kann daher nicht in das Grundbuch eingetragen werden.
Verfahrensgang
RB-2007-3 2021-09-17 AGSCHWABACH AG Schwabach
Tenor
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Sch. vom 17.09.2021, Az. RB-2007-3, wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 125.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind als Eigentümer zu je ½ des Grundstücks … und verschiedener Miteigentumsanteile an den Fl.Nr. …, …, …, … und … im Grundbuch des Amtsgerichts Schwabach von …, Blatt …, eingetragen. Mit Überlassungsvertrag vom 28.07.2021, URNr. …, überließen sie diese an die Beteiligte zu 3 und bewilligten und beantragten, die Rechtsänderung in das Grundbuch einzutragen. Als Gegenleistung ist u.a. unter Ziffer III 1. des Vertrages ein Vorbehaltsnießbrauch zugunsten der Übergeber auf Lebensdauer vereinbart:
„Für den Nießbrauch gelten die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1030ff BGB. Hiernach sind die Berechtigten befugt, den Vertragsbesitz voll zu nutzen. Sie haben andererseits alle wiederkehrenden und in Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen auch die dem Eigentümer obliegenden außergewöhnlichen privaten und öffentlichen Lasten und Abgaben sowie die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen zu bezahlen.
Der Berechtigte schuldet bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt.
Die Vertragsteile bewilligen und beantragen die Eintragung des vorbehaltenen Nießbrauchs in das Grundbuch an nächstoffener Rangstelle, …“
Mit Schreiben vom 05.08.2021 beantragte der Urkundsnotar den Vollzug aller in der Urkunde gestellten und noch nicht erledigten Anträge.
Die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Schwabach teilte am 19.08.2021 mit, dass die Regelung hinsichtlich der Sorgfaltspflicht des Nießbrauchers nicht eintragbar sei. Der Urkundsnotar führte mit Schreiben vom 09.09.2021 unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur aus, die genannte Vereinbarung sei möglich.
Mit Zwischenverfügung vom 17.09.2021 teilte das Amtsgericht – Grundbuchamt – Schwabach mit, dass der Eintragung ein Hindernis entgegenstehe. Gemäß § 1041 S. 1 BGB habe der Nießbraucher für die Erhaltung der ihm überlassenen Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Nach § 1036 Abs. 2 BGB obliege ihm die Pflicht, bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfahren. Nach einhelliger Ansicht sei diese Bestimmung nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar. Überdies wäre der genaue Inhalt des dinglichen Nutzungsrechtes nur durch tatsächliche Ermittlungen feststellbar. Die Eintragungsfähigkeit einer Haftungsbeschränkung des Nießbrauchers auf Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten sei daher abzulehnen. Zur Behebung des Hindernisses könne bis 17.10.2021 eine Erklärung der Beteiligten in der Form des § 29 GBO vorgelegt werden, mit der der Bewilligungsinhalt entsprechend geändert werde.
Hiergegen legte der Urkundsnotar im Namen der Beteiligten Beschwerde ein. § 1036 Abs. 2 BGB sei zwar nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar, aber die Haftung des Nießbrauchers könne auf die Sorgfalt nach § 277 BGB begrenzt werden. Im Hinblick auf die Subjektivität der wirtschaftlichen Zweckbestimmung könnten die Pflichten des Nießbrauchers modifiziert werden. Dadurch werde der Wesenskern des Nießbrauchs nicht berührt. Dies diene auch dem Ziel der Streitvermeidung.
Das Amtsgericht – Grundbuchamt – Schwabach half der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Gründe in der Entscheidung vom 17.09.2021 mit Beschluss vom 13.10.2021 nicht ab.
II.
Das gegen die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO gerichtete Rechtsmittel ist als unbeschränkte Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 73 GBO.
Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Grundbuchamt die Vorlage einer Ergänzungserklärung gefordert, mit der der Bewilligungsinhalt im Hinblick auf Ziffer III.1. des notariellen Vertrages vom 28.07.2021 geändert wird. Der Erlass einer Zwischenverfügung zur Einschränkung des Eintragungsantrags hinsichtlich einer nicht eintragungsfähigen Nebenbestimmung war zulässig (Demharter, GBO, 32. Auflage, § 18 Rn. 27). In der Sache ist sie auch berechtigt, da die in Ziffer III.1. des Vertrages enthaltene Regelung, dass der Berechtigte bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt, schuldet, nicht mit dinglicher Wirkung in das Grundbuch eingetragen werden kann.
Da die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung neben der Pflicht zur Substanzerhaltung zu den Kernregelungen des Nießbrauchs zählt, kann § 1036 Abs. 2 BGB aufgrund des Typenzwangs des Sachenrechts grundsätzlich nicht vollständig mit dinglicher Wirkung abbedungen werden (KG Berlin, Beschluss vom 11. April 2006 – 1 W 609/03; Staudinger/Heinze (2017) BGB § 1036 Rn. 18; Pohlmann in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1036 Rn. 17; Reischl in BeckOK BGB, Hau/Poseck, 59. Edition Stand 01.05.2021, § 1036 Rn. 12; Servatius in BeckOGK, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Reymann, Stand: 01.11.2019, § 1036 Rn. 42).
Teile der Literatur räumen dem Nießbraucher aber bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten mit dinglicher Wirkung ein. So wird es im Hinblick auf die Subjektivität der wirtschaftlichen Zweckbestimmung für zulässig erachtet, dass die Pflichten des Nießbrauchers zumindest präzisiert oder – z.B. durch eine Begrenzung der Haftung des Nießbrauchers auf die eigenübliche Sorgfalt nach § 277 BGB – modifiziert werden können. Eine solche Abrede überschreite die für die Zulässigkeit dinglicher Änderungen maßgebliche Grenze zwischen Eigentum und Nießbrauch noch nicht dahingehend, dass der Wesenskern des Nießbrauchs berührt sei. Wie auch in der Beschwerdebegründung wird überdies das Ziel der Streitvermeidung für die dingliche Wirkung angeführt (Herrler in Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 1036 Rn. 2; Heinze a.a.O. Rn. 18; Reischl a.a.O.; Trömer, RNotZ 2016, 421, 430).
Es kann dahinstehen, ob eine Präzisierung der Pflichten des Nießbrauchers mit dinglicher Wirkung möglich ist. Jedenfalls kann einer Vereinbarung, wie hier, dass der Nießbraucher für die Erfüllung seiner Pflichten nur gemäß § 277 BGB einzustehen hat, nicht mit dinglicher Wirkung zu Gunsten und zu Lasten Dritter in das Grundbuch eingetragen werden. Der Senat schließt sich insoweit der Meinung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 14. Januar 2014 – 20 W 349/13) und des Kammergerichts Berlin (Beschluss vom 11. April 2006 – 1 W 609/03) an, dass die Haftung des Nießbrauchers auf Grund des sachenrechtlichen Typenzwangs nicht mit dinglicher Wirkung auf die eigenübliche Sorgfalt beschränkt werden kann.
Die Pflicht des Nießbrauchers zur ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung nach § 1036 Abs. 2 BGB bildet einen unverzichtbaren Bestandteil des Nießbrauchs (BayObLG, Beschluss vom 29.03.1977 – BReg. 2 Z 25/76). Die Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft geben dem Nießbraucher den Handlungsrahmen vor, an den er sich bei der Nutzung der Sache im Rahmen ihrer Zweckbestimmung zu halten hat. Die Nutzung und Bewirtschaftung des Nießbrauchers sollen so erfolgen, als wäre er der Eigentümer. Es gilt grundsätzlich ein objektiver Maßstab (Staudinger/Heinze a.a.O. Rn. 16). Dem würde aber ein Haftungsmaßstab nach § 277 BGB widersprechen, bei dem nicht der objektive, typisierte, sondern ein subjektiver, auf die persönlichen Gepflogenheiten des Betreffenden abstellender Fahrlässigkeitsmaßstab gilt (Staudinger/Caspers (2019) BGB § 277 Rn. 1).
Der Haftungsmaßstab des § 277 BGB würde daher dazu führen, dass objektiv gebotene Bewirtschaftungsmaßnahmen je nach der empirisch ermittelten, subjektiven Sorgfalt des Nießbrauchers nicht geschuldet sind, denn § 277 BGB ändert schon den Pflichtenkreis. Entscheidend sind die individuellen, persönlichen Eigenarten des jeweiligen Schuldners, einschließlich eines bei ihm üblichen „Schlendrians“, soweit er nicht schon grob fahrlässig ist (Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 277 Rn. 3; Caspers a.a.O.). Es ist mit dem sachenrechtlichen Grundsatz der Typenfixierung nicht vereinbar, den dinglichen Pflichtenumfang des Nießbrauchers von seiner – veränderlichen – persönlichen Sorgfalt abhängig zu machen. Der genaue Inhalt des dinglichen Nutzungsrechts wäre dann nur durch tatsächliche Ermittlungen feststellbar (OLG Frankfurt a.a.O. – juris Rn. 15; Pohlmann, a.a.O. § 1036 Rn. 17; Staudinger/Caspers a.a.O. Rn. 5; Grziwotz in Meikel, GBO, 12. Auflage, Einl B Rn. 551; Schöner/Stöber in Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rn. 1375).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Nießbraucher eine Reihe von Pflichten mit dinglicher Wirkung erlassen werden können, die grundsätzlich zu den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft gehören, wie die Versicherungspflicht nach § 1045 BGB und die Pflicht zur Lastentragung nach § 1047 BGB (allgemeine Meinung, siehe Servatius a.a.O. § 1045 Rn. 7 und § 1047 Rn. 5 m.w.N.). Denn der Umfang dieser Pflichten ist objektiv bestimmbar und richtet sich nicht nach den persönlichen Umständen des Nießbrauchers. Für einen Grundstückserwerber soll sich aber im Fall des Nießbrauchs wie auch bei anderen Belastungen soweit als möglich aus dem Grundbuch und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung der Inhalt des sein Eigentum beschränkenden Rechts direkt ergeben, ohne dass tatsächliche Ermittlungen erforderlich wären wie im Fall eines Haftungsmaßstabs nach § 277 BGB (OLG Frankfurt a.a.O.).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge angesichts der Beschwerdezurückweisung aus dem Gesetz ergibt, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1, 3 GNotKG, KV Nr. 14510 GNotKG (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.09.2018 – 12 Wx 40/17 -, juris Rn. 6).
Der Geschäftswert richtet sich nach §§ 36, 52 Abs. 3-5 GNotKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.