Erbrecht

Keine Urnenumbettung bei Umzug der Angehörigen

Aktenzeichen  W 2 K 16.752

Datum:
29.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17241
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
Friedhofs- und Bestattungssatzung der Stadt Würzburg vom 24. November 2010
ZPO § 114 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ergeht eine Friedhofs- und Bestattungssatzung als öffentlich-rechtliche Regelung, bedarf sie zu ihrer Geltung nicht der Anerkennung durch die Benutzer. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es widerspricht regelmäßig dem Schutz der Totenruhe und den gesellschaftlichen Wertvorstellungen im Umzug eines Angehörigen einen wichtigen Grund für die Umbettung einer Urne zu sehen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er die Zustimmung der Beklagten zur Umbettung der Urne mit der Totenasche seiner am … verstorbenen Mutter erreichen will.
Einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen, wird gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt, wenn die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.
Auch unter Berücksichtigung des spezifischen prozesskostenhilferechtlichen Erfolgsmaßstabs (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 18.10.2017 – 2 BvR 1352/17 – juris) hat die Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO.
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Mit Blick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten dürfen die Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten nicht überspannt werden, vor allem ist es unzulässig, schwierige Rechtsfragen, die in einer vertretbaren Weise auch anders beantwortet werden können, bereits in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu erörtern und damit den Zugang zu den Gerichten zu versagen (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 1 BvR 1526/02 – juris). Gleiches gilt, wenn der vom Kläger eingenommene Standpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung offensteht (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 166 Rn. 26).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die zulässige Klage ist unter Zugrundelegung einer summarischen Prüfung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zustimmung der Beklagten zur Urnenumbettung. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2016, ergänzt durch Schriftsatz vom 28. April 2016, erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung der Beklagten vom 24. November 2010 bedürfen Umbettungen von Leichen und Aschen der vorherigen Zustimmung der Beklagten. Die Zustimmung kann gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erteilt werden. Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 sollen in den ersten fünf Jahren nach einer Bestattung keine Umbettungen durchgeführt werden; Ausnahmen kann die Beklagte gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4 zulassen, wenn ein öffentliches Interesse besteht oder die Umbettung zumutbar ist.
Diese satzungsrechtlichen Voraussetzungen, an deren Rechtmäßigkeit keine Bedenken bestehen, sind hier nicht erfüllt.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt es keine Rolle, ob der Kläger die Geltung der Friedhofs- und Bestattungssatzung bei Beantragung der Bestattung – wie er es hinsichtlich der Friedhofs- und Bestattungsgebührensatzung der Beklagten auf dem Antragsformular getan hat (was im Übrigen ebenfalls nicht erforderlich gewesen wäre) – „anerkannt“ hat.
Die Satzung gilt kraft Gesetzes.
Die Beklagte hat als Friedhofsträgerin gem. § 8 Abs. 2 Bestattungsgesetz (BestG) in der Fassung vom 24. September 1970 (BayRS III S. 452), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. August 2016 (GVBl. S. 246), die Benutzung des Waldfriedhofs, der gem. § 8 Abs. 1 BestG eine öffentliche Einrichtung der Beklagten darstellt, durch die streitgegenständliche Friedhofs- und Bestattungssatzung – einer Benutzungssatzung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 335) – öffentlich-rechtlich geregelt. Die Beklagte tritt dem Benutzer bei der Verwaltung des Friedhofs daher nicht vertraglich, sondern hoheitlich gegenüber.
Im Übrigen könnte der Kläger die begehrte Urnenumbettung selbst bei Fehlen entsprechender Satzungsregelungen nicht verlangen. Denn einer solchen Umbettung steht das Gebot der Totenruhe entgegen.
