Europarecht

Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbstständige, Beratungspflicht einer Behörde bei zeitkritischen Verfahren zur Bewilligung von staatlichen Zuwendungen und einer Vielzahl von Antragstellern (Massenverfahren)

Aktenzeichen  22 ZB 21.2777

Datum:
20.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18965
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 25 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 31 K 21.2632 2021-09-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 9.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der Corona-Soforthilfen für die von ihr betriebene Shisha-Bar weiter.
Am 2. April 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Zuwendung nach den Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen („Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbstständige“; im Folgenden: Richtlinien) in Höhe von 9.000 €. Als Antragstellerin im Zuwendungsverfahren wurde die Klägerin persönlich mit ihrer Privatadresse (C. H2. straße 3) angegeben, als Firmenname „E. …“ in der Rechtsform „Einzelunternehmen“. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt: „Shisha Bar ist seit 18.03.2020 geschlossen, in der Folge keinerlei Umsatz mehr seither, Kosten wie Pacht, Personal, Automaten usw. laufen weiter, keine Reserven vorhanden, daher Krise.“ Unter den Kontaktdetails findet sich im Antragsformular eine Mobilfunknummer sowie eine E-Mailadresse, die sich laut ihres Domänenteils „[…]@ …de“ auf den Mitarbeiter einer Vermögensverwaltung bezieht, dessen Nachname die Klägerin aber fehlerhaft wiedergegeben hat (ein Buchstabe fehlt).
Mit Bescheid vom 18. Mai 2020 lehnte die Beklagte den Antrag vom 2. April 2020 ab.
Zur Begründung heißt es im Bescheid: „[…] kann die Soforthilfe nur gewährt werden, Falsche Email Adresse! Nachfragen nicht möglich“ (Anm.: Begründung ist mit diesem Wortlaut korrekt zitiert.). Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Soforthilfe nicht erfüllt und es entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag abzulehnen. In der dem Bescheid angefügten Rechtsbehelfsbelehrungwird u.a. ausgeführt, dass „gegen diesen Bescheid innerhalb eines Jahrs nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem für Sie örtlich zuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht (s. http://www.vgh.bayern.de/)“ erhoben werden könne.
Die gegen den Bescheid am 17. Mai 2021 erhobene bzw. auf Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 9.000 € gerichtete Klage (M 31 K 21.2632) wies das Verwaltungsgericht mit den Klägerbevollmächtigten am 27. September 2021 zugestelltem Urteil vom 20. September 2021 ab.
Am 27. Oktober 2021 beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin die Zulassung der Berufung. Zur Begründung wurden mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
Die Bevollmächtigten der Klägerin tragen dazu vor, dass die Beklagte insbesondere durch das Handeln ihres zuständigen Sachbearbeiters gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen habe. Dies ergebe sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus der elektronischen Behördenakte, in welcher der Sachbearbeiter lediglich pauschal vermerkt habe, dass die E-Mailadresse falsch und im Internet nichts zum Unternehmen zu finden sei. Entgegen des entsprechenden Vortrags der Beklagten in der mündlichen Verhandlung führe der Sachbearbeiter darin gerade nicht aus, dass er versucht habe, die Klägerin telefonisch zu erreichen. Ein substantiierter Beweisvortrag zu den genaueren Umständen sei durch die Beklagte nicht erfolgt. Die Beklagte habe in einer Mehrzahl von Fällen auch außerhalb des Mailverkehrs mit den jeweiligen Antragstellern oder der Kanzlei der Klägerbevollmächtigten telefonisch Kontakt aufgenommen, um Fragen zu den Anträgen zu klären. In mindestens fünf anderen Fällen sei dies völlig unproblematisch mit den jeweiligen Antragstellern oder unter Mithilfe von Kanzleimitarbeitern erfolgt. Die Klägerin wäre bei einer solchen telefonischen Kontaktaufnahme sehr wohl in der Lage gewesen, den entstandenen Liquiditätsengpass ohne weiteres mit Hilfe der in der Kanzlei ihrer Bevollmächtigten geführten Buchhaltung zu erklären. Die tatsächliche Verwaltungspraxis und das pflichtgemäße Ermessen habe die Beklagte mithin in vergleichbaren Fällen belegbar anders ausgeübt.
