Europarecht

3 C 21/20

Aktenzeichen  3 C 21/20

Datum:
17.9.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:170921U3C21.20.0
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. März 2020, Az: 13 A 3138/17, Urteilvorgehend VG Köln, 7. November 2017, Az: 7 K 5706/14, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1
Der Rechtsstreit betrifft die Abgrenzung von diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke und Präsentationsarzneimitteln.
2
Die Klägerin vertreibt in Österreich hergestellte Produkte in Deutschland, sie bringt u.a. das Erzeugnis “… Kapseln” unter der ergänzenden Bezeichnung “Diätetisches Lebensmittel zum Diätmanagement bei Prostatabeschwerden” in den Verkehr. Auf der Verpackung ist eine Einnahmeempfehlung von 2 x 2 Kapseln täglich für Erwachsene angebracht. Diese Tagesdosis enthält laut Etikettierung 560 mg Weidenröschenkrautpulver, 360 mg Sägepalmenfrüchteextrakt, 8 mg Lycopin, 80 mg Vitamin C und 13,4 mg Vitamin E.
3
Auf der Internetseite des österreichischen Herstellers werden zu den Inhaltsstoffen folgende Angaben gemacht: “Inhaltsstoffe des Weidenröschens wirken antiviral, antitumoral und hemmen jene Enzyme, die bei der Entstehung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) involviert sind. Sabalfrüchte wirken entzündungshemmend, antiproliferativ und antiödematös. Dadurch ergibt sich das folgende Anwendungsgebiet: Miktionsstörungen bedingt durch BPH (Stadium I-II). Die Vitamine C und E sowie das Carotinoid Lycopin schützen die Prostata vor freien Radikalen. Lycopin besitzt eine protektive Wirkung gegenüber Prostatakrebs.” Einen Hinweis auf den Namen des Herstellers oder seine Internetseite enthält das Etikett des von der Klägerin vertriebenen Produkts nicht.
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Mit Bescheid vom 23. Februar 2012 stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Antrag des saarländischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie nach § 21 Abs. 4 des Arzneimittelgesetzes – AMG – fest, dass es sich bei dem Erzeugnis um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele. Das Produkt sei als Präsentationsarzneimittel anzusehen. Sägepalmextrakt finde als Urologikum Anwendung zur symptomatischen Behandlung von Miktionsbeschwerden bei benigner Prostatahyperplasie. Es seien zahlreiche Fertigarzneimittel mit diesem Wirkstoff auf dem Markt, sodass hierfür eine Verkehrsauffassung als Arzneimittel existiere. Aufgrund seiner traditionellen volksmedizinischen Anwendung bei Miktionsbeschwerden bestehe auch für Weidenröschenpulver eine Verkehrsauffassung als Arzneimittel. Aus dieser Verkehrsauffassung und den Angaben zu den Wirkungen der Inhaltsstoffe ergebe sich eine objektive Zweckbestimmung als Arzneimittel. Hieran könne die subjektive Zweckbestimmung der Verkehrsbezeichnung als Lebensmittel nichts ändern. Schließlich müsse das Erzeugnis auch als Funktionsarzneimittel bewertet werden, weil die empfohlene Einnahmemenge von 360 mg Sägepalmextrakt über der in der Monographie der Kommission E genannten Tagesdosis von 320 mg liege.
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Den daraufhin erhobenen Widerspruch wies das BfArM mit Bescheid vom 29. September 2014 zurück. Zwar werde an der Einordnung als Funktionsarzneimittel nicht mehr festgehalten, weil in der angegebenen Dosierung eine pharmakologische Wirkung nicht belegt sei. Schon mit der Produktbezeichnung greife das Erzeugnis aber die bestehende Verkehrsauffassung von Sägepalmenfruchtextrakt zur Verwendung bei Prostataleiden auf. Auch eine Internetrecherche mit gängigen Suchmaschinen belege, dass die für Sägepalmenfrucht gezeigten Treffer ganz überwiegend arzneiliche oder therapeutische Verwendungen zum Gegenstand hätten.
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Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Die Beklagte habe das Erzeugnis zu Recht als Präsentationsarzneimittel eingestuft. Bei dieser Bewertung sei die von der Klägerin gewählte Produktkategorie hinwegzudenken; andernfalls läge die Zulassungspflicht als Arzneimittel in ihrem Belieben. Mit den Inhaltsstoffen präsentiere die Klägerin durchgehend pflanzliche Zubereitungen mit langjähriger arzneilicher Verwendung bei der Behandlung einer benignen Prostatahyperplasie und ihren urologischen Folgeerscheinungen. Diese Inhaltsstoffe seien dem potentiellen Kundenkreis, der an entsprechenden Beschwerden leide, als pflanzliche Arzneimittel bekannt. Die Voraussetzungen eines diätetischen Lebensmittels erfülle das Präparat der Klägerin im Übrigen nicht. Auch diätetische Lebensmittel seien für – wenngleich besondere – Ernährungszwecke bestimmt; hieran fehle es bei dem streitbefangenen Erzeugnis.
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Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen das erstinstanzliche Urteil geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Bei der Abgrenzung eines Präsentationsarzneimittels von einem diätetischen Lebensmittel seien Besonderheiten zu beachten. Da das Diätmanagement einen Krankheitsbezug aufweise, dürfe auch das hierfür bestimmte Lebensmittel mit Bezug auf diese Krankheit ausgelobt werden. Die Pflichtangaben bei Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke seien daher grundsätzlich nicht geeignet, die Präsentationsarzneimitteleigenschaft eines Produkts zu begründen. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs handele es sich bei dem streitbefangenen Erzeugnis nicht um ein Präsentationsarzneimittel. Dies gelte, obwohl das Erzeugnis die Voraussetzungen für die Annahme eines diätetischen Lebensmittels aller Voraussicht nach nicht erfülle: Es sei nicht erkennbar, dass Prostatabeschwerden einen speziellen Nährstoffbedarf hervorriefen, der durch die Kapseln ausgeglichen werde. Die unzutreffende Einordnung als diätetisches Lebensmittel bewirke aber keine Einstufung als Präsentationsarzneimittel. Schutz vor derartigen Falschdeklarationen sei vielmehr mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu gewährleisten.
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Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte insbesondere vor, die Annahme eines Präsentationsarzneimittels werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die hierfür maßgeblichen Angaben zugleich zu den Pflichtangaben der in Anspruch genommenen Produktkategorie gehörten. Mit der ausgelobten Indikation Prostatabeschwerden werde vorliegend ein direkter Krankheitsbezug hergestellt. Die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG enthaltene Ausnahmeregelung könne ein Erzeugnis nur in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen für die Annahme eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke nachgewiesen seien. Hieran fehle es vorliegend auch nach Auffassung des Berufungsgerichts. Angesichts seiner stofflichen Zusammensetzung stelle das Erzeugnis der Klägerin aus Verbrauchersicht nicht ein falsch deklariertes Lebensmittel, sondern ein wirkungsloses Arzneimittel dar.
9
Die Klägerin hält die Revision bereits für unzulässig, da innerhalb der Revisionsbegründungsfrist kein bestimmter Antrag gestellt worden sei. Auch in der Sache sei die Revision nicht begründet. Bei der Abgrenzung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke und Präsentationsarzneimitteln komme es auf die Zweckbestimmung “zum Diätmanagement” an. Werde sie – wie vorgeschrieben – angegeben, könne das Erzeugnis auch dann nicht als Präsentationsarzneimittel eingestuft werden, wenn die Voraussetzungen für die Annahme eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke nicht erfüllt seien. Ob ein Lebensmittel ordnungsgemäß aufgemacht und gekennzeichnet sei, unterfalle nicht der Prüfkompetenz der Beklagten, sondern obliege der Prüfung durch die für die Lebensmittelaufsicht zuständigen Behörden. Soweit die Beklagte auf die Zutaten verwiesen habe, verkenne sie im Übrigen, dass in dieser Dosierung auch keine arzneiliche Verwendung bekannt sei. Schließlich sei der Ausgleich eines vorhandenen Nährstoffdefizits keine notwendige Voraussetzung für die Einordnung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke; ausreichend sei, dass die Stoffe “nutzbringend” für den Patienten seien.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist zulässig. Die Beklagte hat zwar innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keinen ausdrücklichen Sachantrag formuliert (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Ziel und Umfang des Revisionsbegehrens lassen sich jedoch ihrem Vorbringen eindeutig entnehmen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 27. August 2008 – 6 C 32.07 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38 Rn. 19), weil sich die Ausführungen gegen das Berufungsurteil richten und damit auf eine Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung zielen.
