Aktenzeichen 1 O 1310/18
BGB § 874 S. 1, § 885 Abs. 1 S. 1,§ 892, § 1018
Leitsatz
1. Die in § 874 BGB vorgesehene Bezugnahme auf den Inhalt der Eintragungsbewilligung soll eine Überfüllung des Grundbuchs vermeiden (a. a. O., § 874, Rn. 1). (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gesetzliche Fassung gibt vor, dass der Anspruchsberechtigte sich aus dem Eintragungsvermerk selbst ergeben muss, eine Bezugnahme insoweit unzulässig ist (BayObLG MittBayNot 1975, 93/94; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 1511). Unzulässige Bezugnahmen wirken nicht als Eintrag (BGH NJW 2007, 3777/3778; Palandt/Bassenge BGB 75. Aufl. § 874 Rn. 3; § 885 Rn. 15). (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine unzulässige Bezugnahme ist auch nicht zur Auslegung des Eintragungsvermerks oder zur Bestimmung der Person des Berechtigten verwertbar (BGH ZfIR 1997, 734; BGHZ 123, 297/301). (Rn. 56) (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf € 300.000,00 festgesetzt (§ 3 ZPO; Grundstückswert bei 1300 m2 am Starnberger-See-Ostufer geschätzt auf rund € 1.500.000,00; Wert.-Beeinträchtigung durch Bewuchs geschätzt mit 20%).
Gründe
Die zulässige (der Antrag ist im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt: es soll der gesamte Bewuchs auf dem Grundstück der beklagten Partei zurückgeschnitten werden, der die Höhe von 4 m überschreitet) Klage ist unbegründet.
I.
Denn ein Anspruch der Klagepartei insoweit besteht nicht.
1. Zwar muss man den (zum Teil sprachlich schwer bis nicht verständlichen) Vortrag der Klagepartei dahin deuten, dass ihrer Ansicht nach zugunsten ihres herrschenden Grundstücks FlNr. 15xx/21 und zulasten des Grundstück FlNr. 15xx/17 der beklagten Partei eine Grunddienstbarkeit (Bepflanzungsbeschränkung) besteht / bestanden hat, die den Anspruch auf Rückschnitt grundsätzlich gerechtfertigt hätte (Grundbuchauszug, K 1, 2. Abt., Nr. 3; K 2, XII.).
2. Die Grunddienstbarkeit ist auch nicht durch die Teilung des Grundstücks FlNr. 15xx in diverse weitere Grundstücke FlNrn. 15xx/… erloschen. Sie besteht an den neuen Flurstücken 1523/… fort (so ausdrücklich: § 1025 S. 1, 1. HS. BGB).
3. Die beklagte Partei hat ihr Grundstück FlNr. 1523/.. jedoch gutgläubig lastenfrei hinsichtlich der Bepflanzungsbeschränkung erworben (§ 892 I 1, II BGB).
a) Die beklagte Partei hat ihr Grundstück FlNr. 1523/xx nach Auflassung und Eintragung im Grundbuch am 19.08.2010 erworben (§ 873 I BGB).
b) Im Grundbuch war zulasten des Grundstücks FlNr. 1523/xx der beklagten Partei lediglich eine Grunddienstbarkeit (Bepflanzungsbeschränkung) zugunsten des Grundstücks FlNr. 1523, nicht aber zugunsten des Grundstück FlNr. 1523/21 eingetragen (maßgeblicher Zeitpunkt gemäß § 892 II BGB: der Eintragungseintrag, zwischen 21.05. und 19.08.2010).
c) Eine Bösgläubigkeit des Erwerbers, der beklagten Partei, ist nicht feststellbar (die Beweislast trägt die Klagepartei, Palandt, a. a. O., § 892, Rn. 26).
Sie hat das Grundbuch – zumindest den Grundbuch-Auszug – beim Notar eingesehen.
Ihr ist zudem bekannt gewesen, dass sie seit 2001 (B 2) selbst Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1523 ist.
Im Übrigen wird auf die von der beklagten Partei zitierte Rechtsprechung verwiesen.
