Europarecht

Beiladung eines Sportwettenveranstalters zum Klageverfahren eines Sportwettenvermittlers

Aktenzeichen  23 C 22.1156

Datum:
19.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12098
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 65

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 7 K 22.114 2022-04-13 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin durch den streitgegenständlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Antrag auf Beiladung der Beiladungsinteressierten abgelehnt wurde, beschwert und damit beschwerdeberechtigt ist (dies verneinend Porz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 65 VwGO Rn. 17; Kintz in Posser/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1.10.2021, § 65 Rn. 28 m.w.N.; a.A. SächsOVG, B.v. 13.2.2017 – 1 E 4/17 – BeckRS 2017, 103375) und ob sie durch ihren Vortrag im Schriftsatz vom 17. Mai 2022 unverzüglich glaubhaft gemacht hat, dass ihrem Bevollmächtigten wegen eines technischen Ausfalls der Internetverbindung die fristgerechte Einreichung einer den Formerfordernissen des § 55d Satz 1 VwGO entsprechenden Beschwerdeschrift nicht möglich war (vgl. § 55d Satz 3 und 4 VwGO).
Denn die Beschwerde ist jedenfalls in der Sache unbegründet, weil der Beiladungsinteressierten ein Anspruch auf Beiladung nach § 65 VwGO nicht zusteht.
1. Die Klägerin wendet sich vorliegend gegen die Widerruflichkeit und die Befristung der ihr mit Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2022 erteilten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten. Die Beiladungsinteressierte, die ihren Sitz in Malta hat und deren Sportwetten die Klägerin in der von ihr betriebenen Wettvermittlungsstelle vermittelt, ist zu diesem Verfahren weder notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO) noch einfach (§ 65 Abs. 1 VwGO) beizuladen.
a) Die Voraussetzungen der notwendigen Beiladung liegen nicht vor, da die Beiladungsinteressierte als Veranstalterin der von der Klägerin vermittelten Sportwetten an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt ist, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO). Dies ist dann der Fall, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte oder Rechtsverhältnisse Dritter gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 70.94 – NVwZ-RR 1995, 196 m.w.N.). Dagegen genügt für die notwendige Beiladung nicht, dass eine einheitliche Entscheidung durch tatsächliche Verhältnisse gefordert wird oder logisch notwendig erscheint. Der besondere Zweck einer notwendigen Beiladung besteht nicht darin, die Verfahrensposition des einen oder anderen Prozessbeteiligten zu stärken und in dessen Interesse die Möglichkeiten der Sachaufklärung zu erweitern (BVerwG, U.v. 7.2.1986 – 4 C 30/84 – BVerwGE 74, 19 (23)).
Unabhängig von der Frage, ob auch der Beiladungsinteressierten wegen einer möglichen Verletzung ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) eine Klagebefugnis für eine Klage auf Erteilung einer unbeschränkten Erlaubnis an die für sie tätige Sportwettenvermittlerin zusteht (zur Klagebefugnis eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Sportwettenanbieters für eine Klage gegen eine gegenüber dem Sportwettenvermittler ergangene Untersagungsverfügung vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2012 – 10 B 10.2959 – juris Rn. 25), wird jedenfalls bei der Entscheidung über die Klage der Klägerin als Vermittlerin nicht zugleich über Rechte der Beiladungsinteressierten mitentschieden, da sie von der Rechtskraft eines gegenüber der Klägerin als Vermittlerin ergehenden Urteils nicht erfasst wird (vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2012 – 10 B 10.2959 – juris Rn. 18, zur Klage des Sportwettenveranstalters gegen eine an den Vermittler gerichtete bestandskräftige Untersagungsverfügung; vgl. auch BVerwG, U.v. 27.8.1996 – 1 C 8.94 – juris, zur Problematik einer Klage des Ehegatten gegen die rechtskräftige Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines Ausländers). Da die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten personenbezogen ist (vgl. Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und – wenngleich der Wettveranstalter den Antrag auf Erteilung der Vermittlungserlaubnis für den Vermittler stellt (§ 21a Abs. 1 Satz 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV) – Inhaltsadressatin des Erlaubnisbescheids daher die Klägerin ist, entfaltet die Erlaubniserteilung an die Klägerin bzw. ein entsprechendes Urteil für die Beiladungsinteressierte keine rechtsgestaltende Wirkung (vgl. Art. 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG; vgl. auch Schoch/Schneider, VwGO, Stand 41. EL Juli 2021, § 65 Rn. 26 f).
Im Übrigen kommt eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO auch immer nur dort in Betracht, wo der klägerische Antrag (und eine dementsprechende Gerichtsentscheidung) den Dritten in negativer Weise betrifft, d.h. dessen rechtlich geschützten Interessen abträglich wäre, nicht jedoch in Fällen wie dem vorliegenden, wo eine Parallelität der Interessen des Klägers und des Dritten besteht (BayVGH, U.v. 12.6.2012 – 10 B 10.2959 – juris Rn. 18; B.v. 19.9.2008 – 10 CS 08.1831 – juris Rn. 6; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 65 Rn. 15 f; Konrad, BayVBl 1982, 481/484 m.w.N.; zur nicht gegebenen notwendigen Beiladung des Sportwettenveranstalters im Klageverfahren gegen eine gegenüber dem Vermittler ergangene Untersagungsverfügung vgl. NdsOVG, B.v. 8.5.2017 – 11 LA 24/16 – juris Rn. 7 f; OVG NW, B.v. 14.4.2016 – 4 B 860/15 – juris Rn. 8 ff; BayVGH, B.v. 26.7.2016 – 10 S 16.1423 – juris Rn. 16 ff).
b) Auch eine einfache Beiladung der Beiladungsinteressierten nach § 65 Abs. 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt. Zwar werden durch die Entscheidung über die Klage der Klägerin betreffend die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten rechtliche Interessen der Beiladungsinteressierten berührt, wie § 65 Abs. 1 VwGO dies voraussetzt. Jedoch steht es im Einklang mit dem Sinn und Zweck dieser Regelung, im Rahmen der Ausübung des durch § 65 Abs. 1 VwGO eingeräumten Ermessens von einer Beiladung der Beiladungsinteressierten abzusehen. Dabei ist der Verwaltungsgerichtshof als Beschwerdegericht nicht auf die Nachprüfung der Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichts beschränkt. Vielmehr hat er nach eigenem Ermessen über die Beiladung zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2012 – 1 C 11.3033 – BeckRS 2012, 52573 Rn. 10; Kintz in Posser/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1.10.2021, § 65 Rn. 28; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 169 jeweils m.w.N.).
Der Senat sieht von einer Beiladung der Beiladungsinteressierten ab, weil diese nicht prozessökonomisch und zur Wahrnehmung ihrer Interessen nicht erforderlich ist. Eine Beiladung ist nicht zweckmäßig, da die Klägerin und die Beiladungsinteressierte dasselbe Interesse verfolgen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der vertraglichen Bindungen zwischen der Beiladungsinteressierten und der Klägerin sowie der Einbindung deren Wettvermittlungsstelle in die Vertriebsorganisation der Beiladungsinteressierten (§ 3 Abs. 6 GlüStV, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV) ist davon auszugehen, dass die Beiladungsinteressierte ihren Standpunkt über die Klägerin vollumfänglich in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einführen kann und dass der Vortrag der Klägerin die für das Klageverfahren maßgeblichen Gesichtspunkte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig anführen wird, zumal im Mittelpunkt des Rechtsstreits die Frage eines Verstoßes der konkreten Wettvermittlungsstelle gegen das Mindestabstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV steht und insoweit auch im Sinne einer Aufklärung des Sachverhalts die Beiladung der Beiladungsinteressierten als Wettveranstalterin nicht erforderlich erscheint. Den Ausführungen der Beschwerde, die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit erstrecke sich auf eine große Anzahl von Wettvermittlungsstellen, die direkt im Zusammenhang mit der Beiladungsinteressierten stünden, so dass die Beiladung weiteren Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werde, ist insofern entgegenzuhalten, dass die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten personengebunden ist und es für die Frage des Vorliegens der Erlaubnisvoraussetzungen neben der Person des Vermittlers – so auch hier – maßgeblich auf die konkrete Örtlichkeit der Wettvermittlungsstelle ankommt.
Im Interesse der Beteiligten wird daher von einer Beiladung abgesehen, um die zügige Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zu erschweren.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 VwGO unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben