Erbrecht

Geltendmachung eines Anspruchs aus testamentarischem Vermächtnis

Aktenzeichen  3 O 3962/1

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52098
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 2169 Abs. 4, § 2174
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 291

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 105,26 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2019 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
IV.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung durch den Kläger in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt bis zum 24.09.2020 auf € 1,2 Mio., ab dem 24.09.2020 auf € 2,5 Mio.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich, mit Ausnahme des zuzusprechenden Bargeldbetrages, als unbegründet.
I. Wirksamkeit der Immobilienübertragung mit Vertrag vom 12.07.2017; kein Vermächtnisanspruch
Gemäß § 2174 BGB wird durch das Vermächtnis für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten, also vorliegend den Beklagten, die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern.
Vorliegend besteht der Anspruch auf Übertragung der begehrten Immobilien in der …strasse in … nicht, da die Erblasserin sich zu deren Veräußerung verpflichtet hatte (§ 2169 Abs. 4 BGB). Die Immobilien waren daher nicht mehr als zum Nachlass gehörend anzusehen. Dies bezieht sich auch auf einen verkauften und nur noch nicht übergebenen Gegenstand, da er der Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes nicht mehr wirtschaftlich gehört hatte (vgl. Palandt, BGB, § 2169, Rdzi. 8).
1. Das Gericht geht nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die Erblasserin selbst ihre Unterschrift in kognitiver Erfassung der Handlung bewusst unter dem Text der Weisung vom 12.07.2017 (B1) setzte. Es hat sich insbesondere nicht um eine Blankounterschrift gehandelt. Die Unterschrift stammte von der Erblasserin, die offenkundig ihre Handlungen so wollte.
Für Formunwirksamkeiten oder Fälschungen ist derjenige beweispflichtig, der sich darauf beruft. Die Klageseite hat hier schon nach Verfahrensständen unterschiedlich vorgetragen. So führt sie im Schriftsatz vom 21.03.2019 (Bl. 13 d.A.) aus, es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Erblasserin am 12.07.20217 außerstande gewesen sei, ihren (rechtsgeschäftlichen) Willen zu äußern. Im späteren Verlauf des Rechtsstreits führte sie mit Schriftsatz vom 11.06.2019 (Bl. 49 d.A.) aus, am 12.07.2017 habe die Erblasserin den Inhalt des Dokuments kognitiv nicht mehr erfassen können, diese sei bereits so schwer erkrankt gewesen, dass mit ihrem zeitnahen Versterben jederzeit habe gerechnet werden müssen.
Das Gericht hat hierzu den Zeugen … gehört. Der Zeuge … führte aus, er sei bei der Unterschriftssituation selbst nicht anwesend gewesen. Er könne sich nicht vorstellen, dass seine verstorbene Frau, die Erblasserin, Blankounterschriften erteilt hätte. Der Zeuge … gab an, die Unterschrift seiner verstorbenen Frau habe jeweils anders ausgeschaut.
Im Übrigen kam die Sachverständige Dipl.-Psychologin … in ihrer gutachterlichen Stellungnahme nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die fragliche Unterschrift mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Erblasserin selbst gefertigt worden war. Die Sachverständige hatte hierbei 18 Vergleichsunterschriften zur Verfügung und erkannte in der späteren Folge eine deutliche Beeinträchtigung der Schreibfertigkeit. Dies erklärt wiederum die Schwankungen im Unterschriftsbild der Erblasserin, wie sie in verschiedenen Dokumenten, so vom 10.07.2017 zur Zustimmung einer Darlehensaufnahme durch die … GmbH & Co. Verwaltungs KG, der weiteren Schenkung an die Enkelin … (B2) sowie das weitere, den hiesigen Streitgegenstand betreffende Dokument vom 12.07.2017 (B1) betreffen. Unterschriftenschwankungen sind hierbei in der letzten Lebensphase, zumal im Rahmen einer Parkinsonerkrankung, nicht außergewöhnlich. Daher geht das Gericht von der Echtheit der Unterschrift aus.