BGH, Urteil vom 23.09.1993, V ZB 27/92:
LS 2 “Wenn der aus einer Grunddienstbarkeit Berechtigte durch die Angabe der Parzellennummer des herrschenden Grundstücks im Grundbuch eindeutig bezeichnet ist, kommt eine abweichende Auslegung an der Eintragungsbewilligung und der tatsächlichen Verhältnisse nicht in Betracht.“
Rn. 11 “Zu Recht hält das vorlegende Gericht für unbeachtlich, daß die Eintragung auf die Eintragungsbewilligung Bezug nimmt und daß diese sich mit der Einigung deckt. Die Bezugnahme ist nach § 874 BGB nur zur näheren Bezeichnung des Rechtsinhalts zulässig. Daher muß die Person des Berechtigten aus dem Grundbuch selbst ersichtlich sein (RGZ 89, 152, 159; Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl., § 874 Rdn. 2; Staudinger/Ertl, aaO, § 873 Rdn. 164).
Zwar mag die Eintragungsbewilligung zur Auslegung einer bloß ungenauen oder sonstwie unklaren Bezeichnung herangezogen werden können (a.M. BayObLGZ 1984, 239, 243), so daß dann das Grundbuchamt von Amts wegen die Eintragung entsprechend klarzustellen hätte (KGJ 27 A 244, 248).
Ist jedoch der Berechtigte im Grundbuch eindeutig bezeichnet, so ist für eine Auslegung kein Raum (RG, LZ 1928, 891 und DNotZ 1932, 721, 722). Dies verkennt das Oberlandesgericht Düsseldorf in dem Beschluss vom 26. Mai 1987 (Rpfleger 1987, 496). Denn gerade weil der Berechtigte aus der Eintragung unmittelbar hervorgehen muß, besteht jedenfalls bei unzweideutiger Verlautbarung kein Anlaß für den Rechtsverkehr, anhand der Eintragungsbewilligung zu prüfen, ob die Eintragung damit übereinstimmt. Von Bedeutung ist auch nicht, daß Berechtigter einer Grunddienstbarkeit nicht ein namentlich bestimmter, sondern der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist (§ 1018 BGB), und daß deswegen der Berechtigte durch Bezeichnung dieses Grundstücks eingetragen wird. Denn wenn dies, wie hier, in eindeutiger Form geschehen ist, so ist der Berechtigte der Grunddienstbarkeit unzweideutig bezeichnet.“
OLG München, Beschluss vom 30.09.2016, 34 Wx 303/16, § 885 I 1 BGB ist inhaltsgleich mit § 874 S. 1 BGB:
III.
1. a) Die Eintragung einer Vormerkung nach § 883 Abs. 1 BGB erfolgt (u. a.) aufgrund der Bewilligung desjenigen, dessen Grundstück von der Vormerkung betroffen ist (§ 885 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei der Eintragung kann zur näheren Bezeichnung des zu sichernden Anspruchs auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden (§ 885 Abs. 2 BGB). Die gesetzliche Fassung gibt vor, dass der Anspruchsberechtigte sich aus dem Eintragungsvermerk selbst ergeben muss, eine Bezugnahme insoweit unzulässig ist (BayObLG MittBayNot 1975, 93/94; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 1511). Unzulässige Bezugnahmen wirken nicht als Eintrag (BGH NJW 2007, 3777/3778; Palandt/Bassenge BGB 75. Aufl. § 874 Rn. 3; § 885 Rn. 15). Eine unzulässige Bezugnahme ist auch nicht zur Auslegung des Eintragungsvermerks oder zur Bestimmung der Person des Berechtigten verwertbar (BGH ZfIR 1997, 734; BGHZ 123, 297/301).
b) Berechtigt laut dem also allein maßgeblichen Eintragungsvermerk ist der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks. Dies ist insoweit bestimmt und eindeutig, als sich der Eigentümer unmittelbar aus dem Grundbuch und dessen Eintragung in der ersten Abteilung entnehmen lässt.“
BayObLG, Beschluss vom 12.12.1986, BReg. 2 Z 125/86:
Rn. 18:
“II. 3. d) (1) Die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung konnte sich gemäß § 874 BGB nicht auf den Belastungsgegenstand erstrecken, sondern nur auf die nähere Bezeichnung des Inhalts des Rechts. Im Bezug auf das belastete Grundstück weist damit der Grundbucheintrag trotz der im Übrigen platzgreifenden Bezugnahme keinen rechtserheblichen Widerspruch auf, der Widerspruch zwischen Grundbucheintragung und Eintragungsbewilligung hinsichtlich des belasteten Grundstücks steht somit einem gutgläubigem Erwerb nicht entgegen.“
II.
Kosten: § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.