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Die Revision ist aber unbegründet. Das Berufungsgericht ist zwar von einem unzutreffenden Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ausgegangen; dieser Fehler wirkt sich auf das Ergebnis der Entscheidung indes nicht aus (1.). Das Berufungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß entschieden, dass die angefochtene Feststellung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, bei dem streitgegenständlichen Erzeugnis handele es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel, rechtswidrig ist (2.). Ob das Erzeugnis die Voraussetzungen der in Anspruch genommenen Produktkategorie eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke erfüllt, ist nicht Regelungsgegenstand der auf § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3813) gestützten Verfügung und muss daher auch im gerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden (3.).
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1. Der angegriffene Bescheid enthält eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde (vgl. § 77 Abs. 1 AMG) über die Zulassungspflicht eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage eines solchen Feststellungsbescheids ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 3 C 4.18 – BVerwGE 167, 1 Rn. 12; Beschluss vom 20. Mai 2021 – 3 C 19.19 – Rn. 9). Zwar entfaltet auch der Feststellungsbescheid Wirkungen für die Zukunft. Diese sind indes nicht Regelungsgegenstand des Bescheides. Durch die Feststellung wird vielmehr nur der rechtliche Status des Erzeugnisses im Entscheidungszeitpunkt – und auf Grundlage der gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 AMG von der zuständigen Landesbehörde vorgelegten Stellungnahme – geklärt. Die daran anknüpfenden Folgen, hier also die fehlende Verkehrsfähigkeit des Erzeugnisses ohne vorherige behördliche Zulassung, ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Beklagte muss die getroffene Feststellung daher auch nicht von sich aus “unter Kontrolle halten” und fortdauernd überprüfen.
13
Mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verletzt das Berufungsurteil daher Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Diese Verschiebung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts wirkt sich auf die tragenden Gründe der Entscheidung aber nicht aus.
14
Die für die Einordnung als Präsentationsarzneimittel maßgeblichen Voraussetzungen haben sich im Zeitraum zwischen dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2014 und der mündlichen Berufungsverhandlung vom 4. März 2020 nicht geändert. Hinsichtlich der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke folgt eine Änderung des rechtlichen Rahmens zwar daraus, dass die vom Berufungsgericht herangezogene Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung (ABl. L 181 S. 35) i.V.m. der hierauf bezogenen Delegierten Verordnung (EU) 2016/128 der Kommission vom 25. September 2015 (ABl. 2016 L 25 S. 30) vorliegend noch nicht angewendet werden darf (vgl. Art. 22 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 609/2013). Maßgeblich ist vielmehr noch die Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25. März 1999 über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ABl. L 91 S. 29), in der hier maßgeblichen Fassung der Richtlinie 2013/26/EU der Kommission vom 8. Februar 2013 (ABl. L 158 S. 376), i.V.m. der Verordnung über diätetische Lebensmittel – Diätverordnung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 2005 (BGBl. I S. 1161), in der hier maßgeblichen Fassung der Änderungsverordnung vom 25. Februar 2014 (BGBl. I S. 218). Beide Regelungen sehen aber die vom Berufungsgericht herangezogene Verpflichtung vor, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke mit dem Hinweis “Zur diätetischen Behandlung von” bzw. “Zum Diätmanagement bei” zu kennzeichnen, ergänzt durch die Krankheit, Störung oder Beschwerde, für die das Erzeugnis bestimmt ist (Art. 4 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 1999/21/EG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Diätverordnung einerseits sowie Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 609/2013 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2016/128 andererseits).
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Auch hinsichtlich der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst erkennbar, dass im Zeitraum zwischen dem Erlass des Widerspruchsbescheids und der Berufungsverhandlung relevante Änderungen eingetreten wären. Anlass, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, besteht mithin nicht.
