Europarecht

Erfordernis der Einleitung eines eigenständigen Zuständigkeitsverfahren für ein in der BRD nachgeborenes Kind – Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  23 ZB 19.32703

Datum:
10.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24968
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 162 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei der Bewertung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist auch eine durch das Nachgeben einer Partei bewirkte Herbeiführung des erledigenden Ereignisses einzubeziehen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 20 Abs. 3 S. 1 und 2 Dublin III-VO, wonach die Situation von Kindern eines Asylantragstellers, die nach dessen Ankunft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, untrennbar mit der Situation dieses Elternteils verbunden ist und in die Zuständigkeit desjenigen Mitgliedstaats fällt, der für die Prüfung des Antrags des Elternteils auf internationalen Schutz zuständig ist, kann auf den Asylantrag eines im Bundesgebiet nachgeborenen Kindes, dessen Eltern zuvor bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz erhalten haben, jedenfalls nicht in der Weise analog angewendet werden, dass es in dieser Fallkonstellation auch nicht der Einleitung eines eigenen Zuständigkeitsverfahrens für das Kind gem. Art. 20 Abs. 3 S. 2 Hs. 3 Dublin III-VO bedarf. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 12 K 19.30870 2019-06-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2019 ist wirkungslos geworden.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog). Das angegriffene Urteil ist wirkungslos geworden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO analog).
Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen zu entscheiden. Bei dieser Bewertung ist auch eine durch das Nachgeben einer Partei bewirkte Herbeiführung des erledigenden Ereignisses einzubeziehen (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2006 – 9 A 23.06 – juris; B.v. 11.1.2010 – 10 C 6.09 – juris; BayVGH, B.v. 2.2.2018 – 15 B 15.1220 – juris Rn. 3).
Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen aufzuerlegen. Zum einen hat das Bundesamt durch die im Wege der Abhilfe getroffene Feststellung das erledigende Ereignis herbeigeführt. Zum anderen ist weder aus dem streitgegenständlichen Bescheid noch aus den übersandten Akten ersichtlich, dass das Bundesamt binnen der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO genannten Fristen Italien um die Aufnahme des Klägers ersucht hat (vgl. Art. 21 Abs. 3 Dublin III-VO); eine etwaige Unterrichtung über die Geburt des Kindes reicht dazu nicht aus (BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 1 C 37.19 – juris; BVerwG, U.v. 25.5.2020 – 1 C 2.20). Denn Art. 20 Abs. 3 Satz 1 und 2 Dublin III-VO, wonach die Situation von Kindern eines Asylantragstellers, die nach dessen Ankunft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, untrennbar mit der Situation dieses Elternteils verbunden ist und in die Zuständigkeit desjenigen Mitgliedstaats fällt, der für die Prüfung des Antrags des Elternteils auf internationalen Schutz zuständig ist, kann auf den Asylantrag eines im Bundesgebiet nachgeborenen Kindes, dessen Eltern zuvor bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz erhalten haben, jedenfalls nicht in der Weise analog angewendet werden, dass es in dieser Fallkonstellation auch nicht der Einleitung eines eigenen Zuständigkeitsverfahrens für das Kind gemäß Art. 20 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz Dublin III-VO bedarf.
Angesichts der Kostenentscheidung zugunsten des Klägers und der Unanfechtbarkeit der Entscheidung ist eine Entscheidung über den gestellten Prozesskostenhilfeantrag entbehrlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 80 AsylG).


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