Europarecht

Durchschnittsverbrauch als Indikator bei der Wahl der Produktbezeichnung

Aktenzeichen  M 18 K 16.68

Datum:
1.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 112533
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LFGB LFGB § 39 Abs. 2
VO (EG) Nr. 884/2004 Art. 54
VO (LMIV) Nr. 1169/2011 Art. 7, Art. 8 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2, Art. 10, Art. 13
HCV HCV Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 lit. c

 

Leitsatz

1 „Figur Fit – für eine kalorienbewusste Ernährung“ stellt eine Angabe in kommerziellen Mitteilungen nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCV dar. Einen „Kräutertee Figur-Fit“ kauft der durchschnittlich informierte Verbraucher wegen der auf der Verpackung suggerierten Wirkung bzw. hervorgehobenen besonderen Eigenschaft, zu helfen, die „Figur fit“ zu machen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Begriff „Figur Fit“ auf einem Teeprodukt ist nicht in jedem Zusammenhang geeignet, um einen Bezug zu Gewichtskontrolle bzw. -verlust herzustellen (Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm Art. 13 Abs. 1 c) HCV). Zwar verweist der Begriff „Figur“ auf die Körperform, jedoch kann eine fitte Figur nicht ohne Weiteres mit einem Gewichtsverlust gleichgesetzt werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die zugelassenen nährwertbezogenen Angaben scheiden aus der Anwendung sämtlicher Vorschriften für gesundheitsbezogene Angaben aus, allerdings nach dem Schutzzweck nur dann, wenn sich die Angabe an den Wortlaut der zugelassenen nährwertbezogenen Angaben oder streng an dieselbe Bedeutung hält. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine Irreführung der Verbraucher durch ein reines Bewerben von Teeprodukten mit ihrer Kalorienfreiheit ist keine nach Art. 7 Abs. 1 c) LMIV verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Durch das Bewerben der Kalorienfreiheit von reinen Tees in Beutelform wird kein besonderes Merkmal im Sinne des Art. 7 Abs. 1 c) LMIV ausgezeichnet. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 10. Dezember 2015 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes … vom 10. Dezember 2015 ist rechtswidrig, da zwar die Beklagte zu Recht von Verstößen der Klägerin ausging, die streitgegenständliche Anordnung jedoch unverhältnismäßig ist.
1. Richtige Rechtsgrundlage ist Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004. Der Wechsel der Ermächtigungsgrundlage ist zulässig (vgl. BVerwG v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juri, Rn. 11ff.). Die Behörde stellte entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten einen Verstoß fest, sodass der Anwendungsbereich des Artikels 54 der Verordnung (EG) 882/2004 eröffnet war. Maßgeblich für die Feststellung eines Verstoßes durch die Behörde ist die Ansicht der Behörde, ob objektiv alle Tatbestandsvoraussetzungen einer Verbotsnorm des Lebensmittelrechts vorliegen.
2. Es liegen bei beiden Produkten Verstöße gegen die Artikel 3 Abs. 1 und Abs. 5; 10 Abs. 1 und 3; 13 Abs. 1 c) HCV durch die Angabe „Figur Fit“ auf den Verpackungen in Verbindung mit der Gesamtaufmachung („für eine kalorienbewusste Ernährung“, „ideal zur Fastenunterstützung – zur Unterstützung bei Fastenkuren“, und den Anwendungsvorgaben beim Figur Fit Tee (6 Tassen täglich je eine Stunde vor und zu den Mahlzeiten)) vor.
2.1 Der Anwendungsbereich der HCV nach Art. 1 Abs. 2 Unterabsatz 1 HCV ist eröffnet, da im Rahmen der Gesamtaufmachung der streitgegenständlichen Produkte gesundheitsbezogenen Angaben bei der Kennzeichnung gemacht werden.
