Erbrecht

Erstattungszinsen für Einkommensteuer als Teil des erbschaftsteuerlichen Erwerbs

Aktenzeichen  4 K 3189/16

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2018, 303
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 16, § 27
BGB § 1922
EStG § 36 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 24. Mai 2016 in Gestalt der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2016 wird dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer des Klägers auf 575.651,75 € herabgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 11% und der Beklagte zu 89%.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
5. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe

1.) Die fristgerecht erhobene, und auch im Übrigen zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Klage hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Berücksichtigung der für den Zeitraum bis zum Erbfalle berechneten Erstattungszinsen als Teil des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes wendet. Soweit die Klage auf Berücksichtigung der für den Verzinsungszeitraum nach dem Erbfalle erhobenen Nachzahlungszinsen als zusätzliche Nachlassverbindlichkeiten gerichtet ist, hat sie jedoch keinen Erfolg. Im Rahmen des Klageerfolges hat der Senat kompensatorisch zu prüfen, ob die durch den Beklagten im klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid für den Verzinsungszeitraum bis zum Erbfall bislang berücksichtigten Nachzahlungszinsen zu Recht als Nachlassverbindlichkeiten anerkannt worden sind.
a) Der Erbschaftsteuer unterliegt der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als solcher gilt insbesondere der Erbanfall beim Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers im Sinne des § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Mit dem Erbfalle gehen sowohl das Vermögen des Erblassers als Ganzes (§ 1922 Abs. 1, § 1942 Abs. 1 BGB) als auch dessen Verbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 1 BGB) auf den bzw. die Erben über. Der steuerpflichtige Erwerb besteht in der durch den Erwerb von Todes wegen eingetretenen Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht nach erbschaftsteuergesetzlichen Vorschriften steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Als Bereicherung im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne gilt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalles, soweit er der Besteuerung unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem wiederum nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden (Finanzgericht – FGMünchen Urteil vom 3. April 2013, 4 K 1973/10, EFG 2013, 1154). Die Erbschaftsteuer entsteht bei Erwerb aufgrund Erbanfalles mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat der Beklagte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer des Klägers die wegen der Einkünfte der Erblasserin in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2008 zu dessen Gunsten festgesetzten Erstattungszinsen in der Gesamthöhe von 375.333,25 € zu Unrecht als Teil seines erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes berücksichtigt.
aa) Der gegenständliche Umfang des erbschaftsteuerrechtlichen Vermögensanfalles bestimmt sich nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. Bundesfinanzhof – BFH –Beschluss vom 23. Januar 1991 II B 46/90, BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310 und Urteil vom 17. Februar 2010 II R 23/09, BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641). Maßgebend für die Bestimmung, welche Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des Erblassers zuzuordnen sind und als steuerpflichtiges Nachlassvermögen auf den oder die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, ist wegen der unmittelbaren erbschaftsteuergesetzlichen Bezugnahme der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf § 1922 BGB allein das Zivilrecht. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist insoweit ausgeschlossen (vgl. BFH Urteil vom 7. Dezember 2016 II R 21/14, BFHE 256, 381, BFH/NV 2017, 696 m.w.N). Zum Nachlass zählen somit dem Grunde nach sämtliche im Zeitpunkt des Erbfalles bestehende schuldrechtliche Ansprüche, sachenrechtliche Rechte und vermögensrechtliche Rechtspositionen des Erblassers, mit Ausnahme seiner höchstpersönlichen und deshalb unvererblichen Rechte. Der Wert des Vermögensanfalles entspricht beim Erbanfall an einen Alleinerben deshalb der Summe der Werte sämtlicher zum Nachlass gehörender (vererbbarer) Vermögensgegenstände (FG München Urteil vom 3. April 2013, 4 K 1973/10, EFG 2013, 1154).
bb) Steuererstattungsansprüche des Erblassers als erbschaftsteuerrechtliche Besitzposten des Erwerbers haben in § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG insoweit eine ausdrückliche Regelung erfahren, als diese nur dann zum erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb zu zählen sind, wenn sie im Zeitpunkt des Erbfalles bereits im Sinne des § 37 Abs. 2 AO entstanden waren. Dies hat auch für Zinsansprüche nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu gelten. Erstattungszinsansprüche sind deshalb nur dann Teil des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, wenn sie bereits im Erwerbszeitpunkt im abgabenrechtlichen Sinne entstanden sind.
