Erbrecht

Kostenentscheidung im Erbscheinverfahren bei Unterdrückung eines Testaments durch einen Beteiligten

Aktenzeichen  31 Wx 123/19 Kost

Datum:
13.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ErbR – 2021, 155
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 81

 

Leitsatz

Eine rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichts oder des Nachlassgerichts, nach welcher ein Beteiligter des Erbscheinverfahrens ein Testament unterdrückt hat, ist bei der Kostenentscheidung im Erbscheinverfahren im Rahmen des § 81 Abs. 2 FamFG zu berücksichtigen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

VI 3274/17 — AGROSENHEIM AG Rosenheim

Gründe

I. 
Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage hält der Senat an seiner in der Verfügung vom 26.2.2019 geäußerter Auffassung in Bezug auf die hier noch zu erfolgende Überprüfung der Kostenentscheidung des Nachlassgerichts in seinem Beschluss vom 29.8.2018 nicht mehr fest.
1. Insoweit war der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass das Nachlassgericht von seinem Ermessen im Rahmen des § 81 FamFG Gebrauch gemacht hat und die Entscheidung ermessensfehlerfrei zustande gekommen ist.
2. Daran hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung der von dem Nachlassgericht seiner Entscheidung zugrunde legten Erwägungen nicht mehr fest.
a) Das Nachlassgericht hat das Absehen einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin wie folgt begründet:
„Anlass zur Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht nicht. Das Gericht sieht keinen Grund für eine Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Ein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG liegt jedenfalls nicht nachweisbar vor; dies gilt vor allem für § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG. Es ist auch nicht Aufgabe des Nachlassgerichts, bei Anhaltspunkten für strafbares Verhalten Beteiligter Strafanzeigen zu erstatten oder Ermittlungsverfahren anzustoßen, um herauszufinden, ob eine Ermessensausübung hinsichtlich der Überbürdung außergerichtlicher Kosten veranlasst sein könnte. Für die vorliegend getroffene Entscheidung zur Hauptsache (Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses) spielt die mögliche Strafbarkeit der Beteiligten keine Rolle.“
b) Die in den Gründen erfolgten Ausführungen und Formulierungen („Das Gericht sieht keinen Grund für eine Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG“ … „um herauszufinden, ob eine Ermessensausübung hinsichtlich der Überbürdung außergerichtlicher Kosten veranlasst sein könnte“) legen den Schluss nahe, dass das Nachlassgericht davon abgesehen hat, überhaupt eine Ermessensprüfung in Bezug auf eine Anordnung der außergerichtlichen Kosten durchzuführen. Auch hat das Nachlassgericht in seine Erwägungen nicht miteinbezogen, dass der Antrag des Beteiligten zu 2 erfolglos geblieben ist. Insofern liegen Ermessensdefizite vor, die jedenfalls deswegen die Möglichkeit einer eigenen Kostenentscheidung in Bezug auf das Nachlassverfahren durch den Senat eröffnen. Im Übrigen liegen nunmehr im Nachgang zu der Entscheidung des Nachlassgerichts auch neue Erkenntnisse in Bezug auf den Vortrag der Beteiligten zu 1 vor (vgl. Urteile der Strafgerichte, Entscheidung des Nachlassgerichts), den diese bereits frühzeitig gegen die von dem Beteiligten zu 2 behauptete Erbfolge angebracht hat (s.u.) und die von dem Nachlassgericht ausdrücklich nicht mit berücksichtigt wurden. Insoweit erweist sich die Entscheidungsgrundlage für die von dem Nachlassgericht getroffene Kostenentscheidung nicht als umfassend und abschließend.
c) Demgemäß sind auch weiterer Sachvortrag und im Anschluss an die Entscheidung des Nachlassgerichts neu zu Tage getretene Erkenntnisse und Entwicklungen in Bezug auf die Entscheidung betreffend die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 im Nachlassverfahren zu berücksichtigen. Insofern ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Vortrag der Beschwerdeführerin vom 27.9.2017, die Erblasserin habe ein Testament im Jahre 2013 errichtet, nach den Entscheidungen der Strafgerichte als auch durch das Nachlassgericht selbst betreffend den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 als zutreffend erwiesen hat, und diese zu Ergebnis gekommen sind, dass der Beteiligten zu 2 dieses Testament unterdrückt hat. Diese Entscheidungen sind rechtskräftig und sind deswegen im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung mitzuberücksichtigen (vgl. dazu Gierl in: Burandt/Rojahn 3. Auflage § 352e FamFG Rn. 142). Etwaige noch ausstehende 31 Wx 123/19 Kost – Seite 3 – Entscheidungen kroatischer Gerichte sind insofern ohne Belang, da jedenfalls der von dem Beteiligten zu 2 erstrebte Erbschein, der Gegenstand des hier inmitten stehenden Nachlassverfahren ist, nach den Entscheidungen der Strafgerichte bzw. des Nachlassgerichts von vornherein nicht zu erteilen gewesen wäre.
3. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat bei vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage für geboten, dem Beteiligten zu 2 auch in dem von ihm veranlassten Erbscheinserteilungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 aufzuerlegen.
II.
Ausgehend von dem festgesetzten Geschäftswert i.H.v. 263.205,10 € errechnet sich der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Kostenentscheidung iHv 2928,90 € + 20 € + 19% UST = 2948,90 + 560,29= 3509,19 €.
III.
Frist zur Stellungnahme: 20.12.2020
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 16.11.2020.


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