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2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei dem streitgegenständlichen Erzeugnis handele es sich nicht um ein Präsentationsarzneimittel, verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das angefochtene Berufungsurteil beruht auf verfahrensfehlerfreien Tatsachenfeststellungen, schlüssigen und jedenfalls vertretbaren Würdigungen sowie zutreffenden rechtlichen Maßstäben. Das Berufungsgericht hat seinen Prüfungsmaßstab auch bei der konkreten Einzelfallwürdigung beibehalten.
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a) Ein Erzeugnis ist ein Human-Arzneimittel, wenn es unter eine der in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 S. 67), in der hier maßgeblichen Fassung der Richtlinie 2012/26/EU vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 299 S. 1), enthaltenen Definitionen fällt (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 – C-109/12 [ECLI:EU:C:2013:626] – Rn. 36). Die Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 AMG sind daher im Lichte dieser Vorgaben auszulegen (vgl. zum Erfordernis der unionsrechtskonformen Auslegung EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2020 – C-735/19 [ECLI:EU:C:2020:1014] – Rn. 75).
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Da die Feststellung des Berufungsgerichts, bei dem Erzeugnis handele es sich mangels belegter pharmakologischer Wirkungen nicht um ein Funktionsarzneimittel, von der Beklagten im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden ist, kommt nur die Einordnung als Präsentationsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG in Betracht.
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Unter den Begriff des Präsentationsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG fallen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Ein Erzeugnis erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet oder empfohlen wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Adressaten auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (stRspr; BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 – 3 C 18.15 – Buchholz 408.32 AMG Nr. 74 Rn. 34; EuGH, Urteil vom 15. November 2007 – C-319/05 [ECLI:EU:C:2007:678] – Rn. 43 ff.). Das ist – wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat (UA S. 13) – anhand einer Gesamtbetrachtung der konkreten Merkmale des Produkts und seiner Präsentation zu bestimmen (EuGH a.a.O. Rn. 44; Urteil vom 21. März 1991 – C-369/88 [ECLI:EU:C:1991:137] – Rn. 35, 41; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 – 3 C 46.96 – BVerwGE 106, 90 ).
20
Der Begriff der “Bestimmung” bzw. “Bezeichnung” ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weit auszulegen. Die Kategorie des Präsentationsarzneimittels soll nicht nur Arzneimittel erfassen, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind oder die nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf. Der Präsentationsarzneimittelbegriff zielt somit darauf, den Verbraucher nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln zu schützen, sondern auch davor, anstelle eines geeigneten Heilmittels ein ungeeignetes Präparat zu wählen (EuGH, Urteil vom 15. November 2007 – C-319/05 – a.a.O. Rn. 43).
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Maßgebend für die Einstufung eines Erzeugnisses als Präsentationsarzneimittel ist mithin nicht seine tatsächliche Wirkungsweise, sondern seine Bestimmung als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden. Die Annahme des Berufungsgerichts, für die Bewertung der “Präsentation” eines Erzeugnisses sei nicht entscheidend, ob die in Anspruch genommenen Eigenschaften einer anderen Produktkategorie auch tatsächlich vorliegen und belegt werden können, ist daher nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Pflichtangaben eines vom Hersteller als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses. Sofern sich die Angaben auf diese Pflichtangaben beschränken und das Erzeugnis nach seiner Präsentation keine darüberhinausgehende arzneiliche Wirkung in Anspruch nimmt, kommt es für die Präsentationsarzneimitteleigenschaft nicht darauf an, ob die in Anspruch genommene Eigenschaft eines solchen Lebensmittels tatsächlich vorliegt.
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b) Wird ein Erzeugnis als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebracht, sind die für derartige Lebensmittel verpflichtenden Angaben grundsätzlich nicht geeignet, die Eigenschaft des Erzeugnisses als Präsentationsarzneimittel zu begründen.
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Der Beklagten ist zwar beizupflichten, dass der Angabe des Herstellers zur Produktkategorie allein keine ausschlaggebende Bedeutung für die Einordnung zukommt. Die Einstufung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke durch den Hersteller macht eine Präsentation als Arzneimittel nach dem Gesamteindruck der Aufmachung nicht unmöglich. Die Herstellerangabe ist aber als Teil der Präsentation des Produkts zu berücksichtigen, sie kann “ein nützlicher Anhaltspunkt” für die Auslegung sein (EuGH, Urteil vom 21. März 1991 – C-369/88 – Rn. 41). Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher ein ausdrücklich als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke angebotenes Präparat für ein Arzneimittel halten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 – 3 C 21.06 – Buchholz 418.710 LFGB Nr. 4 Rn. 40 m.w.N. für ein Medizinprodukt). Hierfür bedarf es besonderer, zusätzlicher Umstände.
