Aktenzeichen 14 K 2434/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Die Festsetzung der Zollschuld ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
a) Die Zollschuld ist gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden. Danach entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wurde.
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin unterlagen die streitgegenständlichen Waren auch noch nach dem Start des Flugzeugs in D der zollamtlichen Überwachung.
Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 ZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Nichtgemeinschaftswaren bleiben gemäß Art. 37 Abs. 2 ZK so lange unter zollamtlicher Überwachung, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Art. 182 ZK vernichtet oder zerstört werden.
Im Streitfall handelte es sich um Nichtgemeinschaftswaren i.S.v. Art. 4 Nr. 8 i.V.m. Art. 4
Nr. 7 ZK, die gemäß Art. 79 Abs. 1 ZK durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr den zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware erhalten. Ein solcher Statuswechsel durch Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr hat im Streitfall nicht stattgefunden.
Der Senat kann offen lassen, ob das in Art. 37 Abs. 2 ZK genannte Tatbestandsmerkmal „wiederausgeführt“ bereits mit der behördlichen Gestattung der Wiederausfuhr oder erst mit dem tatsächlichen Vorgang, durch den die Waren aus dem Zollgebiet der Union verbracht werden, erfüllt ist. Denn auch alle Waren, die aus dem Zollgebiet der Union verbracht werden, unterliegen gemäß Art. 183 ZK der zollamtlichen Überwachung.
Dass die zollamtlichen Befugnisse fortbestehen, bis die Waren tatsächlich (körperlich) das Zollgebiet der EU verlassen haben, entspricht dem Sinn und Zweck der Überwachung. Diese soll u.a. gewährleisten, dass die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union eingehen. Diese Gefahr besteht erst mit dem Verlassen des Zollgebiets nicht mehr. Außerdem endet der räumliche Geltungsbereich des Unionszollrechts erst mit dem tatsächlichen Verbringen der Ware aus dem Zollgebiet (Territorialitätsprinzip; Art. 4 Nr. 8 Unterabs. 2 ZK). Bis dahin müssen die Zollbehörden in die Lage versetzt sein, die zur Wahrung der zollrechtlichen Belange erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
bb) Die streitgegenständlichen Waren wurden der zollamtlichen Überwachung entzogen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff des Entziehens jede Handlung oder (pflichtwidrige) Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der in Art. 37 Abs. 1 ZK vorgesehenen Kontrollen gehindert wird. Für eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung genügt es, dass die Ware etwaigen zollamtlichen Überprüfungen objektiv entzogen wurde, unabhängig davon, ob diese von der zuständigen Behörde tatsächlich vorgenommen worden wären (EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2015 C-319/14, B & S Global Transit Center, ECLI:ECLI:EU:C:2015:734 Zeitschrift für Zölle und Steuern -ZfZ- 2016, 96). Entscheidend ist, ob das Verschwinden der Ware die Gefahr eines Eintritts in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union mit sich brachte (EuGH-Urteil vom 15. Mai 2014 C-480/12, ECLI:ECLI:EU:C:2014:329, ZfZ 2016, 650, Rn. 35).
Ein ungehinderter Zugang zur Ware setzt voraus, dass die Zollbehörden jederzeit wissen, wo sich die Ware befindet. Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn dem Zollamt D wurde mitgeteilt, dass die Waren mit Bestimmungsorten im Ausland mit dem in D startenden Flug-Nr. (…) ausgeflogen werden sollen. Der fehlende Hinweis auf die (Zwischen-)Landung in E hätte allenfalls dann als unschädlich angesehen werden können, wenn die in D verladenen Container entweder an Bord eines in die USA weiterfliegenden Flugzeugs geblieben oder aber ungeöffnet in ein anderes Flugzeug verladen worden wären. Beides war aber nicht der Fall. Denn tatsächlich wurden die mit Flug-Nr. (…) transportierten Container in E ausgeladen und geöffnet, der Containerinhalt dort sortiert und die zur Wiederausfuhr bestimmten Nichtgemeinschaftswaren in ein anderes Flugzeug umgeladen. Damit war die Nämlichkeit der in D eingeladenen Waren mit denjenigen Waren, die in die USA ausgeführt wurden, nicht mehr gesichert. Die Nämlichkeitssicherung ist aber ein wesentlicher Zweck der zollamtlichen Überwachung.
Selbst wenn die Zollbeamten in D also – wie die Klägerin meint – anhand der angegebenen Flug-Nr. (…) erkannt haben sollten, dass das Flugzeug in E zwischenlandet, wäre diese Information für sich genommen nicht ausreichend gewesen, um die zollamtliche Überwachung sicherzustellen. Die durchgehende Überwachung der Waren wäre vielmehr nur dann möglich gewesen, wenn die Zollbehörde in D darüber informiert worden wäre, dass die Container in E geöffnet und umgepackt werden. Ohne diesen Hinweis bestand für das Zollamt D keine Veranlassung, das Zollamt am Flughafen in E einzuschalten, damit dieses die weitere Überwachung der Wiederausfuhr übernimmt.
Der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass die Waren im Rahmen durchgehender Beförderungsverträge transportiert wurden, macht den Hinweis auf die Öffnung der Container in E nicht entbehrlich. Die Frage, ob die Waren im Rahmen eines durchgehenden Beförderungsvertrages übernommen wurden, ist zwar für die Bestimmung der Ausgangszollstelle relevant (Art. 793 Abs. 2 Buchst. b ZK-DVO und die dazu ergangene Dienstvorschrift A 06 10, Abs. 434 der bis 30. April 2016 geltenden Fassung bzw. Abs. 32-32b der im Jahr 2004 geltenden Fassung); ein solcher Beförderungsvertrag entbindet die Beteiligten aber nicht davon, die tatsächliche Warenbewegung gegenüber dieser Ausgangszollstelle offenzulegen.
Auch der Hinweis der Klägerin, man könne den Verbleib der Waren anhand des von ihr verwendeten Tracking-Systems nachverfolgen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die entsprechenden Daten standen den Zollbehörden im Zeitpunkt der zu überwachenden Wiederausfuhr der streitgegenständlichen Waren nicht zur Verfügung. Damals lagen lediglich die handschriftlich ausgefüllten Manifeste und die Eingaben in das von den Zollbehörden verwendete EDV-System ATLAS (früher: ALFA) vor. Selbst wenn sich die Ankunft der Waren am Bestimmungsort in den USA im Nachhinein über die Daten des Tracking-Systems belegen ließe, würde dies nichts daran ändern, dass die Waren während ihrer Wiederausfuhr der zollamtlichen Überwachung entzogen waren.
Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob ein – ggf. vereinfachtes – Versandverfahren erforderlich war, muss im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, nicht beantwortet werden. Mit der Durchführung eines Versandverfahrens wäre zwar die zollamtliche Überwachung sichergestellt gewesen; umgekehrt führt aber nicht jeder Verzicht auf die Durchführung eines Versandverfahrens dazu, dass die Zollbehörden an einer zollamtlichen Überwachung der Ware gehindert wären. Die Möglichkeit zur Überwachung kann z.B. im Rahmen anderer Verfahren gewährleistet sein, was ein Versandverfahren in der Regel entbehrlich macht (vgl. Art. 91 Abs. 3 ZK). Dies setzt aber voraus, dass die Orte, zwischen denen die Ware befördert wird, in der entsprechenden Bewilligung genannt sind (vgl. Art. 296 Abs. 1, Art. 512 Abs. 1 ZK-DVO).
Im Streitfall wurden die Waren nicht schon mit dem Entfernen vom Amts Platz des Zollamts D ohne vorherige Überführung in ein Versandverfahren der zollamtlichen Überwachung entzogen. Denn das Verladen der Ware in das Flugzeug und deren Transport mit der Flug-Nr. (…) fand im Rahmen der vom Zollamt D gestatteten Wiederausfuhr noch „unter den Augen der Zollbeamten“ statt. „Aus den Augen verloren“ haben die Zollbeamten die Ware erst, als die Container in E geöffnet und die Ware dort umgepackt wurde. Zu diesem Zeitpunkt bestand auch die Gefahr, dass die für die Wiederausfuhr bestimmten Nichtgemeinschaftswaren in den Wirtschaftskreislauf der EU eingehen konnten. Denn in den Containern aus D befanden sich zum Teil auch Gemeinschaftswaren bzw. Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsorten innerhalb der EU. Diese Container wurden in E – ohne zollamtliche Überwachung – geöffnet, die Ware sortiert und umgepackt. Dabei kam es nach den Feststellungen des Prüfers vor, dass Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsort innerhalb der EU ohne vorherige Zollabfertigung als Gemeinschaftsware ausgeliefert wurden. In diesen Fällen hat sich die für die Anwendung des Art. 203 ZK Abs. 1 ZK erforderliche Gefährdungslage sogar realisiert.
b) Die Klägerin ist gemäß Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK Zollschuldnerin.
Einer Zollschuldnerschaft der Klägerin steht nicht entgegen, dass es sich bei ihr nicht um eine natürliche Person, sondern um die Zweigniederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft handelt.
Der in Art. 203 Abs. 3 ZK verwendete Begriff „Person“ umfasst nach der Definition in Art. 4 Nr. 1 ZK neben natürlichen und juristischen Personen auch Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die im Rechtsverkehr wirksam auftreten können.
Nach Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK ist Zollschuldner die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.
Die Klägerin hat den Transport der Waren organisiert und veranlasst, dass die Container nicht ungeöffnet in die USA oder andere Drittländer ausgeflogen, sondern in E geöffnet und umgepackt worden sind.
2. Auch die Festsetzung der EUSt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein in Deutschland der EUSt unterliegender steuerbarer Umsatz vor.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der EUSt.
Unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren „Einfuhr im Inland“ auszugehen ist, regelt das UStG nicht.
Der Begriff der „Einfuhr“ lässt sich jedoch anhand von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) der Sechsten Richtlinie bestimmen. Danach liegt die Einfuhr eines Gegenstands vor, wenn ein Gegenstand, der nicht die Bedingungen der Artikel 9 und 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erfüllt oder wenn ein Gegenstand im Sinne des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der sich nicht im freien Verkehr befindet, in die Gemeinschaft verbracht wird.
Wann von einer steuerbaren Einfuhr „im Inland“ auszugehen ist, folgt aus den Bestimmungen in Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 der Sechsten Richtlinie. Nach der Grundregel in Art. 7 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie erfolgt die Einfuhr im Inland, wenn sich der Gegenstand im Zeitpunkt des Verbringens dort befindet. Davon macht Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 der Sechsten Richtlinie eine Ausnahme in den Fällen, in denen der Gegenstand vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstaben a, b, c und d, der Regelung der vorübergehenden Einfuhr bei vollständiger Befreiung von Eingangsabgaben oder dem externen Versandverfahren unterliegt. In diesen Fällen erfolgt die Einfuhr in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Gegenstand nicht mehr diesen Regelungen unterliegt.
Zu den Regelungen nach Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstaben a, b und c der Sechsten Richtlinie gehören die Lieferungen von Gegenständen, die zollamtlich erfasst und gegebenenfalls vorläufig verwahrt bleiben sollen, und von solchen, die einer Freizonen-, einer Freilagerregelung, einer Zolllagerregelung oder einer Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr unterliegen sollen.
Solange die Gegenstände einer der genannten Regelungen unterliegen, ist die durchgehende zollamtliche Überwachung sichergestellt. Damit besteht keine Gefahr, dass die Gegenstände in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangen und hier verbraucht oder verwendet werden können. Diese Gefährdungslage ist nach der Rechtsprechung des EuGH für die Verwirklichung des Tatbestandes der EUSt entscheidend (vgl. EuGH-Urteil vom 02. Juni 2016 C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution, ECLI:ECLI:EU:C:2016:405; ZfZ 2016, 193).
Im Streitfall hat die Klägerin die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Nichtgemeinschaftswaren aus Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung (aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung, etc.) und aus Versandverfahren übernommen. Sie unterlagen also zunächst einer Regelung i.S.v. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 der Sechsten Richtlinie. Weil die Waren aber der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden (siehe oben II. 1.), war dies im Zeitpunkt der Wiederausfuhr nicht mehr der Fall.
aa) Sollen Waren – wie hier – wiederausgeführt werden, dauern vorangegangene Verfahren der aktiven Veredelung oder der vorübergehenden Verwendung grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt an, zu dem die Waren das Zollgebiet (körperlich) verlassen. Denn nach Art. 89 Abs. 1 ZK endet ein Nichterhebungsverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung, zu denen u.a. die aktive Veredelung und die vorübergehende Verwendung gehören (Art. 84 Abs. 1 Buchst. a dritter und fünfter Gedankenstrich und Buchst. b zweiter und vierter Gedankenstrich ZK), wenn die in diese Verfahren übergeführten Waren eine zulässige neue zollrechtliche Bestimmung erhalten.
Die zur Wahl stehenden zollrechtlichen Bestimmungen sind in Art. 4 Nr. 15 ZK abschließend aufgezählt. Danach ist neben der Überführung in ein Zollverfahren (Art. 4 Nr. 15 Buchst. a ZK) auch die Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 4 Nr. 15 Buchst. c ZK) eine mögliche zollrechtliche Bestimmung.
Waren, die zur Überführung in ein Zollverfahren (Art. 4 Nr. 16 ZK) angemeldet wurden, erhalten ihre zollrechtliche Bestimmung, wenn sie für die Zwecke des Zollverfahrens überlassen werden (Art. 73, Art. 4 Nr. 20 ZK). Bei den sonstigen zollrechtlichen Bestimmungen, die nicht als Zollverfahren zu qualifizieren sind (z.B. Wiederausfuhr; Art. 4 Nr. 15 Buchst. b bis d ZK), findet keine solche Überlassung statt; in diesen Fällen führt erst die Vornahme der tatsächlichen Handlung zum Erhalt der zollrechtlichen Bestimmung (Kock in Dorsch, Zollrecht, Kommentar, Art. 48 ZK Rz. 13, 14; Henke in Witte, Zollkodex, Kommentar, 6. Aufl., Art. 73 Rz. 1; Urteil des FG Hamburg vom 28. April 2008 4 K 190/06 in juris). Im Falle der Wiederausfuhr müssen die Waren also körperlich das Gebiet der Gemeinschaft verlassen (vgl. auch Art. 512 Abs. 3 Satz 2 ZK-DVO).
bb) Externe Versandverfahren enden zwar gemäß Art. 92 Abs. 1 ZK, wenn die Waren am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle (hier: Zollamt D) gestellt werden. Für solche Waren gelten aber gemäß Art. 55 ZK die Artikel 42 bis 53 ZK. Sie müssen also u.a. eine der für Nichtgemeinschaftswaren zulässigen zollrechtlichen Bestimmungen erhalten (Art. 48 ZK) und haben bis zum Erhalt einer solchen zollrechtlichen Bestimmung die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung (Art. 50 ZK). Derartige zollamtlich erfassten und vorläufig verwahrten Waren sind in Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie genannt; sie unterlagen deshalb auch nach der Gestellung am Zollamt D weiterhin einer Regelung i.S.v. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 der Sechsten Richtlinie.
Die vorübergehende Verwahrung endet grundsätzlich mit dem Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung (Kock in Dorsch, aaO., Art. 50 ZK Rz. 3), im Falle der Wiederausfuhr also damit, dass die Waren körperlich das Zollgebiet verlassen.
cc) Vorliegend wurden die Waren noch vor dem körperlichen Verlassen des Zollgebiets der zollamtlichen Überwachung entzogen. Nach der Rechtsprechung des EuGH führt diese Entziehung nicht nur zu einer Zollschuld nach Art. 203 ZK, sondern auch dazu, dass die Ware nicht mehr dem jeweiligen Zollverfahren unterliegt (EuGH-Urteil vom 11. Juli 2002 C-371/99, Liberexim, ECLI:ECLI:EU:C:2002:433, ZfZ 2002, 338). Ebenso endet die vorübergehende Verwahrung, die der zollamtlichen Überwachung der gestellten Waren dient (Kock in Dorsch, aaO., Art. 50 ZK Rz. 2).
Steht eine in die EU verbrachte Nichtgemeinschaftsware nicht mehr unter zollamtlicher Überwachung, steigt damit regelmäßig die Gefahr, dass die Ware (unversteuert) in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt und hier einem Verbrauch zugeführt wird. In seinen Schlussanträgen vom 13. Dezember 2016 zur Rechtssache C-571/15 (ECLI:ECLI:EU:C:2016:944) vertritt der Generalanwalt (…) zwar die Ansicht, dass diese Vermutung widerlegbar ist; dazu müsse aber im Rahmen einer eindeutigen richterlichen Würdigung unbestreitbar festgestellt werden, dass der Zugang zum Wirtschaftskreislauf der EU nicht möglich gewesen sei.
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend. Es ist deshalb derzeit offen, ob sich der EuGH dieser Auffassung anschließen wird. Dennoch muss der Senat die Entscheidung des EuGH nicht abwarten. Denn im Streitfall hat die Klägerin die Vermutung, dass die Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangen und damit einem Verbrauch zugeführt werden konnten, nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegen können.
Durch den gemeinsamen Transport von Nichtgemeinschaftswaren und Gemeinschaftswaren nach E und die damit verbundene Notwendigkeit, die Waren dort umzupacken, bestand jederzeit die Gefahr, dass Nichtgemeinschaftswaren als Gemeinschaftswaren behandelt wurden und in der EU verblieben sind. Tatsächlich hat sich diese Gefahr nach den Feststellungen des HZA teilweise realisiert, weil Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsort innerhalb der EU ohne vorherige Zollabfertigung als Gemeinschaftsware ausgeliefert worden sind. Auch wenn es sich dabei nur um Einzelfälle gehandelt haben mag, zeigen diese Vorgänge dennoch, dass der Zugang zum Wirtschaftskreislauf der EU möglich war.
Der endgültige Verbleib der Waren kann auch nachträglich nicht mehr mit Gewissheit aufgeklärt werden, weil sich die im Tracking-System der Klägerin enthaltenen Daten nicht in jedem Fall den beim HZA vorhandenen Informationen zuordnen lassen.
Der Senat ist deshalb nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen einer steuerbaren Einfuhr im Inland (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) zu dem Zeitpunkt, zu dem die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, vorlagen.
b) Die EUSt ist gemäß § 21 Abs. 2 UStG in sinngemäßer Anwendung des Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden, weil die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden. Auf die Ausführungen oben unter II.1.a) wird verwiesen.
c) Die Klägerin ist Schuldnerin der EUSt.
Wer Schuldner der EUSt ist, bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß nach den Vorschriften für Zölle. Zollrechtlich folgt die Abgabenschuldnerschaft der Klägerin aus Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK. Auf die obigen Ausführungen unter II.1.b) wird insoweit verwiesen.
3. Die (alleinige) Inanspruchnahme der Klägerin ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein Ermessen stand dem HZA insoweit nicht zu.
Gibt es für eine Zoll- bzw. Einfuhrumsatzsteuerschuld mehrere Schuldner, sind diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Abgabenschuld verpflichtet (Art. 213 ZK; für die EUSt Art. 213 ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG). Welcher von mehreren als Gesamtschuldner in Frage kommenden Personen in Anspruch genommen wird, hat das HZA nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BFH-Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 20/02, ZfZ 2005, 86). Eine solche Ermessensentscheidung darf gemäß § 102 Satz 1 FGO gerichtlich nur dahingehend überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Geht die Behörde allerdings irrtümlich von einem Ermessensspielraum aus, obwohl eine gebundene Entscheidung zu ergehen hat, ist die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ausschließlich nach Maßgabe der insoweit bindenden Rechtsvorschriften vorzunehmen; eine solcher Bescheid unterliegt – wie alle anderen gebundenen Verwaltungsentscheidungen – der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (Brandt in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 129. Lieferung, § 102 FGO Rz. 4 und 43).
Nach den Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen vom 02. April 2012 hat das HZA die Klägerin, die X, die Inhaber der Zollverfahren und die C GmbH zu Unrecht als Gesamtschuldner angesehen. Tatsächlich kommen die X, die Inhaber der Zollverfahren und die C GmbH jedoch nicht als Abgabenschuldner in Betracht.
Abgabenschuldner sind u.a. die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat (Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK; für die EUSt i.V.m. § 13a Abs. 2 und § 21 Abs. 2 UStG), die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen (Art. 203 Abs. 3 zweiter Anstrich ZK) sowie gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben (Art. 203 Abs. 3 vierter Anstrich ZK).
a) Die X konnte weder als Handelnde i.S.v. Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK noch als Beteiligte gemäß Art. 203 Abs. 3 zweiter Anstrich ZK in Anspruch genommen werden. Denn das Verladen der Ware in das Flugzeug der X und der Transport mit der Flug-Nr. (…) fand im Rahmen der vom Zollamt D gestatteten Wiederausfuhr noch unter zollamtlicher Überwachung statt. „Aus den Augen verloren“ haben die Zollbeamten die Ware erst, als die Container in E geöffnet und die Ware dort umgepackt wurde. Diese konkrete Entziehungshandlung steht nicht in Zusammenhang mit einem Verhalten der X.
b) Die C GmbH kommt ebenfalls nicht als Abgabenschuldner in Betracht, weil sie zwar z.T. die Transportvorbereitung und die Verladung der Ware in D übernommen und dort zollrechtliche Erklärungen für die Klägerin abgegeben hat, an der konkreten Entziehungshandlung in E aber nicht beteiligt war.
c) Eine Abgabenschuldnerschaft der Inhaber der Zollverfahren nach Art. 203 Abs. 3 vierter Anstrich ZK setzt ein Entziehen aus einem Zollverfahren voraus. Ein solches liegt aber im Streitfall nicht vor. Denn die konkrete Entziehungshandlung fand erst statt, nachdem schon der erste Schritt zum Erhalt einer neuen zollrechtlichen Bestimmung, nämlich die Anmeldung zur (bzw. die Mitteilung der) Wiederausfuhr getan war und sich die Waren auf dem Weg zur Außengrenze der EU befanden. Es ging also nicht mehr darum, die Einhaltung der Vorschriften des jeweiligen Zollverfahrens (z.B. aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung) zu sichern, sondern darum, die (körperliche) Wiederausfuhr zu überwachen. Dafür war aber alleine die Klägerin zuständig.
d) Im Ergebnis kam deshalb nur die Klägerin als Abgabenschuldnerin in Betracht. Die von ihr in der mündlichen Verhandlung erneut aufgeworfene Frage, ob das HZA überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt eine tatsächliche Auswahl unter den möglichen Gesamtschuldnern getroffen hat, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.
4. Einwände gegen die Richtigkeit der Abgabenberechnung sind nicht erhoben worden und auch nicht erkennbar.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.