Aktenzeichen AN 14 S 16.50240
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2, Art. 11 lit. a, Art. 12 Abs. 2, Abs. 4, Art. 17 Abs. 1, Art. 18, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2
GG GG Art. 16a Abs. 2, Art. 19 Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
Für den verfahrensrechtlichen Familienverbund nach Art. 11 Dublin III-VO ist nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO die zu dem Zeitpunkt bestehende Situation maßgeblich, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. (red. LS Clemens Kurzidem)
Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO stellt eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung dar. Deren extensive Anwendung würde unionsrechtswidrig das in der Dublin III-VO geregelte Zuständigkeitssystem untergraben. (red. LS Clemens Kurzidem)
Das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Frankreich weisen keine systemischen Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO auf. (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach Frankreich.
Die Antragsteller sind aserbaidschanische Staatsangehörige und reisten am 27. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 1. Dezember 2015 stellten sie Asylanträge.
Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (französische Visa) lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO).
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 30. Juli 2015 gab er gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) an, dass er in Deutschland bleiben wolle, weil er zur yedzidischen Minderheit gehöre. Diese werde von der Miliz IS bedroht. Er habe sein Land verlassen müssen, weil sein Leben in Gefahr war. Er sei krank, in ärztlicher Behandlung, nehme verschiedene Medikamente ein und brauche medizinische Hilfe.
Am 24. Februar 2016 wurde durch das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Frankreich gerichtet. Die zuständigen französischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 28. April 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 12 Abs. 4 i. V. m. Art. 11a Dublin III-VO.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 27. Juni 2016, den Antragstellern mit Postzustellungsurkunde am 30. Juni 2016 zugestellt, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und die Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich (Ziffer 2) angeordnet. In der Ziffer 3 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 9 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 6. Juli 2016, am gleichen Tage beim zuständigen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen, Klage und stellten den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 27. Juni 2016.
Zur Begründung tragen die Antragsteller vor, dass sich in der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin auf Blatt 38 eine VIS-Antragsauskunft vom 1. Dezember 2015 befinde, wonach die Antragstellerin zu 2) am 28. September 2015 von der französischen Botschaft in … ein Schengenvisum mit Gültigkeit von 15 Tagen im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis 31. Oktober 2015 erteilt worden sei. Entsprechende Nachweise für die übrigen Antragsteller fänden sich in der Akte der Antragsgegnerin nicht.
Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der französischen Republik für die Durchführung der Asylverfahren der Antragsteller nicht vorlägen. Aus der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ergebe sich ausschließlich, dass die Antragstellerin zu 2) durch die französischen Botschaft in … ein Schengenvisum erteilt worden sei. Irgendwelche Hinweise darauf, dass auch die Antragsteller zu 1), zu 3) und zu 4) über entsprechende Visa verfügt hätten, fände sich in der Akte nicht.
Vor diesem Hintergrund biete schon Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO keine tragfähige Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit der französischen Behörden für die Asylverfahren der Antragsteller zu 3) und zu 4). Vielmehr sei nach dieser Vorschrift ausschließlich eine Zuständigkeit der französischen Behörden für das Asylverfahren der Antragstellerin zu 2) erkennbar. Aufgrund dessen komme auch eine Zuständigkeit Frankreichs für das Asylverfahren des Antragstellers zu 1) auf Grundlage von Art. 11 Dublin III-VO nicht in Betracht. Da die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren des Antragstellers zu 1) und der Antragsteller zu 3) und zu 4) bei der Antragsgegnerin liege, sei vielmehr die Antragsgegnerin für den größeren Teil der Antragsteller zuständig. Die Aufnahmezusagen der französischen Behörden vom 28. April 2016 würden einer tragfähigen Rechtsgrundlage entbehren.
Die subjektiven Rechte von Asylbewerbern im Rahmen der Dublin III-VO seien keinesfalls dahingehend eingeschränkt, dass sie eine beabsichtigte Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat, der seine Zuständigkeit gegenüber dem überstellenden Stadt anerkannt habe, nur mit der Begründung anfechten könnten, dass im Aufnahmestaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorlägen. Eine solche Einschränkung lasse sich nicht dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Dezember 2013 entnehmen. Der EuGH erkläre insoweit ausdrücklich, dass der Asylbewerber der Heranziehung „dieses Kriteriums“, nämlich des Kriteriums der ersten Einreise in das Unionsgebiet nur mit der Geltendmachung der genannten systemischen Mängel entgegentreten könne. Für Zustimmungen des aufnehmenden EU-Mitgliedstaats, die sich auf andere Kriterien der Zuständigkeitsbestimmung – wie vorliegend der Visumserteilung – stützen, gelte die genannte Rechtsprechung des EuGH somit schon von vornherein nicht ausdrücklich. Zudem sei auch die Begründung, die der EuGH in seinem Urteil für die von ihm angenommene Einschränkung der subjektiven Rechte von Asylbewerbern im Hinblick auf die Bestimmung des zuständigen EU-Mitgliedstaats zugrunde gelegt habe, durch die zwischenzeitliche Neufassung der Dublin-Verordnung vom 26. Juni 2013 teilweise überholt. Es erscheine schon zweifelhaft, ob die Einschränkung der subjektiven Klage Rechte von Asylbewerbern gegenüber einer Überstellungsentscheidung, die der EuGH in seinem Urteil Abdullahi angenommen habe, überhaupt noch aufrechterhalten werden könne.
Es bestehe ein uneingeschränktes subjektives Recht der betroffenen Asylbewerber, nicht entgegen den in der Dublin III-VO getroffenen Zuständigkeitsregelungen in einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt zu werden. Der entsprechende Anspruch der Antragsteller ergebe sich unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz und dem dort grundgesetzlich verankerten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gegenüber einem offensichtlich vorliegenden Verstoß gegen Europarecht.
Die Antragsgegnerin sei gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht für die Asylverfahren der Antragsteller auszuüben. Insoweit wird auf den Arztbrief des Klinikums …, neurologische Klinik, vom 30. Oktober 2015 verwiesen. Bei der ausstellenden Ärztin des genannten Attests handle es sich um eine Fachärztin für Innere Medizin. An der Ernsthaftigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung bestehe kein Zweifel. Ergänzend wird auf das weitere ärztliche Attest der Dipl. med. unter …Arzt vom 7. Juni 2016 verwiesen. Hierin werde noch einmal die chronische Erkrankung des Antragstellers zu 1) bestätigt.
In dem ärztlichen Attest vom 7. Juni 2016 wird attestiert, dass der Antragsteller zu 1) an einer spastischen Hemiparese mit deutlichen Einschränkungen beim Laufen und an der Beweglichkeit sowie an rezidivierenden epileptiformen Anfällen leide. Es sei eine regelmäßige ärztliche Behandlung und Medikamenteneinnahme notwendig.
Hinzu komme, dass der Antragsteller zu 1) in … die aus gesundheitlichen Gründen benötigte Unterstützung durch seinen Bruder und dessen Ehefrau halten könne, während er in Frankreich über keinerlei Familienangehörige verfüge. Der Bruder des Antragstellers zu 1) lebe mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Kindern in … und bemühe sich, den Antragsteller zu 1) bei der Organisation und Durchführung der erforderlichen medizinischen Behandlung zu unterstützen. Er selbst verfüge über eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG, während seine Ehefrau und die beiden Kinder im Besitz einer Niederlassungserlaubnis seien. Alle diese Gesichtspunkte würden dazu führen, dass das Ermessen der Antragsgegnerin auf Null reduziert sei, so dass sie ihr bestehendes Selbsteintrittsrecht hinsichtlich der Antragsteller ausüben müsse. Schließlich sei der Bescheid der Antragsgegnerin auch hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbot mit einer Dauer von 9 Monaten rechtswidrig.
Mit weiterem Schriftsatz der Klägervertreter vom 14. Juli 2016 wird ein ärztlichorthopädisches Attest des Dr. …, Medizinisches Versorgungszentrum …, vom 12. Juli 2016 betreffend des Antragsteller zu 1) übermittelt. Dieser bestätige noch einmal das Vorliegen einer spastischen Hemiparese rechts sowie die hieraus resultierenden körperlichen Einschränkungen und die Erforderlichkeit einer konsequenten orthopädischen Behandlung.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Juni 2016.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere fristgerechte, Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
Die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse der Antragsteller auf Aussetzung des Vollzugs das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheids überwiegt. Hierbei sind im Wesentlichen auch die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache zu berücksichtigen.
Die im Bescheid vom 27. Juni 2016 enthaltene und sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nach Frankreich ist auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Antragsteller nicht zu beanstanden.
1.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylG liegen hier vor.
Das Bundesamt ist – entgegen den Ausführungen der Antragsteller – zutreffend davon ausgegangen, dass Frankreich gemäß § 27a AsylG aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung der Asylverfahren zuständig ist. Die zuständigen französischen Behörden haben auf die Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes nach Art. 12 Abs. 4 i. V. m. Art. 11a Dublin III-VO mit jeweiligen Schreiben vom 28. April 2016 (Blatt 70-74 und 76-81 der Behördenakte) einer Übernahme der Antragsteller als Familie zugestimmt und die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren erklärt.
Damit treffen die Republik Frankreich die Pflichten aus Art. 18 Dublin III-VO, insbesondere ist Frankreich gemäß Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO verpflichtet, alle vier Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.
2.
Dem steht auch nicht der Vortrag der Antragsteller entgegen, dass lediglich hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) ein französisches Visum, ausgestellt am 28.09.2015 vom Konsulat in …, gültig bis 31.10.2015, vorliegt. Sowohl die beiden Schreiben des Bundesamtes zur Wiederaufnahme der Antragsteller als auch die diesbezüglichen beiden Antwortschreiben der französischen Behörden jeweils vom 28. April 2016 erfassen alle vier Antragsteller als Familie.
Gemäß der Rangfolge des Kapitels III findet vorliegend Art. 12 Abs. 4 Dublin III-Verordnung Anwendung. Nach Art. 12 Abs. 4 https://www.juris.de/jportal/portal/t/kv7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE140013235&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1 – HL13Dublin III-VO sind in den Fällen, dass der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monate abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiets eines Mitgliedsstaats einreisen konnte, besitzt, die Absätze 1, 2, und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Und Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO bestimmt, dass dann, wenn der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodes der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Dublin III-VO sind hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) erfüllt, weil sie über ein französisches Visum verfügt hat, dass begrenzt gültig war vom 28. September 2015 bis zum 31. Oktober 2015.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Nach Art. 11 a) Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung der Anträge sämtlicher Familienangehöriger und/oder unverheirateter minderjähriger Geschwister zuständig, der nach den Kriterien für die Aufnahme für den größten Teil von ihnen zuständig ist, wenn mehrere Familienangehörige und/oder unverheiratete Geschwister in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können und die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben könnte. Aufgrund von Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO ist für den „verfahrensrechtlichen Familienverbund“ nach Art. 11 Dublin III-VO die Situation maßgeblich, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Kläger seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (vgl. VG Stade, B. v. 16.6.2014 – 1 B 871/14 – juris Rn. 13). Danach liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für ein Familienverfahren im Sinne von Art. 11 a) Dublin III-VO vor. Die Familie ist zusammen nach Deutschland eingereist.
Die Zuständigkeit von Frankreich auch für die Prüfung der Asylanträge der Antragsteller zu 3) und 4) ergibt sich aus den Regelungen des Art. 11 Dublin III-VO über das Familienverfahren. Danach folgt die Zuständigkeit für die Prüfung der Anträge der noch minderjährigen Antragsteller zu 3) und zu 4) aus der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags der Mutter. Zu Recht bezieht sich die Zustimmung zur Übernahme der französischen Behörden demgemäß auch ausdrücklich auf sämtliche vier Antragsteller.
Nachdem für die Mehrheit der Antragsteller durch die Übernahmeerklärung der französischen Behörden die Republik Frankreich zuständig ist, gilt dies selbstverständlich auch für den Antragsteller zu 1), der ausweislich der dem Gericht vorliegenden Behördenakte über kein französisches Visum verfügt hat.
3.
Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, liegen gerade nicht vor. Auch ist das Ermessen der Antragsgegnerin nicht auf Null reduziert. In Ausübung des ihr insoweit eingeräumten Ermessens hat die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht jedoch unter Hinweis darauf, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe nicht ersichtlich seien, vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Dies ist nicht zu beanstanden. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung. Eine extensive Anwendung würde das Zuständigkeitssystem der Dublin III-VO untergraben, was wegen Verletzung des effet utile-Prinzips unionsrechtswidrig wäre (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 17 K 2). Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auf das Vorliegen außergewöhnlicher humanitärer Gründe abstellt.
Auch die familiären Beziehungen, insbesondere der Familie des Bruders des Antragstellers zu 1), führen nicht im Rahmen des Selbsteintritts der Antragsgegnerin zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Der Bruder des Antragstellers zu 1) stellt insbesondere keinen „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. g) Dublin III-VO dar.
4.
Bei Frankreich handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und somit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG bzw. § 26a AsylG, so dass aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen ist, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist.
Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014, Az.: 10 B 6/14 Möwen., Juris). Dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, Luv 21.12.2011, – C-411/10 und C-493/10 -, Juris). Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, Juris). Diese Rechtsprechung mündete nunmehr in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.
Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B. v. 6.6.2014 – 10 B 25/14 – Juris). Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EUGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG v. 06.06.2014, a. a. O., Möwen.). Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu (vgl. EuGH, U. v. 30.05.2013 – C 528/11 – NRW-RR 2013, 660).
Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage der aktuellen Situation von Asylbewerbern in Frankreich für die Antragsteller nicht ernsthaft zu befürchten, dass dort das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten. Es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Frankreich im Allgemeinen nicht eingehalten werden (VG Ansbach, Beschluss vom 29. Juli 2014 – AN 4 S 14.50055 -; ebenso VG Gelsenkirchen, U. v. 16.03.2016 – 9a K 509/16.A -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 13 L 1502/14.A -; VG Bremen Beschluss vom 4. August 2014 – 1 V 798/14 -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10. September 2014 – 7a L 1301/14.A -; VG Dresden, Beschluss vom 13. November 2014 – A 2 L 1278/14 -; VG Bayreuth, Urteil vom 18. Dezember 2014 – B 3 K 14.50103 -; VG Augsburg, Beschluss vom 12. Januar 2015 – Au 7 S 14.50364 -; VG München, Beschluss vom 16. März 2015 – M 12 S 15.50026 -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 9a L 1226/15.A -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 7a L 1216/15.A -; VG Augsburg, Beschluss vom 25. September 2015 – Au 5 S 15.50439 -; VG München, Beschluss vom 18. November 2015 – M 12 S 15.50476 – alle aus juris).
Auch liegen dem Gericht keine Erkenntnisse darüber vor und wurden auch nicht vorgetragen, dass namhafte sachverständige Institutionen, Nichtregierungsorganisationen oder insbesondere der UNHCR eine Empfehlung dahingehend ausgesprochen hätten, Asylbewerber nicht nach Frankreich zu überstellen.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 27. Juni 2016 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
5.
Zudem bestehen auch sonst keine beachtlichen, insbesondere in der Person des Antragstellers zu 1) liegende Gründe, die gebieten, von einer Überstellung nach Frankreich abzusehen. Die Antragsgegnerin hat zwar bei der hier erfolgten Abschiebungsanordnung auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, etwa eine fehlende Reisefähigkeit (BayVGH, B. v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris). Solche Gründe sind nach Überzeugung des Gerichts indes nicht gegeben. Die vom Antragsteller zu 1) geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen führen nicht zu einer Reise- und/oder Transportunfähigkeit.
Aus den – zuletzt mit Datum vom 7. Juni 2016 und 12. Juli 2016 – vorgelegten Attesten, die nur zum Teil von einem Facharzt stammen, ergibt sich nicht einmal im Ansatz, warum der Antragsteller zu 1) aufgrund seiner chronischen Erkrankung und der hierdurch eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes und Beines reiseunfähig sein sollte (vgl. hierzu mit weiteren Hinweisen BayVGH, B. v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris). In keinem der vorgelegten ärztlichen Atteste wird bescheinigt, dass eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1) vorliegt. Ebenso wenig ergibt sich aus den ärztlichen Stellungnahmen, warum die regelmäßige ärztliche weitere Behandlung und Medikamenteneinnahme nicht auch in Frankreich durchgeführt werden könne. Der Antragsteller zu 1) ist hinsichtlich der weiteren medizinischen Versorgung auf die Kliniken und die behandelnden Ärzte in Frankreich zu verweisen. Eventuelle Verständigungsschwierigkeiten dürften in Frankreich nicht anders liegen als hier in Deutschland und können mittels eines Dolmetschers behoben werden.
Die Rechtmäßigkeit der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 27. Juni 2016 ergibt sich aus § 11 Abs. 1 AufenthG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 75 Ziffer 12 AufenthG im Falle einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG i. V. m. § 11 Abs. 2 AufenthG erscheint durchaus angemessen.
Nach summarischer Prüfung bestehen aufgrund dessen keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).