Erbrecht

Zum Antragsrecht desjenigen, dessen Recht infolge der beanstandeten Eintragung mit einem der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden Rang dargestellt ist (§ 894 BGB) – Nichterhebung gerichtlicher Kosten nach Beschwerderücknahme

Aktenzeichen  34 Wx 23/17

Datum:
9.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 894
FamFG FamFG § 81 Abs. 1 S. 2, § 83 Abs. 2
GBO GBO § 22 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Richtet sich der Antrag nicht auf eine rechtsändernde Eintragung, sondern auf eine Berichtigung des Grundbuchs, so ist von der begehrten Eintragung derjenige unmittelbar begünstigt, der einen materiellrechtlichen Berichtigungsanspruch hat, weil sein Recht nicht oder nicht richtig eingetragen ist. Das ist auch derjenige, dessen Recht infolge der beanstandeten Eintragung eines in Wahrheit nicht bestehenden Rechts mit einem der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden – schlechteren – Rang dargestellt ist. (Rn. 8)
2. Zur Nichterhebung gerichtlicher Kosten nach Beschwerderücknahme. (Rn. 10)
3 Hängt die Unrichtigkeit des Grundbuchs als Voraussetzung eines Berichtigungsanspruchs auch von Umständen ab, die für den Antragsteller nicht allein aus den Grundbucheintragungen ohne zusätzliche Kenntnis vom Inhalt der in der Grundakte befindlichen Urkunden ersichtlich sind, und nimmt er nach Hinweis des Rechtsmittelgerichts auf diese Umstände sein Rechtsmittel gegen die wegen fehlender Antragsberechtigung erfolgte Zurückweisung des Antrags gemäß § 894 BGB sogleich zurück, ist es angemessen, von der Erhebung gerichtlicher Kosten für das Rechtsmittelverfahren abzusehen. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Von der Erhebung der Kosten für das Rechtsmittelverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.
Zugunsten der Beteiligten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, sind seit dem 10.10.2016 in der Dritten Abteilung des Grundbuchs unter den laufenden Nrn. …, … und … Zwangssicherungshypotheken im Betrag von … €, … € und … € untereinander im gleichen Rang eingetragen. Diese lasten gemäß Spalte 2 an dem im Bestandsverzeichnis unter der laufenden Nr. … eingetragenen Grundstück. Letzteres ist anstelle von Nr. … des Bestandsverzeichnisses nach Flächenberichtigung (-1032 m²) neu vorgetragen worden am 16.12.2005.
In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs sind seit 10.3.2005 folgende Belastungen an (unter anderem) dem Grundstück „BVNr. …“ eingetragen:
– unter laufender Nr. …: Leibgeding für J. R. und T. R., löschbar bei Todesnachweis; gemäß Bewilligung vom 20.12.2004,
– unter laufender Nr. … eine Rückauflassungsvormerkung – Anspruch bedingt – für J. R.; gemäß Bewilligung vom 20.12.2004.
J. R. ist am … verstorben. Unter Vorlage einer gesiegelten und beglaubigten Kopie der Sterbeurkunde hat die Beteiligte am 10.11.2016 beantragt, im Weg der Grundbuchberichtigung die Rechte gemäß Nrn. … und … der Zweiten Abteilung zu löschen, soweit sie zugunsten von J. R. eingetragen sind. Ihre Antragsberechtigung folge aus der Aufwertung der zu ihren Gunsten eingetragenen Zwangshypothek(en).
Mit Beschluss vom 6.12.2016 hat das Grundbuchamt den Antrag wegen fehlender Antragsberechtigung zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Beteiligte Beschwerde eingelegt.
Das Beschwerdegericht hat am 8.5.2017 darauf hingewiesen, dass zwar ein Antragsrecht bestehe, der Berichtigungsantrag aber aus anderen Gründen voraussichtlich keinen Erfolg haben könne. Innerhalb der gesetzten Äußerungsfrist hat die Beteiligte daraufhin das Rechtsmittel zurückgenommen.
II.
