Europarecht

Dublin-Verfahren (Bulgarien)

Aktenzeichen  M 7 S 16.50777

Datum:
2.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 S. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Sowohl für Asylbewerber wie auch für Dublin-Rückkehrer besteht derzeit kein Grund für die Annahme, in Bulgarien bestehe kein ausreichendes Verfahren für die Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens. Auch die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, stellt für sich genommen keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems dar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR BeckRS 2011, 03848); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, um die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR BeckRS 2013, 81948). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 4. Juli 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. Juli 2016 einen Asylantrag. Eine Eurodac-Recherche vom 26. Juli 2016 ergab einen Treffer der Kategorie 1 für Bulgarien. Am 4. August 2016 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Bulgarien gerichtet. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 18. August 2016 gestützt auf Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO ihre Aufnahmebereitschaft.
Bei seiner Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 22. August 2016 gab der Antragsteller an, dass er im Dezember 2015 sein Herkunftsland Pakistan verlassen habe und dann über den Iran und die Türkei nach Bulgarien gereist sei, wo er 20 Tage im Gefängnis gewesen sei. Dann sei er nach Serbien und Slowenien, Kroatien und über Österreich nach Deutschland eingereist, wo er im Januar 2016 angekommen sei. Der erste Mitgliedsstaat, in den er eingereist sei, sei Bulgarien gewesen.
Mit Bescheid vom 21. September 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig sei, da Bulgarien für die Behandlung des Asylantrags nach der Dublin-III-VO zuständig sei. Gründe zur Annahme systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Gegen den am 23. September 2016 zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller am 30. September 2016 Klage (M 7 K 16.50776) erheben und beantragte zugleich im einstweiligen Rechtsschutz,
die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. September 2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Hauptsacheverfahren außer Vollzug zu setzen.
Gleichzeitig beantragte er für den einstweiligen Rechtsschutz und die Klage Prozesskostenhilfe. Zur Begründung trug er vor, dass eine Abschiebung nach Bulgarien nicht hinzunehmen sei, da Bulgarien dafür bekannt sei, zurückgeschobene Asylbewerber unmenschlich und erniedrigend zu behandeln. Es gebe massive Gründe für die Annahme von systemischen Mängeln im bulgarischen Asylverfahren.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2016 legte das Bundesamt die Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid vom 21. September 2016 ist zulässig aber unbegründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf, wie hier von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG) keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für und gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind.
Vorliegend überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anordnung gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Denn nach der gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung nach Bulgarien nicht in subjektiven Rechten verletzt wird.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines vom einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180/31) – Dublin-III-VO – für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach den Regelungen der vorliegend anzuwendenden Dublin-III-Verordnung (vgl. Art. 49 Unterabs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO) ist grundsätzlich nur ein einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung eines Asylantrags zuständig (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO). Dies ist hier Bulgarien.
Der Antragsteller hat aus einem Drittstaat kommend als erstes die Grenze des Mitgliedstaats Bulgarien überschritten (Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO), ist dort registriert worden und hat auch einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt hat deshalb am 4. August 2016 ein Aufnahmeersuchen nach der Dublin-Verordnung an Bulgarien gerichtet. Die bulgarischen Behörden haben mit Schreiben vom 18. August 2016 ihre Zuständigkeit gem. Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO erklärt.
Die Antragsgegnerin hat einen Selbsteintritt gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ermessensfehlerfrei abgelehnt. Insbesondere ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht ersichtlich, dass eine Überstellung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO unmöglich ist. Das ist dann der Fall, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller im zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – EUGRCh – mit sich bringen. Nach der zur Rechtslage unter der Dublin-II-VO ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 21. Dezember 2011 – C-411/10 u. C-493/10 – NVwZ 2012, 417/419 Rn. 80) gilt eine widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat mit den Erfordernissen der EUGRCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention – GF – und der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – in Einklang steht. Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsmängel regelhaft so defizitär sind, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – S. 7). An diese Feststellung sind hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg, B. v. 18.3.2014 – 13 LA 75/13 – juris Rn. 14). Einzelne Missstände stellen noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen vielmehr erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NW, U. v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 126). Es besteht allerdings keine allgemeine Verpflichtung, jedermann mit einer Wohnung zu versorgen, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG NW, a. a. O., Rn. 118 f. m. w. N.).
In Bezug auf Bulgarien bestehen nach aktuellem Kenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U. v. 29.1.2015 – 13a B 14.50039 – juris Rn. 27 ff., VGH BW, U. v. 18.3. 2015 – A 11 S 2042/14 – juris Rn. 36 ff; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 29.3. 2016 – 3 L 47/16 – juris Rn.24 ff.) geht das erkennende Gericht auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern davon aus, dass in Bulgarien derzeit ein ausreichendes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens gegeben ist.
Zwar war die Situation Asylsuchender in Bulgarien nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue“ vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation“ vom 7.4.2014) und Pro Asyl (vgl. Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien“) an. In seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland – Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, Seite 2 und 17) hält UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien jedoch nicht länger für gerechtfertigt, sondern empfiehlt nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit von einer Überstellung abzusehen. Dem Bericht vom April 2014 zufolge haben sich die Aufnahmebedingungen im Vergleich zur Situation im Dezember 2013, die der Stellungnahme vom 2. Januar 2014 zugrunde lag, erheblich verbessert (vgl. auch VGH BW, U. v. 10.11. 2014 – A 11 S 1778/14 – Rn. 49). Auch amnesty international sieht im Jahresbericht 2015 („Amnesty report 2015, Bulgarien“) trotz weiterhin erhobener Kritik davon ab, ein Rücküberstellungsverbot zu fordern.
Nach aktueller Erkenntnislage sind die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes zwar nicht gänzlich ausgeräumt; allerdings sind weitgehende positive Veränderungen erkennbar, die der Annahme durchgreifender Mängel des bulgarischen Asylsystems entgegenstehen. So sind die Kapazitäten aufgrund einer technischen und personellen Aufrüstung als auch einer gezielten Ausbildung neuer Kräfte signifikant gestiegen. Damit ist mittlerweile sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwendigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern. Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 – 13a B 14.50039 – juris Rn.38 ff.).
Auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden in Bulgarien ist derzeit nicht von systemischen Mängeln im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. Bereits im Februar 2014 hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) die Aufnahmezentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert. Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren, stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden. Zum Lebensunterhalt werde eine monatliche Grundsicherung ausbezahlt. Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 – 13a B 14.50039 – juris Rn. 39 m. w. N.).
Die Verbesserung der Aufnahmebedingungen wird auch in aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 und an das VG Aachen vom 27. Januar 2016 bestätigt (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg und das VG Aachen vom 30.11.2015 und 27.1.2016 – abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes). Aus den beiden Stellungnahmen geht hervor, dass die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmezentren trotz eines Wiederanstiegs der Asylbewerberzahlen gegenwärtig ausreichend sind, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden unterzubringen. Mit Stand 23. September 2015 befanden sich laut UNHCR 2.581 Flüchtlinge in sechs Aufnahmezentren. Die Belegungsrate lag bei 50% (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. November 2015). Mit Stand 24. Dezember 2015 befanden sich nach Angaben von UNHCR 612 Flüchtlinge in sechs Aufnahmezentren, die insgesamt eine Kapazität von 5.130 Plätzen aufweisen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016). Nach dem Eindruck des Auswärtigen Amtes hat sich die Situation in den Aufnahmezentren immer weiter verbessert und ist als insgesamt akzeptabel zu bewerten. Die EU habe beträchtliche zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um umfassende Renovierungsarbeiten in allen Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen, auch die Öffnung weiterer Flüchtlingszentren sei geplant. Die Verpflegung der Flüchtlinge ist nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes derzeit gesichert. Die medizinische Grundversorgung Asylsuchender ist in allen Aufnahmezentren ebenfalls gewährleistet. Jedoch könnten Personen mit besonderen medizinischen Bedürfnissen nicht immer angemessen versorgt werden. Dies betreffe in Bulgarien jedoch nicht nur Schutzsuchende, sondern auch einen Großteil der Allgemeinbevölkerung. Eine ausreichende Zahl von Dolmetschern sei vorhanden. Fehlendes Personal, auch in der Verwaltung, werde derzeit eingestellt.
Hinsichtlich der Situation von Dublin-Rückkehrer lässt sich dem aktuellen aida-Länderbericht zu Bulgarien (Stand: 30.9.2015, S. 27 ff.) entnehmen, dass derzeit keine prinzipiellen Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer anzunehmen sind. Ihnen wird grundsätzlich ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren gewährt. Dublin-Rückkehrer erhalten die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, d. h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Nur solche im Dublin-Verfahren überstellte Personen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden ist und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27. Januar 2016). Die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, stellt für sich genommen ebenfalls noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems dar. Denn mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 7.5.2015 – 13 L 1607/15.A – juris Rn. 32- 49; VG Minden, U. v. 10.2.2015 – 10 K 1660/14.A – juris Rn. 61 – 70).
Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, U. v. 21. 1.2011 – 30969/09 – juris Rn. 249); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B. v. 2. 4.2013 – 27725/10 – juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Ansbach, U. v. 10.7.2015 – AN 14 K 15.50050 – juris Rn. 31; VG Düsseldorf, B. v. 15.4.2013 – 17 L 660/13.A – juris Rn. 43 m. w. N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 29.1.2015 – 14 A 134/15.A). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (vgl. VG Magdeburg, U. v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD). Dass einem anerkannten Flüchtling in Bulgarien hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Unterkunft, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung nicht dieselben Rechte wie bulgarischen Staatsangehörigen zustehen, ist nicht ersichtlich (vgl. VG Magdeburg, U. v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD).
Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse geht das Gericht im Ergebnis daher davon aus, dass die noch bestehenden Defizite jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote hinsichtlich Bulgariens bestehen nicht. Ein der Abschiebung nach Bulgarien entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis und Duldungsgründe, die im Rahmen des § 34a Abs. 1 AsylG vom Bundesamt zu prüfen sind (BayVGH, B. v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris Ls), sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Nach alledem war der Eilantrag daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Vor diesem Hintergrund war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


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