Europarecht

8 C 19/20

Aktenzeichen  8 C 19/20

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:210421U8C19.20.0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 30. April 2020, Az: 6 A 2166/18, Urteilvorgehend VG Frankfurt, 5. September 2018, Az: 7 K 3211/16.F, Urteil

Tenor

Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist ein österreichisches Versicherungsunternehmen, das in Deutschland Erstversicherungen anbietet. Die Beklagte ordnete mit “Sammelverfügung” vom 20. September 2013 an, dass alle zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Erstversicherungsunternehmen jährlich zum 1. März einen Beschwerdebericht einzureichen hätten. Der Widerspruch der Klägerin blieb im Wesentlichen erfolglos.
2
Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung aufgehoben, soweit sie Rechtswirkung gegenüber der Klägerin entfaltet, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Sammelverfügung verletze die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie Adressatin dieses Bescheides sei. Er finde zwar – für den Zeitraum bis Ende 2015 – in § 110a Abs. 4 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der bis Ende 2015 geltenden Fassung (VAG a.F.) und danach in § 62 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 i.V.m. § 298 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 294 Abs. 2 Satz 2 VAG jeweils eine Rechtsgrundlage im nationalen Recht. Die Anordnung einer jährlichen Berichtspflicht bezüglich der Beschwerden stelle eine Maßnahme der sogenannten Missstandsaufsicht dar und gehöre nicht zur Finanzaufsicht, für die allein die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaates zuständig sei. Die Missstandsaufsicht sei jedoch mit Unionsrecht nicht vereinbar. Die Richtlinie 2009/138/EG vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II; im Folgenden: Solva II-RL) lasse nur eine Rechtsaufsicht über die Versicherungsunternehmen zu. Die Mitgliedstaaten dürften keine darüber hinausgehenden Aufsichtsmaßnahmen wie die hier angeordnete vorsehen.
3
Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision trägt die Beklagte vor: Das Berufungsurteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar, weil sie nicht damit habe rechnen müssen, dass der Verwaltungsgerichtshof die einschlägigen nationalen Vorschriften für unionsrechtswidrig halte. Der Rechtsstreit habe sich in der Hauptsache erledigt, da die Klägerin im Lauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf ein anderes Unternehmen verschmolzen worden sei. In der Sache begrenze die Solva II-Richtlinie die Befugnisse der Mitgliedstaaten nicht auf eine reine Rechtsaufsicht, sondern lasse – entsprechend dem früheren Rechtszustand – auch eine Missstandsaufsicht zu.
4
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2020 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2018 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
5
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
7
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verweist auf eine Stellungnahme der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA). Darauf lasse sich die Annahme stützen, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der Aufsicht Spielräume für eigene, über eine reine Legalitätsaufsicht hinausgehende Regelungen hätten.


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