Hinsichtlich der Situation einer behaupteten Blankounterschrift bzw. der kognitiven Fähigkeiten der Erblasserin kommt dem Klagevortrag keine überwiegende Glaubwürdigkeit zu. Die Klagepartei selbst behauptet hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten situativ Unterschiedliches. Selbst ein naher Tod würde für sich genommen noch nicht bedeuten, dass krankheitsbedingt die Erblasserin nicht erfasst haben sollte, was sie unterschrieben hat. Vorliegend waren im Übrigen zwischen der Errichtung der privatschriftlichen Urkunde vom 12.07.2017 und dem Todeseintritt am 25.08.2017 sechs Wochen. Dies ist kein ganz kurzer Zeitraum. Im Übrigen hat die Erblasserin offensichtlich ab Ende 2016 noch Überweisungen getätigt, am Geschäftsleben teilgenommen und diverse Unterschriften geleistet. Dies ergibt sich aus zur Begutachtung der Sachverständigen … beigefügten eingeholten Überweisungsträgern und weiteren Urkunden. Weiter hat sich der Hausarzt, der die Erblasserin ab dem 01.08.2017 nach Unterschriftsleistung behandelte, notiert, dass die Patientin „im Kopf vollkommen klar ist“. Der Hausarzt erklärt im Übrigen die Veränderung der Unterschrift durch Morbus Parkinson (Stellungnahme vom 11.05.2020 an die Gutachterin …). Hierzu liefert die Klageseite keine weiteren Anknüpfungstatsachen, die auf eine Situation substantiiert hindeuten würde, dass die Erblasserin am 12.07.2017 nicht orientiert gewesen sei.
Das Gericht geht damit davon aus, dass in tatsächlicher Hinsicht die Unterschrift von der Erblasserin unter ein von ihr erfasstes Dokument selbst gesetzt wurde.
2. Die Übertragung des Grundbesitzes auf die Enkelin ist formwirksam erfolgt, sie war insbesondere von der notariellen Vollmacht (K6) vom 17.12.2012 getragen, wobei die Erblasserin selbst im Rahmen dieser Vollmacht eine formfrei mögliche schriftliche Weisung erteilt hat.
Die sogenannte „Vorsorgevollmacht“ vom 17.12.2012 umfasste insbesondere das Recht, über Vermögensgegenstände jeder Art, insbesondere über Grundstücke, zu verfügen (Ziffer 2 b). Eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ist erteilt (Ziffer 6). Die Vollmacht selbst ist nach notarieller Belehrung umfassend, wobei Beschränkungen hinsichtlich der Vorsorge, für den Fall, dass die Erblasserin künftig aufgrund einer psychischen Erkrankung oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen nicht mehr in der Lage sein sollte, ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, nur an den Bevollmächtigten gerichtet ist. Im Außenverhältnis ist die Vollmacht uneingeschränkt, wobei eine notarielle Belehrung darüber erfolgt ist, dass der Bevollmächtigte die Erblasserin wirksam vertreten konnte, sobald er eine Ausfertigung dieses Dokuments in der Hand hält, auch wenn der Vorsorgefall noch nicht eingetreten ist. Diese Vollmacht lag ausweislich des notariellen Vertrages vom 12.07.2017 (K7) zur Schenkung und Auflassung des streitgegenständlichen Grundstücks vor.
Dem gegenüber ist eine Einzelweisung, wie das Schriftstück vom 12.07.2017, im Rahmen dieser Vollmacht formfrei möglich. Nach § 182 Abs. 2 BGB bedarf die Zustimmung, also Einwilligung und Genehmigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Sie ist grundsätzlich formfrei und bedarf nicht der für das Hauptgeschäft bestimmten Form. Formfrei sind daher Zustimmungen zur Auflassung oder zu einem gemäß § 311 b Abs. 1 BGB formbedürftigen Vertrag, wobei die Zustimmung auch dann formfrei ist, wenn eine Vollmacht formbedürftig wäre (vgl. Palandt, a.a.O., § 182, Rdzi. 2).
Das Grundstücksgeschäft war gemäß § 311 b Abs. 1 BGB formbedürftig; auch die Vollmacht zu diesem formbedürftigen Geschäft war formbedürftig. Die Form der Vollmacht ist jedoch durch die notarielle Vorsorgevollmacht gewahrt. Bei dem Schreiben vom 12.07.2017 handelt es sich lediglich um eine formfreie Einzelweisung. Weisung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Auftraggebers, durch die er im Rahmen des Auftragsverhältnisses einseitig einzelne Pflichten des Beauftragten bei Ausführung des Auftrags für diesen bindend konkretisiert (vgl. Palandt, a.a.O., § 665, Rdzi. 2). Diese Einzelweisung war jedoch gemäß § 182 Abs. 2 BGB formfrei.
3. Im Übrigen begründet die testamentarische Vermächtnisanordnung kein Verschaffungsvermächtnis im Sinne von § 2170 BGB. Ein Verschaffungsvermächtnis ist auf einen Gegenstand gerichtet, der nicht zum Nachlass gehört, wobei der Beschwerte dann den Gegenstand anzuschaffen hat oder gegebenenfalls Wertersatz leisten muss. Es kommt damit darauf an, ob die Erblasserin den nicht mehr zur Erbschaft gehörenden Gegenstand, also die Immobilie, an den Vermächtnisnehmer auch für den Fall der Nichtzugehörigkeit zum Nachlass zuwenden wollte (vgl. Palandt, a.a.O., § 2169, Rdzi. 2). Vorliegend hatte die Erblasserin aber ausdrücklich in ihrem Schreiben vom 12.07.2017 verfügt, dass das vorgesehene Vermächtnis über dieses Grundstück ersatzlos entfällt. Damit ist insoweit der Erblasserwille klar. Der Gegenstand ist damit nicht mehr Nachlassgegenstand (§ 2169 Abs. 4 BGB).
II. Bargeld
Nach durchgeführter Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass die Erblasserin den aus dem Vermächtnis berechtigten Kläger das aufgefundene Bargeld in Scheinen und Münzen zu 1/19 vermachen wollte. Ziel einer Testamentsauslegung ist es, den wirklichen und realen Willen des Erblassers zu erforschen. Die Testamentsauslegung soll klären, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte, wobei stets auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen ist (Palandt, a.a.O., § 2084, Rdzi. 1 ff).
Hierzu konnte der als Zeuge vernommene Notar Dr. … Angaben machen. Dieser äußerte, er erinnere sich an den Testiervorgang, er sei am 24.03.2015 herausgefahren. Es sei sehr selten, dass außerhalb des Gerichtsbezirks ein Testament aufgenommen werde. Aus seiner Sicht habe es keinen Anlass gegeben, den Begriff „Bargeld“ zwischen der Erblasserin und ihm zu erörtern. Der Begriff des „Bargeldes“ habe sich bereits im vorigen Testament vom 16.10.2013 befunden. Der Zeuge gab seine Interpretation dahingehend an, dass die Erblasserin einer Generation angehörte, die Geld durchaus noch zuhause aufbewahrte. Vor diesem Hintergrund gab der Zeuge an, dass er meine, dass physisches Geld, was zuhause vorhanden war, gemeint war. Die Erblasserin sei im Übrigen schwach, aber orientiert gewesen, der Beurkundungsvorgang habe mindestens 60 Minuten, eher 90 Minuten, gedauert. Die Erblasserin habe gewusst, was sie tat.
Innerhalb der Testamentsurkunde fällt auf, dass die Erblasserin durchaus kleinräumige Verfügungen traf, darunter Losverfahren über Verteilung des Schmucks, den Verbleib von Möbeln und das Testament auch Leerstellen (Ziffern 8, 9) enthält. Auch spricht das Testament von „vorhandenes Bargeld“. Unter „vorhanden“ ist regelmäßig ein physischer Zustand gemeint, die körperliche Anwesenheit. Dies ist regelmäßig bei Münzen und Scheinen gegeben, nicht bei depotoder bankgelagerten weiteren Vermögenswerten. Systematisch wird im Testament die Aufteilung des Bargeldes unter Ziffer 12 vorgenommen. Die vorhergehenden Ziffern befassen sich in Immobilien, also größeren Wertgegenständen, die Ziffer 11 mit Vermächtnissen von jeweils 20.000,00 €. Dies spricht weiter dafür, dass die Erblasserin physisch vorhandenes Bargeld meinte, nicht ihre erheblichen auf Konten und Depots befindlichen Vermögenswerte.
Es blieb im Verlauf des Rechtsstreits unbestritten, dass die Bargeldsumme aufgerundet 2.000,00 € betrug. Der 19. Betrag zu Gunsten des Klägers beträgt daher 105,26 €.
Insoweit legt das Gericht den Antrag im Rahmen der Auskunftsstufenklage dahingehend aus, dass bereits jetzt die Zahlung zugesprochen werden konnte. Die aufgefundene Geldsumme war im Folgenden nicht bestritten und die Auskunft damit erteilt. Für den Fall der Voraussetzungen einer abzugebenden eidesstattlichen Versicherung ist weiter nichts vorgetragen.
III. Nebenforderungen
Der Zinsausspruch beruht auf § 291 ZPO.
IV. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Obsiegen des Klägers war marginal.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben