Europarecht

Erstreckung einer Fahrtenbuchauflage auf den Fuhrpark einer GmbH

Aktenzeichen  11 CS 20.3145

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2787
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVZO § 31a
BayVwVfG Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Rechtmäßigkeit einer Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf mehrere auf den Fahrzeughalter zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge ist maßgeblich, ob nicht aufklärbare Verkehrsverstöße nicht nur mit dem Tatfahrzeug, sondern auch mit anderen Fahrzeugen des Halters zu erwarten sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2585, BeckRS 2017,104600; B.v. 20.7.2009 – 11 CS 09.1258, BeckRS 2010, 53527). Insofern genügt eine abstrakte Wiederholungsgefahr (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen ihrer Prognose muss die Behörde ermitteln, ob die anderen Fahrzeuge des Halters etwa einem wechselnden Benutzerkreis mit der Folge zur Verfügung stehen, dass bei einem Verkehrsverstoß mit der Nichtfeststellbarkeit des Fahrers zu rechnen ist (BayVGH, B.v. 20.7.2009, BeckRS 2010, 53527). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 S 20.1614 2020-11-18 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 21.600,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Erstreckung einer für sofort vollziehbar erklärten Fahrtenbuchauflage auf ihren Fuhrpark.
Am 21. Februar 2020 wurde mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h um 47 km/h überschritten.
Mit Schreiben vom 26. März 2020 übersandte die zuständige Bußgeldbehörde des Regierungspräsidiums Kassel der Antragstellerin einen Zeugenfragebogen und bat um Mitteilung der Personalien und der Anschrift des verantwortlichen Fahrzeugführers. Hierauf erfolgte keine Reaktion. Mit einem Ermittlungsersuchen vom 24. April 2020 wandte sich die Bußgeldbehörde an das Ordnungsamt am Sitz der Antragstellerin, das jenes an den Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung Aschaffenburg und Umgebung (ZVAU) weiterleitete. Dieser teilte der Bußgeldbehörde mit Schreiben vom 14. Mai 2020 mit, die Ermittlungen durch den Außendienst seien negativ verlaufen. Vor Ort habe der Geschäftsführer trotz rechtlicher Belehrungen durch eine Mitarbeiterin die Aussage verweigert. Ausweislich der auf der Homepage der Firma befindlichen Fotos könnten zwei Mitarbeiter in Frage kommen. Private Anschriften dieser beiden Personen hätten jedoch nicht ermittelt werden können. Am 14. Mai 2020 hatte der Geschäftsführer der Antragstellerin auf dem Ermittlungsersuchen handschriftlich und gegen Unterschrift erklärt: „ich möchte keine Angaben machen, 14. Mai 2020“.
Nachdem am 21. Mai 2020 Verfolgungsverjährung eingetreten war, wurde das Bußgeldverfahren eingestellt und die Akte am 27. Mai 2020 zur Prüfung der Auferlegung eines Fahrtenbuchs an das Landratsamt Aschaffenburg abgegeben.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 räumte das Landratsamt der Antragstellerin die Gelegenheit zur Stellungnahme ein und bat um die Auflistung sämtlicher aktuell auf die Firma zugelassenen Fahrzeuge (Pkw) und die Angabe, welche Fahrzeuge einem festen Fahrer zugeordnet seien bzw. welche einem wechselnden Benutzerkreis zur Verfügung stünden. Sollte die Auflistung nicht fristgerecht eingehen, so werde man davon ausgehen, dass die auf die Firma zugelassenen Fahrzeuge von unterschiedlichen Personen gefahren würden, und behalte sich eine Ausweitung der Fahrtenbuchanordnung auf den gesamten Fuhrpark vor.
Hierauf antwortete der Bevollmächtigte der Antragstellerin unter dem 22. Juli 2020, dass derzeit insgesamt zwölf Fahrzeuge auf die Halterfirma zugelassen seien. Es gebe keine Fahrzeuge (mehr), die nicht einem festen Benutzer zugeordnet seien. Jedes Fahrzeug sei inzwischen dem einzelnen Mitarbeiter direkt zugeordnet, sodass eine Wiederholung eines solchen Vorfalls ausgeschlossen sei.
