Erbrecht

Verkehrswert eines bebauten Grundstücks – Geschäftswertfestsetzung

Aktenzeichen  34 Wx 413/18 Kost

Datum:
12.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZNotP – 2020, 138
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 8
GNotKG § 42 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 59

 

Leitsatz

1. Der Geschäftswert für den Vollzug der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum im Grundbuch bestimmt sich gemäß § 42 Abs. 1, § 59 Satz 1 GNotKG nach dem Wert des bebauten Grundstücks zum Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags, wobei der nach § 46 GNotKG zu ermittelnde Verkehrswert des gesamten Grundstücks maßgeblich ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die Wertermittlung sind nicht die Herstellungskosten, sondern die zu erzielenden Kaufpreise. Bei einem Bauträger kann von der Realisierbarkeit der Kaufpreise ausgegangen werden.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf – Grundbuchamt – vom 16. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit notarieller Urkunde vom 11.7.2017 (Teilungserklärung) teilte die Beteiligte zu 1, damals Alleineigentümerin von zwei Grundstücken mit einer Größe von insgesamt 1.482 qm, das Eigentum am Grundbesitz nach § 8 WEG in der Weise auf, dass Sondereigentum an 16 Wohnungen samt Abstellräumen im Keller sowie 19 Tiefgaragenstellplätzen und zwei Garagenstellplätzen entstand. Auf ihren Antrag vom 31.7.2017 wurde nach Zuschreibung des einen Grundstücks als Bestandteile des anderen die Teilung am 24.10.2017 im Grundbuch vollzogen.
Die Grundstücke waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bebaut. Die Beteiligte zu 1 beabsichtigte ausweislich ihrer Angaben in der Teilungserklärung (Ziff. I. 2.), auf dem Grundbesitz „ein Gebäude mit insgesamt 16 Wohnungen, 2 Garagenstellplätzen, 19 Stellplätzen in einer Tiefgarage und 3 Stellplätzen im Freien“ zu errichten. Im Eintragungszeitpunkt lagen der Aufteilungsplan sowie die Abgeschlossenheitsbescheinigung vor.
Die Gebühr für die Eintragung der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum gemäß Nr. 14112 KV GNotKG setzte der Kostenbeamte am 24.10 2017 auf der Basis des vom Urkundsnotar mitgeteilten Wertes auf 3.150.000,00 € an. Der Beteiligte zu 2 – Bezirksrevisor – beanstandete am 11.9.2018 anlässlich einer Kostenprüfung den Geschäftswert als zu niedrig. Gemäß § 42 Abs. 1 GNotKG sei bei der Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum der Geschäftswert nach dem Wert des bebauten Grundstücks zu berechnen; dieser werde nach § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Verkehrswert bestimmt. Zwischenzeitlich seien 13 Wohnungen sowie 16 Stellplätze zum Preis von insgesamt 3.305.400,00 € veräußert worden. Für den Gesamtwert sei für die noch nicht veräußerten Einheiten ein Sicherheitsabschlag von 10% vorzunehmen.
Gegen die nun auf einem Geschäftswert von 3.935.310,00 € abstellende Nacherhebung des Kostenbeamten gemäß Kostenrechnung vom 18.9.2018 wandte sich die Beteiligte zu 1 mit als „Erinnerung“ bezeichnetem Schreiben vom 4.10.2018.
Mit Schreiben vom 11.10.2018 beantragte der Beteiligte zu 2 den Geschäftswert auf 3.935.310,00 € festzusetzen. Da zu der am 1.8.2017 beim Grundbuchamt eingegangenen Teilungserklärung unter anderem Kaufverträge aus August und September 2017 vorgelegt worden seien, lasse sich der Wert aus diesen ableiten. Daraufhin setzte das Grundbuchamt mit Beschluss vom 16.10.2018 den Geschäftswert wie beantragt fest, mit der Begründung, dass der tatsächliche Verkehrswert, den die Immobilien auf dem freien Markt erbringen würden, zugrundezulegen sei. Der Wert ergebe sich aus der Addition der zu erzielenden Verkaufspreise.
Gegen den am 18.10.2018 zugestellten Beschluss legte die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 12.11.2018 Beschwerde ein. Die Festsetzung des Geschäftswerts durch Addition der Verkaufspreise entspreche nicht den Vorgaben des § 42 Abs. 1 GNotKG. Bei unbebauten Grundstücken sei dem Grundstückswert der Wert des zu errichtenden Gebäudes, der sich nur an des zu erwartenden Herstellungskosten orientieren könne, hinzuzurechnen.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Die nach §§ 79, 83 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5, § 81 Abs. 3 und 5 Sätze 1 und 4 GNotKG, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässige Beschwerde der Kostenschuldnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Geschäftswert für den Vollzug der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum im Grundbuch bestimmt sich gemäß § 42 Abs. 1, § 59 Satz 1 GNotKG nach dem Wert des bebauten Grundstücks zum Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags, wobei der nach § 46 GNotKG zu ermittelnde Verkehrswert des gesamten Grundstücks maßgeblich ist (Senat vom 26.6.2015, 34 Wx 182/15 = BeckRS 2015, 12789; OLG Zweibrücken FGPrax 20034, 51; Korintenberg/Sikora GNotKG 20. Aufl. § 42 Rn. 19). § 42 Abs. 1 Satz 2 GNotKG regelt den maßgeblichen Bezugswert, wenn zum Bewertungsstichtag das Grundstück, welches den Gegenstand der Teilung bildet, noch nicht bebaut ist. Für diesen Fall ist der Wert des noch zu errichtenden Bauwerks zum Grundstückswert zu addieren.
2. Im Ausgangspunkt ist für die gemäß § 42 GNotKG vorzunehmende Bewertung auf die Legaldefinition gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG abzustellen, wonach der Verkehrswert einer Sache durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Das sind, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, nicht die Herstellungskosten für die Immobilien, sondern die zu erlösenden Kaufpreise. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Verkehrswert des bebauten Grundstücks aus den Kaufpreisen hochgerechnet werden, welche beim Abverkauf der einzelnen, nach Aufteilung durch den Bauträger gebildeten Wohneinheiten, erzielt wurden (BayObLG NJW-RR 1997, 1224). Besteht bei einem unbebauten Grundstück eine Veräußerungsabsicht kann die Summe der einzelnen Kaufpreise der Wohnungen herangezogen werden, sofern gesicherte Anhaltspunkte für die Erzielbarkeit dieser Kaufpreise vorliegen. Bei einem Bauträger, der – wie hier – die Einheiten in unmittelbarem Zusammenhang zur Aufteilung verkauft, kann von deren Realisierbarkeit ausgegangen werden (Korintenberg/Sikora § 42 Rn. 23; Fackelmann ZNotP 2015, 357/359 [Anm. zu Senat vom 26.6.2015 BeckRS 2015]).
3. Die vom Grundbuchamt zur Ermittlung des Geschäftswerts einbezogenen Preise der bereits verkauften Wohn- und Teileigentumseinheiten hat die Beteiligte zu 1 nicht beanstandet. Soweit bei den noch nicht verkauften Einheiten ein Abschlag von 10% vorgenommen wurde, trägt dies den Unwägbarkeiten des weiteren Verkaufs Rechnung und ist nicht zu beanstanden.
Mit der Festsetzung hat es deshalb sein Bewenden.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 83 Abs. 3 GNotKG).
Sprickmann Kerkerinck Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 15.04.2019.


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