Europarecht

Bayerisches Beihilferecht, zur Frage der Beihilfefähigkeit von Fertigpräparaten aus dem In- und Ausland, die in Deutschland nicht zugelassen sind und im Ausland nicht als Arzneimittel in Verkehr sind, zur Handhabung von Härtefällen im Bereich des § 18 BayBhV.

Aktenzeichen  14 B 19.1280

Datum:
20.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44437
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 18 S. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 2
AMG § 21, § 43, § 73
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
UN-BRK Art. 25

 

Leitsatz

Apothekenpflichtig i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i.V.m. § 43 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel jedenfalls dann nicht, wenn sie mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung gemäß §§ 21, 73 AMG auch über Apotheken nicht in Verkehr gebracht werden dürfen.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache erfolglos und ist deshalb zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat die zulässig erhobene Verpflichtungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen – mangels Beihilfeanspruchs wird der Kläger durch die streitgegenständliche Ablehnung von Beihilfe, die sich im Ergebnis als rechtmäßig erweist, nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Beihilfeanspruch ergibt sich nicht aus § 18 BayBhV, weil schon die tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in keiner der denkbaren Varianten vorliegen.
1.1. Sollte es sich bei den streitgegenständlichen Fertigpräparaten begrifflich nicht um Arzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 AMG handeln, würde sich der Beihilfeanspruch schon wegen § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV nicht aus § 18 BayBhV ergeben.
1.2. Nimmt man mit der Klagepartei an, die streitgegenständlichen Fertigpräparate seien Arzneimittel, wären diese nicht apothekenpflichtig i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV. Zwar ist keines der streitgegenständlichen Fertigpräparate in der Arzneimittelverkaufsverordnung – insbesondere in der dortigen Anlage 1a – von der Apothekenpflicht ausgenommen, was im Erörterungstermin vom 27. Juli 2021 (dort Protokoll S. 5 zweiter Absatz; S. 8 letzter Absatz bis S. 9 erster Absatz; S. 9 zweiter Absatz; S. 10 vierter Absatz; S. 11 vierter Absatz; S. 12 dritter Absatz) auch von der seinerzeit befragten Vertreterin des Pharmaziereferats der Regierung von Oberbayern so vertreten wurde. Jedoch setzt eine Apothekenpflichtigkeit i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV eine Verkehrsfähigkeit als Arzneimittel in Deutschland voraus (siehe 1.2.1.), die weder für die aus Deutschland (siehe 1.2.2.) noch für die aus dem Ausland (siehe 1.2.3.) stammenden Fertigpräparate anzunehmen wäre.
1.2.1. Mit der ab dem 1. Oktober 2014 in Kraft getretenen Wendung „apothekenpflichtige Arzneimittel nach § 2 Arzneimittelgesetz“ in § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV (vgl. Änderungsverordnung vom 29.7.2014, GVBl S. 352) hat der bayerische Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln systematisch an Begrifflichkeiten des Arzneimittelgesetzes angebunden, während in der zuvor geltenden ursprünglichen Fassung des § 18 Satz 1 BayBhV (a.F.; vgl. Verordnung vom 2.1.2007, GVBl S. 15), die vorliegend nicht einschlägig ist, – ähnlich wie in dem früher geltenden § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV – nur von „Arznei- und Verbandmitteln, Medizinprodukten und dergleichen“ die Rede war.
Dabei ist in der Rechtsprechung des Senats zu der seit 1. Oktober 2014 geltenden Neufassung geklärt, dass das Erfordernis der Verschreibung kumulativ zum Erfordernis der Arzneimitteleigenschaft i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV und der Apothekenpflichtigkeit hinzutritt, sodass der Umstand, dass eine Verschreibung erfolgt ist, noch nichts darüber aussagt, ob ein „Arzneimittel“ i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i.V.m. § 2 AMG vorliegt. Ein Produkt wird nicht schon dadurch zum „Arzneimittel“ i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i.V.m. § 2 AMG, dass es im konkreten Fall ärztlich verschrieben wurde, alleine zur Beschwerdelinderung eingesetzt wurde und kein Lebensmittel ist. Vielmehr ist von einem Arzneimittel i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der seit 1. Oktober 2014 geltenden Fassung nur dann auszugehen, wenn sämtliche positiven und negativen Voraussetzungen i.S.v. § 2 AMG (i.V.m. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV) erfüllt sind – eine bloße „Nähe“ zum Begriff der „Arznei“ genügt diesen Anforderungen nicht (BayVGH, B.v. 29.1.2019 – 14 ZB 18.663 – juris Rn. 14 [ohne amtliche Randnummern abgedruckt in PharmR 2019, 299]). Geklärt ist weiter, dass die Bayerische Beihilfeverordnung – abgesehen von § 18 Satz 2 und 3 BayBhV – Erweiterungen gegenüber § 18 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BayBhV nur in den von ihr selbst genannten Ausnahmefällen (vgl. etwa § 49 BayBhV) ermöglicht (BayVGH, B.v. 29.1.2019 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.).
Auch mit der zusätzlich zum begrifflichen Vorliegen der Arzneimitteleigenschaft (§ 2 Abs. 1 AMG) geforderten Apothekenpflichtigkeit verweist § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV auf das diesbezügliche Fachrecht, sodass insoweit insbesondere § 43 AMG Bedeutung erlangt. Aus Letzterem ergibt sich, dass die in § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV enthaltene Wendung „apothekenpflichtige Arzneimittel“ – vermittelt über § 43 AMG – voraussetzt, dass das jeweilige Arzneimittel „überhaupt“ in Apotheken in den Verkehr gebracht werden darf, was bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 21 AMG oder – bei Arzneimitteln aus dem Ausland – des § 73 AMG von vornherein nicht der Fall wäre. Diese Wechselwirkung zwischen § 43 Abs. 1 AMG und §§ 21, 73 AMG ergibt sich daraus, dass die sog. Apothekenpflicht auf der Rechtsfolgenseite des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG bedeutet, dass ein Arzneimittel nur in Apotheken „in den Verkehr gebracht“ werden darf, es dabei also um das „In-Verkehr-Bringen“ geht. Um eben dieses „In-Verkehr-Bringen“ (vgl. § 4 Abs. 17 AMG) geht es aber auch auf der Rechtsfolgenseite des § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG, der das In-Verkehr-Bringen der dort genannten (Fertig) Arzneimittel von einer „Zulassung“ bzw. „Genehmigung“ abhängig macht, soweit keine Ausnahme gemäß § 21 Abs. 2 AMG vorliegt. Nicht anders ist es im Ergebnis (erst recht) bei Arzneimitteln aus dem Ausland, soweit sie gemäß § 73 AMG nicht einmal in den Geltungsbereich des AMG „verbracht“ werden dürfen. Dabei ist zu sehen, dass selbst eine Apotheke ein gemäß § 21 AMG zulassungs- oder genehmigungspflichtiges bzw. ein dem Verbringungsverbot des § 73 AMG unterliegendes Arzneimittel nicht – bzw. nur in den von § 73 AMG explizit genannten Ausnahmefällen – „in den Verkehr bringen“ darf. Soweit aber nach § 21 AMG oder § 73 AMG nicht verkehrsfähige Arzneimittel auch nicht über Apotheken „in den Verkehr“ gebracht werden dürfen, spricht dies dagegen, sie als „apothekenpflichtig“ i.S.v. § 43 AMG i.V.m. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV anzusehen, weil sie – auf der Rechtsfolgenseite – eben auch über Apotheken gerade nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Soweit nämlich ein Arzneimittel mangels erforderlicher Zulassung in Deutschland nicht in Verkehr gebracht werden darf, und zwar auch nicht gemäß § 73 AMG, dürfte ein solches Arzneimittel nämlich nur „hypothetisch“ für den Fall der Zulassung über eine Apotheke in Verkehr gebracht werden und es bestünde tatsächlich gerade keine „Pflicht“, ein derartiges, ohnehin (mangels Zulassung) nicht verkehrsfähiges Arzneimittel gerade über eine Apotheke in Verkehr zu bringen.
Dabei spricht nichts dafür, auch derartige mangels Zulassung letztlich bloß „hypothetisch apothekenpflichtige“ Arzneimittel unter § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV fallen zu lassen. Insbesondere ist die Konstellation eines in Deutschland arzneimittelrechtlich überhaupt nicht zugelassenen Präparats nicht vergleichbar mit der Konstellation eines sog. Off-label-use, also eines durchaus zugelassenen Arzneimittels, bei dem der verordnende Arzt seine Verschreibung lediglich zu einem anderen als dem zugelassenen Zweck vornimmt (vgl. dazu BVerwG, B.v. 26.6.2020 – 5 C 4.19 – BVerwGE 169, 48 Rn. 9 ff. zur Beihilfefähigkeit eines zulassungsüberschreitend verschriebenen, aber sehr wohl in Deutschland zugelassenen Arzneimittels). Zwar ist im deutschen Recht die sog. ärztliche Therapiehoheit anerkannt, die auch zulassungsüberschreitende Anwendungen von Arzneimitteln einschließt (BVerwG, B.v. 26.6.2020 a.a.O. Rn. 9 und 11). Jedoch darf auch diese Therapiehoheit nicht die – auf unionsrechtliche Vorgaben im Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Art. 6 der RL 2001/83/EG) zurückgehende – gesetzliche Grundentscheidung für ein behördliches Zulassungsverfahren (§ 21 Abs. 1 AMG) relativieren. Deshalb ist ein bloßer Off-label-use eines Arzneimittels, das immerhin über die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt, in keiner Weise vergleichbar mit der Verschreibung eines in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels.
Zusammengefasst ist danach das Tatbestandsmerkmal „apothekenpflichtige Arzneimittel“ i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i.V.m. § 43 AMG dahingehend auszulegen, dass darunter nur solche Präparate fallen, die begrifflich Arzneimittel i.S.v. § 2 AMG sind und für die ein In-Verkehr-Bringen über Apotheken erlaubt – also insbesondere nicht nach § 21 AMG, ebenso aber auch nicht nach § 73 AMG ausgeschlossen – ist und die außerdem ausschließlich über Apotheken (und nirgends sonst) in den Verkehr gebracht werden dürfen.
1.2.2. Unterstellt man zugunsten des Klägers die Arzneimitteleigenschaft der in Deutschland hergestellten streitgegenständlichen Fertigpräparate (SAMe Cellfood; Tribulus Terrestris) – bei denen in der Berufungsverhandlung unstreitig war, dass sie in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel frei bezogen werden können (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 4 viertletzter Absatz) -, so wären sie gemäß § 21 AMG nicht verkehrsfähig und deshalb auch nicht apothekenpflichtig i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV.
1.2.2.1. Denn die besagten inländischen Fertigpräparate würden im Fall einer Arzneimitteleigenschaft als Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG) dem Zulassungserfordernis des § 21 Abs. 1 AMG unterliegen.
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass einer der in § 21 Abs. 2 AMG genannten Ausnahmetatbestände einschlägig sein könnte. Insbesondere spricht gegen die Annahme einer Ausnahme gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1b AMG, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die streitgegenständlichen Fertigpräparate von den jeweiligen Herstellern patientenindividuell aufgrund von Rezepturen „für“ eine Apotheke in deren Lohnauftrag hergestellt oder abgefüllt wurden. Auch ist nicht ersichtlich, dass es um „Therapieallergene“ i.S.v. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 1g AMG gehen würde. Gegen die Annahme eines Ausnahmefalls gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 6 AMG spricht schon der Umstand, dass hier offenkundig gerade keine „Kostenlosigkeit“ besteht. Es geht hier auch nicht um „homöopathische“ Arzneimittel i.S.v. § 38 AMG und des dort vorgesehenen Registrierungsverfahrens.
1.2.2.2. Vor diesem Hintergrund wären die aus Deutschland stammenden Fertigpräparate – ihre Arzneimitteleigenschaft unterstellt – gemäß § 21 Abs. 1 AMG nicht verkehrsfähig, weil nach der Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 26. Mai 2021 für keines der streitgegenständlichen Fertigpräparate Zulassungen als Arzneimittel vorliegen oder zu den genannten Zeitpunkten der Entstehung der Aufwendungen vorgelegen haben. Wegen dieser – bei Unterstellung der Arzneimitteleigenschaft – fehlenden Verkehrsfähigkeit gemäß § 21 Abs. 1 AMG würde auch keine Apothekenpflichtigkeit i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 AMG bestehen (siehe 1.2.1.).
1.2.3. Die aus dem Ausland eingeführten streitgegenständlichen Fertigpräparate werden nach den aktenkundigen Produktangaben jeweils als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. So enthält die Produktinformation zum Fertigpräparat „Iron Bisglycinate“ einen Hinweis, wo explizit von „Nahrungsergänzungen“ die Rede ist, die keinen Ersatz für eine ausgewogene Ernährung darstellten (Bl. 69 der Verwaltungsakte im Verfahren 14 B 19.1280). Der aktenkundige Internetausdruck zum Fertigpräparat OMEGAlife spricht sowohl bei der Anwendungsempfehlung (Bl. 70 der Verwaltungsakte im Verfahren 14 B 19.1280) als auch beim abschließenden Hinweis zur in der Schweiz bestehenden Apotheken- und Verschreibungsfreiheit (Bl. 71 der Verwaltungsakte im Verfahren 14 B 19.1280) von einem Nahrungsergänzungsmittel. Explizit von Nahrungsergänzungsmitteln die Rede ist auch bei den aktenkundigen Internetausdrucken zu Vitamin B2 (Bl. 73 [unten] der Verwaltungsakte im Verfahren 14 B 19.1280) und Vitamin D3 (Bl. 74 Rückseite [Mitte] der Verwaltungsakte im Verfahren 14 B 19.1280).
Angesichts dieser Vermarktungsweise sind diese Auslandspräparate jedenfalls keine Präsentationsarzneimittel i.S.v. des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der RL 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel). Davon war der Senat bereits bei der Ablehnung des klägerischen Beweisantrags zu 1 ausgegangen und hat dabei unter anderem klargestellt, dass er davon ausgeht, dass die Präparate im Herkunftsland nicht als Arzneimittel im Verkehr sind, insoweit also eine Einordnung als Präsentationsarzneimittel ausscheidet. Diese Bewertung war und ist dem Senat auch ohne Beweiserhebung möglich. Denn die Frage des Vorliegens eines Präsentationsarzneimittels kann vom Gericht selbst ohne Sachverständigengutachten beantwortet werden (vgl. BGH, U.v. 11.7.2002 – I ZR 34/01 – juris Rn. 68 ff. [insoweit nur teilweise abgedruckt in BGHZ 151, 286/297]; BVerwG, B.v. 4.3.2014 – 3 B 60.13 – juris Rn. 9 m.w.N.; siehe auch das Senatsurteil vom 20.12.2021 im parallelen Verfahren 14 B 19.1283 unter 1.1.). Davon ist auch der Klägerbevollmächtigte ausgegangen, der zuvor selbst betont hatte (Protokoll S. 5 oben), dass das Gericht die Frage einer Präsentationsarzneimitteleigenschaft selbst prüfen könne, da es auf die Verbraucherperspektive ankomme.
Demnach verbleibt nur noch die klägerische Argumentation, die besagten Auslandspräparate seien Funktionsarzneimittel (vgl. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der RL 2001/83/EG). Doch selbst wenn man diese vom Kläger behauptete Funktionsarzneimitteleigenschaft der streitgegenständlichen ausländischen Fertigpräparate zugunsten des Klägers unterstellen wollte, würde es diesbezüglich jedenfalls an der Apothekenpflichtigkeit i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV fehlen, weil diese Fertigpräparate in Deutschland nicht „als Arzneimittel“ verkehrsfähig wären.
1.2.3.1. Im Ausgangspunkt dürften die ausländischen Fertigpräparate – unterstellt, sie seien Funktionsarzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG – gemäß § 73 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 AMG nicht ohne Zulassung nach Deutschland verbracht werden.
Eine derartige Zulassung fehlt aber ausweislich des Schreibens des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 26. Mai 2021.
1.2.3.2. Dabei wäre auch hinsichtlich der aus dem Ausland stammenden Fertigpräparate keine der in § 21 Abs. 2 (i.V.m. § 73 Abs. 1) AMG genannten Ausnahmen von der Zulassungspflichtigkeit einschlägig (siehe 1.2.2.1.).
1.2.3.3. Außerdem wäre keine der in § 73 AMG genannten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbringungsverbot (§ 73 Abs. 1 i.V.m. § 21 AMG) einschlägig.
Insbesondere wäre der Ausnahmetatbestand des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG nicht einschlägig, soweit die streitgegenständlichen Fertigpräparate – ihre Funktionsarzneimitteleigenschaft unterstellt – aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (oder des Europäischen Wirtschaftsraums) eingeführt wurden, was nach der aktenkundigen E-Mail der abgebenden Apotheke für die „aus Amerika über Holland in die EU“ eingeführten Präparate Vitamin D3 und Vitamin B2 zuträfe. Denn es ist weder vorgetragen noch ansatzweise ersichtlich, dass diese Präparate im Herkunftsland oder sonst im Ausland „als Arzneimittel“ in Verkehr gebracht werden dürften, was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber Voraussetzung für die Einschlägigkeit des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG wäre – denn diese Bestimmung will nur solche Mittel vom Verbringungsverbot nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG ausnehmen, die im Ausland als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden dürfen (BGH, U.v. 11.7.2002 – I ZR 34/01 – BGHZ 151, 286/298 m.w.N.).
Nichts anderes gilt für den klägerseits betonten Ausnahmetatbestand des § 73 Abs. 3 AMG, der den Import von Arzneimitteln über Apotheken auch aus dem sonstigen Ausland (außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums) in den dort genannten Grenzen ermöglicht. Denn § 73 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AMG setzt nach der insoweit einschlägigen zivilgerichtlichen Rechtsprechung voraus, dass das jeweilige Fertigarzneimittel im jeweiligen Herkunftsland i.S.v. § 73 Abs. 3 AMG rechtmäßig „als Arzneimittel“ – und nicht etwa als nicht reglementiertes Lebensmittel – in Verkehr gebracht werden darf (OLG Düsseldorf, U.v. 8.7.2008 – I-20 U 191/07 – juris Rn. 21, wobei eine dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde erfolglos blieb, vgl. BGH, B.v. 7.10.2009 – I ZR 126/08 – juris). Zwar ist dabei keine einschränkende Auslegung dergestalt zu fordern, dass das Präparat im Herkunftsland über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügen müsste, die qualitativ einer deutschen oder europäischen Zulassung entspricht oder vergleichbar ist (OLG Düsseldorf, U.v. 8.7.2008 a.a.O. Rn. 27; BGH, B.v. 7.10.2009 a.a.O.). Das ändert aber nichts daran, dass § 73 Abs. 3 AMG sehr wohl jedenfalls voraussetzt, dass das Mittel im Herkunftsland „als Arzneimittel verkehrsfähig ist“ (OLG Düsseldorf, U.v. 8.7.2008 a.a.O.). Die somit – entgegen der klägerischen Einschätzung, die Zulassung im Ausland sei „nicht erscheidungserheblich“ (Protokoll vom 13.12.2021 S. 3 erster Absatz) – erforderliche Verkehrsfähigkeit „als Arzneimittel“ im jeweiligen Herkunftsland i.S.v. § 73 Abs. 3 AMG ist aber für die hier streitgegenständlichen Fertigpräparate aus dem Ausland klägerseits schon nicht behauptet, geschweige denn ersichtlich. Ganz im Gegenteil werden die aus dem Ausland stammenden streitgegenständlichen Fertigpräparate außerhalb Deutschlands gerade nicht als Arzneimittel vertrieben (vgl. Bl. 69 bis 74 der Verwaltungsakte zum Verfahren 14 B 19.1280; siehe 1.2.3.) und es ist nicht ansatzweise vorgetragen oder ersichtlich, dass sie dort gleichwohl als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden dürften.
1.2.4. Zusammenfassend unterlägen somit sämtliche streitgegenständliche Fertigpräparate im Falle der klägerseits vertretenen Arzneimitteleigenschaft in Deutschland der arzneimittelrechtlichen Zulassungspflicht (§ 21 Abs. 1 AMG), würden aber einer derartigen Zulassung ermangeln, wobei die aus dem Ausland importierten Präparate dem Verbringungsverbot des § 73 Abs. 1 AMG unterlägen, ohne dass eine der in § 73 Abs. 2 oder 3 AMG genannten Ausnahmen vorläge, weswegen die Verkehrsfähigkeit und damit auch die Apothekenpflichtigkeit i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i.V.m. § 43 Abs. 1 AMG zu verneinen wäre.
1.2.5. Weil die Beihilfefähigkeit der streitgegenständlichen Fertigpräparate jedenfalls an der Apothekenpflichtigkeit scheitert (siehe oben), kann offenbleiben, ob im bayerischen Beihilferecht die noch strengere Handhabung des Zulassungserfordernisses im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bezogen auf importierte Präparate entsprechend heranzuziehen ist.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sogar eine Möglichkeit, gemäß § 73 Abs. 3 AMG ein im Ausland verkehrsfähiges Arzneimittel ausnahmsweise – abweichend vom grundsätzlichen Verbot des § 73 Abs. 1 AMG – nach Deutschland zu verbringen, nicht auch als geeignet angesehen, um eine zulassungsähnliche Wirkung herbeizuführen, weil andernfalls das nationale arzneimittelrechtliche Zulassungserfordernis außer Kraft gesetzt würde (BSG, U.v. 18.5.2004 – B 1 KR 21/02 R – BSGE 93,1 = juris Rn. 17 mit Hinweis auf den Gesichtspunkt der unzulässigen Umgehung der Zulassungspflicht), wobei insoweit in den aus Gründen des Gesundheitsschutzes europarechtlich angeordneten weitgehenden Warenverkehrsbeschränkungen auf dem Arzneimittelsektor eine grundsätzliche Bestätigung der nationalen Vorbehalte gegen alle in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Qualitätskontrollen gesehen wird (BSG, U.v. 18.5.2004 a.a.O. Rn. 29). Selbst soweit das Bundessozialgericht davon bei seltenen Erkrankungen unter engen Voraussetzungen Ausnahmen zugelassen hat, geschah dies nur in Fällen, in denen die importierten Präparate – anders als hier – im jeweiligen ausländischen Herkunftsstaat „als Arzneimittel zugelassen“ waren (vgl. BSG, U.v. 19.10.2004 – B 1 KR 27/02 R – BSGE 93, 236 = juris Rn. 30). Die Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Zulassung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist dabei auch bundesverfassungsgerichtlich anerkannt (BVerfG, B.v. 5.3.1997 – 1 BvR 1071/95 – NJW 1997, 3085).
