Europarecht

Erfolgloser Antrag auf Prozesskostenhilfe – Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen arglistiger Täuschung bei seiner Bewerbung

Aktenzeichen  W 1 K 16.1111

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 166 Abs. 1
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S.1
SG SG § 46, § 55

 

Leitsatz

1. Die Herbeiführung einer Ernennung (eines Soldaten auf Zeit) liegt dann vor, wenn der zu Ernennende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen, oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich trägt die Ernennungsbehörde die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Arglist. Allerdings trifft denjenigen, der objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, im Hinblick auf die fraglichen inneren Tatsachen eine Mitwirkungspflicht. Er muss erläutern, aus welchen Gründen er nicht den zutreffenden Sachverhalt angegeben hat. Vermag er dies nicht nachvollziehbar tun, kann dies zu seinem Nachteil verwendet werden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 S.1 ZPO hat.
1. Nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der dabei vom Gericht anzustellenden vorläufigen Prüfung dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten gestellt werden. Insbesondere wäre es unzulässig schwierige Sach- oder Rechtsfragen, die in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden können als von der Beklagtenseite angenommen, bereits in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu erörtern und damit den Zugang zu den Gerichten zu versagen (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 1 BvR 1526/02 – juris). Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt deshalb bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolges (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2013 – 12 C 13.2126 – juris). Es reicht somit aus, wenn sich die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen darstellen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 166 Rn. 8).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die zulässige Klage ist unter Zugrundelegung einer summarischen Prüfung unbegründet und hat daher keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Die Entlassungsentscheidung ist formell und materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 SG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand aufgrund summarischer Prüfung vor.
Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SG gilt für den Soldaten auf Zeit § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG entsprechend. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG ist ein Soldat zu entlassen, wenn er seine Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt hat. Der Kläger hat seine Ernennung zum Soldaten auf Zeit durch arglistige Täuschung herbeigeführt, indem er seine Verurteilungen verschwiegen hat.
Laut dem Akteninhalt hat der Kläger in seinem Bewerbungsbogen vom 3. April 2012 bei der Frage 22, ob er in einem Strafverfahren rechtskräftig verurteilt worden oder mit einer anderen Maßnahme belegt worden sei, das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Köln vom 12. Januar 2012 gegen ihn nicht angegeben. Zudem hat er die beiden Urteile des Amtsgerichts Köln vom 14. Juni 2012 (rechtskräftig seit 12. Juli 2012) und vom 25. Oktober 2012 (rechtskräftig seit 15. November 2012) dem damaligen zuständigen Kreiswehrersatzamt Köln vor der Einstellung nicht mitgeteilt, obwohl er hierzu verpflichtet war, worüber er auf dem Bewerbungsbogen belehrt wurde. Die Einstellung erfolgte am 1. April 2013.
Eine arglistige Täuschung liegt dann vor, wenn der zu Ernennende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen, oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (BVerwG, U.v. 18.9.1985 – 2 C 30.84 – juris). Insbesondere ist das Verschweigen von Tatsachen eine arglistige Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können (OVG NRW, B.v. 19.5.2016 – 1 B 63/16 – juris; Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 46 Rn.34).
Grundsätzlich trägt die Ernennungsbehörde die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Arglist. Allerdings trifft denjenigen, der objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, im Hinblick auf die fraglichen inneren Tatsachen eine Mitwirkungspflicht. Er muss erläutern, aus welchen Gründen er nicht den zutreffenden Sachverhalt angegeben hat. Vermag er dies nicht nachvollziehbar darzutun, kann dies zu seinem Nachteil verwendet werden (OVG NRW, B.v. 19.5.2016 – 1 B 63/16 – juris; Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 46 Rn.35).
Der Kläger wusste aufgrund der ausdrücklichen Nachfrage in dem Bewerbungsbogen, dass eine Verurteilung für seine Einstellung als Soldat auf Zeit relevant sein würde. Er wusste zudem oder nahm zumindest billigend in Kauf, dass seine Angaben insoweit falsch waren. Da der Kläger seine Jugendstrafen angegeben hat, überzeugt die Behauptung, dass er aufgrund von Aufregung oder Konzentrationsmangel vergessen hätte die andere Verurteilung anzugeben, nicht.
Nach derzeitigem Kenntnisstand war die arglistige Täuschung auch kausal für die Ernennung zum Soldaten auf Zeit. Bei der Kausalitätsprüfung kommt es auf die tatsächliche Personalpraxis im Zeitpunkt der Ernennung an. Zu hohe Anforderungen dürfen jedoch nicht gestellt werden; regelmäßig wird die schlüssige Behauptung des Dienstherrn, dass bei ordnungsgemäßer Bewerbung eine Ernennung unterblieben wäre, ausreichen (Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 46 Rn. 23 f.). Die Beklagte trägt hier schlüssig vor, dass bei Angabe der Verurteilungen ein Einstellungshindernis bis drei Jahre ab Rechtskraft der letzten Verurteilung, also bis November 2015 bestanden hätte. Die Bewertung der Auswirkungen der Verurteilungen auf die Einstellung obliegt der Ernennungsbehörde und nicht dem Kläger.
Die Kausalität wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die Ernennungsbehörde den wahren Sachverhalt hätte kennen können (Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 46 Rn. 24).
3. Aufgrund der mangelnden Erfolgsaussichten der Klage war der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe abzulehnen, ohne dass es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ankäme.


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