Europarecht

Anpassung von Preiskonditionen in Stromlieferungsverträgen, die an den Erzeugungskosten eines Kohlekraftwerks angelehnt sind

Aktenzeichen  29 U 2041/18 Kart

Datum:
18.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WuW – 2019, 596
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 307 Abs. 1, Abs. 2
GWB § 1, § 19, § 33
StromGVV § 1
PrKlG § 1, § 8
AEUV Art. 101

 

Leitsatz

1. Will ein Unternehmen Strom zur Weiterverteilung an seine Kunden zu Preiskonditionen beziehen, die sich nicht an den Marktpreisen, sondern an den Erzeugungskosten eines Kohlekraftwerks orientieren, ist der im Hinblick auf die Verbote nach § 1 GWB und § 19 GWB relevante Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept der Erstabsatzmarkt für Strom, nicht ein Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen (anders noch OLG München Urteil v. 27.04.2017, Az. U 3922/15 Kart). (Rn. 26)
2. Haben die Parteien eines Stromliefervertrags die Preisgestaltung an die Erzeugungskosten eines modernen Kohlekraftwerks angenähert, weil der Vertragspartner des Stromlieferanten ähnlich gestellt werden sollte wie bei dem ursprünglich geplanten Bau eines eigenen Kraftwerks, hat der Vertragspartner des Stromlieferanten wie ein tatsächlicher Kraftwerksbetreiber auch das Risiko fallender Marktpreise zu tragen. Entfernt sich der vertraglich vereinbarte Preis zu Lasten des Vertragspartners des Stromlieferanten von den Marktpreisen, hat dieser keinen Anspruch auf Anpassung des Vertragspreises aufgrund einer im Vertrag enthaltenen sog. Wirtschaftsklausel. (Rn. 41)

Verfahrensgang

4 HK O 22341/13 2018-07-18 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.05.2018, berichtigt durch Beschluss vom 18.07.2018, werden zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

II.
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig, aber nicht begründet. Der von der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Stromlieferungsvertrag ist weder nichtig, noch ist der Vertragspreis gemäß Ziffer 14 oder Ziffer 15 des Vertrages anzupassen. Die im Vertrag enthaltene Preisanpassungsklausel verstößt zwar gegen § 1 PrKlG, die Unwirksamkeit tritt aber erst mit Rechtskraft der diesbezüglichen Feststellung, somit mit Rechtskraft dieses Urteils ein. Über die an die Stelle der bisherigen Klausel tretende Regelung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses in diesem Verfahren noch nicht zu entscheiden.
1. Der Vertrag ist nicht aus kartellrechtlichen Gründen gemäß § 134 BGB nichtig.
Zwar begehrt die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages aus kartellrechtlichen Gründen nur hilfsweise für den Fall der Ablehnung der vorrangigen Berufungsanträge zu 1), 3)-6). Da die seitens der Klägerin mit den vorrangig gestellten Anträgen begehrte Vertragsanpassung jedoch nicht in Betracht kommt, wenn der Vertrag tatsächlich entsprechend ihrem Vorbringen nichtig wäre, ist trotz der von der Klägerin vorgenommenen Reihung der Anträge vorab zu prüfen, ob der Vertrag gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt.
a) Der Vertrag verstößt nicht gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV. Durch den streitgegenständlichen Vertrag wird eine Wettbewerbsbeschränkung weder bezweckt noch eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Zwar kann die Beklagte den Strom, den sie aufgrund des Vertrages an die Klägerin liefert, nicht mehr an andere Abnehmer liefern und die Klägerin kann diesen Strom nicht mehr von anderen beziehen, diese jedem Austauchvertrag immanente Wettbewerbsbeschränkung ist jedoch nicht von § 1 GWB, Art. 101 AEUV erfasst (vgl. Krauß in Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. § 1 Rn. 145).
Eine Wettbewerbsbeschränkung ergibt sich vorliegend auch nicht aus einer schweren Zugänglichkeit des relevanten Marktes in Verbindung mit einer langfristigen Bezugsbindung. Ob Verträge mit langfristigen Bezugsbindungen vom Verbot des Art. 101 AEUV, § 1 GWB erfasst werden, hängt davon ab, ob sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, dass diese in ihrer Gesamtheit geeignet sind, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Ist dies nicht der Fall, können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht im Sinne von Art. 101 AEUV oder § 1 GWB beschränken. Erweist sich hingegen, dass der Markt schwer zugänglich ist, so fallen die Verträge derjenigen Lieferanten, die nicht nur unerheblich zur Marktabschottungswirkung beitragen, unter das Verbot des Art. 101 AEUV, § 1 GWB (vgl. BGH NJW-RR 2009, 1635 Rn. 35 zu Art. 81 EG und Becker in Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl., Syst. IX Rn. 157 ff.). Die mit dem Abschluss des Liefervertrags einhergehende Ausschlusswirkung ist umso größer, je länger der Vertrag läuft und je größer der Anteil des Bedarfs ist, der durch den Vertrag erfasst wird (BGH NJW-RR 2009, 1635 Rn. 37).
aa) Der relevante Markt ist der Erstabsatzmarkt für Strom, auf dem die Stromerzeuger ihren Strom anbieten, entgegen der Auffassung des Senats im Urteil vom 27.04.2017, Az. U 3922/15 Kart (WuW 2017, 618 Rn. 156 ff.) nicht ein Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen. Virtuelle Kraftwerksbeteiligungen, bei denen wie vorliegend lediglich der Preis an die Kosten eines Kraftwerks angelehnt wird, sind mit physischen Kraftwerksbeteiligungen, bei denen der Erwerber der Beteiligung tatsächlich zum Miterzeuger wird, nicht vergleichbar. Entscheidend ist, dass die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Vertrag einen Teil des Strombedarfs, den sie für die Weiterverteilung an ihre Kunden benötigt, decken will und er sich insoweit nicht von anderen Bezugsverträgen unterscheidet. Dass sich der Vertragspreis nicht an den Marktpreisen, sondern den Erzeugungskosten eines Kohlekraftwerks orientiert, betrifft allein die Preisbildung und ändert nach dem Bedarfsmarktkonzept nichts an dem für die Bedarfsdeckung relevanten Markt.
bb) Nach dem maßgeblichen Vortrag der Parteien kann der Strommarkt im Jahr 2005 nicht mehr als schwer zugänglich angesehen werden. Zwar beruft sich die Klägerin im Hinblick auf die vermeintliche Kartellrechtswidrigkeit des Vertrages auf das Sondergutachten der Monopolkommission aus dem Jahr 2007, in dem ausgeführt ist, dass von einem funktionsfähigen Wettbewerb noch nicht gesprochen werden kann (vgl. Monopolkommission, Sondergutachten Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung, BT-Drucks. 16/7087, S. 14), auch sie bestreitet aber nicht, dass es sich 2005 bei der Strombörse und dem Großhandelsmarkt um hinreichend liquide Märkte gehandelt hat, sondern führt dazu sogar selbst aus (vgl. etwa S. 29 der Berufungsbegründung, Bl. 1841 der Akten). Jedenfalls über diese liquiden Märkte war ein Marktzutritt 2005 somit möglich.
