Europarecht

Gewerbliche Sammlung von Alttextilien

Aktenzeichen  W 10 K 18.1146

Datum:
16.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28725
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 1013/2006 Art. 18
KrWG § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, § 18 Abs. 2 Nrn. 4 u 5, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2018 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der streitgegenständliche Untersagungsbescheid der Beklagten vom 30. Juli 2018 einschließlich der damit verbundenen Zwangsgeldandrohung und Kostenentscheidungen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gestützte Untersagungsverfügung ist materiell rechtswidrig, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 57, jeweils m.w.N.) nicht vorliegen. Nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG hat die zuständige Behörde die Durchführung einer nach § 18 Abs. 1 KrWG angezeigten privaten (gemeinnützigen oder gewerblichen) Sammlung zu untersagen, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben (Alternative 1) oder die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist (Alternative 2). Zu Unrecht stützt die Beklagte die Untersagung der klägerischen Sammlung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG darauf, dass entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Alttextilien nicht dargelegt sei (siehe dazu a)) und dass der Sammlung überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 17 Abs. 3 KrWG in der Gestalt einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers entgegenstünden, weil gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG dessen Planungssicherheit und Organisationsverantwortung durch die Sammlung der Klägerin im Zusammenwirken mit anderen privaten Sammlungen im Stadtgebiet der Beklagten wesentlich beeinträchtigt werde (siehe dazu b)). Des Weiteren kann die Untersagung auch nicht wegen Unzuverlässigkeit der Klägerin oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG gestützt werden (siehe dazu c)).
a) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG besteht die Überlassungspflicht für Abfälle aus privaten Haushaltungen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG nicht für (sortenreine) Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung (im Sinne der §§ 3 Abs. 23, 7 Abs. 2 und 3 KrWG) zugeführt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten entsprechen die Darlegungen der Klägerin in ihrer Sammlungsanzeige sowie den begleitenden Schreiben sowohl hinsichtlich der gesammelten Alttextilien als auch hinsichtlich der bei der Erfassung derselben in Containern durch sog. Fehlwürfe anfallenden sonstigen Abfälle den gesetzlichen Anforderungen.
Nach § 18 Abs. 2 KrWG sind der Anzeige einer gewerblichen Sammlung u.a. beizufügen eine Darlegung der innerhalb des angezeigten Zeitraums vorgesehenen Verwertungswege einschließlich der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Kapazitäten (Nr. 4) sowie eine Darlegung, wie die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Abfälle im Rahmen der Verwertungswege nach Nummer 4 gewährleistet wird (Nr. 5). Die ordnungsgemäße Darlegung erfordert somit nach der Konkretisierung durch die Rechtsprechung (1.) die nachvollziehbare Schilderung eines pauschalen Verwertungsweges sowie (2.) die namentliche Benennung des Entsorgungsunternehmens, an welches die Abfälle geliefert werden sollen und (3.) einen geeigneten Beleg, dass dieses Unternehmen willens und in der Lage ist, die Abfälle der Sammlung für den gesamten Sammlungszeitraum anzunehmen (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 5.15 – juris; BayVGH, U.v. 25.6.2018 – 20 B 17.2431 – juris Rn. 21 ff. in teilweiser Abkehr vom B.v. 23.5.2017, Az.: 20 ZB 15.1850 – juris; B.v. 3.6.2020 – 12 BV 15.777 – juris Rn. 41 ff.; B.v. 2.7.2020 – 12 B 16.2412 – juris Rn. 39 ff.).
Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat jeweils einen pauschalen Verwertungsweg hinsichtlich der gesammelten Alttextilien sowie der bei der Sammlung anfallenden sog. Fehlwürfe nachvollziehbar geschildert, indem sie angegeben hat, wohin die Abfälle nach der Leerung der Container jeweils verbracht werden und welche Behandlung diese im weiteren zeitlichen Ablauf jeweils erfahren. Dabei ist zu beachten, dass die von der Klägerin gesammelten Alttextilien grenzüberschreitend in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht werden sollen. Insoweit stellt die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen (EU-AbfallverbringungsVO) besondere Anforderungen auf, welche wegen des Anwendungsvorrangs unionsrechtlicher Rechtsvorschriften die Anforderungen des § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG teilweise überlagern und modifizieren (BayVGH, U.v. 25.6.2018 – 20 B 17.2431 – juris). Insoweit ist für die ordnungsgemäße Darlegung erforderlich, dass der Vertrag mit dem abnehmenden Unternehmen gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 1 EU-AbfallverbringungsVO vorgelegt wird (BayVGH, U.v. 25.6.2018 – 20 B 17.2431 – juris Rn. 23 ff.). Hierzu hat die Klägerin den mit der Firma T … am 1. November 2017 abgeschlossenen Abnahmevertrag gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 1 EG-AbfallverbringungsVO vorgelegt (Bl. 10/11 des Verwaltungsvorgangs). Dieser Vertrag ist gemäß seinem § 3 zunächst für ein Jahr ab Unterzeichnung gültig und verlängert sich jeweils um ein Jahr, soweit er nicht spätestens einen Monat vor Ablauf gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich gekündigt worden ist. Somit besteht aufgrund der automatischen Verlängerung eine Abnahmeverpflichtung der Vertragspartnerin der Klägerin für den gesamten Zeitraum der Sammlung. Dass die Möglichkeit einer Kündigung durch die Klägerin oder ihre Vertragspartnerin besteht, liegt in der Natur solcher Verträge. In einem solchen Falle wäre die Klägerin verpflichtet, einen Abnahmevertrag mit einem anderen Unternehmen abzuschließen beziehungsweise einen anderen abfallrechtskonformen Verwertungsweg sicherzustellen, anderenfalls die Sammlung von der Beklagten gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG zu untersagen wäre. Des Weiteren sind in § 2 des Vertrags die abzunehmenden Abfälle nach Art und Abfallschlüsselnummer benannt. In Ermangelung einer mengenmäßigen Begrenzung ist somit davon auszugehen, dass die Annahme der gesamten Menge an gesammelten Alttextilien für die gesamte Geltungsdauer des Vertrags vereinbart ist. Des Weiteren ist in § 1 eine RücknahmeVerwertungs-, und Zwischenlagerungsverpflichtung der Klägerin beziehungsweise der Vertragspartnerin für den Fall vereinbart, dass die Verbringung oder Verwertung der erfassten Abfälle nicht in der vorgesehenen Weise abgeschlossen werden kann oder dass sie als illegale Verbringung durchgeführt wurde.
Ob zur Erfüllung der Darlegungspflicht darüber hinaus auch das Formblatt gemäß Anhang VII der EG-AbfallverbringungsVO vorgelegt werden muss, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. So geht der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 25.6.2018 – 20 B 17.2431 – juris Rn. 23 ff.) davon aus, dass das ausgefüllte Formblatt vorzulegen ist. Dem gegenüber hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (U.v. 20.11.2018 – 20 A 953/17 – juris Rn. 33 ff.) entschieden, dass für eine ordnungsgemäße Darlegung der Verwertungswege bei der grenzüberschreitenden Verbringung in andere EU-Mitgliedstaaten die Vorlage des Formblatts nicht erforderlich ist. Da das Formblatt gemäß Art. 18 Abs. 1 EG-AbfallverbringungsVO erst bei dem konkreten Vorgang der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen von Versender und Empfänger auszufüllen ist, kann es vor einer Aufnahme der Sammlungstätigkeit und erstmaligen Verbringung der gesammelten Abfälle in den anderen Mitgliedstaat nicht vorgelegt werden (so zutreffend OVG NW a.a.O., Rn. 35). Dagegen lag das Formblatt in dem vom BayVGH entschiedenen Fall tatsächlich vor (vgl. BayVGH a.a.O., Rn. 4), da die Sammlungstätigkeit gemäß § 18 Abs. 7 KrWG (sog. Bestandssammlung) bereits aufgenommen worden war. Deshalb kam es dort nicht auf die Frage an, wie bei Nichtvorlage des Formblatts wegen noch nicht aufgenommener Sammlungstätigkeit zu entscheiden wäre. Da die vorliegend angezeigte Sammlungstätigkeit der Klägerin im Stadtgebiet der Beklagten offenbar noch nicht begonnen wurde (und wegen des angeordneten Sofortvollzugs der Untersagung auch nicht aufgenommen werden darf), kann die Klägerin noch kein ausgefülltes Formblatt nach Anhang VII der EG-AbfallverbringungsVO vorlegen, weshalb etwas Unmögliches von ihr nicht gefordert werden darf (Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG). Ausreichend ist deshalb jedenfalls, dass die Klägerin neben dem Abnahmevertrag gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 1 EG-AbfallverbringungsVO eine schriftliche Bestätigung der Abnahmebereitschaft durch die Vertragspartnerin vorgelegt hat (Bl. 24 des Verwaltungsvorgangs).
Ebenso ausreichend ist die Darlegung des Verwertungsweges und der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung hinsichtlich der sog. Fehlwürfe. Insoweit genügt es, dass die Klägerin mit der Erklärung, dass die sortenfremden (sonstigen) Abfälle nach Entleerung der Container, Aussortieren und Übergabe an das abnehmende Unternehmen von diesem der energetischen Verwertung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG zugeführt werden, einen pauschalen Verwertungsweg nachvollziehbar geschildert hat. Des Weiteren hat sie die Abnahmebereitschaft des namentlich genannten Abnehmers durch Vorlage des Abnahmevertrags vom 22. November 2006 (Bl. 17 des Verwaltungsvorgangs) sowie von Lieferscheinen und Rechnungen desselben belegt.
b) Der klägerischen Sammlung stehen auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen. Solche überwiegenden öffentlichen Interessen stehen einer gewerblichen Sammlung (unter anderem) dann entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von ihm beauftragten Dritten gefährdet (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG). Dabei ist nach der (widerlegbaren) Regelvermutung des § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG eine Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des Drittbeauftragten anzunehmen, wenn die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird, wobei Letzteres gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG insbesondere anzunehmen ist, wenn (Nr. 1) Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der Drittbeauftragte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt oder (Nr. 2) die Gebührenstabilität gefährdet wird oder (Nr. 3) die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird. Die Vermutungen nach Nummern 1 und 2 gelten jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG nicht, wenn die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder von dessen Drittbeauftragten bereits angebotene oder konkret geplante Leistung.
Zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verwaltungsrechtsstreits ist unstreitig, dass der öffentliche-rechtliche Entsorgungsträger im Stadtgebiet der Beklagten eine haushaltsnahe beziehungsweise sonstige hochwertige Sammlung von Alttextilien anbietet (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 24). Des Weiteren kann offenbleiben, ob im Vergleich dazu das von der Klägerin angebotene System wesentlich leistungsfähiger ist, weil vorliegend bereits die Regelvermutung des § 17 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 Nr. 1 KrWG widerlegt ist. Denn die in der Rechtsprechung angenommene Irrelevanzschwelle von 10 bis 15% der Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht überschritten.
Maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG wesentlich beeinträchtigt wird, sind die konkreten Auswirkungen auf dessen ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung. Denn die widerlegliche Vermutung des § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG ist bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung (vgl. Art. 106 Abs. 2 AEUV) nur dann gerechtfertigt, wenn damit die Untersagung gewerblicher Sammlungen auf das Maß beschränkt wird, das zur Verhinderung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung erforderlich ist (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 11; U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 35 ff., 50, 51; BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 30 ff.; B.v. 11.1.2018 – 20 ZB 17.1916 – juris Rn. 19 ff.; U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 26 ff.). Dazu sind die Auswirkungen der von der Klägerin angezeigten gewerblichen Sammlung im Zusammenwirken mit anderen gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen auf die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu erzielende Sammelmenge zu betrachten (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 52 ff.; U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 12 ff.). Die Regelvermutung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG ist dabei in der Regel widerlegt, wenn dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch die gewerbliche Sammlung im Zusammenwirken mit anderen privaten – auch gemeinnützigen – Sammlungen nicht mehr als 10 bis 15% des gesamten zu erwartenden Sammelaufkommens entzogen werden (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 59; U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 34). Ist die Irrelevanzschwelle überschritten, so verbleibt es ohne weitere Prüfung bei der Regelvermutung; wird der Schwellenwert hingegen nicht überschritten, so ist die Regelvermutung widerlegt, wenn nicht besondere Umstände im Einzelfall eine andere Entscheidung gebieten (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 60; U.v. 11.7.2017 – 7 C 35.15 – juris Rn. 28; U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 12).
Diese Prüfung ist in zwei Schritten (BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 31 f.; U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 28 f.) beziehungsweise auf drei Prüfungsebenen (BayVGH, B.v. 15.6.2020 – 12 B 17.1792 – juris Rn. 62; B.v. 2.7.2020 – 12 B 16.2412 – juris Rn. 81) vorzunehmen:
In einem ersten Schritt (bzw. 1. Prüfungsebene) ist der status quo zu ermitteln, d.h. der Anteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers am Gesamtaufkommen der Sammlungen, wobei dieser Anteil durch bereits rechtmäßig durchgeführte Sammlungen mitgeprägt wird. Insbesondere sind dabei auch die gemeinnützigen Sammlungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrWG einzubeziehen. In Ermangelung einer monatsweisen oder gar auf einen noch kürzeren Zeitraum bezogenen Erfassung ist bei dieser Ermittlung des status quo auf die Sammelmengen des jeweils vorausgegangenen, abgeschlossenen Kalenderjahres abzustellen, im vorliegenden Falle also auf das Jahr 2019. Nach der vorgelegten Aufstellung der Beklagten, welcher die Klägerin nicht substantiiert entgegentritt, wurden im Jahr 2019 im Stadtgebiet insgesamt 538,203 t (Tonnen) Alttextilien gesammelt, wovon 58,123 t auf gewerbliche und 64,33 t auf gemeinnützige Sammler entfielen. Der Sammelmenge auf Seiten der privaten Sammler (gewerblich und gemeinnützig) von somit insgesamt 122,45 t steht eine Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von 415,75 t gegenüber. Dies ergibt vorliegend einen Marktanteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von 77,25% am Gesamtaufkommen der Sammlungen im Jahr 2019.
Anschließend ist eine Prognose der anstehenden Veränderungen durch weitere künftig hinzutretende private Sammlungen vorzunehmen (2. Prüfungsebene) und sind deren voraussichtliche Auswirkungen auf die Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu betrachten und zu bewerten (3. Prüfungsebene). Somit sind die (zusätzlichen) privaten Sammelmengen den tatsächlichen beziehungsweise aufgrund – hier aber nicht dargelegter – konkreter Planungen erwarteten Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüberzustellen und in einem Prozentsatz auszudrücken (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 58; U.v. 11.7.2017 – 7 C 35.15 – juris Rn. 32; U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 17).
In die Prognose der anstehenden Veränderungen sind neben der streitgegenständlichen Sammlung der Klägerin auch solche privaten Sammlungen einzustellen, welche angezeigt und sofort vollziehbar, aber noch nicht bestandskräftig untersagt sind, weil die durch sie zu erwartende Zusatzbelastung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erst mit der Bestandskraft der Untersagung entfällt (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris; U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 31; B.v. 15.6.2020 – 12 B 17.1792 – juris Rn. 62; B.v. 2.7.2020 – 12 B 16.2412 – juris Rn. 81). Nicht zu berücksichtigen sind dagegen Sammlungen, welche vor Jahren angezeigt, aber weder untersagt noch durchgeführt wurden (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 31). Denn in einer solchen Situation liegt die Vermutung nahe, dass der betreffende Sammler von seinem Vorhaben – aus welchen Gründen auch immer – Abstand genommen hat. Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles kann dann von einem Zusammenwirken keine Rede mehr sein (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 31).