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Aus den Pflichtangaben der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ergeben sich keine solchen Umstände. Gemäß Art. 4 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 1999/21/EG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Diätverordnung müssen diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke u.a. den Hinweis enthalten “‘Zur diätetischen Behandlung von …’, ergänzt durch die Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist”. Auch nach Art. 11 Abs. 1 der Nachfolge-Verordnung (EU) Nr. 609/2013 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Buchst. e der Delegierten Verordnung (EU) 2016/128 ist der Hinweis: “‘Zum Diätmanagement bei …’ ergänzt durch die Krankheit, die Störung oder die Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist”, verpflichtend.
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Die hieraus folgende Präsentation, mit der ein Bezug zu einer Grunderkrankung hergestellt wird, darf daher nicht zur Zuschreibung einer Arzneimitteleigenschaft führen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 – I ZR 8/11 – ZLR 2012, 619 Rn. 12; OLG München, Urteil vom 31. Oktober 2019 – 29 U 2177/19 – juris Rn. 13). Mit solchen Angaben erweckt der Hersteller nicht den Anschein eines Arzneimittels, sondern weist die gesetzlich vorgesehene Zweckbestimmung eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke aus (vgl. zur entsprechenden Lage bei der Abgrenzung zu Medizinprodukten BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 3 C 19.19 – Rn. 19).
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Die von der Beklagten vertretene Auffassung führte im Übrigen dazu, dass die verpflichtend vorgeschriebene Kennzeichnung der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke den Wegfall ebenjener Produktkategorie und die Zuordnung zum Arzneimittelrecht bewirken würde. Eine derart unstimmige Konzeption liegt dem Recht der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke aber nicht zugrunde. Die Bezugnahme auf Krankheiten, Störungen oder Beschwerden ist im Zusammenhang mit der Zweckbestimmung “Zur diätetischen Behandlung von” bzw. “Zum Diätmanagement bei” für die Produktkategorie der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vielmehr ausdrücklich erlaubt und vorgegeben. Untersagt ist nur die Anpreisung von Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit (vgl. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel sowie nunmehr Art. 9 Abs. 5 sowie Erwägungsgrund 25 der Verordnung Nr. 609/2013). Erst mit dieser – arzneilichen – Präsentation verlässt das Erzeugnis das für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vorgesehene Anwendungsfeld und eröffnet die Annahme eines Präsentationsarzneimittels. Ebendiese Abgrenzung liegt auch der von der Beklagten zitierten Nr. 44 der Bekanntmachung der Kommission über die Einordnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke (ABl. 2017 C 401 S. 1) zugrunde.
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Die Vorstellung, dass erst die Feststellung der Voraussetzungen eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke die Arzneimitteleigenschaft entfallen ließe, findet im Unionsrecht keine Stütze. Das Arzneimittel- und das Lebensmittelrecht der Europäischen Union stehen nicht in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Unabhängig hiervon hat § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG – nach dieser Vorschrift sind Arzneimittel nicht Lebensmittel – keine Entsprechung in der Richtlinie 2001/83/EG. Nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 u.a. zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts (ABl. L 31 S. 1) gehören vielmehr umgekehrt Arzneimittel nicht zu den Lebensmitteln.
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Bei der gebotenen Gesamtschau kann sich allerdings auch ein als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebrachtes Erzeugnis als Präsentationsarzneimittel erweisen. Die Kennzeichnung mit den Pflichtangaben der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ist dabei indes nicht heranzuziehen. Sofern die Inanspruchnahme einer diätetischen Behandlung zweifelhaft erscheint – etwa, weil der Zusammenhang eines Diätmanagements mit den in Bezug genommenen Beschwerden nicht erkennbar ist – besteht aber Anlass, alle Umstände des konkreten Einzelfalls genau in den Blick zu nehmen. Im Zusammenhang mit anderen Umständen, also soweit es nicht um die Zweckbestimmung “Zur diätetischen Behandlung von” bzw. “Zum Diätmanagement bei” geht, können im Rahmen der Gesamtbetrachtung auch die in Bezug genommenen Krankheiten und Beschwerden herangezogen werden. Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. So hat es erwogen, ob sich aus dem Wort “Prostata” im Produktnamen der Eindruck einer arzneilichen Wirkung ergebe; es hat dies aber aus tatsächlichen Gründen verneint (UA S. 21).
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c) Die Einschätzung des Berufungsgerichts, auch der Produktauftritt im Übrigen führe nicht dazu, dass der Verbraucher die Kapseln ungeachtet der abweichenden Produktbezeichnung als Arzneimittel ansehen werde, ist frei von Rechtsfehlern.
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Die von der Beklagten herangezogenen Angaben lassen keine über die gesetzliche Zweckbestimmung eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke hinausgehende Anpreisung erkennen. Zwar ist die Zweckbestimmung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke – anders als im Fall der stofflichen Medizinprodukte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 3 C 19.19 – Rn. 17) – mit derjenigen von Arzneimitteln nicht identisch. Sofern die Präsentation Anhaltspunkte für die Inanspruchnahme gerade arzneilicher Wirkungen enthält, bleibt daher Raum für die Annahme einer Präsentation als Arzneimittel. Dies ist bei Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke insbesondere relevant, wenn die Heilung oder Linderung der Grunderkrankung angepriesen wird (vgl. Art. 9 Abs. 5 sowie Erwägungsgrund 25 der Verordnung Nr. 609/2013). Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hier aber nicht der Fall. Verfahrensrügen hiergegen hat die Beklagte nicht vorgebracht, sondern sich mit der Darstellung ihrer abweichenden Meinung begnügt. Dies reicht nicht aus, um die Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen aus dem Berufungsurteil in Frage zu stellen (§ 137 Abs. 2 VwGO).
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Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich auch aus den weiteren von der Beklagten benannten Umständen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Einstufung des Erzeugnisses als Präsentationsarzneimittel ergeben. Dies gilt auch im Hinblick auf dessen Inhaltsstoffe. Denn die bloße Bezugnahme darauf, dass die Zutaten auch als Wirkstoffe in Arzneimitteln enthalten sein können, reicht zur Begründung einer spezifisch arzneilichen Präsentation nicht aus (vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2007 – C-319/05 – Rn. 49). Hieraus kann die Arzneimitteleigenschaft entsprechender Erzeugnisse folgen, sie muss es aber nicht.
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Zwar läge es anders, wenn bereits die Verwendung der im Erzeugnis der Klägerin enthaltenen Inhaltsstoffe – einer Signalwirkung gleich – dazu führen müsste, dass ein potentieller Verbraucher stets von der Arzneimitteleigenschaft eines entsprechenden Erzeugnisses ausginge. Derartige Tatsachenfeststellungen enthält das Berufungsurteil aber nicht. Vielmehr hat das Berufungsgericht eine derartige Gewissheit gerade verneint und festgestellt, die im Erzeugnis der Klägerin enthaltenen Pflanzen und Pflanzenbestandteile seien dem Verbraucher auch als Nahrungsergänzungsmittel und Tees geläufig. Verfahrensrügen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Danach ist für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt, dass nicht mit Gewissheit davon ausgegangen werden kann, dass der potentielle Verbraucher ein Erzeugnis mit der stofflichen Zusammensetzung der streitigen Kapseln trotz seiner Bezeichnung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke für ein Arzneimittel halten wird.
