Europarecht

Dieselskandal – kein Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers gegen den Hersteller

Aktenzeichen  32 U 1154/20

Datum:
13.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22783
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249, § 826

 

Leitsatz

1. Der Umstand, dass das Kraftfahrtbundesamt für ein Fahrzeug einen Rückruf wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung angeordnet hat, kann es als ausgeschlossen erscheinen lassen, den Vortrag der Klageseite hierzu als Behauptungen ins Blaue anzusehen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Schaden des Leasingnehmers, für den der Wertverlust des Fahrzeugs bei ausgeschlossenem Erwerb nach Beendigung des Leasingvertrages keine Rolle spielt, kann fehlen, wenn der Leasingnehmer bei Information über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ein anderes, vergleichbares Fahrzeug geleast hätte. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die an sich bestehende Anspruchskonkurrenz zwischen den Schadensersatzansprüchen des Leasingnehmers aus eigenem Recht gegen den Hersteller und den übertragenen Gewährleistungsansprüchen gegen den Verkäufer kann aufgrund der leasingtypischen Besonderheiten einzuschränken sein, wenn sich beide Ansprüche im Ergebnis auf die Rückabwicklung des Vertrages richten. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 O 2425/19 (2) 2020-01-24 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 24.01.2020, Az. 23 O 2425/19 (2), gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über
2. die Berufung nicht geboten ist. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Eine Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 Fall 1 i.V.m. § 546 ZPO) oder die Tatsachenfeststellung unrichtig ist (§ 513 Abs. 1 Fall 2 i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder neue berücksichtigungsfähige Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorliegen (§ 513 Abs. 1 Fall 2 i.V.m. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Entsprechende Voraussetzungen kann die Berufung nicht aufzeigen.
1. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend auszuführen:
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob das gegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Der Umstand, dass das Kraftfahrtbundesamt für das Modell GLC 250d 4Matic jedenfalls für den Produktionszeitraum 01.06.2015 bis 30.11.2016 einen Rückruf wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung angeordnet hat, lässt es aber als ausgeschlossen erscheinen, den Vortrag der Klageseite hierzu als Behauptungen ins Blaue anzusehen. Vielmehr würde dieser Umstand, sofern entscheidungserheblich, eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten begründen.
b) Selbst wenn die Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB anzunehmen wären, hätte der Senat jedoch Zweifel an dem Bestehen eines Schadens des Klägers.
Zutreffend sieht das Landgericht auch keinen Schaden der Klägerin. Art und Umfang des zu leistenden Schadensersatzes richten sich nach den §§ 249 ff BGB. Im Wege der Differenzhypothese ist die gegenwärtige Lage des Geschädigten mit der Lage zu vergleichen, die ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dabei ist zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass er bei Information über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung über den Vertragsschluss keinen Leasingvertrag über ein Modell mit diesem Motor geschlossen hätte. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger in diesem Fall ein anderes, vergleichbares Fahrzeug geleast hätte. Entscheidend ist, wie er in diesem Fall zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf den für die Schadensermittlung auf Rechtsfolgenseite abzustellen ist, stünde (Riehm NJW 2019, 1105). Ein Schaden eines Leasingnehmers, dessen Wertverlust bei ausgeschlossenem Erwerb nach Beendigung des Leasingvertrages keine Rolle spielt, ist hier nicht erkennbar.
Jedenfalls wäre – alternativ – eine Vorteilsausgleichung für die gezogenen Nutzungen vorzunehmen. Der Senat geht dabei in der Regel von einer zu schätzenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km aus.
Grundsätzlich wäre auf der Rechtsfolgenseite auch zu berücksichtigen, ob die unzulässige Abschaltvorrichtung durch ein Software-Update bis zum Ende der mündlichen Verhandlung beseitigt wurde. Sofern dadurch keine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Leasingfahrzeugs eintritt, könnte das Verlangen einer Rückabwicklung des Vertrags rechtsmissbräuchlich sein (Riehm NJW 2019, 1105).
c) Die geltend gemachten Ansprüche bestehen aber schon deshalb nicht, da der Kläger das gegenständliche Fahrzeug nur geleast und nicht erworben hat.
Der Kläger beachtet nicht die Besonderheiten, die sich aus der leasingtypischen Vertragskonstruktion ergeben. Die Leasinggeberin hat dem Kläger die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte übertragen. Bei Vorliegen eines Sachmangels (vgl. BGH Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133) kann der Kläger als Leasingnehmer aus den Rechten der Leasinggeberin gegen die Verkäuferin vorgehen und Nacherfüllung verlangen oder ggfs. von dem Kaufvertrag zurücktreten. Der Hersteller ist im Rahmen der leasingtypischen Vertragskonstellation rechtlich nicht in die Abwicklung eines Leasingvertrages eingebunden.
Selbst wenn der Kläger darlegen und beweisen könnte, dass eine Täuschung der Beklagten kausal für seine Entscheidung für den Vertragsschluss war und dass er ohne die Täuschung gar kein Fahrzeug geleast hätte, hätte sich auf der Rechtsfolgenseite noch kein Schaden konkretisiert. Grundsätzlich hätte die Beklagte den Kläger so zu stellen, wie er ohne einen Leasingvertrag stünde und hätte ihm die gezahlten Leasingraten zu erstatten und ihn von den weiteren Leasingraten freizustellen und sonstige finanziellen Nachteile zu erstatten.
Der Kläger hat jedoch zunächst die Gewährleistungsrechte gegenüber der Verkäuferin geltend zu machen. Wenn es ihm gelingt, aus abgetretenem Recht vom Kaufvertrag zurückzutreten und anschließend im Rahmen der Rückabwicklung des Leasingvertrags seine gezahlten Leasingraten wieder zu erlangen, hat sich bei dem Kläger der Schaden in Form der gezahlten Leasingraten nicht realisiert (Harriehausen NJW 2018, 3137). Die an sich bestehende Anspruchskonkurrenz zwischen den Schadensersatzansprüchen aus eigenem Recht gegen den Hersteller und den übertragenen Gewährleistungsansprüchen gegen den Verkäufer ist aufgrund der leasingtypischen Besonderheiten einzuschränken, wenn sich beide Ansprüche im Ergebnis auf die Rückabwicklung des Vertrages richten. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, kann die Rückabwicklung auf Grundlage deliktischer Ansprüche nur verlangt werden, wenn die Rückabwicklung nach einem Rücktritt von dem Kaufvertrag ohne Erfolg bleibt (Senat Beschluss vom 08.10.2019 – 32 U 3498/19).
2. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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