Europarecht

Abschiebung, Bescheid, Darlegungserfordernis, Ausreisepflicht, Fluchtgefahr, Abschiebehaft, Darlegungsanforderungen, Haftantrag, Haftgrund, BAMF, FamFG, Haft, Erforderlichkeit, AufenthG

Aktenzeichen  9 XIV 17/21 (B)

Datum:
22.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45108
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erding
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die mit Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 11.01.2021 angeordnete Sicherungshaft gegen den Betroffenen wird verlängert.
2. Die Haft endet spätestens mit Ablauf des 12.02.2021.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

I
Der Betroffene ist syrischer Staatsangehöriger.
Mit Beschluss Amtsgerichts Erding vom 11.01.2021 wurde gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung angeordnet. Auf den Beschluss des Amtsgerichts Erding wird zur Ergänzung vollumfänglich Bezug genommen.
Der Betroffene ist aufgrund seiner unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Der Asylantrag wurde durch das BAMF als unzulässig abgelehnt. Die Abschiebung nach Rumänien wurde angeordnet. Die Abschiebungsanordnung wurde am 05.01.2021 bestands- / rechtskräftig.
Die Rückführmaßnahme nach Rumänien war für den 20.01.2021 geplant. Der Betroffene wurde am 20.01.2021 durch den Zuführdienst in der JVA Erding abgeholt und mit zwei weiteren 9 XIV 17/21 (B) Rückzuführenden nach Frankfurt verbracht. Abflug Frankfurt um 11:15 Uhr. Ankunft: Bukarest 14:40 Uhr.
Kurz vor dem Zustieg zum Luftfahrzeug verweigerte der Betroffene den Zustieg. Aufgrund seines vorherigen Verhaltens während der Abschiebehaft wurden keine Personenbegleiter Luft angefordert. Diese wären auch aufgrund seines Verhaltens in der Haft nicht genehmigt worden. Durch den Luftfahrzeugführer wurde die Mitnahme verweigert. Eine Rückführung innerhalb der bestehenden Haft bis zum 25.01.2021 ist aufgrund von fehlenden Flugkapazitäten und erforderlicher Vorankündigung vov 12 Tagen an Rumänien nicht mehr möglich. Nach Rücksprache mit BPOLP, Ref. 25 besteht frühestens am 10.02.2021 die Möglichkeit die Person mit Begleitung Personenbegleiter Luft nach Rumänien zurückzuschieben.
Am 20.01.2021 beantragte die Bundespolizeiinspektion Waidhaus die Verlängerung der Haft gegen den Betroffenen. Auf den Antrag wird zur Ergänzung Bezug genommen.
II.
Dem Betroffenen wurde im Rahmen der heutigen Anhörung in gebotener Weise vor der Entscheidung rechtliches Gehör gewährt. Es erklärte, dass er Einwände habe. Er habe den Asylantrag in Rumänien unter Zwang gestellt. Die Behandlung dort sei menschenunwürdig. Er wolle in Deutschland bleiben. Im Übrigen wird auf das Protokoll vom heutigen Tag verwiesen.
III.
Die zuständige Ausländerbehörde hat den Haftantrag zulässig und ausreichend begründet.
Der vorliegende Haftantrag genügt den Darlegungsanforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH vom 15.09.2011, Az V ZB 123/11; vom 10.05.2012, Az V ZB 246/11). Insbesondere werden verlangt – wie hier erfolgt – Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Zurückschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Zurückschiebung und zu der notwendigen Haftdauer, §§ 425 III, 417 II 2 Nr. 3-5 FamFG. Das Darlegungserfordernis soll gewährleisten, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und dass das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 II FamFG gewahrt wird, wobei die Darlegungen knapp gehalten sein dürfen, solange sie die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falles ansprechen (BGH FGPrax 2011, 317).
Das Gericht erachtet diese Voraussetzungen unter Bezugnahme auf Ziffer I. für erfüllt. 1.
Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Mit Bescheid des BAMF vom 23.12.2020 wurde die Abschiebung nach Rumänen angeordnet. Der Bescheid ist bestandskräftig. Die in dem Haftbeschluss des AG Erding vom 11.01.2021 festgestellten Haftgründe bestehen fort. Es liegt der Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr iSv Art. 28 II, 2 n) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm § 2 Abs. 14 Satz 1 und 2 Nr. 1 AufenthG. Ferner hat sich der Betroffene der geplanten Zurückschiebung am 20.01.2021 entzogen, indem er den Einstieg in das Flugzeug verweigerte, § 2 Abs. 14 Satz 1, 62 Abs. 3a Nr. 5 AufenthG.
Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass sich der Betroffene, auf freiem Fuß belassen, für die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hinsichtlich der Zurückschiebung nicht bereit bzw. zur Verfügung halten wird.
