Erbrecht

„Wieder“- Erteilung einer geerbten waffenrechtlichen Besitzerlaubnis für Schusswaffen

Aktenzeichen  21 ZB 16.69

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3079
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 4, § 8
GG Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) an einer Waffe stellt kein besonders anzuerkennendes persönliches oder wirtschaftliches Interesse gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 8 WaffG dar.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gesetzgeber des Waffenrechts hat in Anbetracht der Gefährlichkeit von Schusswaffen strikt am Bedürfnisprinzip als zentralem Element des deutschen Waffenrechts festgehalten und somit in zulässiger Weise im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Eigentumsbegriff „ausgeformt“. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 15.1722 2015-11-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die „Wieder“- Erteilung einer waffenrechtlichen Besitzerlaubnis für Schusswaffen, die er von seinem im Jahr 1991 verstorbenen Vater geerbt hat.
Am 2. Juli 1991 wurden dem Kläger zwei Waffenbesitzkarten für die im Wege der Erbfolge erworbenen zwölf Schusswaffen erteilt. Zudem war der Kläger im Besitz von Waffenbesitzkarten als Sportschütze. Mit Bescheid vom 18. November 2010 wurden die Waffenbesitzkarten wegen Unzuverlässigkeit des Klägers aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung widerrufen. Der Kläger übergab daraufhin die Erbwaffen an Berechtigte, die für den Kläger im Zeitraum seiner mangelnden Zuverlässigkeit den Besitz ausüben sollten, und blieb weiterhin Eigentümer der Erbwaffen.
Am 12. Januar 2015 wurden dem Kläger zur Ausübung des Schießsports zwei Waffenbesitzkarten erteilt. Am 22. Februar 2015 stellte er im Hinblick auf die geerbten Schusswaffen einen „Antrag über Schusswaffenerwerb im Wege der Erbfolge“ und beantragte die Eintragung der geerbten Waffen in seine Waffenbesitzkarte. Mit Bescheid vom 1. April 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2015 abgewiesen. Das Erbenprivileg des § 20 WaffG sei nicht erneut anzuwenden, wenn danach ausgestellte Waffenbesitzkarten widerrufen werden und dadurch das Recht des Erben untergegangen sei, die tatsächliche Gewalt über die von Todes wegen erworbenen Schusswaffen auszuüben. Der Verzicht auf den Nachweis eines waffenrechtlichen Bedürfnisses trage nur der besonderen Rechts- und Interessenlage des Erben unmittelbar nach dem Erbfall Rechnung. Bei der Rückgabe von an Berechtigte übergebene Waffen erwerbe der Kläger nicht infolge Erbfalls, sondern es handele sich um einen neuen Erwerbsfall, bei dem die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WaffG erfüllt sein müssten. Ein Bedürfnis für den Waffenbesitz ergebe sich auch nicht aus der allgemeinen Vorschrift des § 8 WaffG, ein besonders anerkennenswertes Interesse gebe dem Kläger weder seine Eigentümerstellung, noch sein Affektionsinteresse.
Hiergegen hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das vom Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, die Berufung zuzulassen.
1.1 Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Der Kläger meint, es liege bis heute keine obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob bestehendes Eigentum, sofern alle anderen waffenrechtlichen Besitzvoraussetzungen gegeben seien, ggf. ein Bedürfnis im Sinne des § 8 WaffG begründen könne. Die Frage der Anerkennung des bestehenden Eigentums als Bedürfnis im Sinne des § 8 WaffG betreffe auch eine Vielzahl von Erwerbern von Todes wegen, die aufgrund von Vorkommnissen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zeitweise verloren hätten und nach Wiedererlangung der Zuverlässigkeit wieder in den Besitz der Erbwaffen gelangen wollen.
Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es keines Berufungsverfahrens. Sie ist ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen:
Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG voraus, dass der Antragsteller ein Bedürfnis (§ 8 WaffG) nachgewiesen hat. Das Bedürfnisprinzip bildet eines der zentralen Elemente des deutschen Waffenrechts. Gemäß § 8 WaffG ist der Nachweis des Bedürfnisses erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende Interessen und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den beantragten Zweck glaubhaft gemacht sind. Der Bedürfnisbegriff basiert auf der Abwägung der berechtigten (anzuerkennenden) Interessen des Antragstellers mit den öffentlichen Interessen daran, möglichst wenige Waffen „ins Volk“ gelangen zu lassen (st. Rspr. des BVerwG, Nachweise bei v. Grotthuss in Lehmann, Aktuelles Waffenrecht Teil 1, Stand 12/2017, § 8 Rn. 16).
Es liegt auf der Hand, dass das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) an einer Waffe kein besonders anzuerkennendes persönliches oder wirtschaftliches Interesse gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 8 WaffG darstellt. Obläge es dem privaten Waffeninteressenten durch den Eigentumserwerb von Waffen ein „Bedürfnis“ zu begründen, würde das Bedürfnisprinzip als manifestierte Absicht des Gesetzgebers ausgehebelt und seine Funktion als Regulativ des Waffenrechts verlieren. Das mit der Bedürfnisprüfung verfolgte Ziel des Gesetzgebers, die Zahl der im Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken (so schon BT-Drs. 6/2678, S. 31), wäre obsolet.
Das Waffengesetz befasst sich nicht mit Eigentumsfragen im zivilrechtlichen Sinne.
Dies bedeutet, dass jedermann an Waffen Eigentum und Besitz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs nachweisen kann. Entsprechendes gilt für das Erbrecht. Jeder, selbst eine minderjährige und vorbestrafte Person, die keine der waffenrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, kann Erbe von Schusswaffen werden und das durch Erbfall erworbene zivilrechtliche Eigentum an Schusswaffen in vollem Umfang auf Dauer behalten (vgl. Regierungsentwurf BT-Drs. 14/7758, S. 66).