Das Landratsamt beanstandete mit E-Mail-Schreiben vom 17. September 2020, dass es nicht zu der angekündigten Rückmeldung des Bevollmächtigten gekommen sei, und teilte unter Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung und die fehlende Mitwirkung des Geschäftsführers mit, dass man an der beabsichtigten Fahrtenbuchauflage festhalte. Der Verkehrsverstoß wäre mit einer Regelbuße von 160,- EUR geahndet worden und hätte die Eintragung von zwei Punkten ins Fahreignungsregister nach sich gezogen. Es werde erneut um Übersendung einer Auflistung aller aktuell auf die Firma zugelassenen Pkw bis zum 25. September 2020 gebeten. Andernfalls werde nach Aktenlage entschieden.
Der Bevollmächtigte teilte noch am selben Tag mit, die E-Mail werde an die Antragstellerin weitergeleitet. Eine Rückmeldung erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2020 verpflichtete das Landratsamt die Antragstellerin gestützt auf § 31a StVZO und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, für die Zeit vom 1. November 2020 bis 31. Oktober 2021 ein Fahrtenbuch für alle zehn auf sie zugelassenen Personenkraftwagen zu führen, die im Einzelnen bezeichnet wurden, und erstreckte diese Verpflichtung auch auf zukünftig zugelassene Fahrzeuge und sämtliche Ersatzfahrzeuge. Diese Erstreckung sei legitim, da die Fahrzeuge einem wechselnden Benutzerkreis zur Verfügung stünden, auch wenn sie zwischenzeitlich fest zugeordnet seien. Hierzu könne auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 22. Januar 2015 – 3 L 22/15 – verwiesen werden. Nur durch die Einbeziehung aller von der Antragstellerin genutzten Fahrzeuge und der ihrer Verfügungsbefugnis unterstehenden Ersatzfahrzeuge (auch Leih- und Mietfahrzeuge) in die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs könne wirksam verhindert werden, dass der davon Betroffene diese zusätzlich auferlegte Pflicht umgehe und damit die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage als Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr im Falle mehrerer oder wechselnder Fahrzeuge eines Halters leerlaufe.
Gegen den Bescheid ließ die Antragstellerin am 28. Oktober 2020 durch ihren Bevollmächtigten Anfechtungsklage erheben, über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen.
Mit Schreiben vom 6. November 2020 im Klageverfahren erwiderte der Antragsgegner, die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf alle Fahrzeuge eines Halters sei nicht nur dann möglich, wenn es wiederholt zu unaufgeklärten Verkehrsverstößen mit verschiedenen Fahrzeugen des Halters gekommen sei, sondern bei Vorliegen einer erheblichen Tat auch dann, wenn aufgrund des Verhaltens des Halters und seiner Nutzungsgepflogenheiten auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen zu erwarten seien. Dies sei mit sämtlichen Fahrzeugen des Halters möglich. Die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf den Fuhrpark sei hier gerechtfertigt, da von Seiten der Geschäftsleitung bewusst die Aussage zum Fahrer verweigert worden sei. Man habe auch die Homepage zur Fahrerermittlung herangezogen, das Fahrerfoto aber nicht zuordnen können. Wenn es sich um eine abschließende Auflistung der Mitarbeiter handle, dann hätte der Geschäftsführer den Fahrer bei seiner Anhörung durch die ZVAU am 14. Mai 2020 benennen können müssen.
