Aktenzeichen 10 ZB 20.1028
BayVSG aF Art. 3 Abs. 1, Art. 15,
BayVSG Art. 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GKG § 3 Abs. 2
Leitsatz
Für die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht genügt es, wenn die betroffene Person einem Funktionär der NPD ein Forum zur Selbstdarstellung und Werbung geboten hat. (Rn. 6 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
10 ZB 18.2223 2020-04-06 Bes VGHMUENCHEN VGH München
Tenor
I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Mit der Anhörungsrüge wendet sich die Klägerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. April 2020 (10 ZB 18.2223), mit dem ihr Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. April 2018 (M 30 K 16.3007) abgelehnt worden ist. Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Bayern 2015 unter „sonstige rechtsextremistische Organisationen“.
Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet, denn der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. April 2020 nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr. 2). Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2015 – 4 B 10.15 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 – juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.6.2015 – 10 ZB 15.1197 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO ist das Vorliegen der in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO genannten Voraussetzungen, also eine entscheidungserhebliche Verletzung des Gehörsanspruchs, darzulegen. Es sind also die Umstände darzulegen, aus denen sich die Verletzung des eigenen Anspruchs auf rechtliches Gehör und die Entscheidungserheblichkeit ergeben. Für die Darlegung einer Gehörsverletzung muss der Betroffene die Tatsachen oder Beweisergebnisse benennen, auf die das Gericht seine Entscheidung gestützt hat und zu denen er sich nicht äußern konnte. Alternativ muss er sein tatsächliches oder rechtliches Vorbringen sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles anführen, die die Annahme rechtfertigen, dass das Gericht entgegen der bestehenden Vermutung sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat (Kaufmann in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 152a Rn. 12; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Jan. 2020, § 152a Rn. 26).
Nach diesen Maßstäben zeigt die Klägerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Beschluss vom 6. April 2020 auf.
Soweit die Klägerin vorträgt, der Senat gehe nicht auf ihre Darlegungen zu dem Umstand ein, dass ihr politische Programmatiken und Äußerungen Dritter, nämlich des Dr. R. als NPD-Mitglied und damit der NPD als ganzer, und andererseits des Vereins „Midgard e.V.“ zugerechnet würden, trifft dies nicht zu. Der Senat ist ausführlich darauf eingegangen, weshalb der Vortrag des Dr. R. und der Auftritt des Vereins „Midgard e.V.“ zu Lasten der Klägerin als tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG (a.F.) gewertet werden konnten (Rn. 8-14 des Beschlusses). Dass die Klägerin dies nach ihrem Rechtsstandpunkt für unrichtig hält, begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Die Klägerin rügt weiter, der Senat sei nicht auf den gerügten „Begründungsmangel“ eingegangen, es fehle an der „Benennung einer Bestrebung gegen einen konkreten Verfassungsgrundsatz“. Offenbar bezieht sie sich damit auf eine Passage in ihrem Schriftsatz vom 17. November 2018 (S. 8 oben), in der sie die Frage stellt, „welches Ziel, das auf Beseitigung eines Elementes (wenn ja, welchen?) der FdGO gerichtet sein muss“, wohl durch die Anhörung des Vortrags des Dr. R. verfolgt worden sei. Diese Frage war für den Senat jedoch nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich war insoweit, dass die Klägerin damit einem Funktionär der NPD ein Forum zur Selbstdarstellung und Werbung geboten hat (Rn. 8 des Beschlusses); dass die NPD nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt und damit verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, wurde durch einen Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 (2 BvB 1/13 – juris) belegt (Rn. 9 des Beschlusses).
Die Rüge, der Senat gehe in seinem Beschluss nicht auf die von der Klägerin vermisste Verhältnismäßigkeitsprüfung ein, trifft ebenfalls nicht zu (siehe Rn. 15 des Beschlusses). Wenn die Klägerin die Erwägungen für „unschlüssig“ hält, wendet sie sich gegen die Richtigkeit der Ausführungen, zeigt aber keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör auf.
Zwei weitere Gesichtspunkte, zu denen der Senat nach Meinung der Klägerin keine Ausführungen gemacht habe, betreffen Detailfragen des Begriffes der „Bestrebungen“ sowie der Zurechnung von „Bestrebungen“ des Dr. R. und des Vereins „Midgard e.V.“ zur Klägerin. Auf die angeführten, von der Klägerin angestellten Rechtsbehauptungen kam es nicht an; der Senat hat – wie bereits erwähnt – ausführlich dargelegt, weshalb der Vortrag des Dr. R. und der Auftritt des Vereins „Midgard e.V.“ zu Lasten der Klägerin als tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG (a.F.) gewertet werden konnten (Rn. 8-14 des Beschlusses). Somit ist der Senat der Rechtsansicht der Klägerin nicht gefolgt, hat aber nicht ihr rechtliches Gehör verletzt.
Die weitere Rüge der Klägerin ist nicht recht verständlich. Sie meint offenbar, der Senat habe sich nicht mit dem Einwand auseinandergesetzt, die Nennung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht für 2015 sei nicht aufgrund des Vortrags des Dr. R. im Jahr 2011 erfolgt, dieser Vortrag sei erst in der Klageerwiderung angeführt worden, was Willkür begründe. Auch auf diese Frage ist der Senat jedoch eingegangen (Rn. 12 des Beschlusses).
Schließlich bringt die Klägerin vor, der Senat sei nicht auf den von ihr vorgetragenen „Aspekt der fehlenden Vorhersehbarkeit“ von Entscheidungen der Verfassungsschutzbehörde eingegangen; es sei nicht ersichtlich, wie eine Sanktion in Form einer Erwähnung im Verfassungsschutzbericht zu vermeiden sei. Offenbar nimmt die Klägerin damit Bezug auf ihr Vorbringen, dass die NPD erst durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 und der Verein „Midgard e.V.“ erst durch das Urteil des Senats vom 6. Juli 2017 als verfassungsfeindlich bewertet worden seien (Schriftsatz vom 17.11.2018, S. 10 oben). Auch auf diese Gesichtspunkte ist der Senat jedoch ausdrücklich eingegangen und hat ausführlich dargelegt, dass die jeweiligen verfassungsfeindlichen Bestrebungen schon zu den Zeitpunkten, als die Klägerin beiden Organisationen ein Forum geboten hat, bekannt waren oder bekannt sein mussten (Rn. 9 bzw. Rn. 14 des Beschlusses).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).