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Die Würdigung des Berufungsgerichts, eine Verkehrsauffassung, nach der die in den Kapseln enthaltenen Inhaltsstoffe stets zur Zuschreibung der Arzneimitteleigenschaft führten, sei nicht belegt, ist daher nicht zu beanstanden. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass das Berufungsgericht hierfür auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung abgestellt hat. Weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus sonstigen Umständen lässt sich entnehmen, dass sich hieraus relevante Unterschiede in der Beurteilung ergeben könnten. Vielmehr hat das Berufungsgericht für seine Auffassung maßgeblich auf “kritische Artikel” zur Wirksamkeit der jeweiligen Inhaltsstoffe Bezug genommen, die überwiegend aus dem Jahr 2011 stammen (vgl. UA S. 24 f.) und damit im berücksichtigungsfähigen Zeitraum liegen. Die Beklagte hat zudem die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in Zweifel gezogen, die Zuordnung der arzneilichen oder diätetischen Wirkung der jeweiligen Inhaltsstoffe setze ein Expertenwissen voraus, das vom verständigen Durchschnittsverbraucher nicht erwartet werden könne. Unwidersprochen geblieben ist schließlich die Feststellung des Berufungsgerichts, in den von der Beklagten angeführten Arzneimitteln seien die Wirkstoffe spezifisch gekennzeichnet und nicht nur in der Zutatenliste vermerkt. Anlass, die Frage zur Klärung der Situation im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung aufzuklären, besteht mithin nicht.
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Schließlich ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Kapselform des Erzeugnisses kein relevanter Anhaltspunkt für die Annahme eines Präsentationsarzneimittels. Denn die Darreichungsform in Kapseln ist nicht für Arzneimittel spezifisch; sie wird vielfach auch für Lebensmittel angeboten, um dem Verbraucher ihren Verzehr angenehmer zu machen (EuGH, Urteil vom 15. November 2007 – C-319/05 – Rn. 53).
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Wie die Angaben auf der Homepage der österreichischen Herstellerin zu bewerten wären, bedarf keiner Entscheidung, weil sie der Klägerin nicht zurechenbar sind. Die von der Beklagten zitierten Angaben betreffen ein anderes Erzeugnis eines anderen Vertreibers in einem anderen Land. Das streitgegenständliche Erzeugnis wird nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil durch die Klägerin hiermit weder beworben noch nimmt sie auf diese Angaben Bezug (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 3 C 9.20 – Rn. 21; VGH Mannheim, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 9 S 783/10 – PharmR 2011, 92 Rn. 45).
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3. Ob das Erzeugnis die von der Klägerin in Anspruch genommenen Voraussetzungen für die Einstufung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke erfüllt, muss demnach nicht entschieden werden. Die angegriffenen Bescheide erweisen sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Kapseln – wie gezeigt – weder die Voraussetzungen für die Einordnung als Präsentationsarzneimittel noch die eines Funktionsarzneimittels erfüllen. Nur diese Frage war auch Gegenstand der angegriffenen Bescheide.
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Damit bringt die Klägerin zwar möglicherweise ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr, das sich für den Personenkreis, für den es bestimmt ist, nicht nutzbringend und wirksam verwenden lässt (vgl. UA S. 26 f.). Diesem Umstand wäre aber mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu begegnen (vgl. hierzu etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 30. August 2017 – 9 S 1861/17 – StoffR 2017, 273 oder VG München, Urteil vom 6. November 2019 – M 18 K 17.4337 -). Eine Schutzlücke entsteht damit nicht (vgl. für mögliche Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 – 3 C 27.13 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 69 Rn. 27). Auch das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügen, dürfen die Mitgliedstaaten beschränken oder untersagen (Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 609/2013).
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Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke werden gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 unter ärztlicher Aufsicht zum Diätmanagement von Patienten verwendet und sind insbesondere für Patienten mit einem medizinisch bedingten Nährstoffbedarf bestimmt, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht. Sie dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den hierfür geltenden Voraussetzungen genügen (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 609/2013). Hierzu gehört u.a., dass sie sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam in dem Sinne sind, dass sie den besonderen Ernährungsanforderungen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist (Art. 9 Abs. 1 sowie Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 609/2013 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Delegierten Verordnung 2016/128; vgl. zur entsprechenden Rechtslage unter Geltung der Diätverordnung BGH, Urteile vom 2. Oktober 2008 – I ZR 51/06 – NJW 2009, 110 Rn. 24; ebenfalls vom 2. Oktober 2008 – I ZR 220/05 – NJW-RR 2009, 50 Rn. 17 und vom 15. März 2012 – I ZR 44/11 – ZLR 2012, 691 Rn. 18). Zur Klärung, ob die Kapseln diesen Anforderungen genügen, sind indes die zuständigen Behörden der Lebensmittelaufsicht berufen.
39
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.


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