Mit Beschluss vom 18. November 2020 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung ab, die Voraussetzungen von § 31a Abs. 1 StVZO seien erfüllt. Vor dem Hintergrund einer unaufgeklärten erheblichen Tat und der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft des Geschäftsführers der Antragstellerin sei die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf sämtliche auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeuge (Fuhrpark) nicht zu beanstanden. Das Landratsamt habe sein Ermessen in noch ausreichendem Maß betätigt. Die Antragstellerin sei bereits mit dem Zeugenfragebogen vom 26. März 2020 gebeten worden, die Personalien und die Anschrift des verantwortlichen Fahrers mitzuteilen, und über ihre Auskunftspflichten auf der Rückseite des Bogens belehrt worden. Ihr Geschäftsführer habe trotz rechtlicher Belehrung die Aussage verweigert. Mit Anhörungsschreiben vom 16. Juni 2020 habe das Landratsamt die Antragstellerin gebeten, eine Auflistung sämtlicher aktuell auf die Firma zugelassenen Fahrzeuge zu übersenden und mitzuteilen, welche einem festen Fahrer zugeordnet seien bzw. einem wechselnden Benutzerkreis zur Verfügung stünden. Das Antwortschreiben vom 22. Juli 2020 habe nicht konkretisiert, welches Fahrzeug welchem Benutzer zugeordnet sei. Auf die erneute Bitte des Landratsamts um Übersendung einer Auflistung aller aktuell auf die Firma zugelassenen Pkw sei lediglich der Hinweis des Bevollmächtigten erfolgt, dass die E-Mail an die Antragstellerin weitergeleitet werde. Eine Rückmeldung sei jedoch nicht erfolgt. Somit habe das Landratsamt ausreichend versucht aufzuklären, ob es zu zukünftigen vergleichbaren Verkehrsverfehlungen mit anderen Fahrzeugen des Fahrzeughalters kommen könnte, bei dem der Fahrzeugführer ebenfalls nicht feststellbar sein könnte. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn von einer festen Zuordnung eines bestimmten Fahrers zu einem bestimmten Fahrzeug hätte ausgegangen werden können und eine dies gewährleistende Organisationsstruktur nunmehr vorhanden gewesen wäre, sodass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf den gesamten Fuhrpark nicht erforderlich gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht geschehen. Somit sei im Rahmen der zu stellenden Prognose zu Recht zu befürchten, dass es auch weiterhin zu Verkehrsverstößen mit anderen Fahrzeugen der Antragstellerin kommen werde, bei denen der Fahrzeugführer dann ebenfalls nicht festgestellt werden könne. Auch aus den Angaben auf der Homepage lasse sich keine weitere Differenzierung der Fahrzeuge ableiten. Die bloße unsubstantiierte Behauptung der Antragstellerin, es sei nunmehr jedem Fahrzeugführer ein festes Fahrzeug zugeordnet, genüge nicht, um die Prognose hinreichend sicher zu belegen. Mit der Angabe, die Fahrzeuge stünden weiterhin einem wechselnden Benutzerkreis zur Verfügung, auch wenn sie zwischenzeitlich fest zugeordnet worden seien, und mit der Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße vom 22. Januar 2015 habe das Landratsamt zu erkennen gegeben, dass es die Angaben der Antragstellerin nicht als ausreichend ansehe, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass vergleichbare Verkehrsverstöße mit anderen Fahrzeugen der Antragstellerin nicht mehr zu befürchten seien. Die maßgeblichen Ermessenserwägungen seien im Bescheid zu erkennen und auch ausreichend. Eine (zulässige) Ergänzung der Ermessenserwägungen sei gemäß § 114 Satz 2 VwGO im Schriftsatz vom 6. November 2020 im Klageverfahren erfolgt. Gleiches gelte für die Erstreckung auf jeweilige Ersatzfahrzeuge. Von einem Ersatzfahrzeug sei schon dann auszugehen, wenn der Betreffende die Verfügungsbefugnis und Kontrolle über das Fahrzeug in dem Sinne habe, dass er es selbst nutzen oder anderen zur Nutzung überlassen könne. Das Landratsamt habe die Ausübung seines Ermessens auch in diesem Sinne begründet und ausgeführt, durch die Erstreckung auf Ersatzfahrzeuge solle eine Umgehung der der Antragstellerin auferlegten Pflicht verhindert werden. Der Bevollmächtigte weise zwar zutreffend darauf hin, dass Fahrzeuge, die nicht an die Stelle der Nutzungsart des entfallenden Fahrzeugs träten, nicht als Ersatzfahrzeuge anzusehen seien. Welche dies hier sein könnten, könne jedoch mangels Angaben der Antragstellerin zur Zuordnung einzelner Fahrzeuge zu einem festen Nutzerkreis mit bestimmten Verwendungszwecken nicht festgestellt werden. Die Fahrtenbuchauflage sei auch (im Übrigen) nicht unverhältnismäßig und auch sonst nicht ermessensfehlerhaft.