Europarecht

Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  Au 8 K 20.1187

Datum:
31.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23125
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 166
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich unter der Voraussetzung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gegen einen ablehnenden Bescheid über eine Finanzhilfe nach den Richtlinien für die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler. Sie hat die notwendige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
Die Klägerin ist freischaffende Künstlerin und hat am 6. Mai 2020 ihren Hauptwohnsitz in … mit Einzugsdatum 1. April 2020 beim zuständigen Bürgeramt angemeldet. Sie hat unter dem 25. Mai 2020 die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler („Künstlerhilfsprogramm“) u.a. unter Vorlage einer Einkommensbescheinigung einer Band vom 24. Mai 2020, adressiert an die Klägerin an eine Adresse in, beantragt. Auf Rückfrage des Beklagten und der Bitte um Vorlage einer Wohnungsgeberbescheinigung hat die Klägerin die o.g. Anmeldebestätigung nachgereicht. Eine Wohnungsgeberbestätigung reichte die Klägerin zunächst nicht nach.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2020 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Finanzhilfe nach dem Künstlerhilfsprogramm nicht erfüllt sind und daher keine Finanzhilfe gewährt wird.
Antragsberechtigt seien nur freischaffende Künstlerinnen und Künstler mit bestehendem Hauptwohnsitz in Bayern zum Stichtag 1. April 2020. Die Klägerin habe am 1. April 2020 ihren Hauptwohnsitz nicht in Bayern gehabt. Die rückwirkende Anmeldung vom 6. Mai 2020 führe nicht dazu, dass die Voraussetzungen für das Künstlerhilfsprogramm vorlägen.
Hiergegen hat die Kläger am 13. Juli 2020 unter der Voraussetzung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe Klage erhoben und beantragt,
Eine Finanzhilfe nach den Richtlinien für die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler wird gewährt.
Zur Begründung ist auf eine E-Mail der Klägerin vom 9. Juli 2020 an die zuständige Regierung verwiesen. Sie sei antragsberechtigt, da die Klägerin nach erfolgtem Umzug just seit dem 1. April 2020 ihren Hauptwohnsitz in Bayern habe. Die Anmeldung beim Bürgeramt sei durch die vorgelegte Anmeldebestätigung belegt, das beurkundete Einzugsdatum maßgeblich. Da das zuständige Bürgeramt pandemiebedingt für mehrere Wochen für den Publikumsverkehr geschlossen und sodann nur für Notfälle geöffnet gewesen sei, sei die Anmeldung erfolgt, sobald die Klägerin einen Termin erlangen habe können. Eine frühere Anmeldung sei ob der geschilderten Umstände unmöglich gewesen. Um die Anmeldung habe sie sich bereits im April bemüht, bereits am 16. April 2020 sei eine Wohungsgeberbestätigung elektronisch an das Bürgeramt übermittelt worden. Das Künstlerhilfsprogramm sei erst am 20. April 2020 in der Regierungserklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten gegenüber dem Bayerischen Landtag erstmalig angekündigt worden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Alle aktuellen Dokumente, die die Klägerin ihrem Antrag beigefügt habe, seien auf den Wohnort … ausgestellt gewesen. Aus der Anmeldebestätigung ergebe sich eine rückwirkende Anmeldung zum 1. April 2020. Die einschlägigen Richtlinien sähen den Stichtag 1. April 2020 für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes in Bayern vor. An diesem Stichtag sei die Klägerin nicht mit ihrem Hauptwohnsitz in … gemeldet gewesen, sondern noch in ….
Des Weiteren sei die Klägerin ausweislich der vorgelegten Einkommensbescheinigung Mitglied einer Band aus … (Nordrhein-Westfalen), so dass sie einen Wohnsitz in der Nähe benötige, den sie auch Anfang des Jahres 2020 dort gehabt habe. Aus der Bescheinigung gehe auch nicht hervor, dass die Klägerin vorgehabt hätte, aus der Band auszutreten. Im Gegenteil sei bescheinigt, dass für 2020 die Auftragslage leicht nach oben gegangen sei, aber pandemiebedingt 90% der Termine abgesagt worden seien. Im letzten Quartal 2020 seien noch Termine, die noch fraglich seien. Aus dieser Aussage ergebe sich, dass seitens der Klägerin durchaus der Wille gegeben sei, weiter in der Band aufzutreten, wozu sie allerdings einen Wohnsitz in der Nähe in … benötige. Sie übe ihre künstlerische Tätigkeit daher dort aus und gerade nicht in Bayern. Gerade dies sei aber der Sinn und Zweck der Voraussetzung des Hauptwohnsitzes in Bayern zum 1. April 2020.
In der nachträglich vorgelegten Wohnungsgeberbestätigung vom 16. April 2020 sei festgehalten, dass die Klägerin Mieterin ihrer Mutter sei. Ein Mietvertrag, aus dem sich dieses Mietverhältnis ergebe, sei bis jetzt nicht vorgelegt worden. Dagegen spreche auch, dass die Klägerin in der E-Mail vom 14. Juni 2020 von einer Mitbewohnerin und nicht von einer Vermieterin gesprochen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist erfolgreich.
1. Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ in Eyermann, a.a.O., Rn. 38).
2. Eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nach diesen Maßstäben gegeben. Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass die von der Klägerin unter der Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Klage in der Hauptsache Erfolg haben wird. Es erscheint möglich, dass der angegriffene Bescheid rechtswidrig ist, die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und sie daher einen Anspruch auf Neuentscheidung über ihren Antrag auf Gewährung einer Finanzhilfe nach den Richtlinien für die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler geltend machen kann (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Gem. Ziffer 2.1 Satz 1 der Richtlinien für die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler („Künstlerhilfsprogramm“, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 27. Mai 2020, Bay MBl. Nr. 301) sind antragsberechtigt freischaffende Künstlerinnen und Künstler mit bestehendem Hauptwohnsitz in Bayern (Stichtag 1. April 2020), die eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben.
Es wird noch aufzuklären sein, ob die Klägerin ihren Hauptwohnsitz zum 1. April 2020 tatsächlich in Bayern hatte. Dabei stellen sich zudem nicht ohne Weiteres zu beantwortende schwierige Rechtsfragen, etwa zum maßgeblichen Kriterium (Anmeldedatum, Einzugsdatum, tatsächlicher Wohnsitz) hinsichtlich des Hauptwohnsitzes zum Stichtag 1. April 2020 nach den einschlägigen Richtlinien zum Künstlerhilfsprogramm. Ebenfalls ist zu klären, ob die Tätigkeit der Klägerin für eine Band in Nordrein-Westfalen einem Hauptwohnsitz in Bayern entgegensteht.
Damit sind die Erfolgsaussichten der Klage derzeit noch als hinreichend offen im Sinne der Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe anzusehen.
3. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO).
4. Schließlich hat die Klägerin mit ihren Angaben in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht, dass sie, auch nicht teilweise, in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu bestreiten.


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