Europarecht

Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen Unterbringung von Asylbewerbern

Aktenzeichen  AN 3 K 15.00697

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34
BayBO BayBO Art. 54, Art. 76 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Nächtliche Ruhestörungen gehören nicht typischerweise zur bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nicht bestimmungsgemäße Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3 Solchen Belästigungen kann im Einzelfall mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind nicht begründet.
Den Klägern steht gegenüber dem Beklagten aus öffentlich-rechtlichen, insbesondere aus baurechtlichen Vorschriften kein Anspruch darauf zu, dass es der Beklagte unterlässt, Asylbewerber in den Anwesen … und … unterzubringen.
Die Kläger können insbesondere vom Beklagten als Träger der Bauaufsichtsbehörde nicht verlangen, die Untersagung der Nutzung der beiden Anwesen … und … in … durch Asylbewerber zu verfügen.
Ein solcher Anspruch auf Nutzungsuntersagung nach Art. 54 BayBO i.V.m. Art. 76 Abs. 2 BayBO steht Nachbarn nur zu, wenn die beabsichtigte oder ausgeübte Nutzung objektiv rechtswidrig wäre und hieraus eine Verletzung der Nachbarn in nachbarschützenden Rechten resultieren würde und im Rahmen einer Abwägung im Einzelfall die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen so erheblich wären, dass sie das Interesse der Beigeladenen an der beabsichtigten oder ausgeübten Nutzung deutlich überwiegen würde. Ein solcher Anspruch steht den Klägern als Miteigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … (* … in …*), gegenüber einer Nutzung der Nachbaranwesen … und … durch Asylbewerber nicht zu.
Insoweit liegen bereits vier verwaltungsgerichtliche Entscheidungen vor, so die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Dezember 2014 (AN 3 E 14.01897) und vom 2. Juni 2015 (AN 3 E 14.01953).
In beiden Beschlüssen hat die Kammer festgestellt, dass den Klägern kein Abwehrrecht gegen die Nutzung der beiden Anwesen durch Asylbewerber zusteht.
Die dagegen jeweils erhobenen Beschwerden hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinen dem Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannten Beschlüssen vom 31. März 2015 (9 CE 14.2854) und vom 21. August 2015 (9 CE 15.1318) zurückgewiesen.
In seiner Klagebegründung vom 20. Oktober 2015 bezieht sich der Klägervertreter ausdrücklich auf diese vorliegenden Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und macht geltend, dass der Bayerische Verwaltungsgerichthof hingewiesen habe, dass ein Abwehranspruch gegeben sein kann, wenn die Wertminderung „die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94; BVerwGE 101, 364 – juris Rn. 73)“.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fährt in seinem Beschluss vom 21. August 2015 insoweit fort, dass dafür sich dem Beschwerdeverfahren nichts entnehmen lasse. Soweit dort auf Streitigkeiten zwischen den Asylbewerbern verwiesen werde, die an der Tagesordnung seien, sei der erforderliche Grundstücksbezug weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen seien nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz seien. Anderweitige Belästigungen seien nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere sei das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt würden. Solchen Belästigungen könne nicht mit Mitteln des Baurechts, insbesondere nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2015 – 9 CE 14.2854 – juris Rn. 19).
Bei Übertragung der vom Bayerischen Verwaltungsgerichthof in seinen oben genannten Beschlüssen dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall lässt sich feststellen, dass die in der Klagebegründung vom 20. Oktober 2015 geschilderten Lärmbelästigungen von Frühjahr bis Sommer 2015 und auch die geschilderte nächtliche Ruhestörung in der Nacht vom 17. auf 18. Juli 2015 und auch die weiteren dargestellten Vorfälle vom 23. August 2015 und vom 30. August 2015 nicht auf ihre „Nachbarverträglichkeit“ zu prüfen sind, weil sie nicht typischerweise bei der „bestimmungsgemäßen Nutzung“ (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 a.a.O.) auftreten. Insoweit handelt es sich nämlich nicht um eine bestimmungsgemäße Nutzung auch bei einer Nutzung der oben genannten Anwesen durch Asylbewerber. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Klägervertreter geschilderten „Lärmexzesse“ allein durch die Nutzung der streitgegenständlichen Anwesen durch Asylbewerber vorprogrammiert und immanent sind. Bei einer anderen Zusammensetzung der Bewohner der oben genannten Anwesen, z.B. durch Familien und nicht durch alleinstehende Asylbewerber im jugendlichen Alter, wären derartige Exzesse wohl nicht beachtlich wahrscheinlich.
Allein die Zahl von 14 Asylbewerbern, von der die Kammer zum jetzigen Zeitpunkt streitgegenständlich ausgehen muss, bedingt nicht per se das Auftreten solcher Lärmereignisse, wie sie die Kläger in der Klagebegründung vom 20. Oktober 2015 haben schildern lassen. Auch eine angedachte Nutzung der beiden Häuser durch jeweils sieben Personen, d.h. mit einer hier ansässigen Familie mit fünf halbwüchsigen Kindern, könnte durchaus zu solchen Lärmereignissen führen, wie sie die Kläger geschildert haben und durch die sie sich in ihrem Ruhebedürfnis in einem Wohngebiet gestört gefühlt haben. Eine solche Nutzung durch insgesamt 14 Personen führt nicht automatisch zu einer bestimmungswidrigen Nutzung von zwei in einem Wohngebiet gelegenen Anwesen. Ein Abwehranspruch der Kläger wird damit nicht automatisch und auch im vorliegenden Fall nicht ausgelöst. Nicht bestimmungsgemäße Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme wird nicht verletzt, wenn die beiden benachbarten Anwesen mit insgesamt über 300 qm Nutzfläche von 14 Asylbewerbern genutzt werden. Eine solche dem Klägergrundstück benachbarte Nutzung zweier Grundstücke durch insgesamt 14 Asylbewerber ist den Klägern gegenüber auch nicht unzu mutbar. Die Kläger werden hierdurch in der Nutzungsmöglichkeit ihres Grundstücks nicht unzumutbar beeinträchtigt, so dass den Klägern ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch nicht zusteht.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass befürchteten Belästigungen nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden kann.
Weitergehende Ausführungen sind auch auf Grund der nach den oben genannten VGH-Beschlüssen vorgelegten Klagebegründung vom 20. Oktober 2015 nicht veranlasst. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer Bezug auf die oben genannten Kammerbeschlüsse und der Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und sieht von der weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klagen waren demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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