cc) Dies ist für die hier streitgegenständlichen Erstattungszinsen wegen der Einkommensteuer der Erblasserin für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2008 in Höhe von 372.720,75 € bzw. 2.612,50 € zu verneinen. Da die Zinsvorschriften in §§ 233ff AO keine besondere Regelung über die Entstehung des Zinsanspruches enthalten, gilt hierfür der allgemeine abgabenrechtliche Grundsatz des § 38 AO, demzufolge Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 233 Rz. 8; Kögel in Beermann/Gosch AO § 233 Rdn. 43). Ebenso wie der zu einem Steuererstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO führende Tatbestand verwirklicht wird, sobald eine Steuerschuld entstanden ist, die niedriger ist als der Gesamtbetrag der geleisteten Vorauszahlungen (vgl. BFH Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639), ist der zu einem Zinsanspruch im Sinne des § 233a AO führende Tatbestand erfüllt, sobald alle den Zinsanspruch dem Grunde und der Höhe nach bestimmenden Sachverhaltsumstände verwirklicht worden sind. Tatbestandsmäßige Voraussetzung eines Anspruches auf Erstattungszinsen im Sinne des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO wegen Einkommensteuer ist ein sich in der Folge der Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerschuldners ergebender Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO). Dieser errechnet sich aus der Differenz zwischen einerseits der Summe aus den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) und den bis zum Beginn des Zinslaufes nach § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO festgesetzten Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und andererseits der zum Ablaufe des jeweiligen Veranlagungszeitraumes gemäß § 36 Abs. 1 EStG entstandenen Jahreseinkommensteuer. Der Unterschiedsbetrag wird dabei nur bis zur Höhe der tatsächlichen Steuererstattung verzinst (§ 233a Abs. 3 Satz 3 AO). Mithin wird die Höhe des Zinsanspruches erst mit der Wirksamkeit der Steuerfestsetzung bestimmbar, weil der nach den Vorschriften in § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 2a AO begonnene Zinslauf zu diesem Zeitpunkt endet (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO). Deshalb ist der Anspruch auf Erstattungszinsen im Sinne des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO dem Grunde und der Höhe nach erst mit dem vollständigen Ablauf des Verzinsungszeitraumes im abgabenrechtlichen Sinne entstanden.
Die Festsetzung der Steuer, die zu einem (an den Steuerschuldner zu erstattenden) Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 AO führt, ist daher tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruches auf die Erstattungszinsen (entschieden zur Frage der Wirksamkeit einer Anzeige der Abtretung eines Erstattungszinsanspruches gemäß § 46 Abs. 3 AO: BFH Urteil vom 14. Mai 2002 VII R 6/01, BFHE 198, 389, BStBl II 2002, 677; so auch: Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 233 Rz. 8; Kögel in Beermann/Gosch AO § 233 Rdn. 44; Rüsken in Klein AO 13. Auflage 2016, § 233a Rdn. 60). Unterbleibt – aus welchen Gründen auch immer – die Steuerfestsetzung und mit ihr der Ausweis des Unterschiedsbetrages, so gelangt auch der potentielle Zinsanspruch nicht zur Entstehung. Da im Streitfalle die die Erstattungszinsen auslösenden Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2008 sämtlich erst nach dem Erbfalle wirksam geworden sind, sind die Zinsansprüche nicht mehr in der Person der Erblasserin sondern bereits originär in der Person des Klägers als deren Gesamtrechtsnachfolger entstanden. Insoweit handelt es sich nicht um einen derivativen Erwerb des Klägers von der Erblasserin. Die Ansprüche auf Auszahlung der streitgegenständlichen Erstattungszinsen sind somit nicht Teil des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbs des Klägers geworden. Hiervon ist auszugehen, obwohl die Zinsansprüche ursächlich mit den noch von der Erblasserin in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2008 verwirklichten einkommensteuerrechtlichen Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang stehen und die Verzinsung der sich hieraus ergebenden Erstattungsansprüche nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO seitens der zuständigen Finanzbehörde zwingend zu erfolgen hatte. Aufgrund der o.g. rechtlichen Erwägungen hält der Senat die in Abschnitt R E 10.3 Abs. 4 ErbStR 2011 vom 19. Dezember 2011 (BStBl I. Sondernummer 1/2011) vertretene Rechtsansicht, der zufolge Erstattungszinsen aufgrund vor einem Erbfalle entstandener Einkommensteuern entsprechend der Steuererstattungsansprüche aus diesen Veranlagungszeiträumen behandelt werden sollen, nicht für zutreffend.
c) Hingegen ist die Klage unbegründet, soweit sie sich auf die Berücksichtigung der nach dem Tode der Erblasserin angefallenen Nachzahlungszinsen als zusätzliche Nachlassverbindlichkeiten richtet.
aa) Auch hinsichtlich der den Erwerber infolge des Erwerbsfalles treffenden und erbschaftsteuerrechtlich abzugsfähigen Verbindlichkeiten besteht ein enger Bezug des Erbschaftsteuerrechts zum Zivilrecht. Die bürgerlich-rechtliche Terminologie der Nachlassverbindlichkeit in der Vorschrift des § 1967 Abs. 2 BGB wird schließlich ausdrücklich durch § 10 Abs. 5 ErbStG aufgegriffen, wenn auch hierin und durch die Vorschriften in § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG den spezifisch erbschaftsteuerrechtlichen Anwendungsbedürfnissen angepasst. In Bezug auf die sogenannten Erblasserschulden findet sich indes eine tatbestandliche Kongruenz der Vorschriften des § 1967 Abs. 2 BGB mit der des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Erblasserschulden werden hierin gleichermaßen als „vom Erblasser herrührende Schulden“ bestimmt. Auf den Erben gehen daher nicht nur die vom Erblasser stammenden bereits voll wirksam gewordenen Verpflichtungen über, der Erbe tritt vielmehr auch in die vom Erblasser begründeten, aber im Zeitpunkt des Erbfalles noch schwebenden Rechtsbeziehungen ein. Damit genügt es für eine Haftung des Erben nach § 1967 Abs. 1 BGB, wenn der Verpflichtungsgrund in der Person des Erblassers entstanden ist, mag auch die Verpflichtung selbst erst nach seinem Tode durch Hinzukommen weiterer Umstände, beispielsweise durch den Eintritt einer Bedingung, in Kraft treten (vgl. Bundesgerichtshof –BGHUrteil vom 20. Oktober 1967 V ZR 130/64, WM 1968, 37). Mithin sind Erblasserschulden im Sinne der erbrechtlichen Haftungsregelung auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (BGH Urteil vom 7. Juni 1991 V ZR 214/89, NJW 1991, 2558). Schulden rühren also dann vom Erblasser her, wenn dieser den Rechtsgrund für ihre Entstehung noch selbst gesetzt und sie in diesem Sinne bereits in seiner Person begründet hat (vgl. BGH Urteil vom 5. Juli 2013 V ZR 81/12, NJW 2013, 3446). Diese Grundsätze gelten auch für die Bestimmung der Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Zu den erbschaftsteuerrechtlich abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne gehören daher nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalles in der Person des Erblassers bereits rechtlich entstanden sind, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die (erst) mit dem Ablauf des Todesjahres (abgabenrechtlich) entstehen (vgl. BFH Urteil vom 4. Juli 2012 II R 15/11, BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790). Bedeutung hat diese Unterscheidung vor allem für diejenigen Zahlungsverpflichtungen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), die nicht – wie im Regelfall des § 38 AO – mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes, sondern erst zu einem spezialgesetzlich geregelten späteren Zeitpunkt, wie beispielsweise zum Ablauf eines bestimmten Besteuerungszeitraumes (vgl. etwa § 36 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG-, § 13 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) entstehen, oder auch für die erst infolge der postmortalen Steuerfestsetzung entstandenen Nachzahlungszinsen.
