Erbrecht

Erteilung eines Erbscheins

Aktenzeichen  60 VI 8033/15

Datum:
17.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152942
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 81

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag der Beteiligten zu 1) vom 15.12.2016 auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige befreite Vorerbin und die Beteiligten zu 2)-4) als Nacherben ausweist, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Auf den Beschluss vom 21.07.2016 (Bl. 69/74) wird vollumfänglich Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1) hat nunmehr die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als befreite Vorerbin und die Beteiligten zu 2)-4) als Nacherben ausweist. Sie ist der Ansicht, die Befreiung ergebe sich daraus, dass der Erblasser ihr sein gesamtes Vermögen zugewandt, ihre finanzielle Absicherung bezweckt und ihr uneingeschränkten Zugriff auf alle seine Konten eingeräumt habe. Da zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung die Nacherben noch minderjährig gewesen seien, sei von einem Willen des Erblassers zur Befreiung der Vorerbin auszugehen, um eine Pflegerbestellung für die Nacherben zu vermeiden.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, dass sich eine Befreiung der Vorerbin aus dem Testament auch andeutungsweise nicht entnehmen lasse. Das Testament enthalte die ausdrückliche Anweisung, die Beteiligte zu 1) solle das Vermögen für die Beteiligten zu 2)-4) verwalten. Ein Zugriff auch auf die Substanz des Vermögens sei damit nicht eingeräumt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.
II.
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) war zurückzuweisen, weil sie zwar alleinige Vorerbin, nicht aber befreite Vorerbin ist.
Das Testament enthält keine ausdrückliche Aussage zur Befreiung der Vorerbin. Eine Befreiung muss jedoch nicht ausdrücklich angeordnet sein, sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, sofern das Testament eine entsprechende Andeutung enthält.
An einer solchen Andeutung fehlt es hier. In der Einsetzung der Beteiligten zu 1) als Erbin des gesamten Vermögens des Erblassers ist eine Befreiung nicht enthalten, auch der alleinige nicht befreite Vorerbe wird Erbe des gesamten Vermögens.
Auch die Erteilung einer „Vollmacht über alle Konten“ stellt keine Befreiung von den gesetzlichen Beschränkungen eines Vorerben dar. Sie eröffnet lediglich eine Handlungsmöglichkeit gegenüber den Banken, besagt aber nichts über die Frage, ob die Beteiligte zu 1) damit auch die Substanz des Geldvermögens zu Lasten der Nacherben verbrauchen darf.
Auch aus der testamentarischen Anordnung, Herr V… solle sich um die Auflösung und Abwicklung so kümmern, dass der Beteiligten zu 1) kein Schaden entstehe, lässt sich eine Befreiung der Beteiligten zu 1) nicht entnehmen. Dass hierdurch eine über die Regelstellung des Vorerben hinausgehende Privilegierung bezweckt werden soll, ist nicht ersichtlich, es ist selbstverständlich, dass eine Nachlassabwicklung so durchgeführt werden soll, dass dem Erben kein Schaden entsteht, gleichgültig ob er Vollerbe oder befreiter oder nicht befreiter Vorerbe ist.
Dagegen ergibt sich aus der Anordnung, dass die Beteiligte zu 1) das Vermögen des Erblassers für seine namentlich benannten Kinder verwalten solle, dass sie verpflichtet sein soll, das Vermögen für die Kinder zu erhalten, und zwar für alle drei Kinder gleichmäßig, nicht nur für die Beteiligte zu 4). Eine Bevorzugung hinsichtlich des Lebensunterhalts für die Beteiligten zu 1) und 4) ist damit gerade nicht verbunden.
Schließlich lässt sich auch aus der Minderjährigkeit der Beteiligten zu 2) und 4) im Zeitpunkt der Testamentserrichtung – der Beteilgte zu 3) war bereits volljährig – eine Befreiung zur Vermeidung einer Pflegerbestellung nicht entnehmen. Hinsichtlich der Beteiligten zu 2) wäre dies schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil die Beteiligte zu 1) nicht deren gesetzliche Vertreterin war, ein Interessenkonflikt zwischen Vor- und Nacherbin insoweit bei der Beteiligten zu 1) gar nicht entstehen konnte.
Insgesamt ist das Gericht daher davon überzeugt, dass die Beteiligte zu 1) zwar alleinige Vorerbin geworden, aber nicht von den gesetzlichen Beschränkungen eines Vorerben befreit worden ist. Der Erbscheinsantrag in der gestellten Fassung war daher zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 81 FamFG ist nicht veranlasst.


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