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sich ausdrücklich nur gegen die Ausdehnung der Fahrtenbuchauflage auf den gesamten Fuhrpark wendet. Die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Das Landratsamt habe insoweit auf die Schwere des Verkehrsverstoßes, auf dessen Nichtaufklärbarkeit und die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin abgestellt. Dies werde jedoch für die Verhängung jeder Fahrtenbuchauflage vorausgesetzt. Soweit das Verwaltungsgericht auf das Verhalten der Antragstellerin gegenüber dem Landratsamt abgestellt und aus der Beantwortung der behördlichen Fragen abgeleitet habe, dass weitere unaufklärbare Verstöße mit anderen Fahrzeugen befürchtet werden müssten, verkenne es die tatsächliche Fragestellung des Landratsamts und stütze die vorgenommene Prognose auf einen unrichtig angenommenen Sachverhalt. Die Erwägung des Gerichts, die Antragstellerin habe auf Frage des Landratsamts keine Angaben über die konkrete Zuordnung der jeweiligen Nutzer zum jeweiligen Fahrzeug gemacht, gehe über die ursprünglich an die Antragstellerin gerichtete Frage hinaus. Der Bevollmächtigte habe die Bitte vom 16. Juni 2020 dahingehend interpretiert, dass die Mitteilung aller zugelassenen Fahrzeuge und weiterhin die Mitteilung verlangt werde, welche Fahrzeuge einem festen Fahrer zugeordnet seien bzw. welche Fahrzeuge einem wechselnden Benutzerkreis zur Verfügung stünden. Diese Frage sei dahingehend beantwortet worden, dass sämtliche Fahrzeuge jeweils einem festen Mitarbeiter zugeordnet seien und es keine Fahrzeuge (mehr) gebe, die nicht fest zugeteilt seien. Das Landratsamt habe entgegen der gerichtlichen Interpretation nicht nach der Benennung der konkreten Nutzer der konkreten Pkw gefragt. Das Verwaltungsgericht habe seine Prognose damit auf die Antwort auf eine Frage gestützt, die in der behaupteten Form nicht gestellt worden sei. Ferner habe das Gericht seine Erwägungen unzulässigerweise darauf gestützt, dass die Antragstellerin der Bitte, sämtliche auf sie zugelassenen Fahrzeuge aufzulisten, nicht nachgekommen sei. Als Straßenverkehrsbehörde, die für die Zulassung aller auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeuge zuständig sei, verfüge der Antragsgegner bereits über die erbetene Information. Weshalb die unterbliebene Übersendung einer Auflistung, über die der Antragsgegner bereits verfüge, eine tragende Rolle spielen solle, erschließe sich nicht. Darüber hinaus seien keine Gründe genannt worden, die erkennen ließen, dass eine auf den gesamten aktuellen und zukünftigen Fuhrpark erstreckte Fahrtenbuchauflage erforderlich sei. Es sei weder davon auszugehen, dass es neben dem gegenständlichen Verstoß weitere Verstöße mit Fahrzeugen der Antragstellerin gegeben habe, noch davon, dass diese in sonstiger Weise ihre Pflichten als ordentlicher Kaufmann verletzt habe. Auch diese Tatsachen hätten bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden müssen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Erstreckung auf den gesamten Fuhrpark der sog. Regelfall sei, denn es bestünden abgestufte Handlungsmöglichkeiten, von einer schriftlichen Verwarnung bis über eine Fahrtenbuchauflage für sechs Monate oder zeitlich unbegrenzt, für ein Fahrzeug oder mehrere Fahrzeuge bis zur Erstreckung auf den gesamten Fuhrpark, was hier jedoch unverhältnismäßig sei.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde mit dem Vortrag entgegen, die bereits im Anhörungsschreiben vom 16. Juni 2020 geforderte und mit E-Mail-Schreiben vom 17. September 2020 erneut angemahnte Auflistung der auf die Firma zugelassenen Fahrzeuge sei nicht übermittelt worden und auch die in der E-Mail vom 17. September 2020 zugesicherte Rückmeldung nicht erfolgt. Auch wenn die Behörde die Zulassungsdaten von der Zulassungsstelle erhalten könne, habe aufgrund der beharrlich unterbliebenen Auskunft auf eine weiterhin unzureichende Kooperationsbereitschaft auch bei eventuell zukünftig erforderlich werdenden Fahrerermittlungen geschlossen werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin gegen die Erstreckung der Anordnung eines Fahrtenbuchs auf neun weitere Geschäftsfahrzeuge wendet, hat keinen Erfolg.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 bis 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben wäre.
Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. November 2019 (BGBl I S. 2015), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
Nachdem die Antragstellerin die Anordnung, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … ein Fahrtenbuch zu führen, ausdrücklich nicht angegriffen hat, geht es im Beschwerdeverfahren allein darum, ob die Erstreckung der Anordnung auf die restlichen Fahrzeuge der Antragstellerin ermessensgerecht und verhältnismäßig ist. Hiervon sind der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.
