Aktenzeichen 3 W 44/22
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts … – Grundbuchamt – vom 2. Februar 2022 abgeändert. Das Grundbuchamt wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer Einsicht – durch Übersendung einer unbeglaubigten Abschrift (nur Bestandsverzeichnis und erste Abteilung) – in das Grundbuch von … Blatt … zu gewähren.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist Journalist und begehrt Auskunft über einen Eigentümereintrag im Grundbuch. Er legt dar, bei dem Grundstück handele sich um das Gelände des früheren „…“- Marktes. Er recherchiere seit längerem zu der Zerschlagung der „…“- Marktkette „…“ mit Blick auf den Standort … und das Umland. Seine Zeitung habe ausführlich über die Schließung einiger „…“- Märkte nach dem Verkauf an einen Investor berichtet und wolle nun erneut über die Pläne berichten, was aus dem Gelände in … werden solle. Die Zerschlagung sei ein Vorgang von bundesweitem Interesse und großer politischer Bedeutung. Die Auswirkungen auf die jeweiligen Standorte seien erheblich, nachdem Arbeitsplätze sowie die infrastrukturelle und städtebauliche Entwicklung betroffen seien.
Die beim Grundbuchamt tätige Urkundsbeamtin des Grundbuchamtes hat die Grundbucheinsicht abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Hinweis des Antragstellers auf Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen und die Pressefreiheit nicht geeignet sei, ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 12 GBO zu begründen. Das Recht des Eigentümers auf informationelle Selbstbestimmung überwiege. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt begründete die Zurückweisung der Erinnerung damit, dass das grundsätzliche Interesse der Bevölkerung an der Zukunft eines ehemaligen „…“- Markt-Geländes zwar anzunehmen sei, jedoch nicht über die reine Neugierbefriedigung hinausgehen dürfte. Zudem sei der Presse zumutbar, zunächst über einen anderen Weg die Kontaktaufnahme mit dem Eigentümer zu suchen, etwa über einen Aufruf in der Zeitung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Sie macht geltend, das Informationsinteresse gehe über das Interesse an der reinen Neugierbefriedigung hinaus und bestehe hinsichtlich der Zukunft des betroffenen Grundstücks und der wirtschaftlichen sowie sozialen Fragestellungen, die mit der Zerschlagung der „…“- Märkte einhergingen. Die Presse dürfe selbst entscheiden, welche Themen sie für die Öffentlichkeit als wesentlich erachte. Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Eigentümers sei nicht zu befürchten, da dieser um die öffentliche Dimension seines Objekts wisse und müsse das Interesse der Öffentlichkeit an der Zukunft des Grundstücks hinnehmen.
Der Rechtspfleger hat nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Senat legt sie dahin aus, dass der Beschwerdeführer wie ursprünglich beantragt weiterhin (nur) Auskunft über den Eigentümer des Grundbesitzes begehrt und entgegen der Formulierung in der Beschwerde nicht Einsicht in den gesamten Grundbuchauszug begehrt.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 S. 2 GBO); sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie nicht fristgebunden ist. § 63 FamFG findet auf die Grundbuchbeschwerde nach § 71 GBO nämlich keine Anwendung (BeckOK GBO/Kramer, 46. Ed. 1.6.2022, GBO § 71 Rn. 10).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Grundbuchamtes dahin, dass dem Antragsteller der im Grundbuch verzeichnete Eigentümereintrag – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – mitgeteilt wird.
Das Grundbuchamt geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet ist, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht des Grundbuchs ist dabei gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlegt, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch in einem bloß tatsächlichen, etwa einem wirtschaftlichen Interesse bestehen kann (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 – V ZB 98/19 –, Rn. 9, juris). Allerdings können – über diesen dem allgemeinen Rechtsverkehr mit Grundstücken dienenden Regelungszweck hinaus – ausnahmsweise auch öffentliche Interessen ein Recht auf Grundbucheinsicht begründen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch ein schutzwürdiges Interesse der Presse daran, von den für ein bestimmtes Grundstück vorgenommenen Eintragungen Kenntnis zu erlangen, das nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO für die Gestattung der Grundbucheinsicht erforderliche berechtigte Interesse zu begründen vermag (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 – V ZB 98/19 –, Rn. 10 – 11, juris unter Hinweis auf BVerfG, NJW 2001, 503, 504 und BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – V ZB 47/11, NJW-RR 2011, 1651 Rn. 6).
Das in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Grundrecht auf Pressefreiheit vermittelt ein solches Recht auf Einsicht dann, wenn zum einen ein Informationsbeschaffungsinteresse dargelegt wird, und zum anderen das ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht der im Grundbuch Eingetragenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) nicht entgegensteht (OLG Dresden, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 17 W 117/21 –, Rn. 9, juris). Ersteres verlangt, dass der Antragsteller sein Rechercheinteresse in tatsächlicher Sicht hinreichend konkret ausführt. Das Informationsanliegen ist unter Darstellung des konkreten Bezugs zum jeweiligen Grundstück zu erläutern. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt muss sich ergeben, dass die beantragte Grundbucheinsicht auf die Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen abzielt und daher als Teil der publizistischen Vorbereitungstätigkeit dem Schutzbereich der Pressefreiheit zuzuordnen ist. Demgegenüber sind keine Erläuterungen zur Bewertung des Informationsinteresses zu verlangen. Einer solchen nämlich hat sich das Gericht wegen des Gebots staatlicher Inhaltsneutralität zu enthalten. Die Presse muss vielmehr nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht (OLG Dresden, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 17 W 117/21 –, Rn. 12, juris).
Sein Informationsanliegen hat der Beschwerdeführer hier hinreichend dargestellt, indem er dargelegt hat, zur zukünftigen Nutzung des vormals als „…“- Marktes genutzten Grundstücks berichten zu wollen, da dies beispielsweise in Bezug auf Arbeitsplätze, infrastrukturelle und städtebauliche Entwicklung von öffentlichem Interesse sei. Hierzu ist die Auskunft des Eigentümers erforderlich. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes dienen die vom Eigentümer erhofften Auskünfte nicht nur der bloßen Neugierbefriedigung, sondern der Frage der sozialen und infrastrukturellen Folgen der Art der Grundstücksnutzung.
Dafür, dass der Antragsteller sich auf anderem Weg unter geringerer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes von eingetragenen Personen ebenso zuverlässig Auskunft über die rechtlichen Verhältnisse am Grundbesitz verschaffen könnte, gibt es keine Anhaltspunkte. Gerade das Grundbuch ist dazu prädestiniert, das Grundeigentum und die an diesem bestehenden Rechte zu registrieren (OLG München, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 34 Wx 387/16 –, Rn. 21, juris). Dass ein Aufruf nach dem Eigentümer in der Zeitung ebenso erfolgversprechend wäre, wie das Grundbuchamt meint, ist nicht anzunehmen.
Das ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht des im Grundbuch Eingetragenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) steht der Auskunftserteilung hier nicht entgegen. Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Eigentümers ist allenfalls gering, da die Auskunftserteilung des Grundbuchamtes lediglich die Kontaktaufnahme der Presse zu ihm ermöglicht. Eine solche Kontaktaufnahme verpflichtet jedenfalls nicht zur Beantwortung der Fragen.
Einer vorherigen Anhörung des Eigentümers bedurfte es nicht. Seine Interessen fanden im Rahmen der vorgenommenen Abwägung in abstrakt-genereller Weise Berücksichtigung (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 17 W 117/21 –, Rn. 17 m.w.N., juris).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, vgl. § 25 Abs. 1 GNotKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.