Europarecht

4 U 2020/21

Aktenzeichen  4 U 2020/21

Datum:
30.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG Zweibrücken 4. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:POLGZWE:2022:0630.4U2020.21.00
Normen:
§ 3 UWG
§ 3a UWG
§ 3 S 1 Nr 1 LÖG RP
§ 7 Abs 2 LÖG RP
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Zur Frage der „Legitimation“ einer im Wettbewerbsprozess als unlauter beanstandeten geschäftlichen Handlung (hier: Sonntagsöffnung einer Verkaufsstelle in einem Fashion Outlet Center) im Falle der Konformität des Verhaltens mit einer gesetzlichen Erlaubnis durch (möglicherweise gegen höherrangiges innerstaatliches Recht verstoßende) Rechtsverordnung der Landesregierung.

Verfahrensgang

vorgehend LG Zweibrücken, 15. Oktober 2021, HK O 46/20

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Zweibrücken vom 15. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die der Streithelferin darin entstandenen Kosten zu tragen.
3. Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.                                                                  Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten und der Streithelferin jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. der vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Gläubigerinnen Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten im Wettbewerbsprozess nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) über die rechtliche Zulässigkeit der von der Landesregierung Rheinland-Pfalz mittels Durchführungsverordnung vom 13. März 2007 (GVBl. 2007, 65) zu § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes (LadöffnG) Rheinland-Pfalz vom 21. November 2006 (GVBl. 2006, 351) erlaubten Sonntagsöffnungen von Verkaufsstellen in dem Zweibrücken Fashion Outlet Center (fortan: ZFO) im zeitlichen Zusammenhang mit den jährlichen Oster-, Sommer- und Herbstferien in Rheinland-Pfalz.
Die Klägerin, deren wirtschaftlicher Inhaber zugleich Präsident des Handelsverbands Textil Schuhe Lederwaren ist, betreibt als mittelständisches Unternehmen an Standorten in der Pfalz und in Baden Ladengeschäfte und verkauft dort unter anderem Damenmodeartikel.
Die Beklagte ist ein Damenoberbekleidungsunternehmen, das seine Produkte in eigenen Filialen vertreibt, u.a auch in dem ZFO. Ihr dortiges Ladenlokal hat die Beklagte von ihrer Streithelferin, der Betreiberin des ZFO, seit dem Jahr 2018 angemietet; nach den Bestimmungen des Mietvertrages ist die Beklagte ihrer Vermieterin gegenüber zur Öffnung des Geschäfts an den in Rede stehenden Feriensonntagen verpflichtet.
Die Klägerin nimmt den Rechtsstandpunkt ein, dass die Ladenöffnungen der Beklagten in dem ZFO an den streitgegenständlichen Feriensonntagen eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des UWG darstellten. Die Beklagte verstoße damit gegen das in § 3 LadöffnG Rheinland-Pfalz normierte grundsätzliche Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen und verschaffe sich dadurch gegenüber ihren Mitbewerbern, zu denen sich die Klägerin zählt, einen unlauteren Wettbewerbsvorteil im Sinne von § 3a UWG („Vorsprung durch Rechtsbruch“). Der Rechtsverstoß der Beklagten werde nicht dadurch ausgeräumt, dass die Feriensonntagsöffnungen in dem ZFO durch die vorbezeichnete Rechtsverordnung der rheinland-pfälzischen Landesregierung erlaubt sind.
Hierzu argumentiert die Klägerin wie folgt:
Die auf Grundlage der Ermächtigung in § 7 Abs. 2 LadöffnG Rheinland-Pfalz erlassene Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. März 2007, nach deren Maßgabe eine Öffnung von Verkaufsstellen im näheren Einzugsgebiet des Flughafens Zweibrücken (konkret: in dem ZFO) an Feriensonntagen erlaubt ist, sei nicht – oder jedenfalls nicht mehr – geeignet, das Verhalten der Beklagten zu rechtfertigen. Denn die genannte Regierungsverordnung sei aus von der Klägerin im Einzelnen ausgeführten unterschiedlichen Gründen rechtswidrig und damit ungültig. Das müssten auch die in dem Wettbewerbsrechtsstreit gegen die Beklagte zur Entscheidung berufenen Zivilgerichte beachten.
Die Beklagte bestreitet das Vorliegen der Mitbewerbereigenschaft der Klägerin und damit deren Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG. Im Übrigen berufen sich die Beklagte und ihre Streithelferin auf die von ihnen als rechtsgültig erachtete Durchführungsverordnung zu § 7 Abs. 2 LadöffnG Rheinland-Pfalz.
Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Zweibrücken hat mit dem angefochtenen Urteil vom 15. Oktober 2021, auf das zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO), die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Beklagte gesetzeskonform verhalte und ihr deshalb nicht der Vorwurf unlauteren Wettbewerbs gemacht werden könne. Die Sonntagsöffnungen in dem ZFO in den Ferienzeiten würden unbeschadet der seit dem Jahr 2014 eingetretenen tatsächlichen Entwicklung an dem Flugplatz Zweibrücken (Einstellung des Verkehrsflugbetriebes und Abstufung zu einem Sonderlandeplatz) offensichtlich auch von der Landesregierung Rheinland-Pfalz weiterhin als rechtmäßig angesehen. Die Beklagte dürfe deshalb auf den Fortbestand der gesetzlichen Erlaubnis vertrauen. Als privates Unternehmen müsse die Beklagte „nicht päpstlicher sein als der Papst“. Ob die Regierungsverordnung wegen des Wegfalls der bei ihrem Erlass bestehenden Eigenschaft des Flugplatzes Zweibrücken als Verkehrsflughafen aktuell noch rechtens sei, sei für die zu treffende Entscheidung im Übrigen auch unerheblich. Denn selbst wenn dem nicht so sein sollte, sehe sich das angegangene Zivilgericht aus kompetenzrechtlichen Erwägungen daran gehindert, gegen den erklärten Willen des Verordnungsgebers zu entscheiden.
Die Streitfrage, ob die Klägerin Mitbewerberin der Beklagten im Sinne des UWG sei, bedürfe danach keiner Entscheidung.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageziele weiterverfolgt. Sie bekämpft das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung vom 10. Januar 2022 und des weiteren Schriftsatzes vom 28. April 2022.
Die Klägerin stellt ausdrücklich nicht in Abrede, dass die streitgegenständlichen Sonntagsöffnungen nach dem Wortlaut der Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. März 2007 erlaubt sind (Berufungsbegründung S. 5 = Bl. 31 der eAkte 2. Instanz).
Jedoch sei die in Rede stehende Regierungsverordnung von Anfang an rechtswidrig gewesen, jedenfalls aber infolge nachträglicher Veränderung der Umstände zwischenzeitlich rechtsungültig geworden. Deshalb müsse die Rechtsverordnung bei der gerichtlichen Entscheidung über die Klage unangewendet bleiben mit der Folge, dass für das ZFO die allgemeinen Ladenschlusszeiten nach § 3 LadÖffnG Rheinland-Pfalz und damit das generelle Sonntagsöffnungsverbot Gültigkeit hätten.
Im Einzelnen wird dazu – hier gedrängt dargestellt – geltend gemacht (Berufungsbegründung S. 6 ff = Bl 32 ff eAkte 2. Instanz und Schriftsatz vom 28. April 2022, dort S. 3 ff = Bl. 101 ff eAkte 2. Instanz):
– anfängliche Unwirksamkeit der Verordnung wegen (behaupteter) Überschreitung der Ermächtigungsnorm des § 7 Abs. 2 LadÖffnG Rheinland-Pfalz;
– nachträgliches Obsoletwerden der Verordnung wegen (behaupteten) Zweckfortfalls in Folge geänderter Umstände (Flugplatz Zweibrücken seit 2014 kein Verkehrsflughafen);
– behaupteter Verstoß der Verordnung gegen Verfassungsrecht (Gleichbehandlungsgrundsatz sowie Gewährleistung des Sonn- und Feiertagsschutzes gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV).
Die Klägerin beantragt weiterhin,
1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Filiale „B…“ im Factory Outlet Zweibrücken, Londoner Bogen 10-90, 66482 Zweibrücken, während der im jeweiligen Ferienplan für Rheinland-Pfalz festgelegten Oster-, Sommer- und Herbstferien an Sonntagen sowie an den dem ersten Ferientag vorausgehenden oder dem letzten Ferientag folgenden Sonntag, wenn der erste Ferientag der im Ferienplan für Rheinland-Pfalz festgelegten Oster-, Sommer-,und Herbstferien ein Montag oder der letzte Ferientag ein Freitag ist, in der Zeit von 11 Uhr bis 20 Uhr zu öffnen,
2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Einzelfall anzudrohen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziff.1. beschriebene Handlung bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird,
4. Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang sie Handlungen gem. Ziff.1. begangen hat.
Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das von ihnen im Ergebnis für zutreffend gehaltene Urteil des Landgerichts.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu eingereichten Anlagen verwiesen.
Die Sach- und Rechtslage ist in der mündlichen Berufungsverhandlung eingehend erörtert worden; wegen der dabei erteilten Hinweise wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Juni 2022 Bezug genommen. Die Klägerin hat hierzu unter dem 15. Juli 2022 nochmals schriftsätzlich Stellung genommen.
II.
Das verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende und somit zulässige Rechtsmittel der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Erstgericht hat die Klage zu Recht und mit in den tragenden Erwägungen zutreffender Begründung abgewiesen.
Die inkriminierten Feriensonntagsöffnungen der Verkaufsstelle der Beklagten in dem ZFO, die allein Streitgegenstand des Prozesses sind, stellen gegenwärtig keine unlautere Wettbewerbshandlung zum Nachteil von Mitbewerbern im Sinne von §§ 3, 3a UWG dar.
Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin Mitbewerberin der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist und ihr die Befugnis zur Erhebung der Wettbewerbsklage zusteht.
Ebenso wenig muss der Senat – im Rahmen einer Inzidentkontrolle der Norm mit Wirkung dann nur im Verhältnis zwischen den Prozessparteien – eine Aussage dazu treffen, ob die Rechtsverordnung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 zur Durchführung des § 7 Abs. 2 LadöffnG Rheinland-Pfalz (noch) für rechtmäßig zu erachten ist oder nicht. Denn der Klägerin stehen, ihre Klagebefugnis unterstellt, die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 8, 9 UWG auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz jedenfalls deshalb nicht zu, weil die Sonntagsöffnungen der Verkaufsstelle der Beklagten in dem ZFO, selbst wenn die Verordnung der Landesregierung rechtswidrig (geworden) sein sollte, wegen der Legitimationswirkung der gesetzlichen Erlaubnis keine unlauteren Wettbewerbshandlungen im Sinne von §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 Nr. 1 LadöffnG Rheinland-Pfalz sind. Das gilt auch für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Regierungsverordnung vom 13. März 2007 künftig geändert oder aufgehoben wird oder dass der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 130 Abs.1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz ihre (Landes-) Verfassungswidrigkeit feststellt; die Frage eines Wettbewerbsverstoßes der Beklagten durch Rechtsbruch wäre dann neu zu beurteilen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die in dem Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung, ob die Klägerin die geltend gemachte Unterlassung beanspruchen kann, ist gleichwohl die mündliche Verhandlung in zweiter Instanz. Nach der zu diesem Zeitpunkt (30. Juni 2022) gegebenen Sach- und Rechtslage können der Beklagten die inkriminierten Feriensonntagsöffnungen wettbewerbsrechtlich nicht verboten werden.
Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
1. a) Eine Entscheidung mit Bindungswirkung erga omnes zur Rechtsgültigkeit der die Feriensonntagsöffnungen in dem ZFO erlaubenden Rechtsverordnung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 kann in dem vorliegenden Zivilrechtsstreit nicht getroffen werden. Denn die ordentlichen Gerichte sind in dem zwischen den Parteien geführten Wettbewerbsprozess nicht zu einer prinzipalen (abstrakten) Normenkontrolle hinsichtlich der Rechtsgültigkeit der Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 LadöffnG Rheinland-Pfalz berufen. Sofern es für die Entscheidung – wie indes nicht – auf die Wirksamkeit der Rechtsverordnung ankäme, hätte der Senat lediglich die Befugnis, die etwaige Ungültigkeit der Verordnung eigenständig festzustellen und die Rechtsvorschrift bei der Urteilsfindung in dem vorliegenden Rechtsstreit unbeachtet zu lassen (Nichtanwendungskompetenz; vgl. BGH NJW 2019, 2844, 2845 m.w.N.).
b) Wegen der Übertragung der Verordnungskompetenz auf die Landesregierung ist gegen die Rechtsverordnung auch keine prinzipale verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle im Verfahren nach § 47 VwGO möglich. Denn eine sachliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung über die Gültigkeit von im Rang unter dem formellen Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften besteht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AGVwGO Rheinland-Pfalz nicht für Rechtsverordnungen, die – wie hier – Handlungen eines Verfassungsorgans im Sinne des Art. 130 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sind.