Angesichts dessen spricht im vorliegenden Falle viel dafür, dass es sich bei der Sammlung des Sammlers 6 mit einer im Jahr 2014 angezeigten Sammelmenge von 6 t/a (Tonnen pro Jahr) in der Aufstellung der Beklagten, welche nicht untersagt ist, aber auch nicht durchgeführt wird, um eine solche „Geistersammlung“ handelt. Folglich wäre diese bei der Prognose der anstehenden Veränderungen nicht mehr zu berücksichtigen. Letztlich kann dies aber offenbleiben, weil sich auch eine Berücksichtigung dieser Sammlung nicht auf das Ergebnis der rechtlichen Prüfung auswirkt. Auf Seiten der angezeigten und sofort vollziehbaren, aber noch nicht bestandskräftig untersagten privaten Sammlungen sind daher zunächst die Sammlung der Klägerin mit der angezeigten Menge von 10 t/a sowie die Sammlung des Sammlers 13 mit einer Menge von 16 t/a einzubeziehen. Hinsichtlich Letzterer hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 18. Oktober 2018 (Az. 20 B 16.2002, juris) die Untersagungsverfügung der Beklagten aufgehoben, die hiergegen von der Beklagten eingelegte Revision hat das Bundesverwaltungsgericht inzwischen mit Urteil vom 8. Juli 2020 (Az. 7 C 30.18, juris) zurückgewiesen, sodass die Untersagungsverfügung rechtskräftig aufgehoben ist und mit der Aufnahme der Sammeltätigkeit jederzeit zu rechnen ist. Damit ist auf Seiten der privaten Sammler also im Falle der Aufhebung der gegenüber der Klägerin ergangenen sofort vollziehbaren Untersagung mit einer Zunahme der Sammeltätigkeit im Umfang von 26 t/a beziehungsweise – bei Einbeziehung des Sammlers 6 – von 32 t/a zu rechnen.
Bei der Prognose und Bewertung der Auswirkungen des Marktzutritts der klägerischen sowie weiterer Sammlungen ist davon auszugehen, dass eine oder mehrere neu hinzutretende Sammlung(en) sich nicht allein zu Lasten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, sondern aller vorhandenen (privaten und öffentlich-rechtlichen) Sammlungen auswirkt beziehungsweise auswirken (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 15 unter Abkehr von der bisherigen Rspr.; BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 35). Zu ermitteln ist also zunächst, wie groß der auf den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entfallende Anteil der neu hinzutretenden Sammlungen ist. Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass sich die neu hinzukommenden privaten Sammlungen mit einem Anteil von 24,72 t/a (77,25% von 32 t) beziehungsweise bei Außerachtlassen des Sammlers 6 mit einem Anteil von 20,08 t/a (77,25% von 26 t) auswirken.