Nach dem Vortrag der Beklagten, den auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sei im seit 1. April 2020 rein elektronischen Verfahren zur Gewährung von Corona-Soforthilfe die E-Mail von der Bewilligungsstelle als einziges Kommunikationsmedium angegeben geworden; Rückfragen zum Antrag per Post oder Telefon seien nicht vorgesehen gewesen. Der Sachbearbeiter habe aber im vorliegenden Fall dennoch versucht, seine Fragen nach der Identität der Antragstellerin und des Unternehmens per Telefon unter der angegebenen Nummer zu klären, dabei aber niemanden erreicht. Der Antrag sei wegen Zweifeln an der Identität des Unternehmens abgelehnt worden. Eine Kontrollrecherche im Internet habe ergeben, dass an der angegebenen Adresse kein gastronomisches Unternehmen zu finden gewesen sei; ebenso wenig wie ein Hinweis auf eine „E. … Shisha-Bar“. Nur die Firma „E. … P. … “ sei zu finden (gewesen). Der diesbezügliche Hinweis der Klägerin, sie habe nicht die Adresse der Betriebsstätte, sondern ihre Privatadresse angegeben, um postalische Zustellungsschwierigkeiten zu vermeiden, erscheine wenig plausibel. Der Beklagten sei kein vergleichbarer Fall bekannt, bei welchem so verfahren worden wäre. Zudem hätte den Bevollmächtigten der Klägerin auch aufgrund der anderen, von ihnen angeführten Fälle auffallen müssen, dass sie die im Beantragungssystem (PEGA-System) übliche elektronische Bestätigung nicht erhalten hätten. Der von den Förderrichtlinien vorausgesetzte individuelle existenzbedrohliche Liquiditätsengpass sei infolge der pauschalen Angaben bei der Antragstellung nicht glaubhaft versichert worden.
Gemessen am eingangs erwähnten Maßstab hat die Klägerin keine ernstlichen Zweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts 20. September 2021 bzw. dessen Ergebnis, dass der Klägerin kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung und Auszahlung der beantragten Corona-Soforthilfe zusteht (UA S. 5 f., Rn. 18), dargelegt. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin annimmt, dass sich die von ihr vorgetragenen ernstlichen Zweifel auf beide vom Verwaltungsgericht formulierten Ablehnungsgründe (vgl. UA S. 7, Rn. 23 ff. und S. 9, Rn. 26 ff.) beziehen sollen, indem die Klägerin im Falle einer „erfolgreichen“ telefonischen Rückfrage die korrekte Anschrift ihres Unternehmens mitteilen und einen Liquiditätsengpass darlegen hätte können.