Eine abstrakte Normenkontrolle der Regierungsverordnung zur Überprüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit, insbesondere mit Blick auf den in Art. 47 und Art. 57 der Verfassung für Rheinland-Pfalz garantierten besonderen Sonntagsschutz, ist nur durch den Verfassungsgerichtshof im Verfahren der Normenkontrolle nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz möglich (Jutzi, in: Brocker/Droege/Jutzi, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., Art. 130 Rdnrn. 9, 29, 54).
c) Eine Aussetzung des Zivilprozesses zwecks Herbeiführung einer verfassungsgerichtlichen Prüfung der Regierungsverordnung vom 13. März 2007 im Wege der konkreten Normenkontrolle (Richtervorlage) nach Art. 100 Abs. 1 GG oder nach Art 130 Abs. 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um ein formelles (Parlaments-) Gesetz handelt. Erwogen hat der Senat eine Richtervorlage von § 7 Abs. 2 LadöffnG Rheinland-Pfalz wegen der Frage, ob die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Durchführungsverordnung dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Wesentlichkeitsprinzip des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz genügt. Letztlich hat der Senat aber nicht die für die Zulässigkeit einer Vorlage an den Verfassungsgerichtshof zwingend erforderliche sichere Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage gewonnen; denn es besteht die Möglichkeit ihrer verfassungskonformen Auslegung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.05.2014, 6 C 10122/14, LKRZ 2014, 470 für § 10 LadöffnG) unter Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien (LTDrs. 15/387; S. 13).
2. War die Landesverordnung vom 13. März 2007 zur Durchführung des § 7 Abs. 2 LadöffnG ursprünglich rechtsgültig, hat die nachträgliche Veränderung der für ihren Erlass bestimmend gewesenen tatsächlichen Verhältnisse, nämlich die Einstellung des Verkehrsflugbetriebes am Flugplatz Zweibrücken im Jahr 2014, nicht dazu geführt, dass die Verordnung wegen Wegfalls ihres Sinns und Zwecks automatisch ungültig (“obsolet“) wurde. Für ihre gegenteilige Rechtsauffassung führt die Klägerin die römisch-rechtliche Rechtsregel „Cessante ratione legis cessat ipsa lex“ (dazu etwa Knütel, ZEuP 1994, 244, 253) ins Feld. Dem ist aber nicht beizutreten. Denn die Annahme des Funktionsloswerdens einer Rechtsnorm als ungeschriebener Tatbestand für ihr Erlöschen würde bei den Rechtsunterworfenen und im Rechtsverkehr zu nicht hinnehmbaren Unsicherheiten über den jeweiligen Bestand des gültigen Rechts führen. Das ist mit den Geboten der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren. Vielmehr lässt das faktische Funktionsloswerden einer einmal rechtmäßig erlassenen Rechtsverordnung deren Existenz und Fortgeltung unberührt. Unbeschadet dessen kann eine schwerwiegende Veränderung der tatsächlichen Umstände aber die rechtliche Verpflichtung der Gesetzgebungsorgane begründen, die Verordnung in dem dafür vorgesehenen Verfahren durch einen Rechtsetzungsakt zu beseitigen oder anzupassen; das ist insbesondere der Fall, wenn eine Rechtsverordnung mit höherrangigem Recht auch inhaltlich unvereinbar (geworden) ist (Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, Grundgesetz-Kommentar, 96. EL, Art 80 Rdnrn. 53, 54 m.w.N.).
Die seit dem Erlass der Regierungsverordnung vom 13. März 2007 durch gefestigte höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte weiter verschärften Anforderungen an eine Zulassung der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen sowie das Gebot einer verfassungskonformen Auslegung des rheinland-pfälzischen Ladenöffnungsrechts sind der Exekutive des Landes im Übrigen bekannt (siehe dazu etwa den Internetauftritt der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier, Menüpunkt Ladenöffnungsrecht, Rundschreiben der Aufsichtsbehörde an die kommunalen Vollzugsbehörden vom 06. Dezember 2016, vom 24. Oktober 2019 und vom 30. Mai 2022, jeweils zum Az. 45-171). Wiederholende Ausführungen dazu sind an dieser Stelle nicht angezeigt.
3. Selbst wenn die Verordnung der Landesregierung vom 13. März 2007 von Anfang an rechtswidrig gewesen sein sollte, steht dem Erfolg der Klage entgegen, dass die Norm das mit der Klage beanstandete Verhalten der Beklagten ausdrücklich gestattet.
Es ist anerkannten Rechts, dass der Tatbestand eines unlauteren Wettbewerbsverhaltens unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§ 3a UWG) nicht erfüllt ist, wenn und solange ein Marktverhalten (eine geschäftliche Handlung) von den zuständigen Behörden als rechtlich zulässig bewertet und insbesondere durch einen (nicht nichtigen) begünstigenden Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) ausdrücklich erlaubt ist (BGH, Urteil vom 23.06.2005, I ZR 194/02, GRUR 2005, 778 unter II.1. – Atemtest; BGH, Urteil vom 24.09.2013, I ZR 73/12, GRUR 2014, 405, Tz.15 – Atemtest II; BGH, Urteil vom 30.04.2015, I ZR 13/14, GRUR 2015, 1228, Tz. 31 – Tagesschau-App; BGH, Urteil vom 13.09.2018, I ZR 26/17, NJW 2018, 3581 Tz. 27 – Prozessfinanzierer; BGH, Urteil vom 13.12.2018, I ZR 3/16, GRUR 2019, 298, Tz. 24 – UBER BLACK II; BeckOK UWG/Rehart/Ruhl/Isele, 16. Ed. 25.3.2022, UWG (i.d.F. v. 28.5.2022) § 5 Rn. 226, 227; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.48). Wegen der sog. „Tatbestandswirkung“ derartiger Verwaltungsakte sind diese einer Nachprüfung durch die (Wettbewerbs-) Zivilgerichte entzogen, auch wenn das Gericht die behördliche Erlaubnis für rechtswidrig hält.
Eine dementsprechende „Legitimation“ oder „Legalisierung“ wettbewerblichen Verhaltens (hier: der Feriensonntagsöffnungen im Ladenlokal der Beklagten in dem ZFO) muss aber gleichermaßen angenommen werden, wenn die beanstandete geschäftliche Handlung nicht (bloß) durch (Einzelfall-) Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, sondern – wie im Streitfall – unmittelbar durch eine selbst vollziehende Erlaubnis des Verordnungsgesetzgebers – mag diese auch möglicherweise einer Kontrolle am Maßstab höherrangigen innerstaatlichen Rechts nicht Stand halten – ausdrücklich erlaubt ist. Anders verhielte es sich nur, wenn das positive Recht (die Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 LadöffnG) sich in einem solch unerträglichen Maß von der Gerechtigkeit entfernte, dass das Gesetz als „unrichtiges Recht“ der Gerechtigkeit zu weichen hätte (sog. Radbruch’sche Formel). Ein derart extrem gelagerter Ausnahmefall liegt, wie nicht weiter ausgeführt werden muss, hier offensichtlich nicht vor.
Hinzu kommt:
a) Die für die Überwachung der Einhaltung der Ladenöffnungszeiten in dem ZFO zuständige kommunale Vollzugsbehörde ist wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) an die für sie verbindliche Durchführungsverordnung der Landesregierung zu § 7 Abs 2 LadöffnG Rheinland-Pfalz gebunden und kann daher auch keine damit unvereinbare Untersagungsverfügung gegen die Beklagte erlassen. Wenn aber die streitgegenständlichen Feriensonntagsöffnungen der Beklagten durch die zuständige Verwaltungsbehörde wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts derzeit nicht verboten werden können, kommen auf § 3a UWG gestützte wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche ebenfalls nicht in Betracht, weil der Tatbestand des „Rechtsbruchs“ nicht ohne Gesetzesverstoß erfüllt sein kann (vgl. BGH GRUR 2014, 405 Tz. 14, 15 – Atemtest II).
b) Eine andere Beurteilung wäre auch nicht damit zu vereinbaren, dass ein nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich erlaubtes Verhalten nicht Grundlage für eine Verurteilung sein kann, mit welcher einem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten künftig zu unterlassen und seinetwegen für die Vergangenheit Schadensersatz zu leisten. In einem Rechtsstaat müssen sich die Rechtsunterworfenen im Voraus darauf einrichten können, ob ihr Verhalten rechtlich erlaubt ist oder nicht. Wer sich, wie die Beklagte, an das geschriebene Recht hält und damit rechtstreu verhält, muss die Gewissheit haben, dafür nicht – auch nicht auf die Zivilklage eines Wettbewerbers hin – sanktioniert zu werden (vgl. auch OLG Schleswig GRUR-RR 2021, 133 Tz. 52).
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
IV.
Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob geschäftliche Wettbewerbshandlungen im Falle der Konformität des Verhaltens mit einer durch Rechtsverordnung erteilten Erlaubnis auch dann „legitimiert“ und deshalb nicht unlauter sind, wenn das (Verordnungs-) Gesetz gegen höherrangiges nationales Recht verstößt, kann sich auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen. Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu liegt, soweit hier ersichtlich, nicht vor. Der Senat lässt deshalb gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts die Revision zu dem Bundesgerichtshof zu.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben