Erbrecht

Zum Vorliegen einer Schenkung im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei treuhänderischer Stellung der Beklagten

Aktenzeichen  10 O 27937/13

Datum:
9.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46653
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 516 Abs. 1, § 2325 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Schenkung im Sinne des § 2325 Abs. 1 BGB ist mangels Bereicherung nicht gegeben, wenn eine Person einen Vermögensgegenstand als eine Art Treuhänder für dritte Personen halten soll (Rn. 24). (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der Tatsache, dass der Erblasser im Familienkreis erzählt hat, dass er Wohnungen gekauft hat, lässt sich im Streitfall nicht mit Sicherheit ableiten, dass er den Kaufpreis gezahlt hat (Rn. 28). (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB genügt diejenige von den wesentlichen Umständen aus denen sich der Anspruch ergibt; die Einholung von Grundbuchauszügen, aus denen nur weitere Informationen zu betroffenen Grundstücken gewonnen werden können, ist nicht erforderlich (Rn. 29). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird in der Zahlungsstufe abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 94% und die Beklagte 6% zu tragen. 
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Für die Klägerin ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 
Beschluss
Der Streitwert wird auf 51.590,00 € festgesetzt. 

Gründe

Die Klage ist in der Zahlungsstufe zulässig, aber unbegründet.
I.
Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch im Zusammenhang mit den Immobilien in Ingolstadt steht weder der Klägerin noch deren Schwester zu.
1. Die Klägerin hat zu den Voraussetzungen des § 2325 Abs. 1 BGB bereits nicht schlüssig vorgetragen.
Nach ihrem Vortrag sei der Erblasser selbst der Auffassung gewesen und es sei für den Erblasser immer völlig klar gewesen, dass die Wohnungen ihm gehörten. Der Erblasser habe erklärt, er habe die Wohnungen gekauft. Er sei deshalb nicht zur Beurkundung mitgefahren, weil er keine Lust hatte. Die Wohnungen habe der Erblasser seinen Enkelkindern zukommen lassen wollen.
Nach diesem Vortrag fehlt es jedoch bereits an einer Bereicherung der Beklagten, da dies eine dauerhafte, nicht nur vorübergehende Vermögensmehrung voraussetzt (Weidenkaff in Palandt, 77. A., § 516 Rn. 11). Nach den behaupteten Vorstellungen des Erblassers sollten die Wohnungen jedoch seinen Enkelkindern zukommen und die Beklagte demnach nur als eine Art Treuhänderin oder Mittelsperson die Wohnungen halten. Auch ein Schenkungswillen des Erblassers und somit die erforderliche Schenkungabrede ist aus diesem Grund zu verneinen.
2. Die Klägerin hat darüber hinaus kein geeignetes Beweisangebot für die Behauptung unterbreitet, dass der Kaufpreis aus dem Vermögen des Erblassers aufgebracht wurde.
Die Beklagte hat dies hinreichend substantiiert bestritten, indem sie vorgetragen hat, dass und wie sie den Kaufpreis selbst aufgebracht hat, nämlich mittels Darlehen, die sie dann aus eigenen Mitteln abbezahlt hat. Da der klägerische Vortrag insoweit jedenfalls nicht wesentlich substantiierter ist, ist dieses Bestreiten ausreichend.
Die Klägerin hat insoweit behauptet, die Beklagte habe in die Ehe kein nennenswertes Vermögen eingebracht und nur ein Gehalt von ca. 1.000,00 DM brutto bezogen, und hierzu Zeugenbeweis angeboten. Selbst wenn man diese Behauptungen als zutreffend unterstellt, schließt dies nicht aus, dass die Beklagte mittels Darlehen Kaufpreise über 210.000,00 DM und 90.000,00 DM finanziert hat.
Daraus, dass der Erblasser im Familienkreis erzählt habe, er habe die Wohnungen gekauft, lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ableiten, dass er den Kaufpreis aufgebracht hat. Der Erblasser hat auch erzählt, dass er die Wohnungen seinen Enkeln zukommen lassen wolle. Dies hat er jedoch nicht herbeigeführt, weshalb den überlieferten Äußerungen des Erblassers mit Vorsicht zu begegnen ist. Abgesehen davon sind die Äußerungen zu vage, um konkrete Zahlungsvorgänge daraus ableiten zu können. Der Erblasser hat offensichtlich unzutreffende Begrifflichkeiten verwendet, denn er ist nicht Partei des notariellen Kaufvertrags, hat jedoch erzählt, die Wohnungen gekauft zu haben.
2. Darüber hinaus ist jedenfalls hinsichtlich des Anspruchs der Schwester der Klägerin Verjährung eingetreten. Eine Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung ist insoweit nicht erfolgt. Auch kann nicht von einer Kenntniserlangung gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Einholung der Grundbuchauszüge ausgegangen werden. Aus diesen können lediglich nähere Informationen zu den Grundstücken gewonnen werden. Kenntnis von den wesentlichen Umständen, aus denen die Klägerin die vermeintliche Schenkung abgeleitet hat, lag jedoch gerade bereits vor dem Erbfall vor.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Klägerin hat mit dem Auskunftsanspruch obsiegt, dem das Gericht einen Wert von 20% vom Wert der Hauptforderung (somit von 15.000,00 EUR, vgl. Ziff. 3) zumisst (Herget in Zöller, 32. A., § 3, Rn. 16 „Auskunft“) 2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
3. Der Streitwert für die Stufenklage richtet sich nach § 44 GKG und beträgt 15.000,00 EUR. Maßgeblich sind dabei die Vorstellungen der Klagepartei bei Einreichung der Stufenklage (Herget in Zöller, 32. A., § 3, Rn. 16 „Stufenklage“). Die Klägerin hat in der Klageschrift vorgetragen, sie gehe von Schenkungen in Höhe von mindestens 120.000,00 EUR aus. 1/8 davon beträgt 15.000,00 EUR. Der in der Klage angegebene Wert von 30.000,00 EUR resultiert offenbar daraus, dass zunächst zwei Klägerinnen vorgesehen waren (vgl. Begründung auf S. 3 der Klageschrift).
Hinzu kommt der Wert des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Schwester der Klägerin von 36.590,31 EUR, der in der Zahlungsstufe klageerweiternd geltend gemacht wurde.


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