Nach der Rechtsprechung ist für die Rechtmäßigkeit einer Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf mehrere auf den Fahrzeughalter zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge maßgeblich, ob nicht aufklärbare Verkehrsverstöße nicht nur mit dem Tatfahrzeug, sondern auch mit anderen Fahrzeugen des Halters zu erwarten sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2585 – juris Rn. 18; B.v. 20.7.2009 – 11 CS 09.1258 – juris Rn. 19). Insofern genügt eine abstrakte Wiederholungsgefahr (vgl. OVG NW, B.v. 14.10.2020 – 9 A 2969/19 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 17.11.1997 – 10 S 2113/97 – NZV 1998, 126 = juris Rn. 5). Diese ist zum einen gegeben, wenn mit verschiedenen Fahrzeugen des Halters in der Vergangenheit bereits wiederholt nicht aufklärbare Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen und ggf. weitere Fahrtenbuchauflagen angeordnet worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 27.7.1970 – VII B 19.70 – Buchholz 442.15 § 7 StVO Nr. 6; BayVGH, jeweils a.a.O.; OVG Saarl, B.v. 7.2.2018 – 1 A 342/17 – DAR 2018, 226 = juris Rn. 14; NdsOVG, B.v. 2.11.2005 – 12 ME 315/05 – DAR 2006, 167= juris Rn. 6; OVG NW, U.v. 10.9.1997 – 25 A 4812/96 – NZV 1998, 176 = juris Rn. 3, 6; U.v. 7.4.1977 – XIII A 603/76 – juris Os. 3), im Falle einer erheblichen Verkehrszuwiderhandlung aber auch dann, wenn sonst aufgrund des Verhaltens des Halters und seiner Nutzungsgepflogenheiten einschlägige nicht aufklärbare Zuwiderhandlungen auch mit anderen Fahrzeugen zu erwarten sind (vgl. VGH BW, B.v. 14.1.2014 – 10 S 2438/13 – NZV 2014, 426 = juris Rn. 6; Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 21.1.2021, § 31a StVZO Rn. 65 f.), etwa wenn die Feststellung des Fahrers absichtlich vereitelt werden sollte (VGH BW, B.v. 14.1.2014 a.a.O.). Im Rahmen ihrer Prognose muss die Behörde folglich ermitteln, ob die anderen Fahrzeuge des Halters etwa einem wechselnden Benutzerkreis mit der Folge zur Verfügung stehen, dass bei einem Verkehrsverstoß mit der Nichtfeststellbarkeit des Fahrers zu rechnen ist (BayVGH, B.v. 20.7.2009 a.a.O.).
Hinsichtlich der Ermessenserwägungen gilt, dass an deren Darlegung desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je gravierender der Verkehrsverstoß des nicht zu ermittelnden Fahrers und je geringer die Mitwirkung des Fahrzeughalters waren (Siegmund in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 31a StVZO Rn. 80 m.w.N.). Denn das Interesse der Allgemeinheit, bei einer weiteren Zuwiderhandlung den Täter feststellen zu können, wächst, je schwerer dieser Verstoß wiegt (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14 – juris Rn. 20).
Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung des Landratsamts, das die Art der auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeuge ermittelt und festgestellt hat, dass mit jedem dieser Fahrzeuge eine Wiederholung eines gleichartigen Verkehrsverstoßes möglich wäre. Zwar wird allein aus den Gründen des Bescheids nicht hinreichend deutlich, weshalb es sich zu der Maßnahme entschlossen hat und insbesondere trotz der Mitteilung der Antragstellerin vom 22. Juli 2020, es gebe keine Fahrzeuge (mehr), die nicht einem festen Benutzer zugeordnet seien, der Meinung war, dass die Fahrzeuge weiterhin wechselnden Benutzern zur Verfügung stünden. Dazu gibt die nachfolgend zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße (B.v. 26.1.2015 – 3 L 22/15 – DAR 2015, 157 = juris Rn. 22 f.), der drei weitere unaufgeklärte Verkehrsverstöße mit Fahrzeugen des Halters, eine weitere Fahrtenbuchauflage und etliche Fahrzeuge ohne feste Zuordnung zugrunde lagen, wenig her. Nachdem allerdings erkennbar Ermessen ausgeübt worden war, hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Behörde ihre Erwägungen gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG i.V.m. § 114 Satz 2 VwGO mit dem Schreiben vom 6. November 2020 ergänzen konnte. Umstände, die beim Erlass des Bescheids noch nicht vorlagen, oder den Verwaltungsakt in seinem Wesen geändert oder den Betroffenen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt haben (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 89), sind hier nicht erkennbar. Die Erwägungen, dass es sich bei der – mit einer Regelbuße von 240,- EUR