Europarecht

Gesundheitsbezogene Aussage für einen speziell gerösteten Kaffee

Aktenzeichen  29 W 1562/19

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2020, 445
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 1924/2006 Art. 10 Abs. 3, Art. 13
UWG § 3a

 

Leitsatz

Bei der Aussage „Die Besonderheit unseres Kaffees liegt dabei in der Langzeit-Trommelröstung bei niedriger Temperatur, was die Röstungen außerdem sehr bekömmlich macht.“ handelt es sich um eine nicht spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

39 O 17156/19 2019-12-10 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 10.12.2019 in den Ziffern 1. und 2. aufgehoben.
II. Der Antragsgegnerin wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt für Kaffee, insbesondere für das Produkt „Der-Franz Espresso Crema“ Bio Kaffee mit der Angabe „bekömmlich“ zu werben, wenn dies geschieht wie in der nachfolgend eingelichteten Anlage A 1 wiedergegeben.
III. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Die Antragsgegnerin hat am 21.11.2019 auf www. .de das Produkt „Der-Franz Espresso Crema“ wie aus der im Tenor eingelichteten Anlage A1 ersichtlich beworben.
Nach Auffassung des Antragstellers bezieht sich die Angabe „bekömmlich“ in der Werbung auf den von der Antragsgegnerin beworbenen Kaffee und stellt eine nach Art. 10 VO (EG) 1924/2006 unzulässige gesundheitsbezogene Angabe dar.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 10.12.2019 zurückgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts werde in der Bewerbung nicht dem Kaffee als solchem, sondern einer besonderen Röstungsart „Bekömmlichkeit“ zugeschrieben. Für eine besondere Röstungsart könne aber kein Claim genehmigt werden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
Der Antragsgegnerin ist im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, wovon die Antragsgegnerin jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
1. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006).
a) Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG antragsbefugt.
b) Die streitgegenständliche Werbung der Antragsgegnerin ist gemäß Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006 unzulässig. Bei der Aussage „Die Besonderheit unseres Kaffees liegt dabei in der Langzeit-Trommelröstung bei niedriger Temperatur, was die Röstungen außerdem sehr bekömmlich macht.“ handelt es sich um eine nicht spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006. Gemäß Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006 sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffes oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogenen Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 VO (EG) 1924/2006 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO (EG) 1924/2006 ist eine „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.
Der Begriff „Zusammenhang“ ist weit zu verstehen. Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst zum einen jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Eine „gesundheitsbezogene Angabe“ liegt jedoch auch dann vor, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem Verzehr des Lebensmittels einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen (EuGH GRUR 2012, 1161 Rn. 34, 34 – Deutsches Weintor; BGH GRUR 2018, 1266 Rn. 34 – Bekömmliches Bier).
Die Wendung „bekömmlich“ stellt nach diesen Maßstäben eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO (EG) 1924/2006 dar. Der Begriff „bekömmlich“ wird, als „gesund“, „zuträglich“ und „leicht verdaulich“ verstanden. Er bringt bei einer Verwendung für ein Lebensmittel zum Ausdruck, das Lebensmittel werde gut vertragen und im Verdauungssystem gut aufgenommen (vgl. BGH GRUR 2018, 1266 Rn. 37 – Bekömmliches Bier). Dementsprechend versteht der Verkehr die streitgegenständliche Werbung vorliegend dahingehend, dass der beworbene Kaffee gut verträglich und leicht verdaulich ist.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Annahme einer gesundheitsbezogenen Angabe auch nicht entgegen, dass die „Bekömmlichkeit“ nicht dem Kaffee als solchem, sondern einer besonderen Röstungsart zugesprochen werde. Die Röstungsart als solche kann nicht „bekömmlich“ sein, sondern nur dazu führen, dass der Kaffee, der in dieser speziellen Art hergestellt wurde, „bekömmlich“ ist. Der Begriff „bekömmlich“ bezieht sich somit auf den beworbenen in besonderer Weise hergestellten Kaffee als solchen und somit auf ein Lebensmittel und so wird die Werbung auch vom Verkehr verstanden.
Da der nicht spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe „bekömmlich“ keine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 VO (EG) 1924/2006 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, ist die Werbung nicht zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Listen gemäß Art. 13 oder 14 der VO (EG) 1924/2006 noch nicht vollständig erstellt sind (BGH GRUR 2019, 1299 Rn. 16 – Gelenknahrung III).
c) Da Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006 dem Schutz des Verbrauchers dient, handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG.
2. Die Dringlichkeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist vorliegend nicht widerlegt.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 51 Abs. 2, Abs. 4 GKG, § 3 ZPO.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Streitfall, dem ein auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtetes Verfahren zu Grunde liegt, kein Raum (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).


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