Erbrecht

Streit um Ausgleichsanspruch

Aktenzeichen  22 O 1870/18

Datum:
11.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56055
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BBodSchG § 24 Abs. 2
ZPO § 62

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Eine notwendige Streitgenossenschaft aufgrund derer nur alle „Verpflichteten“ i.S.d. § 24 II BBodSchG gemeinsam verklagt werden können und eine Klage anderenfalls unzulässig ist, liegt nicht vor. Von daher kann dahinstehen, ob auch die Fa. … die Tankstelle nutzte und daher als Verursacher zum Kreis der „Verpflichteten“ gehört.
Nur bei notwendiger Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen (§ 621 Alt. 2 ZPO) ist stets eine gemeinschaftliche Klage notwendig. Bei notwendiger Streitgenossenschaft aus prozessualen Gründen ist dagegen auch ein nacheinander der Prozesse denkbar (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, Rn. 1 zu § 62). Eine notwendige Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen auf der Beklagtenseite ist nur gegeben, wenn wie bei einer Gesamthandschuldklage mehrere nur gemeinsam über ein Recht verfügen können (vgl. MüKo, Rn. 11 zu § 62 ZPO). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Jeder einzelne „Verpflichtete“ ist allein Schuldner. Das Erfordernis einer gemeinschaftlichen Klage besteht lediglich bei einer lediglich gemeinschaftlich vorhandenen materiellrechtlichen Verfügungsbefugnis, nicht aber, weil es anderenfalls unter Umständen zu widersprechenden Entscheidungen kommen kann (vgl. in diesem Sinne BGH IV ZR 135/08, ZEV 2010, 468).
2. Dass weder die Klägerin noch die Beklagten von der zuständigen Umweltbehörde verpflichtet wurden, steht dem Ausgleichsanspruch nach § 24 II BBodSchG nicht entgegen, denn der Ausgleichsanspruch der Verpflichteten untereinander besteht gem. § 24 II 1 BBodSchG unabhängig von einer tatsächlichen Heranziehung, allein aus der Tatsache ihrer grundsätzlichen Sanierungsverpflichtung als Verursacher, dessen Gesamtrechtsnachfolger, Grundstückseigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt i.S.d. § 4 III BBodSchG (vgl. Frenz, Kommentar zum BBodSchG Rn. 15 zu § 24).
Auch der Verjährungseinwand greift nicht, da der Verursacher der Bodenkontamination erst im Jahr 2015 bekannt wurde (§ 24 II 4 BBodSchG) und die dreijährige Verjährungsfrist rechtzeitig durch die Klage vom 21.12.2018 unterbrochen wurde, weil diese alsbald am 17.1.2019 zugestellt wurde.
3. Die Klage ist deshalb nicht begründet, weil es sich bei den Beklagten nicht um „Verpflichtete“ i.S.d. § 24 II 1 BBodSchG handelt.
Gem. § 4 III 1 BBodSchG sind zu Sanierung nur verpflichtet der Verursacher, dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Die Beklagten sind weder Verursacher der Kontamination, noch Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt hinsichtlich dem verseuchten Grundstück. Sie sind aber nach Ansicht des Gerichts auch nicht Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers … sondern als Erben lediglich Gesamtrechtsnachfolger von dessen Gesamtrechtsnachfolgerin ….
Durch die obergerichtliche Rechtsprechung bislang nicht geklärt ist die Frage, ob nach der ersten auch weitere Erbengenerationen gem. § 4 III 1 BBodSchG als „Verpflichtete“ zu einer Sanierung herangezogen werden können. Das VG Augsburg hat dies entgegen dem VGH Mannheim (Urteil vom 18.12.2012, 10 S 744/12) und dem OVG Lüneburg (Urteil vom 31.05.2016, 7 LB 59/15) in einem obiter dictum bejaht (Urteil vom 18.09.2018 Au 3 K 16.1089).
Die Kammer hält die Argumente überzeugender die gegen die Zulassung einer sukzessiven Gesamtrechtsnachfolge bei § 4 III 1 BBodSchG sprechen. In § 4 III 1 BBodSchG ist nur die Rede vom Gesamtrechtsnachfolger, nicht vom Gesamtrechtsnachfolger des Gesamtrechtsnachfolgers oder einer sukzessiven Gesamtrechtsnachfolge. Zwar sollte durch die Aufnahme des Gesamtrechtsnachfolgers in den Kreis der Verpflichteten nach § 4 III BBodSchG das Verursacherprinzip gestärkt werden und auch bei der gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge geht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ohne weiteres von einer sukzessiven Gesamtrechtsnachfolge aus, aber nach allgemeiner Auffassung ist der Begriff des Gesamtrechtsnachfolgers zivilrechtlich geprägt und beantwortet sich die Frage wann ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt unter Rückgriff auf das Zivilrecht, welches keine sukzessive Gesamtrechtsnachfolge kennt. Damit ist nur der unmittelbare Erbe Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Auch Sinn und Zweck des § 4 III BBodScHG erfordern nicht zwingend eine zeitlich unbegrenzte Haftung weiterer Erbengenerationen, zumal sich die Erbfolge unter natürlichen Personen in wesentlichen Punkten von der gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet. Im Unterschied zur gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge tritt die Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall kraft Gesetzes ein und die Möglichkeit zur Ausschlagung ist zeitlich eng begrenzt. Schließlich ist der innere Grund für die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers, das gefahrenabwehrrechtliche Verursacherprinzip, bei der Erbfolge nicht ohne weiteres tragfähig, da die Erben gerade nicht Verursacher sind, sondern ihnen ein Verhalten des Verursachers zugerechnet wird. Eine derartige Fortschreibung der Zurechnung über mehr als die erste Erbengeneration und entgegen dem Wortlaut des § 4 III BBodSchG unter Zugrundelegung des allgemein anerkannten zivilrechtlichen Verständnisses der Gesamtrechtsnachfolge erscheint der Kammer auch aus Gründen der Rechtssicherheit für die betroffenen Erben nicht gerechtfertigt. Die Verantwortlichkeit würde ansonsten endlos fortgeschrieben, was verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Schließlich greift auch die Intention des Gesetzgebers, es den verantwortlichen Unternehmen durch die Sanierungspflichtigkeit der Gesamtrechtsnachfolger zu erschweren, sich der Verantwortung für Altlasten durch das Herbeiführen einer Gesamtrechtsnachfolge zu Lasten der Allgemeinheit zu entziehen, bei einer Gesamtrechtsnachfolge, die durch den Tod einer natürlichen Person eintritt, naturgemäß nicht ein. Anders als im Handels- und Gesellschaftsrecht passt auch der Gedanke der freiwilligen Risikoübernahme nicht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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