Dass die Beklagte als Bewilligungsbehörde in ihrer Verwaltungspraxis von Antragstellern (neben einem existenten Unternehmen an sich) regel- und gleichmäßig eine glaubhafte Versicherung (vgl. Nr. 3.2 der Richtlinien) für den laut Nr. 2 der Richtlinien erforderlichen existenzbedrohenden Liquiditätsengpass fordert, und dass die im Antrag vom 2. April 2020 von der Klägerin getätigten Angaben nicht für eine solche glaubhafte Versicherung ausreichen, wird von der Klägerin letztendlich nicht bzw. nicht substantiiert bestritten. Aber auch soweit sie vorträgt, dass die Beklagte sie grundrechtswidrig ungleich und damit zugleich ermessensfehlerhaft behandelt habe, indem (angeblich) keine telefonische Kontaktaufnahme erfolgt sei, dringt sie damit nicht durch. Zwar unterliegt die Beklagte auch im vorliegenden – wenn man es so bezeichnen will – „Massenverfahren“ einer Pflicht aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, bei der Klägerin auf eine korrekte Antragstellung, etwa durch die Vorlage ergänzender Unterlagen, hinzuwirken (dazu 1.1). Dieser Pflicht, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet (s.u.), ist die Beklagte aber vorliegend bereits dadurch nachgekommen, dass sie versucht hat, die Klägerin per E-Mail zu erreichen. Eine darüber hinausgehende Pflicht, etwa dass die Beklagte zwingend oder auch zusätzlich zur versandten E-Mail auch noch telefonisch Kontakt mit der Klägerin sucht, ergibt sich im vorliegenden (Massen-)Verfahren weder aus dem Gesetz noch aus einer etwaigen Verwaltungspraxis der Beklagten. Daher kann auch offenbleiben, ob, wie von der Beklagten behauptet, aber von der Klägerin bestritten, ein solcher – quasi überobligatorischer – Versuch der Kontaktaufnahme stattgefunden hat (dazu 1.2).
1.1 Die Beklagte unterliegt als zuständige Bewilligungsstelle bzw. -behörde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. Nr. 5 Satz 1 der Richtlinien) auch im vorliegenden „Massenverfahren“ (wenn man nicht nur Konstellationen i.S.v. Art. 17 ff. BayVwVfG, sondern auch die vorliegende mit vielen Antragstellern als Massenverfahren bezeichnen will, so etwa bei Hochschulzulassungsverfahren NdsOVG, B.v. 11.11.2009 – 2 NB 312/09 – juris Rn. 5 und OVG Hamburg, B.v. 23.1.2012 – 3 Bs 224/11 – juris Rn. 17 f.) grundsätzlich den Aufklärungs- und Belehrungspflichten aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG; diese erstrecken sich auch auf – wie vorliegend – präzisierungsbedürftige Anträge (vgl. etwa Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 43). Denn weder aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG noch aus einer spezialgesetzlichen Grundlage (vgl. zu einer solchen Konstellation NdsOVG, B.v. 11.11.2009 a.a.O.) ergibt sich für das vorliegende Bewilligungsverfahren ein genereller Ausschluss der Aufklärungs- und Belehrungspflicht; eine entgegenstehende Verwaltungspraxis oder auch eine „Festlegung“ in Förderrichtlinien könnte die (höherrangige) gesetzliche Vorgabe des Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG ohnehin nicht überwinden. Allerdings richtet sich der Umfang dieser Beratungs- bzw. Aufklärungs- und Belehrungspflicht nach den Umständen des Einzelfalls; pauschale oder allgemeingültige Aussagen verbieten sich insofern (Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 25 VwVfG Rn. 20; Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 25 Rn. 24). Neben den in der Kommentarliteratur genannten Aspekten wie etwa Schwierigkeit des Verfahrensgegenstandes, zu vermutender Kenntnisstand des Beteiligten, seine eventuelle Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden und seine Fürsorgebedürftigkeit (Kallerhoff/Fellenberg a.a.O.) erachtet der Senat vorliegend auch die enorme Anzahl – laut Beklagter rund 70.000 im Frühjahr 2020 – innerhalb kürzester Zeit zu bewältigender Anträge als geeignetes und erhebliches Kriterium zur Bestimmung des Umfangs der Beratungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG. Die möglicherweise erhöhte (verfahrensmäßige) Fürsorgebedürftigkeit eines einzelnen Antragstellers muss damit vorliegend zugunsten der quasi „objektiven“, materiellen/finanziellen Fürsorgebedürftigkeit einer Vielzahl von Antragstellern, denen ein existenzbedrohender Liquiditätsengpass drohen würde, wenn ihnen nicht zeitnah staatliche Zuwendungen in Form von Corona-Soforthilfen gewährt werden, zurücktreten bzw. mit letzterer in Ausgleich gebracht werden. Ohnehin trifft jeden Antragsteller im Rahmen eines Zuwendungsverfahrens eine letztlich aus § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB resultierende, zur allgemeinen Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) hinzutretende (erhöhte) Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben.