und einem Monat Fahrverbot zu ahndenden – Geschwindigkeitsüberschreitung, die die Eintragung von zwei Punkten ins Fahreignungsregister nach sich gezogen hätte (Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zur FeV i.V.m. § 1 BKatV i.V.m. Nr. 11 Anlage zur BKatV [Bußgeldkatalog], Nr. 11.1.8 der Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog), um eine erhebliche Tat bzw. einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß gehandelt habe, dass eine Wiederholung einer vergleichbaren Tat mit jedem auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeug möglich wäre und die Geschäftsleitung die Angabe des Fahrers bewusst verweigert habe, tragen die Entscheidung.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, das Landratsamt und das Verwaltungsgericht hätten die Prognose einer Wiederholungsgefahr auf der Grundlage eines unzutreffenden Sachverhalts getroffen. Denn das Verhalten der Antragstellerin im Anhörungsverfahren war nicht geeignet, die Annahme zu entkräften, es könne zu einer weiteren unaufgeklärten Verkehrszuwiderhandlung mit einem auf sie zugelassenen Fahrzeug kommen. Die in dem Anhörungsschreiben vom 16. Juni 2020 gestellte Forderung nach Mitteilung sämtlicher Fahrzeuge und die Frage, welche davon einem festen Fahrer zugeordnet seien, ist erkennbar rein formal bzw. in einer Weise beantwortet worden, die dem Landratsamt eine Aufklärung eines zukünftigen Verkehrsverstoßes mit einem bestimmten Fahrzeug nicht ermöglicht hätte. Denn die Antragstellerin hat lediglich eine nicht nachprüfbare unbelegte Behauptung in den Raum gestellt. Vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsführer eine ihm mögliche Mitwirkung bei der Aufklärung des Fahrers ohne rechtfertigenden Grund verweigert hatte und auch nicht erkennen ließ, ob sich an seiner Einstellung zu seinen Pflichten als Fahrzeughalter zwischenzeitlich etwas geändert hatte, konnte dies ersichtlich nicht genügen, um zu einer anderen Einschätzung zu gelangen. Dass es im Rahmen der Anhörung darauf ankam, der Annahme einer Wiederholungsgefahr entgegenzutreten, hatte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, wie aus dem Antwortschreiben vom 22. Juli 2020 eindeutig hervorgeht, auch erkannt. Jedenfalls hätte es der rechtlich beratenen Antragstellerin – nachdem das Landratsamt mit dem zweiten Schreiben vom 17. September 2020 zum Ausdruck gebracht hatte, dass ihm die Mitwirkung in der bisherigen Form nicht genügte, die nochmalige Beantwortung der ursprünglichen Frage verlangt und das nicht zustande gekommene Telefonat angemahnt hatte – nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben zumindest oblegen, zeitnah im Wege einer mündlichen oder schriftlichen Rücksprache zu klären, was konkret von ihr gefordert wurde. Nach alldem durfte das Landratsamt durchaus daran zweifeln, dass die Geschäftsleitung der Antragstellerin bei der Aufklärung etwaiger zukünftiger Verkehrsverstöße grundsätzlich mitwirkungsbereit wäre und rechtzeitige und ausreichende Mitteilungen machen würde. Damit war die Annahme einer abstrakten Wiederholungsgefahr gerechtfertigt.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf den lediglich zehn Fahrzeuge umfassenden Fuhrpark der Antragstellerin aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig sein könnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Bei einer Firma handelt sich bei einer Fahrtenbuchauflage um einen eher geringfügigen Eingriff, da ihr hiermit keine zeitintensiven zusätzlichen Pflichten auferlegt werden. Denn bei Firmenfahrzeugen entspricht es ohnehin sachgerechtem kaufmännischem Verhalten, auch Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Die Fahrtenbuchauflage verlangt der Antragstellerin somit nur unwesentlich mehr ab (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 11 ZB 16.2311 – juris Rn. 13; B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2585 – juris Rn. 18; B.v. 16.4.2015 – 11 ZB 15.171 – juris Rn. 12 jeweils m.w.N.).
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.11, 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei anders als im erstinstanzlichen Verfahren nur noch die Anordnung eines Fahrtenbuchs für neun Fahrzeuge Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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