Erbrecht

Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage

Aktenzeichen  4 K 2385/13

Datum:
6.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 125989
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
GrEStG § 6 Abs. 3, § 8 Abs. 1
BGB § 311b Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

II.
1. Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat das FA im Streitfall die Steuer gem. § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung i.H.v. gesamt 181.450 € und nicht gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG nach den Werten i.S.d. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen.
a) Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Gem. § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 3. Alt. GrEStG wird die Steuer, über Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge gemäß den Alt. 1 und 2 der Vorschrift hinaus, auch bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage nach dem Wert i.S.d. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen. Während bei einer Einbringung nur solche Vorgänge gemeint sein können, bei denen eine Gesellschaft von einem ihrer Gesellschafter ein Grundstück erwirbt, erfasst der Begriff „Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage“ auch Erwerbsvorgänge eines Gesellschafters von einer Gesellschaft, an der er beteiligt ist. Allein die Beteiligung dieser Personen (Gesellschaft/Gesellschafter) an einem Erwerbsvorgang führt aber als solche noch nicht zur Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG, weil Grundstücksgeschäfte zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht von vornherein das Gesellschaftsverhältnis betreffen. Erforderlich ist vielmehr, dass durch den Erwerbsvorgang die gesellschaftsvertragliche Grundlage berührt wird. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn sich im Zuge des Grundstücksgeschäfts die Beteiligungsverhältnisse des beteiligten Gesellschafters der Höhe nach verändern. Ein derartiger Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage liegt deshalb u.a. vor, wenn ein Gesellschafter im Rahmen der Auseinandersetzung (§ 730 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-) ein der Gesellschaft gehörendes Grundstück übertragen bekommt und damit der Erwerber statt seines Anteils am Liquidationserlös das Grundstück erhält (vgl. hierzu Boruttau, GrEStG, 17. Auflage, § 8 Rz. 73 ff, 76).
Gem. § 311b BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Die Verpflichtung, Gesellschaftsanteile zu übertragen oder zu erwerben, ist formfrei, auch wenn das Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus Grundbesitz besteht; denn der Grundstückserwerb ist nicht Vertragsgegenstand, sondern lediglich Rechtsfolge des Anteilserwerbs. Im Fall der bewussten Gesetzesumgehung ist § 311b Abs. 1 BGB jedoch anwendbar (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 31. Januar 1983 II ZR 288/81, BGHZ 86, 367; WM 1983, 358).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen bemisst sich die Grunderwerbsteuer im Streitfall nach § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der vom Kläger erbrachten Gegenleistung i.H.v. 181.450 €, denn der Erwerb des Anspruchs auf Übereignung eines Miteigentumsanteils von 90,23/1000 am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 4 durch den Kläger, beruht nicht auf einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 3 GrEStG.
aa) Mit Abschluss des notariell beurkundeten Änderungsvertrages vom 3. August 2010 hat der Kläger einen Anspruch auf Übereignung eines Miteigentumsanteils von 90,23/1000 am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 4 erworben. Der Erwerb dieses Anspruchs durch den Kläger unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Es handelt sich um ein anderes Rechtsgeschäft i.S. dieser Vorschrift.
bb) Der Abschluss des privatschriftlichen Anteilsübernahmevertrags vom 4. Februar 2010 stellt hingegen keinen grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerbsvorgang dar. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Anteilsübernahmevertrag hier ausnahmsweise gem. § 311b BGB der notariellen Beurkundung bedurft hat oder nicht, denn die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Erwerbsvorgänge gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 1 Abs. 3 GrEStG sind im Streitfall nicht erfüllt. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt voraus, dass dem Erwerber aus dem Verpflichtungsgeschäft ein unmittelbarer Anspruch auf Grundstücksübereignung zusteht. Im Streitfall ergibt sich der Anspruch auf Übereignung des o.g. Miteigentumsanteils aber nicht unmittelbar aus dem Anteilskauf, der Übereignungsanspruch ist vielmehr nur eine mittelbare Folge dessen (vgl. hierzu Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Auflage, § 1 Rz. 127). Da die B-GbR nicht Eigentümerin des Miteigentumsanteils von 89,81/1000 am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 4 war – sie war nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen -, ist auch der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht erfüllt. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für einen Erwerb nach § 1 Abs. 3 GrEStG hier nicht vor, denn die Anteile an der B-GbR gehen mit Abschluss des Anteilskaufvertrages nicht, wie von § 1 Abs. 3 GrEStG gefordert, in die Hand des Klägers über, sondern infolge der Anwachsung unter.
cc) Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist im Streitfall der Wert der Gegenleistung gem. § 8 Abs. 1 GrEStG und nicht der nach den Werten i.S.d. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessene Grundbesitzwert gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Grund hierfür ist, dass der Abschluss des notariell beurkundeten Änderungsvertrages vom 3. August 2010, mit dem der Anspruch des Klägers auf Übereignung eines Miteigentumsanteils von 90,23/1000 am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 4 begründet worden ist, keinen „Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage“ darstellt.
Zwar stellt der Erwerb des Anspruchs auf Übertragung eines Miteigentumsanteils von 92,61/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 6 durch den Kläger mit Auseinandersetzungsvertrag vom 29. Januar 2010 einen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage dar, weil der Kläger diesen Anspruch im Rahmen der Auseinandersetzung der A-GbR statt seines Anteils am Liquidationserlös erhalten hat. Der Anspruch auf Übereignung des Miteigentumsanteils von 90,23/1000 am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 4 hat jedoch nicht dem Kläger, sondern der X GmbH und der Y GmbH als Gesellschafter im Rahmen der Auseinandersetzung der A-GbR statt ihres Anteils am Liquidationserlös zugestanden. Diese haben den Übereignungsanspruch mit notarieller Urkunde vom 29. Januar 2010 auf die ihnen gehörende B-GbR übertragen.
Auch hat der Kläger mit Abschluss des Anteilskaufvertrages vom 4. Februar 2010 – dessen Formwirksamkeit unterstellt – nur 1000/1000 Anteile an der B-GbR, jedoch keine weiteren Gesellschaftsanteile an der A-GbR erworben. Grund hierfür ist, dass die B-GbR ihrerseits keine Gesellschafterin der A-GbR gewesen ist. Denn mit Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages vom 29. Januar 2010 hat die B-GbR keinen Gesellschaftsanteil von 89,81/1000 an der A-GbR, sondern lediglich einen Anspruch auf Erwerb eines Miteigentumsanteils am Grundstück von 89,81/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung Nr. 4 erworben.
dd) Folgerichtig ergibt sich die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage – entsprechend der Sachbehandlung durch das FA in der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2013 – aus der seitens des Klägers erbrachten Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG) in Höhe der Gesamtaufwendungen des Klägers für den Erwerb der Anteile an der B-GbR und die Baukosten von insgesamt 181.450 € (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 13. September 1995 II R 80/92, BStBl II 1995, 903), aus denen sich die festgesetzte Grunderwerbsteuer von 6.350 € ergibt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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