Europarecht

Beitritt und Anschluss von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zum Verfahren “Berliner Mietendeckel” unzulässig

Aktenzeichen  AN 2 K 19.01863

Datum:
3.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7212
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
QualV § 11, § 37, § 40

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. 
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung ihres New Zealand Certificate of Steiner Education (NZCSE) als allgemeine Hochschulreife für ein Studium in Bayern, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den ursprünglichen Klageantrag auf Verpflichtung aufrechterhalten. Dieser ist statthaft. Dahinstehen kann insoweit, ob das Schreiben des Beklagten vom 28. August 2019 einen Verwaltungsakt darstellt. Denn jedenfalls begehrt die Klägerin die Anerkennung ihrer Qualifikation für ein Studium in Bayern, mithin den Erlass eines Verwaltungsaktes. Da die Klägerin zuvor einen entsprechenden Antrag bei der Zeugnisanerkennungsstelle gestellt hat, ist die Klage als Verpflichtungsklage statthaft, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung ihres NZCSE als allgemeine Hochschulreife für ein Studium in Bayern. Die Anerkennung des Zertifikats der Klägerin richtet sich nach Art. 43 Abs. 7 BayHSchG in Verbindung mit den Normen der Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und an den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen (Qualifikationsverordnung – QualV).
a) § 11 QualV regelt die Anerkennung von sonstigen Nachweisen der Hochschulreife, die im Ausland erworben wurden. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob im Rahmen von § 11 QualV ein Anspruch auf Anerkennung eines Zeugnisses für ein Studium in Bayern auch außerhalb eines Zulassungs- oder Immatrikulationsverfahrens bestehen kann.
aa) Nach § 37 QualV entscheidet über das Vorliegen der jeweiligen Qualifikationsvoraussetzungen die aufnehmende Hochschule im Rahmen des Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahrens, soweit in der Qualifikationsverordnung nichts anderes bestimmt ist. In § 11 Abs. 2 Satz 1 QualV findet sich eine abweichende Regelung. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 QualV gelten sonstige Bildungsnachweise, die im Ausland erworben wurden, als Nachweis der Hochschulreife im Freistaat Bayern nur, wenn sie von der zuständigen Stelle anerkannt worden sind. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 QualV gilt dies entsprechend für Bildungsnachweise, die zwar im Inland, jedoch in einem ausländischen Bildungssystem erworben wurden. Gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 QualV ist zuständige Stelle im Sinn von Abs. 1 Satz 1 das Landesamt für Schule als Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern (Zeugnisanerkennungsstelle), im Rahmen des Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahrens die jeweilige Hochschule. In Zweifelsfällen ist gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 die Zeugnisanerkennungsstelle zu beteiligen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24. März 2016 – 7 ZB 15.2701 (juris Rn. 5) im Rahmen von § 24 QualV über das Verhältnis der Zuständigkeiten von Hochschule und Zeugnisanerkennungsstelle entschieden. Der Antragsteller begehrte die Anerkennung seines Abgangszeugnisses als Fachhochschulreife, nachdem er erfolglos einen entsprechenden Antrag bei der Zeugnisanerkennungsstelle gestellt hatte. Das Zeugnis hatte der Kläger außerhalb Bayerns, aber im Inland erworben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die Fachhochschulreife von der jeweiligen Hochschule im Rahmen des Hochschulzugangsverfahrens für einen bestimmten Studiengang unter Mitwirkung der Zeugnisanerkennungsstelle zu prüfen sei und verwies auf Nr. 1.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die Aufgaben der Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern in der Fassung vom 10. April 2013 (2235.1.1.1 – UK, Az.: VI.9-5 S. 4521-6a.25 550, KWMBl. S. 188). Einen Anspruch auf Anerkennung der Fachhochschulreife unabhängig von einem Verfahren des Hochschulzugangs für einen Studiengang im Einzelfall neben den in § 24 Abs. 1 und 2 QualV genannten Nachweisen gebe es nicht. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs betraf die Anerkennung eines inländischen, jedoch außerbayerischen Zeugnisses als Fachhochschulreife nach § 24 QualV. § 24 QualV enthält selbst keine Zuständigkeitsregelung, sodass sich die Zuständigkeit der Hochschule für die dort geregelten Sachverhalte bereits aus § 37 QualV ergibt. Auf § 11 QualV, in dessen Absatz 2 eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung zu finden ist, kann diese Entscheidung daher nicht ohne Weiteres übertragen werden. Überdies verweist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf Nr. 1.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10. April 2013. Danach wird der Zeugnisanerkennungsstelle zwar lediglich die „Mitwirkung“ bei der Feststellung der Gleichwertigkeit von im Inland außerhalb des Hochschulbereichs erworbenen Nachweisen der Fachhochschulreife nach § 24 QualV übertragen. Die Regelung entspricht Nr. 4.1 Halbs. 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die Aufgaben des Bayerischen Landesamts für Schule vom 1. Oktober 2018 (2230-K, Az.: SV-M8000.0/30/42, KWMBl. S. 375). Für die Fälle von im Ausland erworbenen Qualifikationen spricht die Bekanntmachung jedoch auch in der Fassung vom 1. Oktober 2018 nicht von einer „Mitwirkung“, sondern allein von der „Anerkennung“ durch die Zeugnisanerkennungsstelle, vgl. Nr. 4.1 Halbs. 1.
Das Verwaltungsgericht München entschied in einem Fall, in dem die Anerkennung eines syrischen Zeugnisses als Hochschulreife begehrt wurde (VG München, B.v. 15.11.2018 – M 3 E 18.3600). Entsprechend § 11 Abs. 2 QualV sei gemäß Ziffer 1.2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10. April 2013 der Zeugnisanerkennungsstelle im Bereich der Hochschulreife die Aufgabe der Mitwirkung bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungsnachweisen als Nachweis der Hochschulreife nach § 11 QualV übertragen. Dabei gebe es jedoch keinen Anspruch eines einzelnen Interessenten auf Anerkennung der Hochschulreife unabhängig von einem Verfahren des Hochschulzugangs für einen Studiengang. Das Verwaltungsgericht München berief sich auf Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und übertrug diese damit auf den Sachverhalt der Anerkennung eines im Ausland erworbenen Zeugnisses durch die Zeugnisanerkennungsstelle, was auf Grund der oben genannten Unterschiede zweifelhaft erscheint. Selbst die Heranziehung der nicht bindenden Bekanntmachung für die Auslegung der Norm ist nicht zielführend, da die Bekanntmachung bei im Ausland erworbenen Zeugnissen, nicht bloß von einer „Mitwirkung“ der Zeugnisanerkennungsstelle, sondern von der „Anerkennung“ durch die Zeugnisanerkennungsstelle spricht.
bb) Kann damit die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ohne Weiteres auf Konstellationen des § 11 QualV übertragen werden, ist die Zuständigkeit mittels Auslegung zu klären. Ob danach ein Anspruch auf Anerkennung eines Zeugnisses außerhalb eines Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahrens bestehen kann, ist fraglich.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 1 QualV spricht, in Abweichung zu § 37 QualV, eine grundsätzliche Zuständigkeit der Zeugnisanerkennungsstelle aus. In Abweichung hierzu ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Alt. 2 QualV „im Rahmen“ des Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahrens die jeweilige Hochschule zuständig. Der Wortlaut legt nahe, dass die Hochschule nur dann zuständig ist, wenn ein Immatrikulationsverfahren angestrengt wurde. Wird kein solches Verfahren angestrengt, deutet der Wortlaut darauf hin, dass die Zeugnisanerkennungsstelle grundsätzlich zuständig ist, auch in Fällen, in denen die Anerkennung für ein Studium begehrt wird.
In diese Richtung könnte zunächst auch der systematische Zusammenhang deuten, da § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 2 QualV eine Ausnahme zu Alt. 1 enthält und demnach als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen wäre. Jedoch ist hier zu beachten, dass § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 1 QualV mit der grundsätzlichen Zuständigkeit der Zeugnisanerkennungsstelle bereits eine Ausnahmevorschrift zu § 37 QualV enthält. Richtigerweise muss dann bereits die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 QualV, mithin die grundsätzliche Zuständigkeit der Zeugnisanerkennungsstelle, restriktiv ausgelegt werden. In diese Richtung deuten auch Sinn und Zweck der Norm. Die Zeugnisanerkennungsstelle ist Behörde des Freistaats Bayern. Die Regelung des Hochschulzugangs und die Immatrikulation sind gem. Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG auch für die Hochschule staatliche Angelegenheiten. Die Hochschule handelt insofern als Behörde des Freistaates Bayern (Coelln/Lindner in Beck’scher Online-Kommentar Hochschulrecht Bayern, 19. Edition Stand 1.11.2020, Art. 12 Rn. 3). Zutreffende Konsequenz wäre danach, dass die Hochschule als Behörde des Freistaates Bayern an die Anerkennung eines Zeugnisses durch die Zeugnisanerkennungsstelle als Behörde des Freistaates Bayern gebunden wäre. Ob dieses Ergebnis von § 11 Abs. 2 Satz 1 QualV gewollt ist, erscheint fraglich. Denn die Qualifikationsverordnung geht von einer grundsätzlichen Zuständigkeit der Hochschule aus, § 37 QualV. Ob diese bezüglich im Ausland erworbener Qualifikationen gänzlich aufgegeben werden sollte, erscheint zweifelhaft. Möglich erscheint vielmehr auch, dass der Verordnungsgeber all diejenigen Fälle, in denen ein Hochschulstudium angestrebt wird, der Entscheidung durch die Hochschule vorbehalten wollte. In diesem Sinne wären dann, wie vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, nur diejenigen Fälle von der Zuständigkeit der Zeugnisanerkennungsstelle erfasst, in denen kein tatsächlicher Hochschulzugang angestrebt wird, sondern etwa eine Ausbildung. Der Passus „im Rahmen“ in § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 2 QualV könnte in diesem Sinne so verstanden werden, dass die Hochschule immer dann zuständig ist, wenn eine Anerkennung tatsächlich zum Zwecke des Hochschulzugangs angestrebt wird.
Überdies erscheint letztlich auch zweifelhaft, ob eine Allzuständigkeit der Zeugnisanerkennungsstelle in den Fällen, in denen noch kein Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahren angestrengt wurde, jedoch ein Studium in Bayern angestrebt wird, dem Willen des Normgebers entspricht. Denn letztlich haben die Zeugnisinhaber von inländischen und ausländischen Zeugnissen das gleiche Interesse an einer verbindlichen Auskunft über die Anerkennung ihres Abschlusses für ein Studium. Inhaber inländischer Zeugnisse werden diesbezüglich jedoch nach § 37 QualV an die Hochschulen verwiesen.
b) Letztlich kann ein Entscheid jedoch dahinstehen, da das Zertifikat der Klägerin nicht nach § 11 Abs. 1 QualV anerkennungsfähig ist. § 11 QualV regelt die Anerkennung sonstiger, im Ausland erworbener Nachweise der Hochschulreife. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 QualV gelten sonstige Bildungsnachweise, die im Ausland erworben wurden, als Nachweis der Hochschulreife im Freistaat Bayern nur, wenn sie von der zuständigen Stelle anerkannt worden sind. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 QualV gilt dies entsprechend für Bildungsnachweise, die zwar im Inland, jedoch in einem ausländischen Bildungssystem erworben wurden. Die Anerkennung setzt nach § 11 Abs. 3 QualV grundsätzlich voraus, dass die im Ausland erworbenen Bildungsnachweise ein Hochschulstudium im angestrebten Studiengang auch im Herkunftsland der Bildungsnachweise ermöglichen und Vorkenntnisse erwarten lassen, die eine Aufnahme des Studiums an einer Universität des Freistaates Bayern sinnvoll erscheinen lassen. Entscheidend für eine Anerkennung nach § 11 QualV ist damit zunächst, ob das NZCSE der Klägerin im Sinne der Norm im Ausland erworben wurde. Dies ist nicht der Fall.
aa) Die Klägerin hat das NZCSE nicht in Neuseeland erworben. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet das Wort „Erwerben“ „durch Arbeit, Tätigsein erlangen, in seinen Besitz bringen“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/erwerben). Um etwas zu erwerben ist demnach die Erbringung einer Leistung erforderlich. Dafür, dass der Verordnungsgeber den Begriff des Erwerbens anders verstanden haben will, ist nichts ersichtlich. So ist auch und gerade für die Erlangung eines Schulabschlusses die Erbringung nicht unerheblicher Leistungen nötig. In diesem Sinne gab auch der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung an, dass es auch nach Ansicht der Klägerseite nicht darauf ankomme, wo sich die Person körperlich aufhalte, die die Unterschrift unter ein Zeugnis setze. Entscheidend sei, wo die schulischen Leistungen erbracht worden seien. Dies sei im Fall der Klägerin … gewesen. In Neuseeland hingegen hat die Klägerin nie eine Schule besucht, mithin dort keinerlei Leistungen erbracht. Allein die Ausstellung des Zeugnisses in Neuseeland genügt nicht für einen dortigen Erwerb.
(1) Dieses Verständnis des Begriffes des Erwerbens ist sachgerecht und geboten. Denn würde man in einem Fall wie dem vorliegenden für einen Erwerb in Neuseeland alleine genügen lassen, dass das Zertifikat dort ausgestellt wurde, würde sich eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr ergeben. Dies wird an folgender Überlegung deutlich: stellt man sich beispielsweise den Fall vor, dass ein Abschluss, etwa an einer österreichischen Waldorfschule, über unterschiedliche Anerkennungsentscheidungen verschiedener Länder nacheinander anerkannt würde, bis der Abschluss am Ende dieser Kette z.B. in Frankreich als französisches Abitur anerkannt würde, so kann es nicht folgerichtig sein, dass die bayerische Zeugnisanerkennungsstelle den Abschluss als französisches Abitur betrachten muss. Vielmehr kann hier nur, um einer solchen Missbrauchsgefahr durch „Anerkennungsketten“ zu begegnen, entscheidend sein, wo die Leistungen tatsächlich ursprünglich erbracht wurden. Der Abschluss müsste dann als Abschluss an einer österreichischen Waldorfschule der Anerkennungsentscheidung unterzogen werden. Er könnte mithin nicht als französischer Abschluss betrachtet werden. Letzteres muss auch gelten, wenn es nicht um eine Anerkennung, sondern um die reine Zertifizierung in einem anderen Land geht. Auch in diesen Fällen kann die Qualifikation nicht als in einem Land erworben angesehen werden, in dem keine Leistungen erbracht wurden. Vielmehr ist im Ausgangspunkt auf den Ort der Leistungserbringung abzustellen.
(2) Die vorliegende Situation ist auch nicht mit einer Auslandsschule in einem anderen Land vergleichbar. So sieht § 11 Abs. 1 Satz 2 QualV vor, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 QualV für Bildungsnachweise, die zwar im Inland, jedoch in einem ausländischen Bildungssystem erworben wurden, entsprechend gilt. Entsprechend dieser Regelung wäre es folgerichtig, das Zertifikat dann als in Neuseeland erworben anzusehen, wenn die Leistungen in Österreich, aber im neuseeländischen Bildungssystem erbracht worden wären. Der Klägervertreter führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass es sich bei dem Zertifikat der Klägerin nicht um einen österreichischen Abschluss handele. Dem Schulbesuch der Klägerin an der Waldorfschule in … liege vielmehr ein konkretes neuseeländisches Programm zu Grunde. Die Situation sei ähnlich wie beispielsweise bei einer griechischen Auslandsschule in Deutschland, bei der auch die Unterrichtsgestaltung von Griechenland geprägt sei.
Die Norm des § 11 QualV ist zugeschnitten auf den typischen Fall von Auslandsschulen. Dem Fall einer Auslandsschule ist der vorliegende jedoch nicht vergleichbar. Denn die Klägerin hat ihre Leistungen nicht an einer neuseeländischen Schule in Österreich, sondern vielmehr ausschließlich an der österreichischen Waldorfschule in … erbracht. Die Zertifizierung erfolgte jedoch, anders als dies üblich ist, nicht durch die Schule selbst, sondern wiederum durch eine von der Schule unabhängige neuseeländische Stelle. Derart atypische Fälle will § 11 QualV bereits nicht erfassen, wie noch auszuführen sein wird.
Überdies werden Schüler an Auslandsschulen typischerweise nach dem ausländischen Curriculum unterrichtet. Der Beklagte hat dargelegt, dass der Abschluss des NZCSE in Neuseeland nicht auf Deutsch abgelegt werden könne. Diesem Einwand ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Der Vortrag, dass die NZQA das deutschsprachige NZCSE als gleichwertig ansehe, ist insofern nicht ausreichend. In der Datenbank der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz (ZAB) ist allein das New Zealand Certificate of Educational Achievement (NCEA) gelistet. Beschlüsse der Kultusministerkonferenz haben zwar keine die Länder unmittelbar verpflichtende Wirkung oder Gesetzeskraft (vgl. VG Bremen, B.v. 18.2.2011 – 5 V 1331/10). Sie stellen jedoch eine allgemein gehaltene, vorweggenommene Begutachtung als antizipiertes Sachverständigengutachten dar, so dass von ihren tatsächlichen Feststellungen und Wertungen nur dann abgewichen werden kann, wenn diese auf methodisch zweifelhafte Art gewonnen oder sachlich überholt sind oder im Einzelfall Besonderheiten aufgetreten sind, die erkennbar nicht bedacht worden sind (vgl. VG Bremen, B.v. 18.2.2011 – 5 V 1331/10; VGH BW B.v. 13.10.2000 – 9 S 2236/00). Zwar ist das NZCSE im Gegensatz zum NCEA in der Datenbank der ZAB nicht gelistet. Dennoch stellen die gelisteten Anforderungen der ZAB gerade die Anforderungen dar, die grundsätzlich an das neuseeländische Curriculum gestellt werden. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass auch der Beklagte auf dieses Curriculum Bezug nimmt. Das NZCSE der Klägerin erfüllt jedoch gerade nicht die Anforderungen, die an das neuseeländische Curriculum gestellt werden, da keinerlei Leistungen in Englisch oder Maori auf Muttersprachniveau erbracht wurden. Zwar betreffen die Anforderungen der ZAB nicht die Frage, ob eine Auslandsschule vorliegt, sondern erst die nachgeordnete Frage, unter welchen Voraussetzungen ein ausländischer Abschluss anzuerkennen ist. Jedoch legen die Anforderungen nahe, für einen dem § 11 Abs. 1 Satz 2 QualV entsprechenden Fall auch muttersprachliche Leistungen bzgl. der jeweiligen Sprache zu fordern. Dies gilt hier umso mehr, als nach dem nicht widerlegten Vortrag des Beklagten das NZCSE in Neuseeland faktisch nicht auf Deutsch abgelegt werden kann.
bb) Die Klägerin hat das NZCSE aber auch nicht im Sinne der Norm in Österreich erworben. Zwar wurden die schulischen Leistungen in Österreich erbracht. Die Klägerin hat aber keinen regulären österreichischen Abschluss erlangt. Vielmehr wurde ihr nach der 11. und 12. Jahrgangsstufe ein NZCSE ausgestellt. Das NZCSE selbst wurde jedoch nicht durch die Waldorfschule …, sondern durch die New Zealand Federation of Rudolf Steiner Waldorf Schools in Neuseeland ausgestellt. Damit fallen die Schule, an der die Klägerin ihre Leistungen erbrachte, und die Stelle, die der Klägerin ihr Zeugnis ausstellte, auseinander. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Norm des § 11 QualV derartige atypische Fälle erfassen will. Die QualV regelt in Abschnitt 1 die Qualifikation für ein Studium an staatlichen Universitäten. Die §§ 2 bis 10 QualV regeln ausschließlich den Nachweis der allgemeinen Hochschulreife durch verschiedene „im Inland erworbene“ Abschlüsse und Zeugnisse. So regelt etwa § 2 Nr. 1 QualV, dass die allgemeine Hochschulreife nachgewiesen wird durch ein im Freistaat Bayern erworbenes Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife eines öffentlichen oder staatlich anerkannten Gymnasiums, Abendgymnasiums oder Instituts zur Erlangung der Hochschulreife (Kolleg), Nr. 2, durch das Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife einer Fachoberschule oder Berufsoberschule etc. Die Qualifikationsverordnung regelt damit typischerweise Abschlüsse, bei denen im Inland Leistungen erbracht werden, die anschließend auch von der jeweiligen Institution, an der die Leistungen erbracht wurden, bescheinigt werden. § 11 QualV stellt nun eine Auffangregelung dar, für „sonstige Nachweise der Hochschulreife – im Ausland erworben“. § 11 QualV will damit lediglich sicherstellen, dass der Nachweis der Hochschulreife nicht ausschließlich daran scheitert, dass der Abschluss kein im Inland erworbener Abschluss ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber auch in § 11 QualV den typischen Fall regeln wollte, dass die Leistungen an einer Institution erbracht werden, die dann gleichfalls das Zeugnis ausstellt. Der hier vorliegende Fall weicht von dieser Typizität ab. Es erscheint auch nicht unbillig, derart atypische Fälle von dem Anwendungsbereich des § 11 QualV auszunehmen, da § 40 QualV als Auffangregelung für die gesamte QualV die Möglichkeit einer Anerkennung im Einzelfall durch das jeweilige Ministerium eröffnet. Dieser Weg wurde durch die Klägerin jedoch nicht beschritten.
c) Doch auch, wenn man bei der Auslegung des § 11 QualV weniger streng davon ausgehen wollte, dass das Zertifikat der Klägerin im Sinne der Norm in Österreich erworben wurde, wäre dieses auch nach § 11 Abs. 3 QualV nicht anerkennungsfähig. Denn nach § 11 Abs. 3 QualV setzt die Anerkennung grundsätzlich voraus, dass die im Ausland erworbenen Bildungsnachweise ein Hochschulstudium auch im Herkunftsland der Bildungsnachweise ermöglichen und Vorkenntnisse erwarten lassen, die eine Aufnahme des Studiums an einer Universität des Freistaates Bayern sinnvoll erscheinen lassen. Der Passus „Herkunftsland der Bildungsnachweise“ war in dieser Form nötig, um auch die Fälle des § 11 Abs. 1 Satz 2 QualV zu erfassen. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber auch Fälle erfasst haben wollte, bei denen, wie vorliegend, die schulischen Leistungen ausschließlich in Österreich erbracht wurden und lediglich das Zertifikat in Neuseeland ausgestellt wurde. Wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung zutreffend angab, kann gerade nicht entscheidend sein, in welchem Land die Person sich aufhält, die die Unterschrift unter das Zeugnis setzt. Eine dem § 11 Abs. 1 Satz 2 QualV entsprechende Konstellation liegt hier, wie ausgeführt, gerade nicht vor. Als „Herkunftsland des Bildungsnachweises“ könnte danach vorliegend lediglich Österreich angesehen werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der oben geschilderten Missbrauchsgefahr. Das Zertifikat ist jedoch gerade kein regulärer österreichischer Abschluss. Vielmehr ist dessen Anerkennung für den Hochschulzugang auch in Österreich von einer Anerkennungsentscheidung wie der hier zu treffenden Entscheidung abhängig. Derartige Anerkennungsentscheidungen genügen, selbst wenn sie regelmäßig positiv ausfallen sollten, nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 3 QualV.
2. Auch das Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region (Lissabon-Konvention) gebietet kein anderes Ergebnis. Nach Art. IV.1 der Lissabon-Konvention erkennt jede Vertragspartei für den Zweck des Zugangs zu den zu ihrem Hochschulsystem gehörenden Programmen die von den anderen Vertragsparteien ausgestellten Qualifikationen an, welche die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschulbildung in diesen Staaten erfüllen, sofern nicht ein wesentlicher Unterschied zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in der Vertragspartei, in der die Qualifikation erworben wurde, und denen in der Vertragspartei, in der die Anerkennung der Qualifikation angestrebt wird, nachgewiesen werden kann. Im „Explanatory Report“ der Lissabon-Konvention heißt es sinngemäß zu Art. IV.1 der Konvention, dass der Passus „die von den anderen Vertragsparteien ausgestellten Qualifikationen“ so verstanden werden sollte, dass auch Qualifikationen umfasst seien, die zum Bildungssystem einer Vertragspartei gehören, aber an einer Schule oder anderen Institution außerhalb des Staatsgebiets der Vertragspartei erworben worden seien. Damit deckt sich Art. IV.1 der Lissabon-Konvention mit § 11 der QualV, mithin wurde die Konvention in der Verordnung umgesetzt. Dass eine andere Auslegung vor dem Hintergrund der Konvention geboten ist, kann daher nicht angenommen werden. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen Art. III.1 der Lissabon-Konvention, da keine Diskriminierung etwa auf Grund der Staatsangehörigkeit oder Sprache gegeben ist.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 VwGO.


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