cc) Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin ist der Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags zudem gerade eine Folge der erfolgreichen Liberalisierung und Öffnung des Strommarktes. Die Beklagte war nach dem Vortrag der Klägerin zum Abschluss des Vertrages zu den für die Klägerin (vermeintlich) günstigen Bedingungen bereit, weil sie sich einer bedrohlichen Konkurrenz auf dem Erzeugungsmarkt durch die Investitionsbestrebungen Dritter hinsichtlich neuer Kraftwerke ausgesetzt sah. Zur Abwendung dieser „dramatischen Entwicklungen“ hätten die Beklagte und andere große Energieunternehmen das streitgegenständliche Modell der virtuellen Kraftwerksscheibe entwickelt und angeboten (vgl. insbesondere Schriftsatz der Klägerin vom 30.06.2014, S. 2, 3, Bl. 172, 173 der Akten). Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin betont, dass die Beklagte zum Abschluss des Vertrages zu den für die Klägerin aus damaliger Sicht sehr vorteilhaften Preiskonditionen bereit gewesen sei, weil sie aufgrund der zunehmenden Konkurrenz ansonsten um den Absatz des Stroms aus ihren Erzeugungskapazitäten fürchtete. Gleiches ergibt sich aus der Einvernahme des seitens der Klägerin benannten Zeugen K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, der ausgesagt hat, dass die zunehmende Konkurrenz durch auf den Markt strebende Erzeuger die Beklagte bewegt hat, entsprechende Angebote zu unterbreiten. Nach dem maßgeblichen Vortrag der Klägerin war der Markt zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen somit nicht schwer zugänglich, sondern die Vertragskonditionen sind gerade die Folge der damals bereits gegebenen Zugänglichkeit des Marktes für weitere Erzeuger.
dd) Ein Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV kommt zudem nicht in Betracht, weil der streitgegenständliche Stromlieferungsvertrag keine Bezugsbindung enthält. Die Parteien haben weder eine Mindestbezugsmenge vereinbart, noch enthält der Vertrag eine Bedarfsdeckungsvereinbarung.
(1) Die Klägerin ist rechtlich nicht verpflichtet, eine bestimmte Mindestmenge Strom über den Vertrag zu beziehen. Nach Ziffer 2. des Vertrages hat die Klägerin lediglich die Option, Strom von der Beklagten zu den Vertragsbedingungen zu beziehen, aber keinerlei Verpflichtung. Auch Ziffer 4. des Vertrages enthält keine Abnahmeverpflichtung, sondern lediglich Zahlungspflichten, wenn die von der Klägerin mitgeteilten Abnahmeprognosen unzutreffend sind.
Auch eine faktische Bezugsverpflichtung einer bestimmten Mindestmenge Strom kann nicht angenommen werden. Die Wirtschaftlichkeit des Strombezugs ist in Anbetracht der getroffenen Preisregelung nicht von einer bestimmten Mindestbezugsmenge abhängig. Da der Leistungspreis unabhängig vom tatsächlichen Bezug zu zahlen ist und sich bei einem tatsächlichen Bezug auch nicht verringert, führt die Preisregelung zu keiner faktischen Bezugsverpflichtung. Wieviel Strom die Klägerin über den streitgegenständlichen Vertrag aus wirtschaftlichen Gründen vernünftiger Weise beziehen sollte, hängt maßgeblich davon ab, wie sich der Arbeitspreis jeweils zum Börsenpreis verhält. Soweit der Börsenpreis unter den von der Klägerin zu zahlenden Arbeitspreis fällt, ist der Bezug von Strom seitens der Klägerin über den Vertrag wirtschaftlich nicht sinnvoll, so dass sie in diesem Fall von jeglichem Bezug über den Vertrag absehen und den insoweit benötigten Strom vollständig anderweitig am Markt beziehen wird. Ist der Arbeitspreis im Verhältnis zum jeweils aktuellen Börsenpreis für die Klägerin günstig, wird sie den für ihre Kunden benötigten, nicht eigenerzeugten Strom vollständig oder fast vollständig über den Vertrag beziehen, wie sie es ja auch tatsächlich in etlichen Jahren getan hat. Die kartellrechtliche Zulässigkeit des abgeschlossenen Vertrages nach § 1 GWB ist aber nicht rückblickend abhängig von der Entwicklung der Börsenpreise zu beurteilen.
(2) Der Vertrag enthält auch weder eine rechtliche noch eine faktische Bedarfsdeckungsvereinbarung. Nach dem Vertrag ist die Klägerin nicht nur nicht verpflichtet, eine bestimmte Mindestmenge Strom abzunehmen, sondern auch nicht, einen bestimmten Anteil ihres Bedarfs über den Vertrag zu decken. Eine Bedarfsdeckungsvereinbarung im Hinblick auf den Anteil des fremdbezogenen Stroms für die Kunden der Klägerin enthält der Vertrag nicht nur deshalb nicht, weil er schon keine Bezugsverpflichtung enthält, sondern auch, weil der Vertrag keine Regelung dazu trifft, wie die Klägerin den bezogenen Strom zu verwenden hat. Der Klägerin steht es völlig frei, den über den Vertrag bezogenen Strom für den Bedarf ihrer Kunden zu verwenden oder auch über die Börse weiter zu veräußern, wie sie es hinsichtlich eines Teils des über den Vertrag bezogenen Stroms unstreitig in den Jahren 2006, 2008 und 2011 auch getan hat (vgl. S. 23 des Schriftsatz der Klägerin vom 12.01.2015, Bl. 614 der Akten). Die Klägerin ist nicht nur Nachfragerin von Strom auf dem Stromerstabsatzmarkt und Weiterverteilerin des Stroms an Endkunden, sondern auch Stromerzeugerin und Stromhändlerin an der Börse, an der sie den eigenerzeugten und auch den über den Vertrag bezogenen Strom veräußern kann. Der streitgegenständliche Vertrag ist nur ein Baustein innerhalb des Erzeugungs- und Bezugsportfolios der Klägerin, mit dem Klägerin innerhalb ihrer Vertriebsaktivitäten frei jonglieren kann. Eine Abrede im Hinblick auf die Bedarfsdeckung ihrer Stromkunden enthält er nicht.
ee) Soweit die Klägerin meint, der Vertrag enthalte eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, kann dem nicht gefolgt werden, da die „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ nicht über das hinausgeht, was jedem Austauchvertrag immanent ist. Selbstverständlich hindert der Vertrag die Klägerin, den Strom, den sie über den Vertrag bezieht, von einem anderen Anbieter zu beziehen, wie bei jedem anderen Austauschvertrag auch und die Beklagte bezweckte mit dem Vertrag auch, der Klägerin eine interessante Alternative zum Aufbau weiterer eigener Erzeugungskapazitäten zu bieten und sie damit zu bewegen, von einem Ausbau weiterer eigener Erzeugungskapazitäten abzusehen. Jedem Liefervertrag ist jedoch der Zweck immanent, dass der Belieferte den entsprechenden Bedarf durch Bezug von seinem Vertragspartner und nicht durch Einkauf bei einem Konkurrenten oder durch Aufbau eigener Erzeugungskapazitäten deckt. Diese „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ ist nicht vom Verbot des § 1 GWB, Art. 101 AUEV umfasst. Die Klägerin ist durch den Vertrag in keiner Weise gehindert, gleichwohl weitere Erzeugungskapazitäten aufzubauen.
b) Der Vertrag ist auch nicht gemäß § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F., § 134 BGB nichtig und zwar auch dann nicht, wenn man von einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten auf dem relevanten Erstabsatzmarkt für Strom ausgeht. Das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung wurde in der ab 13.07.2005 bis 29.06.2013 und somit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung in § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a.F. dahingehend konkretisiert, dass ein Missbrauch insbesondere vorliegt, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt. Die Klägerin sieht eine Beeinträchtigung der Wettbewerber in der langen Laufzeit des Vertrages. Da der Vertrag jedoch keine Bezugsverpflichtung oder Bedarfsdeckungsabrede enthält, sind die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmer, wie unter 1.a) dargelegt, durch diesen nicht in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise beeinträchtigt. Zudem erfolgte die Vereinbarung der langen Vertragslaufzeit nicht ohne sachlichen Grund. Ausweislich Ziffer 1. des Vertrages war Gegenstand des Vertrages, dass die Klägerin im Rahmen des Vertrages ähnlich wie beim Bau eines eigenen Kraftwerks gestellt wird. Dieser – legitime -Vertragszweck kann nur durch einen Vertrag mit einer langen Vertragslaufzeit erreicht werden, da es sich auch beim Bau eines eigenen Kraftwerks um ein langfristiges Investment handelt. Die lange Vertragsdauer ist somit auch im Hinblick auf die Wettbewerbsmöglichkeiten der anderen Unternehmer gerechtfertigt. Ihre Wettbewerbsmöglichkeiten sind durch den Vertrag keinesfalls stärker als durch den Bau eines eigenen Kraftwerks durch die Klägerin beeinträchtigt.
c) Der Vertrag ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F., § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB unwirksam. Die Beklagte hat keine Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen gefordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden.
aa) Soweit die Klägerin auf die 20-jährige Vertragslaufzeit, die auf ihren Wunsch zurückgeht, abstellt, ist diese durch den Vertragszweck, die Klägerin ähnlich wie bei dem ursprünglich geplanten Bau eines eigenen Kraftwerks zu stellen, bedingt. Die Vertragsdauer steht somit in keinem Zusammenhang mit der von der Klägerin behaupteten marktbeherrschenden Stellung der Beklagten und fehlendem Wettbewerb, sondern ist, wie unter 1. a) cc) dargelegt, gerade Folge der auf dem Stromabsatzmarkt eingetretenen Konkurrenzsituation, die die Beklagte veranlasst hat, entsprechende Verträge über „virtuelle Kraftwerksscheiben“ anzubieten.
bb) Auch hinsichtlich der Entgelthöhe bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese eine Folge nicht funktionierenden Wettbewerbs sein könnte. Das vereinbarte Entgelt lag bei Vertragsschluss unstreitig unter den Marktpreisen. Wie gerade die Klägerin betont, war bei Vertragsschluss nicht absehbar, dass sich der Vertragspreis vom Marktpreis zu Lasten der Klägerin entwickeln würde. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, dass sich der für die Klägerin vermeintlich günstige Vertragspreis bei wirksamem Wettbewerb nicht ergeben hätte.
2. Der Berufungsantrag 1), der Hilfsantrag 3) und der Hilfsantrag 4) der Klägerin sind nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anpassung des Vertragspreises nach Ziffer 14. des Vertrages. Die Klägerin hat das Risiko übernommen, dass sich der Vertragspreis zu ihren Lasten vom Marktpreis entfernt.
a) Ziffer 14. des Vertrages enthält eine sog. Wirtschaftsklausel, nach der der betroffene Vertragspartner eine Anpassung des Vertrages verlangen kann, wenn sich die wirtschaftlichen, technischen oder rechtlichen Grundlagen des Vertrages so wesentlich ändern, dass ein Festhalten an den vertraglichen Bedingungen für einen Partner eine unbillige Härte darstellt. Wirtschaftsklauseln knüpfen an die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung an, so dass keine Anpassung erfolgt, wenn sich Risiken realisieren, die in die ausschließliche Risikosphäre nur einer der Parteien fallen (BGH NJW 2013, 2745, Tz. 17).
Das Risiko, dass der Vertragspreis über dem Stromgroßhandelspreis liegt, fällt ausschließlich in die Risikosphäre der Klägerin, während das Risiko steigender Stromgroßhandelspreise in die Risikosphäre der Beklagten fällt.
Die Klägerin hat nach Beendigung des seit 1973 zwischen den Parteien bestehenden Stromliefervertrags zum Ende des Jahres 2004 zur Optimierung und Diversifizierung ihres künftigen Erzeugungs- und Bezugsportfolios verschiedene Beschaffungsvarianten wie die Beschaffung über den Großhandelsmarkt, den Abschluss langfristiger Bezugsverträge und den Bau von bzw. die Beteiligung an Erzeugungskapazitäten geprüft und sich dann für den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages entschieden, dessen Gegenstand nach Ziffer 1. des Vertrages die Bereitstellung einer flexiblen Lieferung von elektrischer Energie, angelehnt an die Betriebsweise eines Steinkohlekraftwerkes ist, und in dessen Rahmen die Klägerin nach Ziffer 1. des Vertrages ähnlich gestellt wird wie bei dem ursprünglich geplanten Bau eines eigenen Kraftwerkes bei Ersparnis des Anfangsinvestments. Dementsprechend haben die Parteien die Preisgestaltung an die Erzeugungskosten eines modernen Kohlekraftwerkes angenähert, indem sie in Ziffer 5 des Vertrages einen unabhängig von der abgerufenen Leistung anfallenden Leistungspreis für die Fixkosten eines Kohlekraftwerks vereinbart haben und – abhängig von der abgerufenen Energie – einen Arbeitspreis und einen Startpreis und die Höhen der Preise entsprechend den für den Betrieb eines Kohlekraftwerks entscheidenden Preisparametern variieren. Aus diesen vertraglichen Regelungen ergibt sich, dass die Klägerin, wie ein tatsächlicher Kraftwerksbetreiber auch, das Risiko fallender Marktpreise zu tragen hat. Der Kraftwerksbetreiber setzt darauf, dass seine Erzeugungskosten unter den Grenzkosten des Grenzkraftwerks liegen und er seinen Strom somit mit Gewinn veräußern kann. Ist dies nicht der Fall, kann der Kraftwerksbetreiber seinen Strom jedenfalls an der Börse nicht veräußern und macht entsprechende Verluste, wie die Klägerin, deren Stellung an die eines Kraftwerksbetreibers angelehnt ist.
aa) Soweit die Klägerin behauptet und hierfür Beweis anbietet, dass beide Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgingen, dass der Börsenpreis nicht unter die Erzeugungskosten eines modernen Steinkohlekraftwerk fällt und der Vertragspreis sich somit unter dem Großhandelsmarktpreis bewegen wird, führt dies nicht zu einer anderen Risikoverteilung. Dafür, dass auch die Beklagte erwartet hat, dass der Großhandelsmarktpreis voraussichtlich nicht unter die Erzeugungskosten eines Kohlekraftwerks fällt, spricht schon, dass die Beklagte unstreitig selbst zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch neue Erzeugungskapazitäten in Form von Kohlekraftwerken gebaut hat. Diese Investitionsentscheidungen hätte die Beklagte kaum getroffen, wenn nicht auch sie – wie die Klägerin – davon ausgegangen wäre, dass der Strom aus modernen Kohlekraftwerken auch weiterhin rentabel vermarktet werden kann, die Erzeugungskosten somit unter den Marktpreisen liegen. Diese übereinstimmende Einschätzung der Marktentwicklung führt aber nicht zu einer anderen Risikoverteilung, denn die Parteien wollten durch den Vertrag unterschiedliche Risiken absichern. Die Klägerin wollte sich durch den Vertrag mit einer an die Erzeugerkosten angelehnten Preisgestaltung gegen das Risiko steigender Marktpreise absichern. Die Beklagte wollte durch den Vertrag das Risiko absichern, dass sie den von ihr erzeugten Strom entgegen ihrer Erwartung doch nicht zu auskömmlichen Preisen am Markt veräußern kann. Wie bereits ausgeführt, betont gerade die Klägerin die Konkurrenz durch auf den Markt strebende neue Erzeuger und trägt vor, dass es der Beklagten bei dem Vertragsschluss darum ging, langfristig den Absatz von Strom aus ihrem eigenen Kraftwerksportfolio zu auskömmlichen Preisen zu sichern (vgl. S. 2 der Replik vom 30.06.2014, Bl. 172 d. Akten). Würde das Risiko den Vertragspreis unterschreitender Marktpreise nicht bei der Klägerin liegen, wäre der Vertragsabschluss aus Sicht der Beklagten unverständlich. Diese hätte dann keinerlei Veranlassung den Strom an die Klägerin zu anfänglich und aus damaliger Sicht voraussichtlich auch dauerhaft unter dem Marktpreis liegenden Preisen zu veräußern.
bb) Soweit die Klägerin meint, der höhere Leistungspreis für die Jahre 2006 und 2007 gegenüber den Folgejahren zeige, dass der Vertragspreis nicht unabhängig vom Marktpreis sein sollte, verkennt sie, dass der höhere Leistungspreis für die Jahre 2006 und 2007 gerade dafür spricht, dass die Klägerin das Risiko unter den Vertragspreis fallender Marktpreise zu tragen hatte. Die Laufzeit des Vertrages sollte nach dem ursprünglichen Vertragsentwurf der Beklagten erst am 01.01.2008 beginnen (vgl. Anlage K 7) und ist dann auf den 01.01.2006 vorverlegt worden. Da die Beklagte im Zeitraum der Vertragsverhandlungen im Jahr 2005 über den Börsenterminmarkt den von ihr erzeugten Strom für die Jahre 2006 und 2007 schon veräußern konnte, brauchte sie für diesen Zeitraum keine Absicherung gegen fallende Marktpreise, so dass sie zur Einräumung des Bezugsrechts an die Klägerin nur zu einem gegenüber den Folgejahren erhöhten Preis bereit war. Die zwischen den Parteien unstreitige Orientierung der Vertragspreise an den Marktpreisen in den Jahren 2006 und 2007 (vgl. S. 36 des Schriftsatzes der Beklagten vom 27.02.2014, Bl. 139 der Akten und S. 25 des Schriftsatzes der Klägerin vom 30.06.2014) und die Vereinbarung eines deutlich niedrigen Leistungspreis für die Jahre 2008 ff. belegen somit die dargestellte Risikoverteilung.
cc) Auch aus Ziffer 11 des Vertrages, nach dem bei einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages ein Wertausgleich in der Form zu erfolgen hat, dass die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile einer „Alsob-Weiterführung“ saldiert und als Geldbetrag von einem der Partner an den anderen zahlbar sind, ergibt sich nicht, dass die Klägerin nicht das Risiko fallender Marktpreise zu tragen hat. Als maßgebliche Größen für diesen Wertausgleich sind der Vertragspreis der Energie einerseits und der Marktwert der Energie andererseits festgelegt. Die Regelung belegt zwar, dass der Marktpreis für Strom für den Vertrag selbstverständlich nicht unerheblich ist, aber nicht dahingehend, dass bei einer Veränderung des Marktpreises eine Anpassung zu erfolgen hat, sondern dahingehend, dass klar war, dass die Entwicklung des Marktpreises für die Wirtschaftlichkeit des Vertrages für die Parteien jeweils ausschlaggebend war. Aus der Regelung in Ziffer 11 des Vertrages ergibt sich zudem, dass der Vortrag der Klägerin, Grundlage des Vertrages sei gewesen, dass der Vertragspreis nicht über dem Marktpreis liegt, nicht zutreffend sein kann, da dann eine Ausgleichspflicht der Klägerin entgegen der Regelung in Ziffer 11 des Vertrages von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre. Dass die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen versucht hat, dass die Ziffer 11 des Vertrages gestrichen wird (vgl. Anlage B 27), lässt darauf schließen, dass ihr auch durchaus bewusst war, dass sich nach dieser Regelung auch eine Ausgleichspflicht für sie ergeben könnte, ihr somit bewusst war, dass der Vertragspreis über dem Marktpreis liegen kann, was sich durch die Aussage des Zeugen K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.07.2019 auch bestätigt hat (vgl. näher unten 2. a) ee)).
dd) Auch aus dem Konzernbezugsvertrag der Beklagten (Anlage B 28, B 28a) ergibt sich nicht, dass die dargestellte Risikoverteilung unzutreffend ist. Aus dem Konzernbezugsvertrag ergibt sich, dass die Beklagte den an die Klägerin zu liefernden Strom von einer Konzerngesellschaft zu einem Preis bezieht, der sich an dem von der Klägerin zu zahlenden Preis orientiert. Zutreffend ist, dass sich aus dem Konzernbezugsvertrag nicht ergibt, dass der an die Klägerin gelieferte Strom aus konzerneigenen Kraftwerken stammt. Es mag durchaus sein, dass die die Beklagte beliefernde Konzerngesellschaft den zu liefernden Strom an der Börse bezieht, wenn sich dies als wirtschaftlich sinnvoller erweist als der Betrieb der eigenen Kraftwerke. Dies ändert aber nichts daran, dass das Risiko der fallenden Marktpreise von der Klägerin zu tragen ist, da die Beklagte sich gegen dieses Risiko gerade durch den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages absichern wollte. Die Beklagte verringert durch den Vertrag wie beabsichtigt die Einbußen, die sie durch den Bau ihrer wider Erwarten unrentablen Kraftwerke erleidet.
ee) Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Parteien entgegen dem, was sich aus dem schriftlichen Vertragstext ergibt, tatsächlich das Verständnis hatten, dass die Beklagte die Klägerin in jeden Fall zu einem Preis, der unterhalb des Marktpreisniveaus für Strom liegt, zu beliefern hatte und der Vertragspreis sich somit an den Großhandelspreisen orientiert.
Die Einvernahme des Zeugen K., der seitens der Klägerin mit den Vertragsverhandlungen befasst war, hat vielmehr ergeben, dass der Klägerin sehr wohl bewusst war, dass nach den vertraglichen Vereinbarungen der Vertragspreis auch über dem Marktpreis liegen kann. Wie sich aus der Aussage des Zeugen K. ergibt, hat die Klägerin den Zeugen sogar damit beauftragt, verschiedene Szenarien zu entwickeln, um zu schauen, ob auf der Grundlage des Vertragsangebotes der Vertragspreis in der weiteren Zukunft auf dem Marktpreis liegen würde oder darüber oder darunter. Im Rahmen dieser Prüfung hat der Zeuge seiner Aussage nach dann Überlegungen auf der Grundlage des Kraftwerksparks Deutschland, der Zunahme der erneuerbaren Energien und des Auslaufens der Kernkraft angestellt und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Vertragspreis zum großen Teil unter dem Marktpreis liegen würde. Nach Aussage des Zeugen hat die Klägerin zudem zu den möglichen Szenarien auch extern Expertise eingeholt. Aus der Aussage des Zeugen K. ergibt sich deutlich, dass auch die Klägerin nicht das Verständnis hatte, dass die Beklagte sie auf jeden Fall zu einem Preis zu beliefern hatte, der unter dem Marktpreis liegt, und auch der Klägerin bewusst war, dass der Vertragspreis nicht an den Marktpreis gekoppelt war, sondern sich von diesem abweichend entwickeln konnte. Nur bei diesem Vertragsverständnis hatte die Klägerin Veranlassung, die vom Zeugen dargestellten Risikoprüfungen vorzunehmen.
Auch die Aussage des Zeugen D. spricht dafür, dass nach dem Verständnis der Parteien bei dem streitgegenständlichen Vertrag der Vertragspreis vom Marktpreis entkoppelt war. Der Zeuge D., der in die Vertragsverhandlungen nicht involviert war, hat gemeint, dass sich für ihn die Marktpreisorientierung des streitgegenständlichen Vertrags aus der Praxis bei dem Vertrag aus dem Jahre 1973 (Anlage K 2), der ebenfalls eine Steinkohleindexierung enthalten habe und der mehrfach auf den Marktpreis angepasst worden sei, ergebe. Der Vertragspreis im Vertrag aus dem Jahr 1973 war zwar ursprünglich an den Kohleindex gekoppelt, die Parteien haben aber im November 2000 eine Abänderung des Vertragspreises dahingehend vereinbart, dass der Kohleindex in den Folgejahren durch einen Fixkostenanteil ersetzt wurde (vgl. S. 13 der Klageschrift, Bl. 13 der Akten und Anlage K 4). Nach dem Vortrag der Klägerin wurde der Fixkostenanteil jeweils so bemessen, dass der Vertragspreis insgesamt einen marktgerechten Preis abbildete. Dieser seit 2000 auf Marktpreisen basierende Stromliefervertrag ist aber seitens der Klägerin zum Ende 2004 gekündigt worden und nach Aussage des Zeugen D. deshalb, weil sich aufgrund der liquider gewordenen Märkte kein Mehrwert aus dem Bezug des Stroms aus dem Vertrag gegenüber dem Bezug am Markt ergab. Der Grund für die Kündigung des bisherigen Stromliefervertrages war nach Aussage des Zeugen D. somit gerade, dass ein Liefervertrag zu Marktpreisen nicht mehr gewollt war. Hat aber die Klägerin den bisherigen Vertrag aus diesem Grunde gekündigt, spricht dies dafür, dass der neu abgeschlossene Vertrag, der eine Preisregelung enthält, nach der der Preis nicht marktpreisgebunden, sondern an die Erzeugungskosten eines modernen Steinkohlekraftwerks angelehnt ist, auch von der Klägerin in diesem Sinne verstanden wurde und gewollt war.
Soweit der Zeuge D. weiter ausgeführt hat, dass seiner Meinung nach nicht vorhersehbar war, dass sich die Merit Order zu Lasten der Steinkohlekraftwerke verschieben würde und solche „unvorhergesehene Sachen“ durch Ziffer 14 des Vertrags abgefedert werden sollten, ist festzustellen, dass Wirtschaftsklauseln wie Ziffer 14 des Vertrags, wie bereits ausgeführt, an die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung anknüpfen, so dass unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Entwicklung keine Anpassung erfolgt, wenn sich Risiken realisieren, die in die ausschließliche Risikosphäre nur einer der Parteien fallen (BGH NJW 2013, 2745, Tz. 17). Da – wie dargelegt – das Risiko unter den Vertragspreis fallender Strommarktpreise in die Risikosphäre der Klägerin fällt, kommt es nicht darauf an, ob sie das in dem Vertrag für sie liegende Risiko fallender Marktpreise aufgrund vorhersehbarer Umstände unterschätzt hat. Die Klägerin hat nach der vertraglichen Risikoverteilung ähnlich wie ein Steinkohlekraftwerksbetreiber das Risiko zu tragen, dass sich die Merit Order zu Lasten der Steinkohlekraftwerke verschieben würde. Sie hat – wie die Beklagte mit dem Bau der Steinkohlekraftwerke auch – eine sich nachträglich als wirtschaftlich falsch erweisende Entscheidung getroffen. Diese ist nicht deshalb zu Lasten der Beklagten zu korrigieren, weil sich das von der Klägerin gesehene und aus nachvollziehbaren Gründen als gering eingeschätzte Risiko des Vertragsschlusses zu diesen Bedingungen wider Erwarten dann doch realisiert hat.
Da die Beweisbehauptung der Klägerin durch die Einvernahme der vorgenannten Zeugen nicht bestätigt wurde, bedurfte es der Vernehmung des von der Beklagten angebotenen Zeugen Dr. S. nicht mehr.
b) Der geltend gemachte Anpassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 33 Abs. 1 GWB.
aa) Der geltend gemachte Anpassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 1 GWB i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB unter dem Aspekt, dass die Beklagte der E. AG ausweislich des Senatsurteils vom 27.04.2017, Az. U 3922/15 Kart (juris, dort Rn. 31 ff.) einen Preisnachlass gewährt hat, während sie diesen der Klägerin verweigert. Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB liegt ein Missbrauch insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren ein anderes Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen. Ausweislich der Feststellungen auf Seite 12 des Senatsurteils vom 27.04.2017, (in juris Rn. 31 ff.), auf die die Klägerin sich hinsichtlich dieses Anspruchs bezieht, hat die E. AG von der Beklagten im September 2011 die Anpassung des Vertrages u.a. wegen der Preisentwicklung auf dem Strom-Großhandelsmarkt verlangt und die Beklagte und die E. AG haben im Mai 2012 eine Zusatzvereinbarung geschlossen, in der sie sich auf eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre und einen Preisnachlass geeinigt haben. In dem Abschluss dieser Zusatzvereinbarung liegt schon deshalb keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, weil der Sachverhalt ein anderer ist als der, der dem streitgegenständlichen Anpassungsverlangen zugrunde liegt. Ausweislich der aufgrund der Bezugnahme der Klägerin hinsichtlich des Sachverhalts auch für den vorliegenden Fall maßgeblichen Feststellungen auf Seite 12 des Senatsurteils hat die E. AG das Anpassungsverlangen, das letztlich zu der Zusatzvereinbarung geführt hat, neben der Preisentwicklung auf dem Strom-Großhandelsmarkt auch auf etliche andere Aspekte gestützt, die für das Anpassungsverlangen der Klägerin keine Rolle spielen, und die E. AG war im Gegenzug zur Preisanpassung zu einer erheblichen Vertragsverlängerung bereit, die die Klägerin nicht angeboten hat. Tatsächlich zeigt das Parallelverfahren, dass die Beklagte im Hinblick auf Preisanpassungsverlangen bei Verträgen, deren Vertragspreis an die Erzeugungskosten eines Steinkohlekraftwerks angelehnt ist, die betroffenen Unternehmen gleich und nicht wie die Klägerin meint, ungleich behandelt hat. So hat die Beklagte das Preisanpassungsverlangen der E. AG aus dem Dezember 2012, das wie das Preisanpassungsverlangen der Klägerin vom 28. November 2012 nur auf die Unwirtschaftlichkeit des Vertrages gestützt war, ebenso wie das entsprechende Preisanpassungsverlangen der Klägerin zurückgewiesen, was zu dem hiesigen Prozess und dem Parallelverfahren geführt hat.