„Figur Fit – für eine kalorienbewusste Ernährung“ stellt eine Angabe in kommerziellen Mitteilungen nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCV dar. Damit wird auch mittelbar zum Ausdruck gebracht bzw. suggeriert, dass die streitgegenständlichen Teeprodukte besondere Eigenschaften besitzen. Der durchschnittlich informierte Verbraucher wird durch die plakativ hervorgehobenen Aufmacher „Figur Fit“ im Vergleich zu einem danebenstehenden Kräutertee ohne derartige Aufmachung der Suggestion unterliegen, dass ein „Figur-Fit“-Tee besondere Eigenschaften habe. Der Verweis des Klägerbevollmächtigten auf die Kenntnis des durchschnittlichen Verbrauchers von Wellness-Produktpaletten überzeugt das Gericht nicht: Einen „Kräutertee Figur-Fit“ kauft der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht, um sich „wohl zu fühlen“ oder wegen des Geschmackes, sondern wegen der auf der Verpackung suggerierten Wirkung bzw. hervorgehobenen besonderen Eigenschaft, zu helfen, die „Figur fit“ zu machen.
2.2 Eine gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV liegt nicht lediglich in der isolierten Bezeichnung „Figur Fit“. Jedoch ist aufgrund der konkreten Gesamtaufmachung der streitgegenständlichen Produkte sowohl in der ursprünglich beanstandeten Version, als auch in den Änderungsvorschlägen der Klägerin eine gesundheitsbezogene Angabe anzunehmen.
2.2.1 Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV ist eine gesundheitsbezogene Angabe jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff des Zusammenhanges ist dabei weit zu verstehen; er erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (BGH v. 10.12.2015 – I ZR 222/13 – juris, Rn. 21, m.w.N.). Aufgrund der Aufmachung der streitgegenständlichen Produkte, vor allem mit der Kennzeichnung „Figur Fit“ wird dem Verbraucher ein Zusammenhang zwischen den Teeprodukten und der Gesundheit suggeriert.
Gewichtskontrolle bzw. Gewichtsverlust stellen im Rahmen der HCV einen einstellbaren Gesundheitsaspekt dar. Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 13 Abs. 1 c) HCV auch solche, die schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittel beschreiben. Somit ist bereits aus dem Wortlaut der HCV klar ersichtlich, dass ein Bezug zu Gewichtskontrolle einen Gesundheitsbezug darstellt.
2.2.2 Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters ist jedoch der abstrakte Begriff „Figur Fit“ auf einem Teeprodukt nicht in jedem Zusammenhang geeignet, um einen Bezug zu Gewichtskontrolle bzw. -verlust herzustellen. Zwar verweist der Begriff „Figur“ auf die Körperform, jedoch könnte eine fitte Figur nicht ohne weiteres mit einem Gewichtsverlust gleichgesetzt werden. Durch eine andere Gesamtaufmachung der Teepackungen könnte das Begriffspaar „Figur Fit“ durchaus zulässig sein. Eine fitte Figur könnte beispielhaft auch mit einer muskulösen Figur (Muskelaufbau) verbunden werden, womit der vom Beklagtenvertreter automatisch angenommene abstrakte Bezug des Begriffspaars „Figur Fit“ zum Gewichtsverlust verwischt wäre.
2.2.3 Nach Ansicht des Gerichtes ist jedoch durch die Gesamtaufmachung der streitgegenständlichen Produkte, in die der Begriff „Figur Fit“ plakativ eingebettet ist, ein Bezug zur Gesundheit des Verbrauchers durch Gewichtsreduktion/-kontrolle hergestellt. Konkret sind beide Tees auf der Vorderseite der Verpackung mit der Unterschrift „für eine kalorienbewusste Ernährung“ bedruckt. Allein dadurch ist nach Ansicht des Gerichtes ein Bezug zwischen dem Begriffspaar „Figur Fit“ und einer gewichtskontrollierenden Eigenschaft des Tees hergestellt. Der bereits von der Klägerin nicht mehr verwandte Hintergrund mit der Darstellung eines flachen weiblichen Bauches verstärkte diesen Eindruck. Jedoch ist auch durch die aktuelle Abbildung von verschiedenen Kräutern auf der Verpackung ein solcher Bezug nicht auszuschließen. Wie der Klägerbevollmächtigte zu Recht erklärte, ist beim aufmerksamen, verständigen Durchschnittsverbraucher bekannt, dass jede Kräuterteeart kalorienarm bzw. kalorienfrei ist. Daher liegt es nach Auffassung des Gerichts nahe, dass der aufmerksame, angemessen informierte Durchschnittsverbraucher durch die konkrete Aufmachung auf der Vorderseite beider Teeprodukte davon ausgeht, dass nicht allein die Kalorienfreiheit der streitgegenständlichen Produkte bei einer Gewichtsreduktion hilfreich ist, sondern eine bestimmte Kräuterzusammensetzung in dem Produkt beim Abnehmen behilflich sein wird.
Verstärkt wird dieser Eindruck beim Produkt „Figur-Fit-Tee“ zum einen durch die Aufmachung …, die sich nahtlos in die von der Klägerin vertriebenen Arzneimitteltees mit medizinischen nachgewiesenen Wirkstoffen einreiht. Des Weiteren ist auf der Seite der Verpackung empfohlen, bei der Durchführung einer Diät kurmäßig dreimal täglich jeweils eine Stunde vor und zu den Mahlzeiten eine Tasse zu trinken. Auch diese Empfehlung führt bei dem durchschnittlich aufmerksamen und verständlichen Verbraucher zur Einschätzung, dass vorliegend ein Wirkstoff im Tee enthalten sein wird, der beim Abnehmen behilflich ist, da sonst eine kurmäßige Anwendung nicht wie bei Arzneimitteltees vorgeschrieben werden würde. Die oben benannten Beschriftungen auf der Verpackungsoberseite („Figur Fit“ in Verbindung mit dem Untertext „für eine kalorienbewusste Ernährung“), dem kurmäßigen Anwendungshinweis und die Gesamtaufmachung, die sich nahtlos in die Medizinprodukte-Reihe einfügt, führt zur Annahme eines kausalen Gesundheitsbezuges. Dieser wird durch die im Änderungsvorschlag abgeänderte Formulierung im kleingedruckten Seitentext („Dieser von Natur aus kalorienarme Kräutertee ist ein idealer Begleiter einer kalorienbewussten Ernährung.“) nicht ausreichend entkräftet. Maßgeblich ist insoweit auch, dass der Produktbezeichnung „Tee“ die Bezeichnung „Figur-Fit“ vorangestellt ist. Solche vorangestellten Bezeichnungen bei Tees beziehen sich üblicherweise entweder auf die Sorte (z.B. Kamillentee, Malventee, o.ä.) oder auf den aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers (gesundheitsbezogenen) Anwendungsbereich (z.B. Bronchialtee, Blasentee, o.ä.). Da es sich bei der Bezeichnung „Figur-Fit-Tee“ erkennbar nicht um eine Sortenbezeichnung handelt, wird der Durchschnittsverbraucher aus dieser Bezeichnung einen gesundheitsbezogenen Anwendungsbereich herleiten.
Auch beim „Mate-Tee Figur Fit“ sieht das Gericht eine gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV vorliegen. Hier ist auf der Vorderseite der Verpackung der Begriff „Figur Fit“ durch eine … plakativ hervorgehoben und mit dem direkten Untertext „für eine kalorienbewusste Ernährung“ dargestellt. In Zusammenschau mit der Empfehlung im Seitentext über eine kurmäßige Anwendung über vier bis sechs Wochen ist für das Gericht eine ausreichende Suggestivwirkung im Hinblick auf das Vorhandensein eines Wirkstoffes, der beim Abnehmen behilflich ist, anzunehmen, da sich der Durchschnittsverbraucher auch hier fragen wird, warum gerade dieser Mate-Tee im Vergleich zu anderen nicht so beworbenen Mate-Tees besonders durch seine kurmäßige Anwendung zur Fastenunterstützung und für eine kalorienbewusste Ernährung (Diät) geeignet sei.
Im ursprünglich beanstandeten Layout im Seitentext des Mate-Teeproduktes, wurde die ideale Unterstützung einer Fastenkur mit diesem Teeprodukt damit begründet, dass dieser eine kalorienneutrale Flüssigkeitszufuhr und umfangreiche Vitaminversorgung gewährleiste. Dies stellt nach Ansicht des Gerichts im Zusammenhang mit einer abgeänderten Aufmachung auf der Vorderseite beim Mate-Tee-Produkt eine Möglichkeit dar, eine Verbrauchertäuschung durch die fälschliche Annahme des Vorliegens eines Wirkstoffes zu verhindern.
2.3 Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten liegt nicht lediglich eine nährwertbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCV vor. Laut der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Kommentarstelle (Zipfel/Rathke, Kommentar zum Lebensmittelrecht, HCV, Art. 8 Rn. 7 c) scheiden die zugelassenen nährwertbezogenen Angaben aus der Anwendung sämtlicher Vorschriften für gesundheitsbezogene Angaben aus, allerdings nach dem Schutzzweck nur dann, wenn sich die Angabe an den Wortlaut der zugelassenen nährwertbezogenen Angaben oder streng an dieselbe Bedeutung hält. Im Anhang der HCV sind beispielsweise als zugelassene nährwertbezogene Angabe „energiearm“ oder „energiefrei“ aufgelistet. Die Bezeichnung „Figur Fit – für eine kalorienbewusste Ernährung“ hält sich offensichtlich nicht an den Wortlaut einer zugelassenen nährwertbezogenen Angabe. Auch ist nach Ansicht des Gerichts in der oben zitierte Bezeichnung nicht streng dieselbe Bedeutung wie „energiearm“ oder „energiefrei“ enthalten. Schon ob Energiearmut oder Energiefreiheit im Sinne der Liste im Anhang der HCV gemeint ist, ergibt sich für den Verbraucher nicht aus der Bezeichnung „Figur Fit-für eine kalorienbewusste Ernährung“.
2.4 Durch die festgestellten gesundheitsbezogenen Angaben liegt ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1, Abs. 5 und den Kapiteln 3 und 4 der HCV vor. Nach Art. 3 Abs. 3 Nr. a) Variante 1 HCV darf eine gesundheitsbezogene Angabe nicht falsch sein. Vorliegend geht der Verbraucher vor allem beim „Figur-Fit-Tee“ aufgrund der Gesamtaufmachung davon aus, dass ein bestimmter Wirkstoff im Produkt vorliegt, der das Abnehmen erleichtere. Dies ist falsch und wird von der Klägerin auch nicht in Anspruch genommen. Aufgrund der nach Überzeugung des Gerichts vorliegenden Suggestivwirkung eines Inhaltsstoffes liegt als Folgewirkung auch ein Verstoß gegen die Art. 5 Abs. 1 a), 1 e) i.V.m. Art. 10 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1 Nr. c) i) und ii) HCV vor.
2.5 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht durch die Gesamtaufmachung beider Tees, vor allem in Verbindung der Bezeichnungen „Figur Fit – für eine kalorienbewusste Ernährung“ vorliegt.
3. Allerdings ist der streitgegenständliche Bescheid wegen eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzips rechtswidrig und daher aufzuheben.
3.1 Zwar ist es grundsätzlich zulässig, ein Kennzeichnungsverbot für bestimmte Wortteile eines Produktes auf Grundlage des Art. 54 VO (EG) 882/2004 auszusprechen. Ein solches Auslobungsverbots ist auch geeignet, um eine Täuschung des Verbrauchers mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern, da bei einem Hinwegdenken des Bestandteiles „Figur Fit“ bei den konkreten streitgegenständlichen Produkten ein Gesundheitsbezug zum Abnehmen jedenfalls auf der Vorderseite stark verwischt bzw. verhindert würde. Der weitere Bezug auf eine Gewichtskontrolle durch die Aussagen „für eine kalorienbewusste Ernährung“ würde dann vom durchschnittlich informierten und interessierten Verbraucher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die generelle Kalorienarmut bzw. -freiheit von Kräutertees und Mate-Tees zurückgeführt werden und nicht mehr auf einen etwaigen Inhaltsstoff, der beim Abnehmen helfe. Dies gilt sowohl für die ursprünglich beanstandeten Produkte als auch für die Änderungsvorschläge durch die Klägerin, sodass die Erforderlichkeit der Maßnahme trotz der Änderungsvorschläge der Klägerin auch gegeben war. Die im Verwaltungsverfahren vorgeschlagenen Änderungen entkräften den Bezug auf einen etwaig enthaltenen Wirkstoff nicht ausreichend.
3.2 Jedoch ist das abstrakte Verbot der Auslobung mit den Worten „Figur Fit“ unverhältnismäßig und verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf die Ausübung ihres eingerichteten Gewerbebetriebs. Da – wie bereits oben dargelegt -nicht allein aus dem abstrakten Begriffspaar „Figur Fit“ eine gesundheitsbezogene Angabe denklogisch hergestellt werden kann, ist das vollständige Verbot der Auslobung eines Produktes der Klägerin mit diesem Begriffspaar ein unzulässiger und nicht durch die HCV gerechtfertigter Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Der Klägerin muss es möglich bleiben, soweit es ihrer Marketing-Strategie entspricht, dieses Begriffspaar im Rahmen der Gesetze weiter verwenden zu können. Die Klägerin gab hierzu an, dass ein nicht unerheblicher Teil ihres Umsatzes auf die streitgegenständlichen Produkte der Linie „Figur Fit“ entfällt. Auch die Wettbewerbssituation zwischen anderen Herstellern und der Klägerin, die allesamt Tees als Unterstützer einer Diät aufgrund der Geeignetheit als kalorienarmes Getränk anbieten und derart bewerben, macht es für die Klägerin notwendig, eine solche Marketing-Strategie zu verfolgen. Soweit die Klägerin durch eine Abänderung der Gesamtaufmachung der Produkte die Suggestion eindeutig ausschließt, dass ein bestimmter Wirkstoff im Kräutertee zu einer Gewichtsabnahme verhilft, muss ihr das Recht verbleiben, das Begriffspaar „Figur Fit“ verwenden zu dürfen.
Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters ist eine Irreführung der Verbraucher durch ein reines Bewerben der streitgegenständlichen Teeprodukte mit ihrer Kalorienfreiheit keine nach Art. 7 Abs. 1 c) LMIV verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Durch das Bewerben der Kalorienfreiheit von reinen Tees in Beutelform wird kein besonderes Merkmal im Sinne des Art. 7 Abs. 1 c) LMIV ausgezeichnet. Wie oben bereits erwähnt, ist beim durchschnittlich interessierten und informierten Verbraucher davon auszugehen, dass dieser bei nicht mit anderweitigen Zutaten gemischten, als Teebeutel abgepackten Kräuterteeerzeugnissen von einer Kalorienarmut bzw. -freiheit ausgeht und diese nicht als besonderes Merkmal wahrnimmt.
3.3 Der Behörde muss jedoch eine effektive Maßnahme verbleiben, um bei Feststellung eines (hier vorliegenden) Verstoßes gegen die HCV einen Bescheid erlassen zu können, der den Lebensmittelhändler zu einer Kennzeichnungsänderung bzw. einer gerichtlichen Überprüfung veranlasst. Daher ist nach Ansicht des Gerichtes vorliegend als geeignetes, erforderliches und auch verhältnismäßiges Mittel der Erlass eines Bescheides auf Grundlage des Art. 54 Abs. 1 und 2 b) der VO (EG) 882/2004 zu sehen, der das Inverkehrbringen des Produktes ab einer Frist nach Bestandskraft des Bescheides untersagt. Im Bescheid ist dann ausführlich darauf einzugehen, welche Elemente bzw. Kombinationen solcher in der Gesamtaufmachung einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten der HCV begründen. Dies ist entgegen des ersten Anscheins keine stärker einschneidende Maßnahme in das Recht auf Ausübung eines Gewerbebetriebes der Klägerin, da der Klägerin somit die Möglichkeit verbleibt, ihre auf dem Begriff „Figur Fit“ beruhende Marketing-Strategie für die streitgegenständlichen Produkte beizubehalten und ihr eine anderweitige Abänderung der Gesamtaufmachung zur Vermeidung von lebensmittelrechtlichen Verstößen ermöglicht wird.
4. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus dem § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben