Europarecht

Drittanfechtungsklage, Beschränkter Prüfungsumfang, Fischereirecht, Wasserentnahme aus der Donau

Aktenzeichen  RN 8 K 18.1159

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52580
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 10 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i. V. m. Art. 15 BayWG – Art. 1 BayFiG

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
I. Der Kläger ist klagebefugt. Der Kläger ist Fischereiberechtigter an der Donau. Das Fischereirecht reicht vom I. bei der R. bis zum Ausfluss aus der Gemarkung K1. in M. und besteht damit auch in dem Bereich der streitgegenständlichen Wasserentnahmestelle an der Donau. Der Kläger macht die Verletzung seines Fischereirechts geltend, welches ein dem Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gleichzustellendes Recht darstellt. Nachdem die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, ist eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu bejahen.
II. Die Klage bleibt in der Sache umfassend ohne Erfolg. Die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 5. Juli 2018 erteilte wasserrechtliche beschränkte Erlaubnis (§ 10 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i.V. m. Art. 15 BayWG) verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt, ist keine Erledigung eingetreten und es ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.
1. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Nebenbestimmungen, welche in dem Bescheid vom 5. Juli 2018 vorgesehen wurden, nicht eingehalten worden seien, handelt es sich nicht um eine Frage der Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Anfechtung des Bescheides, sondern um eine Frage der Einhaltung der mit dieser Erlaubnis verbundenen Nebenbestimmungen.
2. Bei der vorliegenden Drittanfechtungsklage ist der Prüfungsumfang beschränkt. Der Kläger kann keine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit der wasserrechtlichen Gestattung verlangen. Entscheidungserheblich ist allein, ob der streitgegenständliche Bescheid auch gegen Rechtsvorschriften verstößt, die gerade dem Schutz des Klägers dienen. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz für den Bereich des Wasserrechts lässt sich grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lassen (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 17.1.2018 – 9 K 16.1362 – BeckRS 2018, 977 Rn. 14, unter Verweis auf BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 5/17 – juris Rn. 15). Die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie), welche der Kläger als verletzt ansieht, hat keinen individualschützenden Charakter (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.2021 – 7 C 3/20 – NVwZ 2021, 984 ff., insb. Rn. 16-19). Der Prüfungsumfang ist daher im konkreten Fall darauf beschränkt, ob es durch die dem Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zu einer Verletzung des Fischereirechts des Klägers kommt; dies ist weder in formeller noch in materieller Hinsicht der Fall.
a. Soweit vom Klägerbevollmächtigten in formeller Hinsicht eine fehlende Anhörung (Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) gerügt wurde, ist diese jedenfalls durch die ausführliche Klageerwiderung in diesem Verfahren geheilt worden (vgl. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG). Der Beklagte hat dies auch zum Anlass einer Prüfung seiner Entscheidung genommen und zu erkennen gegeben, dass er an dem Bescheid festhalte.
b. Ausgangspunkt der materiell-rechtlichen Beurteilung ist Art. 1 Abs. 1 Bayerisches Fischereigesetz (BayFiG). Nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH ist das Fischereirecht an die konkrete Situation des Gewässers, in dem es ausgeübt wird, und an die dort vorherrschenden Bedingungen und Verhältnisse gebunden. Deshalb wird es inhaltlich darauf begrenzt, was der jeweilige Zustand des Gewässers an fischereilicher Nutzung ermöglicht (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2011 – 8 ZB 10.165 – BayVBl 2011, 728 – juris Rn. 12; U.v. 17.3.1998 – 8 A 97.40031 – NVwZ-RR 1999, 734 – juris Rn. 17). Gegenüber wasserwirtschaftlichen Veränderungen gewährt das Fischereirecht deshalb nur einen beschränkten Schutz (vgl. BayVGH, Urt. v. 8.10.2019 – 8 B 18.809 – juris Rn. 46). Ein rechtserheblicher Eingriff in das private Fischereirecht liegt deshalb nach der Rechtsprechung des BayVGH überhaupt nur vor, wenn Maßnahmen veranlasst werden, die infolge ihrer Auswirkungen, Tragweite oder Beschaffenheit das Fischereirechts ganz oder zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aufheben oder entwerten – mit anderen Worten, wenn das Fischereirecht in seiner Substanz betroffen ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 17. 3. 1998 – 8 A 97.40031 – NVwZ-RR 1999, 734 ff; BayVGH, B. v. 17.7.2020 – 8 CS 20.1109 – BeckRS 2020, 16974 Rn. 18 mit Verweis auf BayVGH, U. v. 8.10.2019 – 8 B 18.809 – BeckRS 2019, 27389).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist vorliegend nicht ersichtlich, dass es durch die dem Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zu einem solchen schweren und unerträglichen Eingriff kommt oder das Fischereirecht des Klägers in seiner Substanz betroffen wird.
aa. Die Fachberatung für Fischerei (Bezirk Niederbayern) hat mit Schreiben vom 22. Mai 2018, 13. Juni 2018 sowie vom 19. November 2018 gegenüber dem LRA klargestellt, dass gegen die Erhöhung der Wasserentnahmemenge keine Bedenken bestünden, wenn die fischereilich bedingten Nebenbestimmungen berücksichtigt würden. Es sei darauf zu achten, dass die Wasserentnahme nur bei Abflüssen über MNQSommer erfolge, die Wasserentnahme für Fische unschädlich sei (Standort, Saugschlauchsieb mit max. 5 mm Lochgröße) und die Entnahmestelle gemeinsam mit dem Fischereiberechtigten festgelegt werde. Die Wasserentnahme sei in einem Betriebsbuch zu dokumentieren und die Wasserentnahmestelle müsse aus der fließenden Welle (deutlich erkennbare Strömung) und in größerer Wassertiefe (über 0,4 m) erfolgen. Auch in dem Schreiben vom 19. November 2018 an das LRA führte die Fachberatung für Fischerei zu jedem vom Kläger vorgetragenen Punkt aus und kam zu dem Ergebnis, dass allenfalls ein sehr geringer fischereilicher Schaden abgeleitet werden könne. Diese Einschätzung wurde erneut in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Konkret wurde ausgeführt, dass es bei einer Wasserentnahme mehrere Wirkfaktoren geben würde; es sei hier um die Wasserentnahmemenge, den Fischschutz und den Lärm gegangen. Diese Wirkfaktoren seien vorliegend als marginal einzustufen und diese Einschätzung würde sich zusammengefasst auf alle angegriffenen Genehmigungen beziehen. Auf Nachfrage des Klägerbevollmächtigten wurde zudem ausgeführt, dass durch die Auflagen sichergestellt werde, dass größere Fische nicht angesaugt werden würde. Bei Larven sei dies nicht auszuschließen. Eine Quantifizierung könne nicht vorgenommen werden, weil insoweit keine Zählungen stattgefunden hätten. Im Nachbarlandkreis sei dies der Fall gewesen, dort gehe es jedoch um eine Wasserentnahme von 30 m3 pro Sekunde und nicht wie hier um 50 Liter pro Sekunde. Die Entnahmestelle sei bewusst an dieser Stelle festgelegt werden, sodass möglichst wenige Fische angesaugt würden. Da die Entnahmestelle im gepflasterten Bereich liege, sei es sehr unwahrscheinlich, dass sich dort Jungfische aufhalten würden. Diese Ausführungen der Fachberatung für Fischerei sind für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig. Es ist plausibel, dass durch die Auflagen, die in Ziffer 3.5 des Bescheides vorgesehen sind, Schädigungen am Fischbestand so gut wie möglich verhindert werden. Gerade subadulte und adulte Fische können durch den vorgesehenen Saugkorb mit einer Durchlässigkeit des Netzes von max. 0,5 mm nicht angesaugt werden.
bb. Auch darüber hinaus sieht das Gericht keine Veranlassung dafür ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn – wie hier – die Fachberatung für Fischerei davon ausgeht, dass aus der Wasserentnahme keine negativen Auswirkungen resultieren. Das Gericht kann sich hier ohne Weiteres auf diese Stellungnahme stützen (BayVGH, U. v. 8.10.2019 – 8 B 18.809 – BeckRS 2019, 27389 Rn. 51), denn amtlichen Auskünften und Gutachten wie den Aussagen des Wasserwirtschaftsamts sowie regelmäßig auch denjenigen der Fischereifachberatung des Bezirks kommt eine besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 16.2496 – juris, Rn. 10; BayVGH, B.v. 24.11.2011 – 8 ZB 11.594 – juris, Rn. 11; BayVGH, B.v. 9.3.2011 – 8 ZB 10.165 – BayVBl 2011, 728 – juris, Rn. 12). Dabei ist vorliegend noch zu berücksichtigen, dass der Prüfungsmaßstab im streitgegenständlichen Verfahren beschränkt ist und daher für das Gericht im konkreten Fall entscheidend ist, ob es zu der oben angesprochenen Substanzverletzung kommt. Die Notwendigkeit einer Abweichung und Beweiserhebung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist erst dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängt, dass die Äußerung der Fachbehörde tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2016 – 8 CS 15.1096 – juris Rn. 36). Aufgrund der umfassenden Stellungnahme der Fachberatung für Fischerei vor und auch während der mündlichen Verhandlung, welche sich mit den einzelnen Argumenten des Klägers auseinandersetzte, ist das Gericht davon überzeugt, dass es durch die streitgegenständliche Wasserentnahme und durch sie veranlasste Auswirkungen nicht zu einer Schädigung des Fischereirechts des Klägers in seiner Substanz kommt.
cc. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen war eine weitere Beweiserhebung nicht erforderlich und der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag konnte abgelehnt werde. Die Ablehnung eines Beweisantrags führt nur dann zu einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach dem Rechtsstandpunkt des entscheidenden Gerichts erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 27.9.2021 – 8 K 20.1860 – BeckRS 2021, 30544 Rn. 42 m. w. N.). Der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung gestellte, unbedingte Beweisantrag, durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln, ob die streitgegenständliche Wasserentnahme quantifizierbare Auswirkungen auf den Fischbestand im betroffenen Fischereirecht nach sich ziehe, und hilfsweise in weiteren Flussbereichen weitere Amtsermittlungen anzustellen, wurde abgelehnt, weil die Frage, ob die Wasserentnahme quantifizierbare Auswirkungen hat, bereits unbehelflich ist. Dies resultiert daraus, dass bei einer Klage mit der Drittschutz begehrt wird, nicht alleine die Quantifizierbarkeit, sondern ein substantielles Eingreifen in das eigentumsähnliche Fischereirecht von ausschlaggebender Bedeutung ist. Selbst wenn der Antrag dahingehend ausgelegt werden würde, zu ermitteln, ob ein substantieller Eingriff in das Fischereirecht vorliegt, würde es sich um einen Beweisausforschungsantrag handeln, da vom Kläger keine konkreten Tatsachen vorgetragen wurden, worin ein substantieller Eingriff durch die genehmigte Wasserentnahmemenge bzw. Schaden bestehen solle.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da der Beigeladene keinen Sachantrag gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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