Würden diese im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Maßstäbe auf das bayerische Beihilferecht übertragen, wäre der Beihilfeanspruch des Klägers hinsichtlich der aus dem Ausland importierten Präparate – ihre Funktionsarzneimitteleigenschaft unterstellt – erst recht ausgeschlossen. Weil hier aber die in § 73 Abs. 2 Nr. 6a, Abs. 3 AMG vorgesehenen Ausnahmebestimmungen bereits tatbestandlich nicht vorliegen (siehe 1.2.3.3.), lässt der Senat diese Frage offen.
1.3. Weil der streitgegenständliche Beihilfeanspruch in allen denkbaren Varianten ausscheidet (siehe 1.1., 1.2.) – und zwar gerade auch dann, wenn ein Funktionsarzneimittel vorliegen sollte – kommt es auf die klägerseits insoweit gewünschte Begutachtung nicht an (vgl. den vom Senat abgelehnten klägerischen Beweisantrag zu 1, Protokoll vom 13.12.2021 S. 5 f.).
2. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 49 Abs. 2 BayBhV unter Berücksichtigung von Verfassungsrecht und der UN-Behindertenrechtskonvention.
2.1. Nach § 49 Abs. 2 BayBhV kann die Gewährung von Beihilfen über diese Verordnung hinaus in besonders begründeten Ausnahmefällen, die nur bei Anlegung des strengsten Maßstabs anzunehmen sind, zugelassen werden.
2.2. Es kann dabei dahinstehen, ob sich die in der Verwaltungsvorschrift zu § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV (dort Satz 2) enthaltenen Ausnahmefallgruppen systematisch als eine Art schematisierte Ausnahmeregelung i.S.v. § 49 Abs. 2 BayBhV interpretieren lassen. Denn es ist für die hier streitgegenständlichen Fertigpräparate auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen des Pharmaziereferats der Regierung von Oberbayern im Erörterungstermin vom 27. Juli 2021 (dortiges Protokoll S. 5 vorletzter Absatz, S. 9 erster und dritter Absatz, S. 10 vorletzter Absatz, S. 11 vierter Absatz, S. 12 vierter Absatz) nicht ersichtlich, dass vorliegend eine der dort genannten Fallgruppen einschlägig sein könnte.
2.3. Vorliegend hat das (heutige) Staatsministerium der Finanzen und für Heimat im Schreiben vom 14. September 2016 (dort unter 3.) im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Klägers keinen Ausnahmefall nach § 49 Abs. 2 BayBhV angenommen. Auch das Verwaltungsgericht (UA S. 23 f. unter 2.4.) hat eine Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts des Klägers verneint, weil dieser Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A15 erhalte und der Gesamtbetrag der betreffenden Präparate für seine Ehefrau bei 41,- € im Monat liege, was im Vergleich zu den Versorgungsbezügen des Klägers nicht unangemessen sei, zumal auch die krankheitsbedingten erhöhten Aufwendungen für unter anderem Reinigungs- und Waschmittel von 135,- € im Monat als Kosten der allgemeinen Lebenshaltung zu keinem anderen Ergebnis führten.
2.4. Gegen diese Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers und der ihm verbleibenden Mittel im Kontext des § 49 Abs. 2 BayBhV ist vorliegend nichts zu erinnern. Insbesondere gebieten – auch im Hinblick darauf, dass die streitgegenständlichen Fertigpräparate für die Ehefrau des Klägers von existenzieller Bedeutung sind – weder Verfassungsrecht noch die UN-Behindertenrechtskonvention insoweit eine abweichende Interpretation derart, dass auf Fragen der Alimentation und der dem Kläger verbleibenden Mittel nicht abzustellen wäre.
2.4.1. Auszugehen ist dabei davon, dass im Bereich der dienstrechtlichen Fürsorge ein weiter Gestaltungsspielraum des Normgebers besteht, der auch grobe Typisierungen erlaubt (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.2003 – 2 C 36.02 – BVerwGE 118, 277 = juris Rn. 25), wobei eine lückenlose Versorgung nicht nötig (BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 19 m.w.N.) und eine „Versicherbarkeit“ nicht gefordert ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.2003 a.a.O. Rn. 19 m.w.N.), und es im Ausgangspunkt auf die jeweils verbleibenden Mittel ankommt, sodass es grundsätzlich keine „starren“ Grenzen gibt (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.2003 a.a.O. Rn. 16), was für die vom Staatsministerium der Finanzen und für Heimat und vom Verwaltungsgericht gefundene Auslegung spricht.
2.4.2. Allerdings kann sich dann, wenn Leistungsbereiche abstrakt-generellen Beihilfeauschlüssen unterworfen werden, die Frage des Erfordernisses einer „abstrakt-generellen“ Härtefallregelung stellen (vgl. BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 18, 20 ff.), wobei sich dann die Folgefrage stellt, ob § 49 Abs. 2 BayBhV derartigen Problematiken gerecht wird oder ob nicht vielmehr die Wirksamkeit der Leistungsausschlussregelung in Frage steht, soweit der Wesenskern der Fürsorgepflicht betroffen ist, weil Maßnahmen ausgeschlossen sind, die existenziell bedeutsam oder notwendig sind, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. BayVGH, U.v. 14.7.2015 – 14 B 13.654 – VGH n.F. 68, 126 Rn. 24 m.w.N. zum Ausschluss von Sehhilfen auch bei Erwachsenen mit gravierender Sehschwäche).
Daraus ergibt sich, dass § 49 Abs. 2 BayBhV und der dortige, die Alimentation und die Frage der verbleibenden Mittel einbeziehende Regelungsansatz stets im Kontext der jeweils einschlägigen Leistungstatbestände zu sehen sind, die die Bayerische Beihilfeverordnung zur Verfügung stellt. Je weitergehend der jeweilige Leistungstatbestand erhebliche Einschränkungen vorsieht, desto eher können Ausnahmeentscheidungen nach § 49 Abs. 2 BayBhV geboten, ein Absehen von der Frage verbleibender Mittel des Beihilfeberechtigten im Wege einer erweiternden Auslegung des § 49 Abs. 2 BayBhV denkbar oder (über § 49 Abs. 2 BayBhV hinaus) sogar eine Unwirksamkeit derartiger Ausschlusstatbestände begründbar sein. Umgekehrt kann ein bloßes Abstellen auf die jeweils noch verfügbaren Mittel des Beihilfeberechtigten umso eher der Fürsorgepflicht genügen, je großzügiger die jeweils im Raum stehenden Leistungstatbestände ihrerseits ausgestaltet sind.
Vor diesem Hintergrund erweist sich § 18 BayBhV im Vergleich zu vergleichbaren Beihilferegelungen anderer Normgeber, insbesondere des Bundes, als relativ großzügige Regelung. Hervorzuheben ist insbesondere, dass der bayerische Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln nicht von einer „Verschreibungspflicht“ abhängig macht und damit auf einen Ausschlusstatbestand wie etwa § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV verzichtet, sodass sich auch die daran anknüpfende Frage der Notwendigkeit eines abstrakt-generellen Ausgleichs (vgl. dazu etwa BVerwG, U.v. 23.11.2017 – 5 C 6.16 – NVwZ-RR 2018, 392) bei § 18 BayBhV nicht stellt. Auch gibt es in § 18 BayBhV keine dynamische Verweisung auf das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – und die dortigen Regelungen des „Bundesausschusses“, wie sie etwa im Bereich der Medizinprodukte ohne Annahme eines Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht für verfassungskonform angesehen worden ist (BVerwG, U.v. 26.3.2015 – 5 C 9.14 – BVerwGE 151, 386; im Anschluss daran BayVGH, U.v. 10.8.2015 – 14 B 14.766 – juris).
Zu sehen ist bei der im Ausgangspunkt gebotenen typisierenden Betrachtung (siehe 2.4.1.) außerdem, dass auch der Ausschlusstatbestand des § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV nicht weit dahin auszulegen ist, dass jedwedes Präparat ausgeschlossen wird, das überhaupt irgendein Vitamin enthält, sondern dass vielmehr eine enge Auslegung dahingehend geboten ist, dass von einem „Vitaminpräparat“ im Sinne dieses Auschluss- und Ausnahmetatbestands nur auszugehen ist, wenn es sich um ein „reines“ Vitaminpräparat handelt, nicht aber wenn noch andere Wirkstoffe enthalten sind (so der Senat zu § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV im parallelen Senatsurteil vom 20.12.2021 zum mitverhandelten Verfahren 14 B 19.1279).
Hinzu kommt, dass § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV nicht so weitgehend auszulegen ist, dass er schematisch allein eine „typisierende“ Betrachtung der in der allgemeinen Bevölkerung „regelmäßig“ anzutreffenden Art und Weise der Stillung des täglichen Nahrungsbedarfs – von dem sich beispielsweise der konkrete Fall der Ehefrau des Klägers deutlich unterscheidet – verlangen würde, sondern ganz im Gegenteil Raum lässt, der Situation des täglichen Bedarfs und der Möglichkeit oder einer gesundheitlich bedingten Unmöglichkeit, diesen Bedarf bei den jeweils erkrankten Personen zu stillen, im Einzelfall Rechnung zu tragen (so der Senat zu § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV in den parallelen Senatsurteilen vom 20.12.2021 zu den mitverhandelten Verfahren 14 B 19.1279 und 14 B 19.1283; siehe hierzu auch Sitzungsprotokoll vom 13.12.2021 S. 6 fünftletzter Absatz), zumal im Beihilferecht die konkrete Zweckbestimmung des Arzneimittels im Einzelfall entscheidend ist (OVG Saarl, U.v. 8.6.2021 – 1 A 204/19 – juris Rn. 64 ff., 69 f.).
Aus diesen Gründen ist § 49 Abs. 2 BayBhV ein hinreichender Maßstab für die Prüfung, ob wegen der Angewiesenheit der Ehefrau des Klägers auf die streitgegenständlichen Präparate ausnahmsweise Beihilfe beansprucht werden kann, obwohl sich aus § 18 BayBhV kein Anspruch ergibt. Angesichts der verbleibenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers fehlt es dabei an einer Ausnahmekonstellation i.S.v. § 49 Abs. 2 BayBhV.
2.4.3. Entgegen der klägerischen Kritik ergibt sich nichts anderes aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn bezogen auf das für den Senat entscheidende Kriterium der Apothekenpflichtigkeit (§ 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i.V.m. § 43 Abs. 1 AMG), das – wie gezeigt – die (hier fehlende) Verkehrsfähigkeit der streitgegenständlichen Präparate – ihre Arzneimitteleigenschaft unterstellt – in Deutschland gemäß §§ 21, 73 AMG voraussetzt (siehe oben), werden der Kläger und seine Ehefrau nicht anders behandelt als alle anderen Beihilfeberechtigten. Gleiches gilt für den Beihilfeausschluss für Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel, wobei auch insoweit die besagte Pauschalierungs- und Typisierungsberechtigung des Verordnungsgebers, die im Vergleich großzügige Regelung des § 18 BayBhV und die insoweit angemessenen Härtefalllösungsmöglichkeiten im Rahmen des § 49 Abs. 2 BayBhV zu sehen sind (siehe oben).
2.4.4. Schließlich führt auch die UN-Behindertenrechtskonvention und das spezielle Verbot der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht dazu, dass eine an § 49 Abs. 2 BayBhV orientierte Härtefallregelung sich hier als unzureichend erweisen würde.
Dabei ist zu sehen, dass insbesondere Art. 25 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (vgl. Gesetz vom 21.12.2008, BGBl. II S. 1419) – UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) – jedenfalls dann keine eigene Anspruchsgrundlage für Menschen mit Behinderung darstellt, wenn – wie im Fall des § 18 BayBhV – Menschen mit Behinderung dieselbe Bandbreite von Leistungen zur Verfügung steht wie Menschen ohne Behinderung (BSG, U.v. 6.3.2012 – B 1 KR 10/11 R – BSGE 110, 194 Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 29.1.2019 – 14 ZB 18.663 – juris Rn. 16 [ohne amtliche Randnummern abgedruckt bei PharmR 2019, 299]). Nichts anderes gilt für das parallele verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, dem Art. 5 Abs. 2 UN-BRK im Wesentlichen entspricht (vgl. BSG, U.v. 6.3.2012 a.a.O. Rn. 31). Vor diesem Hintergrund ist für den Senat auch insoweit entscheidend, dass der bayerische Verordnungsgeber einerseits mit § 18 BayBhV eine im Vergleich zu Beihilferegimen anderer Normgeber relativ großzügige Ausgestaltung gewählt hat (siehe oben) und gleichzeitig mit § 49 Abs. 2 BayBhV eine Ausnahmeregelung vorgesehen hat, die im Einzelfall auftretenden Härten unter Berücksichtigung der jeweils verbleibenden Mittel angemessen Rechnung tragen kann. An der Angemessenheit dieses normativen Vorgehens ändert es nichts, dass sich angesichts der im vorliegenden Fall vergleichsweise hohen Versorgungsbezüge des Klägers aus Besoldungsstufe A15 im Ergebnis kein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Ausnahme aus § 49 Abs. 2 BayBhV ergibt (siehe oben).
Vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung des klägerischen Ausnahmeantrags durch das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3. Der vollständig unterliegende Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
5. Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil die Frage, inwieweit mit einer beihilferechtlichen Inbezugnahme der arzneimittelrechtlichen Apothekenpflichtigkeit (§ 43 AMG), wie sie in § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV erfolgt ist, eine Beihilfefähigkeit ausscheidet, wenn Fertigarzneimittel in Deutschland entgegen § 21 AMG nicht zugelassen sind, und inwieweit sich aus § 73 AMG insoweit überhaupt Abweichendes ergeben kann, grundsätzliche Bedeutung hat.


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