Des Weiteren kommt es bei der Prognose nicht allein auf die Auswirkungen auf den bisherigen Marktanteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, mithin auf dessen Verringerung durch den Hinzutritt eines oder mehrerer weiterer Sammler an. Zu betrachten sind vielmehr die Einbußen in der tatsächlichen (bisherigen) Sammelmenge des Entsorgungsträgers (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 17 ff. entgegen BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 35). Denn ein Rückgang um einen bestimmten (angenommenen) Prozentsatz kann unterschiedliche Auswirkungen auf die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers haben, je nachdem, auf welche Sammelmenge er sich eingestellt hat und welche Einbußen er damit ohne gravierende Anpassungen seiner bereits ins Werk gesetzten Entsorgungsstrukturen hinnehmen kann. Dem gegenüber darf es nicht darauf ankommen, wie sich der Anteil der privaten Sammler an dem Gesamtaufkommen verändert, weil die „Irrelevanzschwelle“ ausschließlich ein Mittel zur Bewertung zusätzlicher Belastungen für bedarfsgerecht auf die zu erwartenden Sammelmengen ausgerichteten Entsorgungsstrukturen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist. Maßgeblich ist die Überlegung, dass diese Entsorgungsstrukturen sich auf die Auswirkungen bereits rechtmäßig durchgeführter Sammlungen Privater typischerweise bereits eingestellt haben. Das schließt es aus, ein Überschreiten der Irrelevanzschwelle danach zu beurteilen, ob bezogen auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die gesamte Sammelmenge der schon rechtmäßig durchgeführten und noch anstehenden privaten Sammlungen den Schwellenwert von mindestens 10% der Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erreicht (BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 37; B.v. 15.6.2020 – 12 B 17.1792 – juris Rn. 70; B.v. 2.7.2020 – 12 B 16.2412 – juris Rn. 89; OVG NW, U.v. 20.11.2018 – 20 A 953/17 – juris Rn. 54).
Gemessen daran stellen sich die zu prognostizierenden Auswirkungen im vorliegenden Falle wie folgt dar: Nach der vom Bundesverwaltungsgericht praktizierten Berechnungsmethode ist der Anteil der neu hinzutretenden Sammlungen, welcher auf den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger – entsprechend seinem bisherigen Marktanteil von 77,25% – entfällt, den tatsächlichen Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüberzustellen und in einem Prozentsatz auszudrücken, mithin in ein Verhältnis zur bisherigen Sammelmenge zu setzen. Danach ergibt sich nach der zutreffenden Berechnung der Beklagten eine zu erwartende Einbuße beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger um 5,946% (24,72 t: 4,157 [1% von 415,75 t = bisherige Sammelmenge des örE]) und mithin weit unter der Irrelevanzschwelle von 10 bis 15%. Damit ist die Regelvermutung des § 17 Abs. 3 Satz 2, 3 Nr. 1 KrWG widerlegt. Ließe man die Sammlung Nr. 6 außer Betracht, verringerte sich dieser Prozentsatz sogar noch weiter. Im Übrigen ergäbe sich auch bei Anwendung der bisher vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof praktizierten Berechnungsmethode, welche den prozentualen Rückgang des Marktanteils des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers betrachtet, ein Rückgang um nur etwa 4,6% (391 t [= zu erwartende Sammelmenge des örE] : 5,38203 [1% von 538,203 t = Gesamtaufkommen]) und damit ebenfalls weit unter der Irrelevanzschwelle.
Besondere Umstände, welche trotz des deutlichen Unterschreitens der Irrelevanzschwelle ein Aufrechterhalten der Regelvermutung rechtfertigen würden, sind weder von der Beklagten vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.
c) Lässt sich somit die Untersagungsverfügung nicht auf die von der Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage stützen, so hat das Gericht in dem von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gezogenen Rahmen auch zu prüfen, ob der angegriffene Verwaltungsakt auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann (BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 21 m.w.N.). Die Untersagungsverfügung lässt sich jedoch auch nicht auf eine Unzuverlässigkeit der Klägerin oder der für die Leitung oder Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG stützen. Die in der Behördenakte (Bl. 45) vorhandene Mitteilung der für den Betriebssitz der Klägerin zuständigen Staatsanwaltschaft Augsburg über die Einstellung eines Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer der Klägerin wegen unerlaubten Betreibens von Anlagen (§ 327 StGB) nach § 153a StPO vermag die Prognose der Unzuverlässigkeit nicht zu rechtfertigen. Weitere tatsächliche Anhaltspunkte für ein Verhalten der für die Leitung oder Beaufsichtigung der Sammlung der Klägerin verantwortlichen Personen in der Vergangenheit, welches – auch in der Zusammenschau mit dem vorgenannten Umstand – gegebenenfalls eine negative Zuverlässigkeitsprognose rechtfertigen würde, sind weder von der Beklagten vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.
Bei einer gewerblichen Sammlung im Sinne des § 3 Abs. 18 KrWG kann als Maßstab der Zuverlässigkeitsprüfung § 35 GewO herangezogen werden. In Anlehnung daran ist unzuverlässig, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens prognostisch keine Gewähr dafür bietet, dass er die in Rede stehende Tätigkeit in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 39; jeweils m.w.N.; dezidiert ablehnend: BayVGH, B.v. 3.6.2020 – 12 BV 15.777 – juris Rn. 61; B.v. 15.6.2020 – 12 B 17.1792 – juris Rn. 45). Offenbleiben kann dabei im vorliegenden Falle, welche Relevanz solchen Rechtsverstößen zukommt, welche sich nicht oder nur mittelbar auf das Schutzgut der Umwelt bei der Bewirtschaftung von Abfällen beziehen, wobei hinsichtlich gewerblicher Abfallsammlungen – rein faktisch – besonders Verstöße gegen straßenrechtliche Vorschriften oder privatrechtliche Bestimmungen über die Nutzung von Grundstücken zum Aufstellen von Sammelcontainern thematisiert werden (für Berücksichtigung solcher Verstöße: BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 22 mit klarstellender Abgrenzung gegenüber BVerwG, U.v. 1.10.2015 – 7 C 8.14 – juris Rn. 28 ff., 31; dezidiert gegen die Berücksichtigung: BayVGH, B.v. 15.6.2020 – 12 B 17.1792 – juris Rn. 34 unter Anschluss an Nds OVG, B.v. 15.8.2013 – 7 ME 62/13 – juris RN. 9; VGH BW, B.v. 5.5.2014 – 10 S 30/14 – juris Rn. 15; differenzierend nach der Stärke des Bezugs zum Schutzgut Umwelt: BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 39). Denn bei dem hier inmitten stehenden Rechtsverstoß geht es um eine Verletzung umweltrechtlicher Vorschriften, nämlich des präventiven Genehmigungsvorbehalts für den Betrieb umweltrelevanter Anlagen. Somit kann vorliegend auch ohne Kenntnis des einschlägigen Rechtsregimes, welchem die betreffende, illegal betriebene Anlage unterworfen war (Kreislaufwirtschaftsgesetz oder Bundes-Immissionsschutzgesetz?), ein Verstoß gegen Vorschriften zugrunde gelegt werden, welche jedenfalls einen starken, wenngleich nicht zwingend unmittelbaren, Bezug zum Umweltschutz bei der Bewirtschaftung von Abfällen aufweisen.
Des Weiteren kann nach der Rechtsauffassung der Kammer im Ergebnis offengelassen werden, wie weit der räumliche Kreis der erforderlichen abfallbehördlichen Ermittlungen bei der Prüfung einer Sammlungsuntersagung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG zu ziehen ist (gegen eine räumliche Begrenzung auf das Gebiet der Sammlung: BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 30.18 – juris Rn. 24; offenlassend: BayVGH, U.v. 18.10.2018 – 20 B 16.2002 – juris Rn. 40 ff.; für sachliche Beschränkung auf rein sammlungsbezogene Gesichtspunkte: BayVGH, B.v. 3.6.2020 – 12 BV 15.777 – juris Rn. 50 ff.; B.v. 15.6.2020 – 12 B 17.1792 – juris Rn. 47 ff.). Denn der hier allein in Rede stehende Rechtsverstoß reicht gerade auch in Anbetracht des mit einer Untersagung bewirkten gravierenden Grundrechtseingriffs (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) für eine Prognose der künftigen Unzuverlässigkeit der Klägerin beziehungsweise deren Geschäftsführers nicht aus. Zwar handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 327 StGB nicht „lediglich“ um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um eine Straftat. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber einer solchen Tat einen höheren Unrechtsgehalt als einem Verstoß gegen einen Bußgeldtatbestand beimisst. Des Weiteren ergibt sich aus der mitgeteilten strafprozessualen Vorschrift des § 153a StPO, auf welche die Staatsanwaltschaft Augsburg die Einstellung des Strafverfahrens stützt, dass dieses nicht wegen eines Mangels an Beweisen oder an einem strafbewehrten Verhalten (§ 170 Abs. 2 StPO), mithin nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (Legalitätsprinzip) eingestellt wurde. § 153a StPO betrifft vielmehr – neben § 153 StPO – den Fall, dass die Strafverfolgungsbehörde in Anwendung des sog. Opportunitätsprinzips einen dem Beschuldigten zur Last gelegten Sachverhalt zwar für erwiesen und strafbar hält, aber aus Gründen der Geringfügigkeit von einer Anklageerhebung absieht beziehungsweise – im Falle schon erhobener Anklage – eine Verurteilung nicht für erforderlich hält. Es wird somit immerhin davon ausgegangen, dass ein strafbares Verhalten vorliegt und dass – anders als bei der Einstellung nach § 153 StPO – Auflagen und Weisungen erforderlich sind, um dem Strafzweck der Spezialprävention gerecht zu werden. Dennoch kommt in einer Einstellung wie der hier inmitten stehenden zum Ausdruck, dass die Schuld und damit der Unrechtsgehalt des den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden Verhaltens als weniger gravierend angesehen werden und das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung zurücktritt, weshalb eine Anklageerhebung beziehungsweise Verurteilung nicht für erforderlich gehalten wird. Des Weiteren liegt, soweit ersichtlich, nur dieser eine Verstoß gegen relevante Strafvorschriften vor.
Somit kann dem Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der Zuverlässigkeitsprognose lediglich ein einmaliger, weniger gravierender Verstoß gegen umweltrechtliche Vorschriften zur Last gelegt werden. Hinzu kommt, dass im Rahmen einer Zuverlässigkeitsprognose nicht allein das Verhalten in der Vergangenheit herangezogen werden darf. Vielmehr ist zu fragen, ob dieses Verhalten die Annahme rechtfertigt, dass der Betroffene künftig nicht die Gewähr dafür bietet, die den Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit bildenden Rechtsvorschriften zu beachten. Relevant ist somit auch, ob das Verhalten nach der betreffenden Tat zum Ausdruck bringt, dass der Betroffene seien Einstellung zur Rechtsordnung nachhaltig geändert hat und somit dauerhaft und nicht nur situativ die relevanten Rechtsvorschriften beachtet. Aufgrund der Einmaligkeit des Verstoßes und der verhängten Auflagen und Weisungen sowie in Ermangelung weiterer das Gesamtbild zu Lasten der Klägerin prägender Vorfälle geht die Kammer davon aus, dass der Geschäftsführer der Klägerin sich das Strafverfahren zur Warnung hat dienen lassen und künftig nicht mehr gegen umweltrechtliche oder andere für die Sammlungstätigkeit relevante Rechtsvorschriften verstoßen wird.
2. Ist die Untersagungsverfügung in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides aufzuheben, so wird die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Ziffer 2 desselben gegenstandslos. Des Weiteren fehlt es an einem für die Androhung und Anwendung des Verwaltungszwangs gemäß Art. 19 Abs. 1 VwZVG erforderlichen wirksamen und vollziehbaren Grundverwaltungsakt, weshalb auch die Zwangsgeldandrohung unter der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben ist. In der Folge fehlt es auch an einem rechtmäßigen Verwaltungshandeln als Grundlage der Kostenentscheidungen gemäß Art. 16 Abs. 5 BayKG (Ziffern 4 und 5 des Bescheides), die deshalb ebenfalls der Aufhebung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit derselben aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.


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