Ein Auskunftsanspruch der Klägerin, welche Vereinbarung der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerden im Parallelverfahren zugrunde liegt, besteht nicht. Der Beklagten steht es frei, unter Abwägung der jeweiligen Prozessrisiken in jedem Verfahren so zu agieren, wie sie es jeweils für angemessen hält.
bb) Die Klägerin hat auch keinen Anpassungsanspruch im Hinblick auf die Änderung der Vertragspraxis der Beklagten, nach Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages nur noch Verträge auf Marktpreisniveau anzubieten. Das Verbot der Ungleichbehandlung gleichartiger Unternehmen gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB beinhaltet kein Verbot, die Vertragspraxis zukünftig zu ändern. Zudem hat die Klägerin den Abschluss eines Stromlieferungsvertrages mit der Beklagten zu Marktpreisen gar nicht begehrt, sie hat vielmehr den bisherigen Vertrag mit der Beklagten, der nach dem Vortrag der Klägerin eine Belieferung zu Marktpreisen beinhaltete, zum Ende des Jahres 2004 gekündigt. Die Klägerin wird nicht dadurch diskriminiert, dass die Beklagte ihr einen Vertrag, den die Klägerin nicht abschließen möchte, nicht anbietet. Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB gehalten, den mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag nachträglich anzupassen, weil sie ab 2006 mit anderen Unternehmen Bezugsverträge auf Marktpreisbasis abgeschlossen hat. Der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung liegt gerade in dem Abschluss der zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossenen unterschiedlichen Verträge.
cc) Der Anpassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 33 Abs. 1 i.V. m. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB. Ein Ausbeutungsmissbrauch liegt nicht vor. Die Preisgestaltung, die für die Klägerin zu Beginn des Vertrages wirtschaftlich vorteilhaft war und sich erst im weiteren Verlauf als wirtschaftlich nachteilig für die Klägerin entwickelt hat, hat mit der – unterstellten – marktbeherrschenden Stellung der Beklagten nichts zu tun. Der Klägerin wäre es möglich gewesen, den Bedarf an Strom, den sie über den streitgegenständlichen Vertrag deckt, zu Marktpreisen, etwa an der Börse zu beziehen. Die von den Parteien gewählte Preisgestaltung ist keine Folge eines eingeschränkten Wettbewerbs, sondern einer sich im Nachhinein als unzutreffend erweisenden Prognoseentscheidung der Klägerin im Hinblick auf die Preisentwicklung.
dd) Ein Verstoß gegen das Verbot der Preisspaltung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der relevante Markt für den Bezug von Strom angelehnt an die Erzeugungskosten eines Kraftwerks wie der Bezug von Strom zu Großhandelspreisen dem Erstabsatzmarkt für Strom zuzurechnen ist und daher keine getrennten Märkte vorliegen.
3. Auch der Berufungsantrag Ziffer 5., der hilfsweise für den Fall der Ablehnung der Anträge zu 1), 3) und 4) gestellt wurde, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anpassung des Leistungspreises nach Ziffer 14. des Vertrages wegen des geänderten Zinsniveaus.
Ein Anpassungsanspruch nach Ziffer 14. des Vertrages kommt nur in Betracht, wenn sich die wirtschaftlichen, technischen oder rechtliche Grundlagen des Vertrages wesentlich ändern. Zwar hat sich das Zinsniveau seit 2005 wesentlich geändert, die Entwicklung des Zinsniveaus gehört aber nicht zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Vertrages. Auch die Klägerin legt nicht dar, inwiefern das Zinsniveau bei der Festlegung des Vertragspreises eine Rolle gespielt haben soll. Eine Abbildung der Vollkostenstruktur eines Steinkohlkraftwerks war, wie die Klägerin zutreffend ausführt, nicht gewollt. Zudem kann die spätere Änderung des Zinsniveaus auch nicht dazu führen, dass ein Festhalten am Leistungspreis eine unbillige Härte für die Klägerin darstellt, denn für den Kraftwerksbetreiber ist das Zinsniveau zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung maßgeblich, da er zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden Kreditverträge abschließt. Dementsprechend kann es im Rahmen einer „Als-Ob-Betrachtung“ im Hinblick auf ein virtuelles Kraftwerk nur auf das Zinsniveau zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommen.
4. Auch die seitens der Klägerin mit den Berufungsanträgen 2) und 6) geltend gemachten Zahlungsansprüche sind nicht begründet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Großhandelspreise für Strom aufgrund des Inkrafttretens des EEG 2009, des EEG 2012 und der Ausgleichsmechanismusverordnung in dem von der Klägerin behaupteten Umfang reduziert haben, führt dies nicht zu einer Reduzierung des Vertragspreises gemäß Ziffer 15. des Vertrages.
Gemäß Ziffer 15. Abs. 1 des Vertrages sind Grundlage der Preise und Bedingungen des Vertrages die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden gesetzlichen Verhältnisse. Gemäß Ziffer 15. Abs. 2 des Vertrages erhöhen bzw. ermäßigen sich die Strompreise, wenn nach Vertragsschluss erlassene oder geänderte Rechtsvorschriften dazu führen, dass sich für die Beklagte der Bezug oder die Lieferung elektrischer Energie unmittelbar oder mittelbar verteuert oder verbilligt. Die Beklagte hat dargelegt, dass sich für sie der Bezug von Strom durch das Sinken des Großhandelspreises nicht verbilligt hat, weil sie den an die Klägerin zu liefernden Strom auf der Grundlage eines Konzernbezugsvertrages (Anlagen B 28, B 28a) von der U. G. SE zu einen Preis bezieht, der sich am Vertragspreis der Klägerin orientiert. Zutreffend ist, dass diese im Konzernbezugsvertrag getroffene Kostenregelung – unabhängig von ihrer bestrittenen Fortgeltung – nicht als entscheidend für die Frage angesehen werden kann, ob sich der Bezugspreis für die Beklagte aufgrund einer Gesetzesänderung erhöht oder erniedrigt, weil dann die Regelung in Ziffer 15. nach Belieben der Beklagten durch eine entsprechende konzerninterne Abrede unterlaufen werden könnte. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Bezugs- oder Lieferpreis für den Konzern aufgrund einer Gesetzesänderung erhöht oder erniedrigt hat. Hierfür ist aber eine mittelbar auf eine Gesetzesänderung zurückgehende Veränderung des Börsenpreises nicht ausschlaggebend, da es der Beklagten nach dem Vertrag zwar freisteht, den der Klägerin zu liefernden Strom an der Börse zu beziehen, sie diesen aber selbstverständlich auch aus den konzerneigenen Kraftwerken liefern kann. Eine Reduzierung des Börsenpreises aufgrund Gesetzesänderungen in Bezug auf die erneuerbaren Energien ist für den Bezugs- und Lieferpreis der Beklagten jedenfalls solange völlig irrelevant als es für die Beklagte trotz der Reduzierung des Börsenpreises wirtschaftlicher ist, den Strom zur Belieferung der Klägerin über ihre konzerneigenen Kraftwerke zu beziehen, statt an der Börse anzukaufen. Der Konzern der Beklagten verfügt nicht nur über Steinkohlekraftwerke und die Belieferung der Klägerin aus konzerneigenen Kraftwerken kann somit auch dann wirtschaftlicher als der Börsenbezug sein, wenn dies bei der Erzeugung aus Steinkohlekraftwerken nicht mehr der Fall sein sollte. Die Klägerin wird seitens der Beklagten unstreitig aus dem allgemeinen Strommix des Konzerns beliefert. Selbst wenn der Konzern der Beklagten den Bedarf zur Belieferung seiner Kunden nicht (immer) ausschließlich aus seinen eigenen Erzeugungskapazitäten deckt, sondern (teilweise) auch Strom an der Börse hinzukaufen sollte, besteht keine direkte Korrelation zu dem an die Klägerin gelieferten Strom, da diese aus dem Gesamtportfolio beliefert wird und ihr der evtl. an der Börse bezogene Strom nicht zugeordnet werden kann. Da die Beklagte nicht verpflichtet ist, den der Klägerin zu liefernden Strom an der Börse zu beziehen, ist die nach dem Vortrag der Klägerin auf die Gesetzesänderungen in Bezug auf die erneuerbaren Energien zurückzuführende Reduzierung der Börsenpreise keine nach Ziffer 15. des Vertrages geeignete Bezugsgröße für die Anpassung des Vertragspreises. Die von der Klägerin behauptete Reduzierung des Börsenpreises aufgrund der Gesetzesänderungen kann somit eine Reduzierung des Vertragspreises nach Ziffer 15. des Vertrages nicht begründen.