Die Entscheidung, von der Erhebung der Kosten für das Rechtsmittelverfahren (§ 22 Abs. 1 GNotKG, Nr. 14511 KV GNotKG) abzusehen, beruht auf § 83 Abs. 2 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt eine solche Anordnung regelmäßig dann in Betracht, wenn „es nach dem Verlauf oder dem Ausgang des Verfahrens unbillig erscheint, die Beteiligten mit den Gerichtskosten des Verfahrens zu belasten“ (BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Dies trifft hier nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. auch BGH NJW-RR 2016, 200 Rn. 16) zu.
Mit Recht hat sich die Beteiligte gegen die allein damit begründete Zurückweisung durch das Grundbuchamt gewandt, dass ihr ein Antragsrecht nicht zustünde. Richtet sich der Antrag nicht auf eine rechtsändernde Eintragung (vgl. hierzu etwa BGH Rpfleger 2005, 354/355; OLG Frankfurt Rpfleger 1988, 184), sondern – wie hier – auf eine Berichtigung des Grundbuchs, so ist von der begehrten Eintragung derjenige unmittelbar begünstigt, der einen Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB hat, weil sein Recht nicht oder nicht richtig eingetragen ist. Das ist auch derjenige, dessen Recht infolge der beanstandeten Eintragung eines in Wahrheit nicht bestehenden Rechts mit einem der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden – schlechteren – Rang dargestellt ist (vgl. BGH NJW 2014, 1593 Rn. 7; BayObLG vom 15.7.1988, BReg Z 59/88, juris Rn. 15; KGJ 47, 207/208; Demharter § 13 Rn. 47; Hügel/Reetz § 13 Rn. 64; Bauer in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 13 Rn. 43; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 13 Rn. 45 mit § 22 Rn. 89 f.; KEHE/Volmer GBO 7. Aufl. § 13 Rn. 61; Staudinger/Gursky BGB Bearb. 2013 § 894 Rn. 38 f.; Rademacher MittRhNotK 1983, 81/84). Antragsberechtigt ist danach, wer – die behauptete Grundbuchunrichtigkeit unterstellt – einen eigenen Berichtigungsanspruch hat.
Die Unrichtigkeit des Grundbuchs ist hier jedoch – trotz des beim Leibgeding nach § 23 Abs. 2 GBO eingetragenen Löschungserleichterungsvermerks – nicht allein mit dem Nachweis, dass der eingetragene Berechtigte verstorben ist, belegt. Dies wiederum war für die Beteiligte nicht allein aus den Grundbucheintragungen ohne zusätzliche Kenntnis vom Inhalt der in der Grundakte befindlichen Urkunden ersichtlich. Die Tatsache, dass beim Tod des Berechtigten Rückstände aus der ihm auf Lebenszeit eingeräumten Reallast (§ 1105 BGB) im Todeszeitpunkt bestanden haben, erschließt sich nur aus den Eintragungsunterlagen zu den zugunsten von J. R. am 24.3.2011 unter laufender Nr. … eingetragenen Zwangshypothek. Hinsichtlich der Rückauflassungsvormerkung ergibt sich erst aus der im Eintragungsvermerk in Bezug genommenen (§ 885 Abs. 2 BGB) notariellen Bewilligung, dass der Rückübertragungsanspruch des J. R. nicht als unvererbliches und unübertragbares Recht ausgestaltet ist, sondern vererbt wird, sofern er zu Lebzeiten schriftlich geltend gemacht worden ist. Dass ein Rückübertragungsanspruch zu Lebzeiten bestanden hat, folgt wiederum erst aus der Eintragung der genannten Zwangshypothek in Zusammenschau mit den diesbezüglichen Eintragungsgrundlagen.
Dass die Beteiligte nach Hinweis auf diese Umstände ihr Rechtsmittel sogleich zurückgenommen hat, lässt es angemessen erscheinen, von der Erhebung gerichtlicher Kosten für das Rechtsmittelverfahren abzusehen. Bei richtiger Sachbehandlung wären diese Umstände bereits in erster Instanz thematisiert und ein zweitinstanzliches Verfahren vermieden worden.
Eine Kostenentscheidung nach § 83 Abs. 2 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist im Übrigen mangels weiterer Beteiligter nicht erforderlich.
Auch einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es unter diesen Umständen nicht.


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