Europarecht

Erfolgloser vorläufiger Rechtsschutzantrag gegen Abschiebungsanordnung nach Rumänien im Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  AN 17 S 18.50569

Datum:
1.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17544
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a
Dublin III-VO Art. 2g, Art. 3 Abs. 2, Art. 4, Art. 5, Art. 16 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Einem Asylantragsteller ist es unter Berücksichtigung seiner Mitwirkungspflichten im Asylverfahren zumutbar, bei der Übergabe schriftlicher Dokumente darauf hinzuweisen, dass er nicht lesen kann. Anders kann sich die Notwendigkeit einer mündlichen Informationserteilung nach Art. 4 Abs. 1 Dublin III-VO für die handelnde Behörde nicht ergeben. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die in Art. 4 und 5 Dublin III-VO niedergelegten Verfahrensgarantien sollen gewährleisten, dass der Asylbewerber die für die Zuständigkeit des Mitgliedstaats relevanten Gründe oder die Gründe, die möglicherweise zu einem Selbsteintritt führen, im Verfahren darlegen kann (vgl. BVerfG BeckRS 2017, 100633). Werden im persönlichen Gespräch nach Art. 5 Dublin III-VO diejenigen Aspekte, über die nach Art. 4 Abs. 1 Dublin III-VO informiert werden soll, thematisiert, vermag ein alleiniger Verstoß gegen Art. 4 Dublin III-VO keine subjektive Rechtsverletzung zu begründen. (Rn. 19) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen nach der gegenwärtigen Erkenntnislage in Rumänien nicht (vgl. VG Augsburg BeckRS 2017, 131520). (Rn. 26 – 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Das eine Zuständigkeit nach Art. 16 Dublin III-VO begründende Abhängigkeitsverhältnis zwischen Geschwistern bleibt auf Ausnahesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. VG München BeckRS 2016, 47330). Allein der Umstand der Minderjährigkeit reicht hierfür nicht aus. (Rn. 30) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Die Entscheidung, in der Bundesrepublik Deutschland bestehende verwandtschaftliche Beziehungen nicht als hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung eines Selbsteintritts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO anzusehen, erweist sich nicht als ermessensfehlerhaft. Die Frage, inwieweit ein Asylbewerber aus dieser Bestimmung überhaupt subjektive Rechte ableiten kann, kann daher offenbleiben (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 43629).  (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Rumänien.
Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger, dem Volk der Kurden zugehörig und yezidischen Glaubens. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 11. Mai 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. Mai 2018 Kenntnis erlangte.
Im Rahmen der Befragungen vor dem Bundesamt am 12. und 14. Juni 2018 gab er an, dass er sein Heimatland im April 2018 verlassen habe und sodann über die Türkei und andere ihm unbekannte Länder nach Deutschland eingereist sei. Er sei zwei Mal in verschiedenen Ländern festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt. Im Rahmen der bereits erwähnten Festnahmen sei er zudem auch geschlagen worden und ihm sei sein Handy weggenommen worden. In seiner Heimat habe er keine Schule besucht; er sei Analphabet. Des Weiteren gab er an, dass sich zwei seiner Brüder in Deutschland aufhalten würden. Dies seien zum einen sein volljähriger Bruder … … … …, sowie sein minderjähriger Bruder (geb. 2006). Letzterer sei gemeinsam mit ihm eingereist und halte sich auch aktuell mit ihm zusammen auf. Dem volljährigen Bruder, der in … lebe, sei bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden.
Nach den Ermittlungen des Bundesamtes (EURODAC-Treffer) wurden vom Antragsteller am 7. April 2018 in Rumänien Fingerabdrücke genommen.
Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 15. Juni 2018 hin teilte Rumänien am 27. Juni 2018 mit, dass der Antragsteller bereits am 7. April 2018 in Rumänien einen Asylantrag gestellt habe, der Fall aber am 29. Mai 2018 aufgrund des Untertauchens des Antragstellers geschlossen worden sei. Bereits zuvor, am 7. Mai 2018, habe Österreich ein Übernahmeersuchen an Rumänien gestellt. Die Rückübernahme des Antragstellers nach Art. 18 Abs. 1c) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) bis zum 27. Dezember 2018 wurde gegenüber dem Bundesamt erklärt.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers daraufhin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Juli 2018, eingegangenen beim Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag, erhob der Antragsteller Klage und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass zum einen nicht gesichert sei, dass der Antragsteller in Rumänien ein Asylverfahren begonnen habe. Zum anderen sei Rumänien nicht in der Lage ein ordnungsgemäßes Asylverfahren zu gewähren. Darüber hinaus wird auf den beim Antragsteller lebenden 12-jährigen Bruder hingewiesen.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Juni 2018 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung ist statthaft und notwendig, weil die gleichzeitig erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 6. Juli 2018 zugestellt, womit die einwöchige Antragsfrist gem. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gewahrt ist.
Die sachgerechte Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) ergibt, dass sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht auf weitere Ziffern des angefochtenen Bescheids bezieht, weil er insoweit unzulässig wäre. Dem Antrag würde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung von einer Entscheidung zur Befristung unberührt bleibt (§ 34a Abs. 2 Satz 4 AsylG) und ein Interesse an einer sofortigen Entscheidung somit nicht erkennbar ist, die Klärung der Frage im Hauptsacheverfahren vielmehr ausreichend und – um die Hauptsache nicht unzulässigerweise vorwegzunehmen – allein möglich ist.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Interessensabwägung des Gerichts ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt. Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine maßgebliche Rolle. Die im Rahmen des Eilverfahrens durchgeführte Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Hauptsacheklage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) nämlich als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
a) Zunächst ist festzustellen, dass der Umstand, dass dem Kläger die Informationen nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) wohl nicht mündlich sondern nur schriftlich mittels eines Merkblattes (Bl. 18 der Behördenakte) erteilt wurden, vorliegend nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führt. Der Antragsteller kann sich, sofern hier tatsächlich von einem Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO auszugehen ist, hierauf nicht berufen.
Nach Art. 4 Abs. 1 Dublin III-VO ist ein Antragsteller über die Anwendung der Verordnung und besondere – in den lit. a) bis f) aufgeführte – Aspekte zu unterrichten, sobald ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Dies geschieht in der Regel schriftlich mittels eines Merkblattes, vgl. Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 Dublin III-VO. Für den Fall, dass es für das richtige Verständnis des Antragstellers notwendig ist, regelt Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO, dass die Informationen mündlich erteilt werden, wobei dies auch im Zusammenhang mit dem persönlichen Gespräch nach Art. 5 Dublin III-VO erfolgen kann.
Soweit der Antragsteller angibt, ein Analphabet zu sein, scheint es zwar zunächst denkbar, dass die Informationen mündlich hätten erteilt werden müssen. Aus der Niederschrift über das persönliche Gespräch im Sinne des Art. 5 Dublin III-VO geht nicht hervor, dass die in Art. 4 Abs. 1 Dublin III-VO aufgeführten Informationen vollständig mündlich erörtert wurden, womit auf den ersten Blick von einem Rechtsverstoß ausgegangen werden könnte. Allerdings ist es dem Antragsteller – auch unter Berücksichtigung seiner im Asylverfahren bestehenden Mitwirkungspflichten – nach Ansicht des Gerichts jedenfalls zumutbar, bei Übergabe entsprechender schriftlicher Dokumente, darauf hinzuweisen, dass er nicht lesen könne. Anders kann sich die Notwendigkeit einer mündlichen Informationserteilung für die handelnde Behörde nicht ergeben. Dem ist der Antragsteller in keiner Weise nachgekommen, weshalb das Bundesamt davon ausgehen durfte, dass dieser die ihm übergebenen Informationen richtig versteht.
Darüber hinaus liegt aber jedenfalls keine subjektive Rechtsverletzung des Antragstellers vor, da am 12. Juni 2018 das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates im Sinne des Art. 5 Dublin III-VO stattgefunden hat. Die in Art. 4 und 5 Dublin III-VO niedergelegten Verfahrensgarantien sollen gewährleisten, dass der Asylbewerber die für die Zuständigkeit des Mitgliedsstaats relevanten Gründe oder die Gründe, die z. B. zu einem Selbsteintritt nach Art. 17 Dublin III-VO führen können, im Verfahren darlegen kann (vgl. BVerfG B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – juris Rn. 20). Diesem Zweck wurde aber gerade durch das persönliche Gespräch mit dem Antragsteller entsprochen, in welchem sämtliche maßgebliche Zuständigkeitskriterien abgefragt wurden. Die vorherige Information nach Art. 4 Dublin III-VO soll lediglich dazu dienen, dem Antragsteller bereits vorab bewusst zu machen, welche Aspekte relevant werden können (vgl. Erwägungsgrund 17 und 18 der Dublin III-VO). Solange diese dann aber, wie auch vorliegend, Inhalt des persönlichen Gesprächs sind, vermag der alleinige Verstoß gegen Art. 4 Dublin III-VO keine subjektive Rechtsverletzung zu begründen.
b) Rumänien ist für die Behandlung des Asylgesuchs des Antragstellers zuständig. Die Zuständigkeit Rumäniens ergibt sich vorliegend aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO, da der Antragssteller aus einem Drittstaat kommend die Landgrenzen von Rumänien illegal überschritten hat und seit dem Tag des illegalen Grenzübertritts noch keine zwölf Monate verstrichen sind. Der illegale Grenzübertritt nach Rumänien wurde vorliegend aufgrund der am 4. April 2018 in Rumänien abgenommen Fingerabdrücke (EURODAC-Treffer) festgestellt. Auf die Frage, ob in Rumänien ein Antrag gestellt wurde kommt es insoweit nicht an.
Der Umstand, dass sich insbesondere der minderjährige Bruder des Antragsstellers gemeinsam mit diesem in Deutschland aufhält, vermag an dieser Zuständigkeit nichts zu ändern, da es sich insoweit nicht um einen Familienangehörigen i. S. d. Art. 2g) Dublin III-VO handelt und dementsprechend eine vorrangige Anwendung der Art. 9 bis Art. 11 Dublin III-VO nicht in Betracht kommt. Für den bereits volljährigen Antragsteller zählen als Familienmitglieder i. S. d. Art. 2g) Dublin III-VO nur ein Ehegatte oder ein nicht verheirateter Partner (erster Spiegelstrich) sowie etwaige minderjährige eigene Kinder (zweiter Spiegelstrich). Die Anwendung des dritten und vierten Spiegelstriches des Art. 2g) Dublin III-VO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da dies voraussetzen würde, dass es sich bei dem Antragsteller um einen minderjährigen Antragsteller bzw. Begünstigten internationalen Schutzes handelt. Beides ist im vorliegenden Verfahren des volljährigen Bruders jedoch gerade nicht der Fall.
Nach Art. 18 Abs. 1c) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) ist der zuständige Mitgliedstaat verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen hat und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder sich in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltstitel aufhält, wieder aufzunehmen. Selbst wenn man davon ausginge, dass Art. 18c) Dublin III-VO nicht den Fall der Fiktion der Rücknahme – die Erklärungen Rumäniens sprechen wohl für eine derartige Annahme – erfasst (was hier offenbleiben kann), ergibt sich im Ergebnis nichts anderes, da Rumänien dann nach Art. 18b) Dublin III-VO bzw. Art. 18a) Dublin III-VO zur Aufnahme des Antragstellers verpflichtet wäre.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 15. Juni 2018 ein Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Zwei-Monatsfrist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Rumänien gestellt. Rumänien hat mit Schreiben vom 27. Juni 2018 im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens seine Zustimmung zur Rückübernahme des Antragstellers fristgerecht nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erklärt.
c) Es liegen auch keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO oder Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO begründen, noch zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.
(1) Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 – NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegentreten kann (EuGH Gr. Kammer, U.v. 10.12.2013, C-394/12 – juris), erkennt das Gericht für Rumänien nicht. An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitäre Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 – juris).
Dies ist nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, insbesondere den regelmäßigen Berichten der Kommission der EU zur Bewertung des Dublin-Systems und des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017 nicht der Fall und wird nach der zu Rumänien ergangenen Rechtsprechung überwiegend nicht angenommen (vgl. VG Augsburg, B.v. 10.11.2017, Au 5 S 17.50352; VG Düsseldorf, B.v. 10.4.2017, 22 L 668/17.A; VG Bayreuth, B.v. 18.4. 2016, B 3 S 16.50026; VG Ansbach, B.v. 30.9.2015, AN 3 S 15.50375; VG Aachen, B.v. 17.8.2015, 8 L 607/15.A; VG Regensburg, U.v. 17.6.2015, RO 4 K 15.50311 – jeweils juris).