5. Der Berufungsantrag 7) ist unbegründet, da der Vertrag – wie oben unter 1. ausgeführt – nicht aus kartellrechtlichen Gründen nichtig ist.
6. Auch der Hilfsantrag 8) ist nicht begründet. Die Preisbestimmung in Ziffer 5.1 des Vertrages ist nicht gemäß § 307 BGB unwirksam.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei der der Preisbestimmung überhaupt um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Es ist schon zweifelhaft, ob es sich um eine Klausel handelt, die seitens der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert wurde (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), und ob es sich nicht um eine mit der Klägerin im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelte Bestimmung handelt. Die Preisbestimmung wurde zwar von der Beklagten formuliert, ist aber das Ergebnis der mit der Klägerin geführten individuellen Verhandlungen und wurde im Rahmen dieser auch geändert (vgl. Vertragsentwürfe Anlagen K 7, K 8) und den Wünschen der Klägerin angepasst, wie die auf Wunsch der Klägerin erfolgte Aufnahme des API#2 Kohleindex statt des ursprünglich vorgesehenen Index zeigt. Aber auch wenn es sich bei der Preisbestimmung um eine allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte, benachteiligt diese die Klägerin nicht unangemessen.
Die in Ziffer 5.1 des Vertrages enthaltene Klausel ist nicht als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB insgesamt der Inhaltskontrolle entzogen. Der Kontrolle entzogen ist lediglich der sich aus der Klausel ergebende anfängliche Vertragspreis. Hinsichtlich der Preisänderungen unterliegt die Klausel als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Rn. 22 ff.).
Als unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Klausel angesehen, in der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH NJW 2013, 856 Tz. 19 – bringorpay-Klausel).
Die Feststellung, ob eine Klausel die Grenzen eines angemessenen Interessenausgleichs im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB überschreitet, kann nicht ohne Berücksichtigung der Art des konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen getroffen werden (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 33).
Bei der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, ist auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und darüber hinaus den Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Der kaufmännische Rechtsverkehr ist wegen der dort herrschenden Handelsbräuche, Usancen, Verkehrssitten und wegen der zumeist größeren rechtsgeschäftlichen Erfahrung der Beteiligten auf eine stärkere Elastizität der für ihn maßgeblichen vertragsrechtlichen Normen angewiesen als der Letztverbraucher. Innerhalb des kaufmännischen Geschäftsverkehrs sind auch die branchentypischen Interessen der Vertragschließenden zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass im Handelsverkehr Preisklauseln in verschiedenster Ausgestaltung weit verbreitet sind, wird ihre Wirksamkeit im kaufmännischen Geschäftsverkehr nicht denselben strengen Maßstäben unterworfen wie gegenüber Verbrauchern. Im Bereich des Energie- und Wasserrechts deuten auch die Regelungen in § 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV, § 1 GasGVV, § 1 StromGVV, § 1 Abs. 2 AVBWasserV darauf hin, dass bei der rechtlichen Beurteilung formularmäßiger Versorgungsbedingungen im unternehmerischen Bereich andere Maßstäbe anzulegen sind als bei Verbraucherverträgen (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 43 f.).
Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten verwendeten Preisregelung im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht zu beanstanden sind.
Die variablen Preisanpassungsbestimmungen benachteiligen die Klägerin nicht unangemessen.
Von einem regionalen Energieversorger wie der Klägerin ist zu erwarten, dass sie ihre Gestehungskosten sorgfältig kalkuliert und deshalb einer ihr gegenüber verwendeten Preisanpassungsklausel besondere Aufmerksamkeit schenkt – was sie ausweislich der Aussage des Zeugen K. ja auch getan hat. Diese Kostenkalkulation gehört zum Kernbereich kaufmännischer Tätigkeit. Es ist deshalb in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Aufgabe des Unternehmers, selbstverantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob ein langfristiger Stromliefervertrag, der sich an den Erzeugungskosten eines fiktiven Steinkohlekraftwerks orientiert und eine Bindung des Vertragspreises unter anderem an den Importkohlepreis und die durchschnittlichen tariflichen Stundenlöhne vorsieht, für ihn als Abnehmer akzeptabel ist. Es ist dagegen nicht Aufgabe der Gerichte, die unternehmerische Entscheidung für eine Bindung an die fiktiven Erzeugungskosten eines virtuellen Steinkohlekraftwerks daraufhin zu überprüfen, ob sie sachgerecht ist, und sie gegebenenfalls zu Gunsten des einen Unternehmens sowie zu Lasten des anderen zu korrigieren (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 46).
Zudem ist der Beklagten aufgrund der mathematischen Funktionsweise der Preisgleitklausel kein Ermessen bei Preiserhöhungen eingeräumt. Die Preisanpassungen sind jeglicher Einflussnahme durch die Beklagte entzogen. Preissenkungen auf dem Importkohlemarkt werden nach denselben Maßstäben an die Klägerin weitergegeben wie Preissteigerungen. Eine Befugnis der Beklagten zu Gewinnsteigerungen durch beliebige Preiserhöhungen, die auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr gemäß § 307 Abs. 1 BGB unzulässig wäre (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 49), ist damit ausgeschlossen.
Dass es sich bei der Preisbestimmung nicht um eine wirksame Spannungsklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKlG oder Kostenelementeklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKlG handelt (vgl. unten), führt nicht zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Rn. 55).
7. Das Landgericht hat der Klage im Hinblick auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisklausel zu Recht stattgegeben. Die in Ziffer 5.1. des Vertrages enthaltene Preisklausel verstößt gegen § 1 Abs. 1 PrKlG mit der Folge, dass die Klausel gemäß § 8 PrKlG mit Rechtskraft der Feststellung unwirksam wird.
a) Gemäß § 1 Abs. 1 PrKlG darf der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind.