Hiervon zu trennen ist der Besitz (im waffenrechtlichen Sinne) von Schusswaffen, d.h. die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen. Allein die tatsächliche Besitzausübung über Schusswaffen macht das Waffengesetz von strengen Voraussetzungen abhängig. (v. Grotthuss in Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, Teil 1, Stand 12/2017, § 20 Rn. 13 f).
Der Kläger kann auch nicht das Grundrecht der Erbrechtsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) zu seinen Gunsten einwenden. Es gewährleistet dem Erben das Recht, mit dem Tod des Erben in dessen vermögensrechtliche Position einzutreten. Geschützt wird das Eigentumserwerbsrecht des Erben kraft gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge (Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 101 f.). Insoweit geht das Erbrecht über das Eigentumsrecht hinaus. Hat der Erbe das Eigentum erlangt, kommt die Eigentumsgarantie zum Tragen (BVerfGE 126, 331/358 f.). Die vom Kläger bereits im Jahr 1991 kraft Erbfolge erlangten Waffen werden somit nunmehr von der Eigentumsgarantie erfasst.
Der Kläger kann auch nicht etwa eine im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche verfassungskonforme Auslegung des Bedürfnisbegriffs einwenden, um die mit dem Eigentum an den Waffen verbundene Nutzungs- und Ausschlussfunktion wahrnehmen zu können. Der Regelungsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt, dass „nur das durch die Gesetze ausgeformte Eigentum“ den Gegenstand der Eigentumsgarantie bildet und daher verfassungsrechtlich geschützt ist. Der Gesetzgeber hat die Eigentumsordnung zu konstituieren, und zwar unter Abgrenzung gegenüber den (gegenläufigen) Belangen Privater ebenso wie unter Abwägung mit den Gemeinwohlanforderungen (Papier in Maunz/Dürig, GG, Stand Sept. 2017, Art. 14 Rn. 307). Der Gesetzgeber des Waffenrechts hat in Anbetracht der Gefährlichkeit von Schusswaffen strikt am Bedürfnisprinzip als zentralem Element des deutschen Waffenrechts festgehalten (vgl. Begründung des WaffNeuRegG, BT-Drs. 14/7758 S. 56 f.) und somit in zulässiger Weise im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den Eigentumsbegriff „ausgeformt“.
1.2 Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der für eine Berufungszulassung maßgebenden Ergebnisrichtigkeit (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV/03 – NVwZ-RR 2004, 542/543) des angegriffenen Urteils. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Verwaltungsgericht den vorliegenden Sachverhalt rechtlich zutreffend gewürdigt.
Der Kläger meint, sein nach wie vor bestehendes Eigentum an den Erbwaffen sei als Bedürfnis i. S. des § 8 WaffG anzuerkennen. Die Aufzählung in § 8 Nr. 1 WaffG sei nicht abschließend und das über Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Eigentum sei bei sachgerechter Auslegung als ein von der Rechtsordnung gebilligtes persönliches oder wirtschaftliches Interesse anzuerkennen. Zudem verstoße es gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), dass einerseits dem Erben (Eigentümer aus übergegangenem Recht) über § 20 WaffG das Recht zustehe, die Waffen ohne Bedürfnis zu besitzen, gleichzeitig aber dem originären Eigentümer (aus eigenem Recht) die Möglichkeit des Besitzerwerbs verwehrt werde, zumindest bei Waffen, für die kein jagdliches oder sportliches Bedürfnis begründet werden könne. Wesentlich gleiche Sachverhalte – sowohl das Erbrecht als auch das Eigentum seien durch Art. 14 GG geschützt – würden ungleich behandelt.
Das Erbenprivileg (§ 20 WaffG) besteht darin, dass über den uneingeschränkten zivilrechtlichen Eigentumserwerb hinaus die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die ererbten Schusswaffen ohne Nachweis der Sachkunde und Glaubhaftmachung eines spezifischen Bedürfnisses zulässig sein kann. Dadurch erfahren die erbrechtlich Bedachten eine Bevorzugung gegenüber den Jägern, Sportschützen und gefährdeten Personen und zugleich eine durch die zivilrechtliche Rechtsnatur des Erwerbs kraft Erbe begründete Besserstellung gegenüber dem Erwerb auf der Grundlage eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden (z.B. eines Kaufs oder einer Schenkung – v. Grotthuss in Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, Teil 1, Stand 12/2017, § 20 Rn. 10). Die Vorschrift findet ihre Rechtfertigung in der Rücksichtnahme auf die rechtliche Stellung des Erben und somit in der Gewährleistung des Erbrechts (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 66, 111 und 132 sowie BT-Drs. 14/8886 S. 113) einen angemessenen, jedoch zeitlich befristeten Ausgleich zwischen der besonderen Rechts- und Interessenlage der Erben und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit ermöglichen. Dem wird im Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass die Erteilung von Waffenbesitzkarten nur beim Fehlen der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung versagt werden darf, aber auf das Vorliegen der sonstigen waffenrechtlichen Erteilungsvoraussetzungen verzichtet wird (v. Grotthuss in Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, Band 1, Stand 12/2017, § 20 Rn. 11).
Die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zusammengefassten Grundrechte auf Eigentum und Erbrecht stehen zwar in einem inneren Zusammenhang, es werden jedoch unterschiedliche Lebenssachverhalte vom Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts erfasst, so dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf den Gleichheitssatz berufen kann.
1.3 Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), weil sich die auftretenden Fragen ohne weiteres aus dem Gesetz lösen lassen (vgl. oben).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG, wobei sich der Senat an Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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