Europarecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Dublin-Bescheid (Frankreich)

Aktenzeichen  W 8 S 18.50584

Datum:
2.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 446
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a

 

Leitsatz

Das französische Asylsystem leidet nicht an systemischen Mängeln, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wären. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste am 10. Oktober 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte am 12. Oktober 2018 ein Asylgesuch und stellte am 19. Oktober 2018 einen Asylantrag.
Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 23. Oktober 2018 erklärten die französischen Behörden mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2018 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung nach Frankreich wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Am 21. Dezember 2018 erhob der Antragsteller im Verfahren W 8 K 18.50583 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte im vorliegenden Verfahren:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung vom „13.12.2018“ wird angeordnet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 18.50583) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Antragstellers ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bundesamtsbescheides vom 17. Dezember 2018 begehrt.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO – betreffend die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids – ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 17. Dezember 2018 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung in Nr. 3 rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.
Frankreich ist für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß den Vorschriften der Dublin III-VO zuständig (§§ 34a, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Frankreichs ergibt sich vorliegend aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das französische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCharta) ausgesetzt wären.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im französischem Asylsystem, zumal der Antragsteller nichts Dahingehendes vorgebracht hat. In Frankreich existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Dublin-Rückkehrer haben denselben Zugang zur Unterbringung wie reguläre Asylbewerber. Sie erhalten eine Beihilfe. Sie haben Anspruch auf medizinische Versorgung. Außerdem haben Asylbewerber Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn über ihren Asylantrag nicht innerhalb von neun Monaten entschieden ist (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Frankreich vom 29.1.2018 m.w.N.).
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO gemacht hat.
Das Vorbringen des Antragstellers, in Frankreich sei es schwieriger, in seinem Berufsfeld eine Arbeit zu finden, in Frankreich müsse man für eine Ausbildung Geld bezahlen, in Deutschland sei es kostenlos, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Umstand, dass in einem Mitgliedsstaat die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen besser sind als in einem anderen Staat (also hier in Deutschland besser als in Frankreich), ist im Rahmen des Dublin-Verfahrens irrelevant. Der Asylbewerber hat insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen erhofft. Relevant sind allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates nach der Dublin III-VO, nach denen die vom Antragsteller genannten Gründe keine Rolle spielen.
Schließlich sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hätte, nicht ersichtlich.
Im Ergebnis hat der Antragsteller keinen Anspruch, dass die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung vorläufig ausgesetzt wird.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.


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