Nach der in Ziffer 5.1 des Vertrages enthaltenen Preisklausel bestimmt sich der von der Klägerin zu zahlende Vertragspreis unmittelbar und selbsttätig nach dem Index für tarifliche Stundenlöhne, dem durchschnittlichen Importkohlepreis des maßgeblichen Kalenderquartals und dem durchschnittlichen Preis für CO2-Zertifikate im maßgeblichen Kalenderquartal. Hierbei handelt es sich um Güter und Leistungen, die mit den vereinbarten Leistungen, dem Bezugsrecht und der Lieferung von Strom nicht vergleichbar sind. Eine Vergleichbarkeit käme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte verpflichtet wäre, der Klägerin den Strom aus einem Steinkohlekraftwerk zu liefern. Die Beklagte ist aber nach der vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich des Bezugs des zu liefernden Stroms völlig frei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 1 PrKlG vorliegend auch nicht deswegen keine Anwendung, weil der Vertragspreis anhand der vereinbarten Indizes jeweils ermittelt und nicht angepasst wird. Anhand der Preisklausel werden der anfängliche Leistungspreis sowie der erste Arbeitspreis und der erste Startpreis ermittelt und diese werden fortlaufend neu ermittelt, worin eine Anpassung der bisherigen Preise liegt. Zutreffend ist, dass die fortlaufende Neuermittlung und damit erfolgende Anpassung der Preise unmittelbar aus dem Vertragszweck, nämlich dass die Klägerin ähnlich gestellt werden soll, wie beim Bau eines eigenen Steinkohlekraftwerks, folgt. Dies ändert aber nichts daran, dass die aus dem Vertragszweck folgende laufende Anpassung der Preise gegen § 1 PrKlG verstößt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 1 PrKlG auch nicht deshalb keine Anwendung, weil der Anfall des Arbeitspreises und des Startpreises noch jeweils davon abhängig ist, dass die Klägerin ihr Bezugsoptionsrecht ausübt. Zwar wird vertreten, dass § 1 Abs. 1 PrKlG nur solche Geldschulden erfasst, die bei Vereinbarung der Preisklausel bereits bestehen oder zeitgleich mit ihr begründet werden, für befristete und bedingte Forderungen aber nicht gilt (vgl. Toussant in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdiger, juris-PK-BGB, 8. Aufl., § 1 PrKlG Rn. 22; Leidner in BeckOGK, § 1 PrKlG Rn. 57 ff.). Vorliegend ist der Vertragspreis aber nur hinsichtlich des Anfalls des Arbeits- und Startpreises noch von einer Bedingung, der Ausübung des Optionsrechts der Klägerin abhängig, beim Leistungspreis handelt es sich um eine bereits bestehende Schuld. Soweit der Anfall des Vertragspreises insgesamt noch vom Eintreten einer Bedingung abhängt, mag der Anwendungsbereich des § 1 PrKlG nicht eröffnet sein, weil sein Schutzzweck, die Preisstabilität, nicht betroffen ist. Handelt es sich jedoch wie hier um einen kombinierten Vertragspreis, der sich aus einem Grundbestandteil und potentiell laufend anfallenden variablen Bestandteilen, die davon abhängig sind, ob, wann und in welchem Umfang von einem vertraglich eingeräumten Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, zusammensetzt, ist das Schutzgut der Preisstabilität genauso betroffen wie bei anderen Dauerschuldverhältnissen mit indexierten Vertragspreisen, bei denen die Forderungen bereits bestehen und nur noch nicht fällig sind.
b) Die in Ziffer 5.1 des Vertrages enthaltene Preisklausel ist auch nicht als Kostenelementeklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKlG zulässig.
Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 gilt das Verbot nach § 1 Abs. 1 PrKlG nicht für Klauseln, nach denen der geschuldete Betrag insoweit von der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen abhängig gemacht wird, als diese die Selbstkosten des Gläubigers bei der Erbringung der Gegenleistung unmittelbar beeinflussen. Zwar hat die Beklagte angeblich nach dem Konzernbezugsvertrag (Anlagen B 28, B 28a) an die U. G. SE für den an die Klägerin zu liefernden Strom den gleichen Preis, abzüglich einer Vertriebsmarge, zu bezahlen wie die Klägerin an die Beklagte und damit haben die Änderungen der Lohn-, Kohle- und CO2-Zertifikatekosten den gleichen Einfluss auf die von der Beklagten zu zahlenden Bezugskosten wie auf die Kosten der Klägerin. Diese angebliche konzerninterne Preisbindung hat jedoch bei der Zulässigkeit der Klausel als Kostenelementeklausel außer Betracht zu bleiben. Da der an die Klägerin zu liefernde Strom nicht aus einem Steinkohlekraftwerk bezogen werden muss, beeinflussen die Lohn-, Kohle- und CO₂-Zertifikatekosten die Selbstkosten des Konzerns der Beklagten bei der Erbringung der Gegenleistung nicht unmittelbar.
c) Die streitgegenständliche Preisklausel ist auch nicht als sog. Spannungsklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKlG zulässig. Danach gilt das Verbot nach § 1 Abs. 1 PrKlG nicht für Klauseln, bei denen die ins Verhältnis zueinander gesetzten Güter oder Leistungen im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind. Da die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Strom aus Steinkohlekraftwerken zu liefern, für die die gewählten Indizes für die Kosten entscheidend sind, sind die ins Verhältnis gesetzten Güter und Leistungen nicht gleichartig oder vergleichbar.
8. Da das Landgericht der Klage im Hinblick auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisklausel zu Recht stattgegeben hat, besteht keine Veranlassung den Rechtsstreit entsprechend dem ersten Hilfsantrag der Beklagten insoweit aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.
9. Die die Hilfswiderklage betreffenden Berufungsanträge II. b.- d. der Beklagten können keinen Erfolg haben, weil aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 8 PrKlG eine etwaige Unwirksamkeit einer Klausel nach dem Preisklauselgesetz erst ab Rechtskraft der Entscheidung wirkt. Ansprüche im Hinblick auf Folgeregelungen können daher erst nach Rechtskraft einer Entscheidung über die Unwirksamkeit geltend gemacht werden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses ist völlig unklar, ob es überhaupt einer Ersatzregelung bedarf. Die Frage einer Ersatzregelung kann sich nicht nur durch divergierende Entscheidungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses, sondern auch dadurch erledigen, dass der Vertrag aus welchen Gründen auch immer nicht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Prozesses fortgeführt wird. Die Hilfswiderklageanträge sind auf „Vorratsentscheidungen“ gerichtet, für die kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.
Zu den Anträgen im Einzelnen:
a) Das Urteil ist nicht entsprechend dem Hilfsantrag II. b. der Beklagten hinsichtlich der Abweisung der Hilfswiderklage aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die erstinstanzlich erhobene Hilfswiderklage war unabhängig davon, ob der Feststellungsantrag hinreichend bestimmt ist und der Beklagten ggf. hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, diesen neu zu fassen, unzulässig, da sie nicht auf die Feststellung eines gegenwärtigen, sondern die Feststellung eines künftigen Rechtsverhältnisses gerichtet war (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 3a m.w.N.). Die Unwirksamkeit der Preisklausel tritt gemäß § 8 PrKlG erst mit Rechtskraft der diesbezüglichen Feststellung, somit erst mit Rechtskraft dieses Urteils ein. Eine Verpflichtung zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen über eine Anpassung der Klausel kann somit erst bestehen, wenn und falls die diesbezügliche Feststellung während des noch laufenden Vertrags rechtskräftig wird.
b) Dementsprechend ist auch der Hilfsantrag II. c., der für den Fall der Feststellung der Unwirksamkeit der Preisklausel auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, unzulässig. Da die Willenserklärung erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Unwirksamkeit der Preisklausel abzugeben wäre, handelt es sich um eine Klage auf eine künftig zu erbringende Leistung, die nur unter den hier nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 257 ZPO zulässig wäre.
c) Der Hilfsantrag II. d, der dem erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag entspricht, ist – wie ausgeführt – unzulässig, weil er auf die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses gerichtet ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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