Die Antragstellerseite hat im Gerichtsverfahren insoweit auch keinen substantiierten Vortrag gemacht oder bei der Anhörung vor dem Bundesamt Tatsachen glaubhaft gemacht, die systemische Schwachstellen im rumänischen Asylverfahren belegen würden. Die Behauptungen des Antragstellers, dass ihm sein Mobiltelefon abgenommen und er verhaftet und geschlagen worden sei, sind pauschal und ohne jegliche Schilderung von Details und genaueren Umständen. Für das Gericht ergibt sich hieraus kein in sich stimmiger und nachvollziehbarer Sachverhalt. Darüber hinaus, hat der Antragsteller geschildert, dass die Situationen in verschiedenen Ländern passiert seien. Ein konkreter Bezug zum Mitgliedstaat Rumänien wird damit gerade nicht hergestellt. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Antragsteller eigenen Angaben zufolge die jeweiligen Länder seiner Reise (mit Ausnahme der Türkei) nicht kannte. Es bleibt damit offen, wo sich das Geschehen überhaupt abgespielt haben soll.
Für den Antragsteller sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung befürchten ließen. Insbesondere gehört er als junger und gesunder Mann nicht einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an.
(2) Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung des Antragstellers mit seinem Bruder verpflichtet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel den Antragsteller nicht von einem seiner Geschwister zu trennen, wenn dieser wegen einer schweren Krankheit auf die Unterstützung eines seiner Geschwister, dass sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen ist, sofern die familiäre Bindung bereits in Herkunftsland bestanden hat, eines der Geschwister in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besondere Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. VG Ansbach, B. v. 5.3.2015, AN 14 S 15.50026; VG München U.v. 6.5.2016, M 12 K 15.50793). Ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinem minderjährigen Bruder lässt sich vorliegend nicht feststellen. Der Antragsteller hat vielmehr nur angegeben, dass sich sein minderjähriger Bruder mit ihm in Deutschland befinde. Besondere Umstände, wie sie in Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO aufgezählt sind, wurden weder dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Allein der Umstand der Minderjährigkeit ist nicht ausreichend, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass der kleine Bruder des Antragstellers bereits 12 Jahre alt ist und es sich demnach nicht mehr um ein Kleinkind handelt. Darüber hinaus befindet sich auch noch ein weiterer volljähriger Bruder in Deutschland, dem bereits Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Die spricht ebenfalls gegen die Annahme einer Angewiesenheit im Sinne der Norm, da mit dem anderen Bruder noch ein anderes Familienmitglied zur Verfügung steht.
(3) Eine Veranlassung bzw. Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO bestand ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Es handelt sich hierbei um eine restriktiv anzuwendende Ausnahmebestimmung, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen müssen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern.
Die Entscheidung, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen nicht als hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintritts anzusehen, erscheint für das Gericht nicht ermessensfehlerhaft. Die Frage, inwieweit der Asylbewerber aus dieser Vorschrift überhaupt subjektive Rechte ableiten kann, braucht daher nicht entschieden werden (dies bejahend BayVGH, B.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50124 – juris Rn. 21 f.; VG Würzburg, B.v. 22.12.2014 – W 3 S 14.50126 – juris Rn. 19 ff.; a. A. VG Ansbach, B.v. 5.3.2015 – AN 14 S 15.50026 – juris Rn. 22). Eine besondere Beistandsgemeinschaft zwischen den Brüdern, die eine Eintrittspflicht begründen könnten, wurde weder substantiiert dargelegt noch ist eine solche erkennbar. Um Wiederholungen zu vermeiden ist auf obige Ausführungen zu verweisen. Die im weiten Ermessen der Antragsgegnerin stehende Entscheidung, vom Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen, ist daher nicht zu beanstanden (vgl. VG Ansbach, B.v. 5.3.2015, AN 14 S 15.50026).
d) Auch zielstaatsbezogene oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die einer Abschiebung nach Rumänien entgegenstünden, sind nicht erkennbar.
e) Nachdem Rumänien einer Rückübernahme des Antragstellers mit Schreiben vom 27. Juni 2018 zugestimmt hat und die Überstellungsfrist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) noch nicht abgelaufen ist, ist die Abschiebung derzeit auch durchführbar.
f) Ergänzend wird insgesamt auf die ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 31. Januar 2018 Bezug genommen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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