Erbrecht

Bestellung eines Richters zur Durchführung eines Schiedsverfahrens für Ansprüche aus Vermächtnis

Aktenzeichen  34 SchH 8/17

Datum:
13.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2018, 533
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 92 Abs. 1, § 1025 Abs. 1, § 1030 Abs. 1, § 1035 Abs. 4, Abs. 5, § 1043 Abs. 1 S. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 1062 Abs. 3, § 1066
GZVJu § 7

 

Leitsatz

1. Die Eingangszuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Auswahl des Obmanns steht nach § 1062 (Abs. 1 bis 3) ZPO nicht zur Disposition der Parteien (Anschluss an OLG München BeckRS 2012, 02573). (Rn. 7) (red. LS Andrea Laube)
2. Die Anordnung eines Schiedsgerichts in einer letztwilligen Verfügung ist gemäß § 1066 ZPO zulässig, wenn es sich um Ansprüche aus Vermächtnis handelt (vgl. BGH BeckRS 2017, 111015); im Bestellungsverfahren bezüglich eines Schiedsgerichts bedarf es zudem keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Schiedsklausel gültig ist und sich auf den streitigen Anspruch erstreckt. (Rn. 8) (red. LS Andrea Laube)
3. Ist das in einer Schiedsklausel geregelte Bestimmungsverfahren für die Feststellung, wer als „Dritter“ die Bestellung des Obmanns vornehmen soll (§ 1035 Abs. 4 Alt. 3 ZPO), nicht geeignet, weil das benannte Nachlassgericht nicht mehr existiert und zudem die Klausel den Funktionsträger, der die Bestellung vornehmen soll, nicht bestimmt genug bezeichnet, ist die Schiedsklausel in diesem Punkt nicht anwendbar; in diesem Fall ist jede Partei nach §§ 1066, 1035 Abs. 4 Alt. 2 ZPO befugt, bei Gericht die Bestellung des dritten Schiedsrichters zu beantragen. (Rn. 11) (red. LS Andrea Laube)
4. Erscheint es angesichts des Umstandes, dass ein Obmann von den bestellten Schiedsrichtern nicht gefunden wurde, mehr oder minder zufällig, welche Partei den notwendigen Bestellungsantrag stellt, kann eine Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 1 ZPO zu treffen sein. (Rn. 13) (red. LS Andrea Laube)

Tenor

I. Zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen Auskunftserteilung über die Erträge des Vermächtnisses von … und … … gemäß Testament vom 13. Januar 1936 nebst Nachtrag vom 8. März 1936 für die Jahre 2014 und 2015 und Zahlung von zwei Dritteln der hieraus sich ergebenden Beträge an die Antragstellerin zu 1 wird als Vorsitzender des Schiedsgerichts bestellt Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D. … …
II. Die Kosten des Bestellungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert für das Bestellungsverfahren wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Mit gemeinschaftlichem Testament vom 13. Januar 1936 mit Nachtrag vom 8. März 1936 verfügten die Erblasser, die Urgroßeltern der Antragsteller, ein Vermächtnis (Ziffer 4. des Nachtrags) wie folgt:
„Unsere Wertpapiere nämlich, RM 37.700,- Aktien der … … und … RM 11.000,- Aktien der … …/XX. RM 48.700,- i.sa. erhält die ….- … … X. als Vermächtnis mit folgenden Auflagen:
… Die Kirchenstiftung ist ermächtigt, obige Wertpapiere auch in mündelsichere Wertpapiere umzuwandeln. Die Kirchenstiftung soll 1/3 (ein Drittel) der Zinsen zur Unterstützung würdiger armer Leute des Kirchensprengels verwenden. Der Rest der anfallenden Zinsen soll zur Unterstützung armer bedürftiger Verwandter der Familie … jährlich verbraucht werden. Welche Verwandte jeweils zu unterstützen sind, hat der Inhaber der Firma … in … im Benehmen mit der Kirchenstiftung zu entscheiden. … Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet das im Testament angegebene Schiedsgericht.“
In der letztwilligen Verfügung vom 13. Januar 1936 ist in lit. D. 5) am Ende bestimmt:
Für alle Streitigkeiten irgendwelcher Art aus Anlass dieses Testaments zwischen den Beteiligten ist der Rechtsweg, soweit dies gesetzlich zulässig ist, ausgeschlossen. Für solche gilt vielmehr folgendes:
Ein Schiedsgericht entscheide den Streit endgültig, unanfechtbar. Jeder Teil ernennt einen Schiedsrichter, beide Schiedsrichter wählen einen Obmann. Nennt ein Teil nicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung einen Schiedsrichter oder einigen sich die beiden Schiedsrichter nicht auf einen Obmann, so soll das Nachlassgericht den Schiedsrichter oder Obmann wählen.“
Die Antragsteller begehren Auskunft über die Erträge für die Jahre 2014 und 2015 sowie Zahlung von 2/3 der jährlichen Erträge an die Antragstellerin zu 1 als „arme bedürftige Verwandte“ der Erblasser. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin haben je einen Schiedsrichter benannt. Diesen ist die Einigung auf die Person des dritten Schiedsrichters nicht gelungen.
II.
Dem Antrag ist durch Bestellung des dritten Schiedsrichters stattzugeben.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München folgt aus §§ 1066, 1025 Abs. 1,1043 Abs. 1 Satz 1, 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295). Dass in dem gemeinschaftlichen Testament von 1936 das „Nachlassgericht“ als das für die Auswahl des Obmanns zuständige Gericht bezeichnet ist, ist nicht maßgeblich, denn die Eingangszuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 1062 (Abs. 1 bis 3) ZPO steht nicht zur Disposition der Parteien (Senat vom 21.11.2011, 34 SchH 11/11; Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 1062 Rn. 1). Die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Oberlandesgerichts München folgt daraus, dass sich die Beteiligten auf Hof als Schiedsort geeinigt haben.
2. Die Anordnung eines Schiedsgerichts in einer letztwilligen Verfügung ist gemäß § 1066 ZPO -mit Einschränkungen (vgl. BGH vom 16.3.2017, NJW 2016, 770) – zulässig. Der aus dem Entwurf der Schiedsklage ersichtliche Streitgegenstand ist als vermögensrechtlicher Anspruch gem. § 1030 Abs. 1 ZPO schiedsfähig. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.3.2017 handelt es sich vorliegend nicht um einen der Dispositionsbefugnis des Erblassers entzogenen Pflichtteilsanspruch. Es geht bei dem Streit vielmehr um Inhalt und Auslegung der Ziff. 4 des Nachtrags zum gemeinschaftlichen Testament, mithin um Ansprüche aus Vermächtnis. Die Antragsteller behaupten, die Antragstellerin zu 1 habe hieraus einen Anspruch als „arme bedürftige Verwandte“. Im übrigen bedarf es im Bestellungsverfahren keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Schiedsklausel gültig ist und sich auf den streitigen Anspruch erstreckt.
3. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO liegen vor.
a) Nach der Schiedsklausel ist zunächst vorgesehen, dass die beiden ernannten Schiedsrichter übereinstimmend den dritten Schiedsrichter bestimmen. Dieses Vorhaben ist jedoch gescheitert, da sich die beiden ernannten Schiedsrichter nicht auf einen dritten Schiedsrichter einigen konnten.
b) Das in der Schiedsklausel geregelte Bestimmungsverfahren sieht für diese Situation vor, dass das „Nachlassgericht“ den Obmann wählen soll. Diese Formulierung ist für die Feststellung, wer als „Dritter“ die Bestellung des Obmanns vornehmen soll (§ 1035 Abs. 4 Alt. 3 ZPO), nicht geeignet. Zum einen ist fraglich, welches Nachlassgericht örtlich gemeint ist. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bestand das Amtsgericht und damit das Nachlassgericht … noch. Dieses wurde 1973 aufgelöst, existiert also nicht mehr. Zum anderen ist nicht bestimmt, welcher Funktionsträger am Nachlassgericht die Bestellung vornehmen soll. Wegen ihrer Unbestimmtheit ist die Schiedsklausel in diesem Punkt nicht anwendbar. Somit ist bereits jetzt jede Partei befugt, bei Gericht die Anordnung der erforderlichen Maßnahmen – hier die Bestellung des dritten Schiedsrichters – zu beantragen, §§ 1066, 1035 Abs. 4 Alt. 2 ZPO.
4. Gemäß §§ 1066, 1035 Abs. 4 und Abs. 5 ZPO bestellt der Senat die oben bezeichnete Person zum Schiedsrichter. Gegen diese haben die Parteien keine Einwendungen erhoben. Es handelt sich um einen mit Schiedssachen vertrauten Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht a.D., dessen Wohnort sich in räumlicher Nähe zu den Parteien befindet. Dieser hat sich mit seiner Bestellung einverstanden erklärt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 92 Abs. 1 ZPO. Angesichts des Umstandes, dass ein Obmann von den bestellten Schiedsrichtern nicht gefunden wurde, erscheint es mehr oder minder zufällig, welche Partei den notwendigen Bestellungsantrag stellt. Der Antragsgegner hat dem Ersuchen selbst auch nicht widersprochen. Dann aber wäre es unbillig, ihn wegen formalen Unterliegens einseitig mit den Kosten der Bestellung zu belasten.
Der Streitwert für das Bestellungsverfahren – ein Drittel der Hauptsache von geschätzt 3.000,00 € – wurde gemäß § 3 ZPO, § 48 GKG festgesetzt.


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