bb) Im Ergebnis kann im Streitfall die Frage, ob die streitgegenständlichen und weitgehend erst nach dem Tode der Erblasserin entstandenen Nachzahlungszinsen in diesem ursächlichen Sinne auf die Person der Erblasserin zurückzuführen ist, jedoch aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:
Unabhängig davon, ob im Streitfall die Nachzahlungszinsen im Sinne der Vorschrift des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von der Erblasserin „herrühren“, steht dem Abzug als Nachlassverbindlichkeiten die fehlende wirtschaftliche Belastung zum Erwerbszeitpunkt entgegen. Es ist in ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung anerkannt, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten – in Abweichung vom Zivilrecht (§ 1967 Abs. 2 BGB) – voraussetzt, dass diese bereits im Todeszeitpunkt des Erblassers für diesen eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Da die Erbschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an die Bereicherung des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) anknüpft, dürfen nur solche Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd berücksichtigt werden, die noch den Erblasser tatsächlich wirtschaftlich belastet haben (vgl. etwa BFH Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 155/08, BFH/NV 2009, 1441 und Urteile vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574, vom 4. Juli 2012 II R 15/11, BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790 und vom 28. Oktober 2015 II R 46/13, BFHE 252, 448, BStBl II 2016, 477). Gerade dies ist im Hinblick auf die im Streitfall angefallenen Nachzahlungszinsen zu verneinen. Da die Entstehung der Zinsverpflichtungen – wie oben unter Buchstabe b) ausgeführt – von den jeweiligen Steuerfestsetzungen zwingend abhängig ist, die – von den Einkommensteuerbescheiden vom 25. Januar 2001 abgesehen – allesamt erst nach dem Tode der Erblasserin erfolgt sind, hat im Erwerbszeitpunkt in dieser Hinsicht noch keine wirtschaftliche Belastung bestanden. Der Beklagte hat damit zumindest im Ergebnis den Abzug der für den Verzinsungszeitraum nach dem Erbfall ermittelten Nachzahlungszinsen in Höhe von 10.677 € zu Recht abgelehnt.
d) Da die Klage insoweit Erfolg hat, als der Beklagte Erstattungszinsansprüche des Klägers in Höhe von insgesamt 375.333,25 € zu Unrecht als Teil des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes berücksichtigt hat und die Erbschaftsteuer dementsprechend überhöht festgesetzt worden ist, hat der Senat in kompensatorischer Hinsicht den gleichermaßen zu Unrecht gewährten Abzug der bis zum Erbfalle ermittelten Nachzahlungszinsen in der Gesamthöhe von 33.832,00 € zu berücksichtigen. Da die Nachzahlungszinsen – von den infolge der Einkommensteuerbescheide vom 25. Januar 2011 für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 bewirkten Zinsen abgesehen – insgesamt erst nach dem Erbfalle als wirtschaftliche Belastung entstanden sind, hätte der Beklagte auch die im Erbschaftsteuerbescheid vom 24. Mai 2016 berücksichtigten Beträge weitgehend nicht zum Abzug zulassen dürfen. Von den im klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid als Nachlassverbindlichkeiten angesetzten Nachzahlungszinsen von 33.832 € erfüllen lediglich die sich in der Folge der Einkommensteuerbescheide vom 25. Januar 2011 für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006, und damit noch zu Lebzeiten der Erblasserin ergebenden Nachzahlungszinsen von 11,- € bzw. 57,- € die Voraussetzungen für den Abzug als Nachlassverbindlichkeiten, da nur diese die Erblasserin noch wirtschaftlich belastet haben. Auch wenn die zu Unrecht anerkannten Nachzahlungszinsen in Höhe von 33.764,- € zwischen den Beteiligten nicht streitig sind, ist innerhalb des Streitwertrahmens die Berichtigung dieser fehlerhaften Rechtsanwendung angezeigt. Soweit Abschnitt R E 10.8 Abs. 5 ErbStR 2011 vom 19. Dezember 2011 ebenfalls eine abweichende Sachbehandlung vorsieht, hält der erkennende Senat diese für unzutreffend.
2.) Die Erbschaftsteuer des Klägers ist nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen wie folgt zu berechnen:

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
4.) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1, Abs. 3 FGO in Verbindung mit der sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.
5.) Die Revision zum Bundesfinanzhof ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) im Hinblick auf die vom erkennenden Senat für rechtswidrig gehaltenen Regelungen in Abschnitt R E 10.3 Abs. 4 sowie in Abschnitt R E 10.8 Abs. 5 ErbStR 2011 vom 19. Dezember 2011 (BStBl I. Sondernummer 1) zuzulassen.


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