Letztlich wird ergänzend auf die Gründe des Antrages der zuständigen Ausländerbehörde vom 20.01.2021 sowie des Beschlusses des AG Erding vom 11.01.2021 Bezug genommen.
2. Gründe, die ein Absehen von der Zurückschiebungshaft rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich bzw. nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen liegen Zurückschiebungshindernisse nicht vor. Umstände, die einer Durchführung der Zurückschiebung innerhalb der nächsten 3 Monate aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, entgegenstehen, sind nicht erkennbar (§§ 57 Abs. 2, 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG).
Das Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaften ist weitehrin nicht erforderlich, § 72 Abs. 4 AufenthG.
3. Die Ausländerbehörde hat auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum die Zurückschiebungshaft in der beantragten Länge bis zum 12.02.2021 erforderlich und unverzichtbar ist.
Sie trägt hierzu plausibel vor:
Die Rückführmaßnahme nach Rumänien über Frankfurt war für den 20.01.2021 geplant. Kurz vor Zustieg zum Luftfahrzeug verweigerte Herr N.N. den Zustieg. Daraufhin verweigerte der Luftfahrzeugführer die Mitnahme. Durch dieses Verschulden des Rückzuführenden musste die Maßnahme abgebrochen werden und die Person wird am 20.01.2021 wieder in die JVA Erding eingeliefert. Haftdauer nach § 417 FamFG noch bis 25.01.2021.
Nach Rücksprache mit Ref. 25 des Bundespolizeipräsidiums Potsdam besteht frühestens am 10.02.2021 die Möglichkeit die Person mit Begleitung Personenbegleiter Luft nach Rumänien zurückzuschieben. Aufgrund seines Verhaltens ist diese Begleitung erforderlich und bedarf einer umfangreicheren Planung. Zudem ist für Rumänien eine Überstellung 12 Werktage im Voraus anzukündigen. Durch die Bundespolizeiinspektion Waidhaus wurden bereits erste Planungen der Rückführmaßnahme unternommen.
Weiterhin sollten 3 Werktage zusätzlich mit eingeplant werden, für den Fall des Scheiterns der Rückführung und der dadurch erneut erforderlichen Richtervorführung.
Aufgrund der o.a. konkreten Informationen beantragt die Bundespolizeiinspektion Waidhaus daher die Verlängerung Freiheitsentziehung gem. § 417 FamFG für die Dauer von 18 Tagen bis einschließlich 12.02.2021.
Eine kürzere Haftdauer würde aufgrund des ohnehin sehr eng gesteckten Zeitrahmens, nach hiesiger Meinung nicht ausreichen.
Die Dauer der bis zum 12.02.201 angeordneten Haft wird somit von der Behörde glaubhaft mit den für die Organisation und Durchführung der Zurückschiebung nach Rumänien notwendigen Erfordernissen begründet.
Sollte eine Zurückschiebung doch zu einem früheren Zeitpunkt möglich sein, so ist die Behörde aufgrund des Beschleunigungsgebots gehalten, den Betroffenen unverzüglich zurückzuschieben.
Die 6-Wochen-Frist nach Art. 28 Abs. 3 UA 3 und 4 Dublin-III-VO wird gewahrt, da der Betroffene durch sein Verhalten bei der geplanten Zurückschiebung eine erneute 6-WochenFrist in Lauf gesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 06.04.2017, Az.: V ZB 126/16).
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vor. Es liegt im Ermessen der abschiebenden Behörde, ob sie eine Abschiebung mit Begleitung oder unbegleitet durchführt. Vorliegend teilte die Bundespolizei nachvollziehbar mit, dass eine Sicherheitsbegleitung aufgrund des bisherigen Verhaltens des Betroffenen nicht angezeigt war. Weiter hat die Behörde im Rahmen ihres Ermessens auch zu Berücksichtigen, dass eine unbegleitete Rückführung letztlich einen geringeren Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und damit verhältnismäßig.
Die Bundespolizeiinspektion Waidhaus nimmt eine 12 tägige Vorankündigungsfrist an, da Sie diese über das BAMF steuern muss und das BAMF.
4. Die Inhaftierung erweist sich auch weiterhin als verhältnismäßig. Ein milderes Mittel als die Inhaftierung ist weiterhin nicht ersichtlich. Weiter hat der Betroffene die Verlängerung durch sein Verhalten im Rahmen der Zurückschiebung zu vertreten.
Letztlich wird ergänzend auf den Antrag der zuständigen Ausländerbehörde vom 20.01.2021 sowie auf den Beschluss des AG Erding vom 11.01.2021 Bezug genommen.
IV.
Das Verfahren beruht auf den §§ 416, 418, 419, 420, 421, 425 III FamFG. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung beruht auf § 422 Abs. 2 FamFG.


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