2. Die unantastbare Würde des Menschen gem. Art. 1 Abs. 1 GG wirkt über dessen Tod hinaus und gebietet neben einer würdigen Bestattung den Schutz der Totenruhe. Dieser Schutz hat höchsten Verfassungsrang und ist strafbewehrt (§ 168 StGB). Er entspricht zudem allgemeinem Sittlichkeit- und Pietätsempfinden. Gerät der Schutz der Totenruhe in Konflikt mit dem Recht der Angehörigen der/des Verstorbenen auf Totenfürsorge, so genießt er regelmäßig Vorrang. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche daher nur aus ganz besonderen Gründen verlangt werden kann (OVG NRW, U.v. 29.4.2008 – 19 A 2896/07 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 6.7.2012 – 8 LA 111/11 – juris; OVG Bautzen, U.v. 5.6.2014 – 3 A 585/13 – juris). Das gilt auch für die Umbettung von Urnen (BayVGH, U.v. 27.7.2005 – 4 ZB 04.2986 – juris).
Anerkannt sind dabei drei Fallgruppen: Erstens, wenn der/die Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich sein/ihr Einverständnis mit der Umbettung erklärt hat, zweitens, wenn aus Tatsachen mit hinreichender Sicherheit auf einen entsprechenden mutmaßlichen Willen gefolgert werden kann, und drittens, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung schutzwürdig ist und seine Gründe so gewichtig sind, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten muss (OVG NRW, U.v. 29.4.2008 – 19 A 2896/07 – juris).
Vorliegend ist keine dieser drei Fallgruppen einschlägig.
Ein ausdrückliches Einverständnis mit einer Umbettung wurde seitens der verstorbenen Mutter des Klägers unstrittig nicht erklärt. Auch ein mutmaßliches Einverständnis der Verstorbenen mit einer Umbettung ihrer sterblichen Überreste im Falle eines Umzugs ihres Sohnes lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellten. Insbesondere lässt sich dies nicht aus dem Hinweis im Testament der Verstorbenen „Nach meinem Tod sorgt K… mit R… für alles. K… hat meine Vollmacht“ entnehmen. Ungeachtet der Tatsache, dass bislang keine Zustimmung der Schwester des Klägers R… zu der vom Kläger beabsichtigen Urnenumbettung vorliegt, lassen die derzeit herrschenden sittlichen gesellschaftlichen Wertvorstellungen über die Totenruhe, nach denen es nicht üblich ist, Urnen im Falle eines Umzugs der nächsten Angehörigen an deren neuen Wohnort umzubetten, sondern vielmehr auch bei Urnenbeisetzungen der Grundsatz der einmaligen Bestattung gilt, nicht die Annahme zu, dass die im Testament von der Verstorbenen verwendete Wortwahl „alles“ auch eine Urnenumbettung im Falle eines Umzugs des Klägers beinhaltet.
Schließlich begründet auch der (beabsichtigte) Umzug des Klägers in die Schweiz keinen derart gewichtigen Grund, dass die Achtung der Totenruhe dahinter zurücktreten müsste. Zwar ist der Wunsch des Klägers, das Urnengrab seiner Mutter auch nach seinem Umzug weiterhin in der gewünschten Weise besuchen und pflegen zu können, sittlich gewichtig und nachvollziehbar, er kann sich jedoch gegenüber dem Schutz der Totenruhe nicht durchsetzen. Nach gefestigter Rechtsprechung stellt ein Umzug aufgrund veränderter Lebensumstände für sich genommen regelmäßig keinen wichtigen Grund für eine Umbettung dar. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Erd- oder Feuerbestattung handelt (BayVGH, U.v. 27.7.2005 – 4 ZB 04.2986 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 19.9.2017 – 14 K 4013/16 – juris; VG Ansbach, U.v. 3.8.2016 – AN 4 K 16.00882 – juris; VG Minden, U.v. 21.9.2015 – 11 K 103/15 – juris; VG Berlin, U.v. 2.11.2010 – 21 K 294.10 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 15.11.2005 – 11 K 1007/05 – juris). Andernfalls würde der gebotene Schutz der Totenruhe weitgehend leerlaufen. Denn es geschieht in der heutigen Zeit nicht selten, dass Angehörige von Verstorbenen aus unterschiedlichsten Gründen – etwa aufgrund altersbedingter Gesundheitsverschlechterungen, dem Eingehen einer neuen Beziehung oder infolge beruflich geforderter Flexibilität – ihren Wohnsitz wechseln. Würde dem Verlangen auf Umbettung allein wegen des Umzugs entsprochen, liefe dies dem Ausnahmecharakter der Umbettung zuwider und das Schicksal der sterblichen Überreste unterläge letztlich der Disposition der totenfürsorgeberechtigten Angehörigen.
Nach alle dem war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen, ohne dass es noch darauf ankam, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen.


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