1.2 Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeutet dies, dass die Beklagte bereits durch die – wenn auch infolge der fehlerhaft angegebenen E-Mailadresse – erfolglose Kontaktaufnahme per E-Mail ihrer Beratungs- bzw. Auskunfts- und Belehrungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG ausreichend nachgekommen ist. Sie war insbesondere weder aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG noch aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet, darüber hinaus noch telefonischen Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen.
Die Beklagte hat zunächst geprüft und erkannt, dass der Antrag mangels präziserAngaben unvollständig ist; eine weitere Erörterung, ob und inwieweit diesbezüglich eine (Vor-)Prüfpflicht bestehen kann, erübrigt sich folglich (vgl. dazu allgemein BVerwG, U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – juris Rn. 24; zur Corona-Soforthilfe in Nordrhein-Westfalen VG Gelsenkirchen, U.v. 3.12.2021 – 19 K 2760/20 – juris Rn. 48 ff.).
Die anschließend (unstreitig vorgenommene) versuchte Nachfrage der Beklagten per E-Mail genügt, auch wenn sie nicht erfolgreich war, der Beratungspflicht.
Ob sich dies schon daraus ableiten lässt, dass laut Richtlinien (vgl. dort Nr. 6.2) und – insoweit unwidersprochen vorgetragen – dementsprechend durchgeführter Verwaltungspraxis bereits die Antragstellung ausschließlich elektronisch, d.h. per Internet-Eingabemaske, zulässig ist, darf offenbleiben. Zwar spricht einiges dafür, dass – quasi spiegelbildlich – bei einer zulässigen Beschränkung auf eine elektronische Antragstellung im Rahmen von Corona-Soforthilfen (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.8.2020 – 6 CE 20.1677 – juris Rn. 7, zuvor schon VG Würzburg, B.v. 13.7.2020 – W 8 E 20.815 – juris. Rn. 28 ff.) auch im weiteren Verwaltungsverfahren ausschließlich „elektronisch“, also per E-Mail, mit dem Antragsteller kommuniziert zu werden braucht (so – allerdings unter Verweis auf die im Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 anderslautende Formulierung „Antrags- und Bewilligungsverfahren werden elektronisch geführt“- VG Gießen, U.v. 29.11.2021 – 4 K 2911/20.GI – juris Rn. 17). Zwingend erscheint dieser Schluss aber nicht, zumal die entsprechende Eingabemaske neben der E-Mailadresse auch die Angabe von Telefon- und Faxnummer zulässt, was bei ausschließlich auf E-Mail beschränkter Kommunikation wenig Sinn ergeben würde.
Jedenfalls aber erscheint es in Abwägung der o.g. Interessen (verfahrensrechtliches Fürsorgebedürfnis des einzelnen Antragstellers vs. dessen eigener Mitwirkungspflicht und objektives Bedürfnis aller Antragsteller an zügiger Bearbeitung und Bewilligung/Auszahlung) vorliegend i.S.v. Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG als ausreichend, wenn die Beklagte bzw. Bewilligungsstelle sich für etwaige Rückfragen/Hinweise zu (ohne weiteres erkannten) Unzulänglichkeiten im Antrag auf eine Kommunikationsmöglichkeit, sei es E-Mail, sei es Telefax oder Telefon (oder – wenn auch fernliegend – postalisches Schreiben) beschränkt. Scheitert diese Kontaktaufnahme aufgrund von Fehlern, die der Risikosphäre des Antragstellers zuzuordnen sind (fehlerhafte Angaben, Unerreichbarkeit o.ä.), so ist die Beklagte (Bewilligungsbehörde) jedenfalls nicht verpflichtet, quasi „abgestuft“ auf eine weitere, andere Kommunikationsmöglichkeit zurückzugreifen (selbst wenn diese zur Verfügung stünde). Denn dies würde die Anforderungen an ein effektiv und zügig durchgeführtes Massenverfahren überspannen (vgl. auch UA S. 10, Rn. 28 ff.). So ist es für die Beklagte u.U. gar nicht erkennbar, ob etwa eine E-Mail den Empfänger erreicht hat bzw. die E-Mailadresse korrekt angegeben ist (eine entsprechende Information erfolgt zwar i.d.R., aber eben nicht zwingend durch automatisch generierte „Unzustellbarkeitsmeldungen“; so i.E. auch VG Gießen, U.v. 29.11.2021 – 4 K 2911/20.GI – juris Rn. 24). Selbst wenn die Beklagte – wie vorliegend – nach einem ernsthaften und ihrerseits fehlerfrei/ordnungsgemäß durchgeführten Versuch der Kontaktaufnahme erkannt hat, dass die angegebenen Kontaktdaten fehlerhaft sind, war sie daher nicht verpflichtet, auf andere (möglicherweise vorhandene) Kommunikationsmöglichkeiten zurückzugreifen (vgl. auch UA S. 11, Rn. 30). Tut sie dies im Einzelfall – quasi überobligatorisch – dennoch, ist es freilich unschädlich, führt aber auch nicht ohne weiteres zu einer entsprechenden Verwaltungspraxis (s.u.). Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG verpflichtet sie jedenfalls im vorliegenden, sehr zeitkritischen und auf die Verhinderung von existenziellen Liquiditätsengpässen gerichteten Massenverfahren nicht zu einer Art „erfolgsabhängigen gestaffelten“ Kontaktaufnahme mittels mehrerer Kommunikationsmöglichkeiten.
Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich nichts anderes. Ob und in welchem Umfang die vom Verwaltungsgericht zutreffend dargestellten (vgl. UA S. 6 f., Rn. 19 ff.), aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Anforderungen für den gleichmäßigen Vollzug von Förderrichtlinien nicht nur auf die materiell-rechtliche Gewährung der Förderung an sich, sondern auch auf das vorgeschaltete Verwaltungsverfahren anzuwenden sind (vgl. VG Würzburg, B.v. 13.7.2020 – W 8 E 20.815 – juris. Rn. 28), bzw. ob dies vorliegend so weit zu führen vermag, dass eine verbindliche Verwaltungspraxis entstehen kann, die zwingend (auch) eine telefonische Beratung/Rückfrage beinhaltet, kann offenbleiben, weil vorliegend nach dem Vortrag der Klägerin und der Beklagten nicht ersichtlich ist, dass eine solche Verwaltungspraxis besteht. Dass die Beklagte – wie die Klägerin behauptet und letztendlich auch durch die Beklagte bestätigt wird – im Einzelfall auch telefonischen Kontakt zu Antragstellern sucht, führt für sich genommen noch zu keiner solchen verbindlichen Verwaltungspraxis. Die Beklagte hat im Gegenteil im Rahmen der mündlichen Verhandlung – insoweit von der Klägerin nicht substantiiert bestritten – dargelegt, dass bei unplausiblen Angaben im Rahmen eines Antrags zunächst eine stichprobenartige Recherche im Internet, etwa anhand der angegebenen Adresse, durchgeführt werde und ferner hausintern auch das Kreisverwaltungsreferat eingebunden werde. Rückfragen an die Antragsteller würden ausschließlich per E-Mail gestellt. Dennoch hätte der Sachbearbeiter im konkreten Fall erfolglos versucht, die Klägerin per Telefon zu erreichen. Diese vom jeweiligen Einzelfall abhängige „Wahl des Kommunikationsmittels“ (wohl auch abhängig von Umfang und Art der Beratung/Rückfrage) ist im Übrigen auch nicht willkürlich i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG, solange der Pflicht aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG folgend zumindest eine versuchte Kontaktaufnahme mit einem geeigneten Kommunikationsmittel erfolgt.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG (wie Vorinstanz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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